[Schiff] Pegasus

  • I. Eintrag


    OSTIA, ANTE DIEM IV ID NOV DCCCLV A.U.C. (10.11.2005/102 n.Chr.)
    Nach mehrwöchiger Reparaturzeit ist die Pegasus wieder seeklar. Es wurden alle Planken unterhalb der Wasserlinie erneuert und der Rumpf komplett kalfatert. Dazu kommen eine neue Maststenge und ein neues Hauptsegel. Die Ladung ist bereits gestaut und wir nehmen heute den letzten Proviant und Frischwasser an Bord. Mit einsetzender Ebbe laufen wir morgen früh aus. Ich hoffe auf Mercurs Gunst und das uns Neptun mit seinem Zorn verschonen wird.


    VARRO

  • Nach dem Befehl „Los die Leinen.“, stemmten sich vier Männer mit langen Stengen gegen die Pier. Mit vor Anstrengung roten Gesichtern machten sie die Pegasus frei. Dann kamen die Riemen und es war eine mühselige Plackerei, dass schwerfällige, zum Segeln gemachte Boot aus dem Hafen zu bringen. Als sie endlich die Insel passiert hatten, die dem Hafen vorgelagert war, erlöste sie eine leichte Briese, die das Segel blähte. Die Pegasus nahm Fahrt auf.
    „Kurs Süd-Süd-West!“, gab Varro den Befehl, als genug Geschwindigkeit für Ruderwirkung erreicht war. Sein letzter Blick galt dem Hafen von Ostia, der hinter ihnen nun stetig kleiner wurde.

  • II. Eintrag


    AUF SEE,
    ANTE DIEM XVIII KAL DEC DCCCLV A.U.C. (14.11.2005/102 n.Chr.)
    Wir sind den vierten Tag auf See und Neptun meint es gut mit uns. Seit unserem Auslaufen aus Ostia haben wir überwiegend achterlichen Wind und machen ständig 3 Knoten Fahrt. Im Norden sind die Ausläufer eines Sturms zu erahnen, doch wir erleben nicht mehr als eine leicht kabbelige, aufgeraute See. Unsere Etmale sind jeden Tag kaum geringer als 80 römische Meilen. Erst jetzt, wo wir die Nordküste Sicilias erreicht haben, hat der günstige Wind etwas nachgelassen. Zur heutigen Mittagsstunde werden wir trotzdem schon auf Höhe Panhormus stehen. Der Kurs ist West.


    VARRO

  • III. Eintrag


    AUF SEE,
    ANTE DIEM XVI KAL DEC DCCCLV A.U.C. (16.11.2005/102 n.Chr.)
    Sechster Tag auf See. Ungünstiger Wind hat uns im Schatten der Küste Sicilias festgehalten. Bei kabbeliger See sind zwei Amphoren unseres Wasservorrats zerbrochen. Kein Grund, schon jetzt einen Landgang bei ungünstigem Wetter zu versuchen. Gegen Abend dreht der Wind und ich lasse wieder das Segel setzen. Die Möglichkeit darf nicht verstreichen, jetzt den Sprung über das offene Meer zu wagen, auch wenn jeder Seemann diese Fahrt so spät im Jahr zu Recht fürchtet. Mögen uns gute Winde rasch nach Africa tragen.


    VARRO

  • IV. Eintrag


    AUF SEE,
    ANTE DIEM XI KAL DEC DCCCLV A.U.C. (21.11.2005/102 n.Chr.)
    Elfter Tag auf See. Nachdem wir glücklich zur Küste Africas gekommen sind und nach kurzem Aufenthalt in Clupea (Africa Proconsularis), wo wir nur einen kleinen Teil der Ladung gelöscht und frisches Wasser aufgenommen haben, sind wir seit gestern früh wieder auf See. Zuerst nahmen wir Kurs Nordost, um dann auf Kurs Nord zu ändern.
    In ruhiger, stetiger Fahrt haben wir bis heute zur Mittagsstunde bereits Carthago und Hippo Diarrhytus passiert und konnten, nachdem letztgenannter Hafen achteraus unter Kimm ging, auf Kurs Nordwest wechseln.
    Ich bin entschlossen, unsere Fahrt bis Carthago Nova ohne weiteren Landgang zu bestehen.


    VARRO

  • V. Eintrag


    AUF SEE,
    ANTE DIEM X KAL DEC DCCCLV A.U.C. (22.11.2005/102 n.Chr.)
    Tag XII. Ein starker Küstenwind treibt uns vorwärts, dass es eine Lust ist. Die ungläubigen Einheimischen nennen ihn wohl ‚Atem des Baal’. Ich habe Ion, meinem Steuermann, einen zweiten Mann mit an die Ruderpinne gegeben, denn das Schiff auf Kurs zu halten kostet viel Kraft und ein Querschlagen wäre bei dieser Brassfahrt äußerst gefährlich.
    Zu Mittagsstunde passieren wir Hippo Regius, das bereits an der Küste Numidias liegt.


    VARRO

  • VI. Eintrag


    AUF SEE,
    ANTE DIEM IV KAL DEC DCCCLV A.U.C. (28.11.2005/102 n.Chr.)
    XVIII. Tag auf See. Wir haben die Küste Africas hinter uns gelassen und befahren das offene Mare Ibericum. Nichts als Wasser umgibt uns, seit ich auf Höhe der Hafenstadt Cartennae Kurs Nord-West befohlen habe und das ferne Land hinter der Kimm verschwunden ist. Die Sicht ist diesig und regelmäßige Schauer lassen uns kaum noch eine trockene Faser Stoff am Leibe tragen. Aber der Wind ist stetig und mäßig. Ich lasse zwei Mann am Bug nach Land Ausschau halten. Nicht mehr lange, und Hispania muss in Sicht kommen und dann bald auch Carthago Nova.


    VARRO

  • „Herr! Siehst du es? Da, hinter der Landzunge, dass muss Carthago Nova sein!“


    „Ja, dass ist es! Kaum einen halben Tag seit dem Ruf ‚Land-in-Sicht’ und schon treffen wir auf unser Ziel. Bei Mercurius, ich bin schon ein guter Navigator, was Ion?“


    „Für einen Römer, Herr, dass ja.“


    „Deine Zunge wird dich noch einmal in die Unterwelt ziehen, ich sag´s dir. Zeit die Männer aufzuscheuchen.


    ALLE MANN AUF DECK UND ZWAR PLÖTZLICH. GEBT MIR ACHT DAS UNSER SEGEL NICHT KILLT! ICH WILL DA ANSTÄNDIG REIN KOMMEN, HÖRT IHR!
    Ion: Drei Strich Backbord.“

  • Das Zedernholz, dass sie geladen hatten, die drei Marmorquader, die Kisten voller Eisennägel, die Stoffbahnen und die Säcke mit getrockneten Datteln, all das hatten sie schon lange an Land gebracht und der Bauch der Pegasus war leer. Aber der Kapitän konnte einfach keine Ladung für sein Schiff auftreiben.
    An diesem Morgen ging er darum zu seinem Steuermann und sagte: „Ion, wir bleiben noch bis morgen früh. Dann nutzen wir die Ebbe und laufen aus, dann eben unbeladen. Versuchen wir unser Glück woanders.“
    Ion nickte nur und schaute finster grübelnd ins trübe Wasser des Hafenbeckens.

  • Hoch im Wasser liegend, weil annähernd leer, glitt die Pegasus aus dem Hafenbecken des Portus Carthaginis Novae.
    „Ion, pass mir auch das du der Hafenmauer dort vorn nicht zu nah kommst. Denk an die neuen Planken!“
    Aber Ion verstand sein Handwerk und die Planken blieben unversehrt. Dann erfasste ein herzhafter Westwind das Schiff und sie kamen endgültig vom Land frei. Bald war Carthago Nova hinter einer Landzunge verschwunden.

  • VII. Eintrag


    AUF SEE,
    ANTE DIEM VII ID IAN DCCCLVI A.U.C. (7.1.2006/103 n.Chr.)
    XIV. Tag auf See, nachdem wir den Hafen von Carthago Nova verlassen haben. Die Winde sind gegen uns! XIV Tage und es ist kaum ein Vorankommen. Heute passieren wir Saguntum und haben damit gerade einmal die Hälfte des Weges nach Tarraco hinter uns gebracht. Die Mannschaft ist schlechter Stimmung und die See so aufgewühlt, dass nicht daran zu denken ist ein Feuer anzufachen. Wieder ein Tag ohne warmes Essen.

    VARRO

  • VIII. Eintrag


    AUF SEE,
    ANTE DIEM III ID IAN DCCCLVI A.U.C. (11.1.2006/103 n.Chr.)
    XVIII. Tag auf See. Weiterhin geht es nur mühsam vorwärts. Unsere Etmale übersteigen an keinem der letzten Tage mehr als XXV Meilen. Oft sind es weniger. Dennoch haben wir nun endlich die hervorspringende Mündung des Flusses Iberus passiert und dürften nur noch gut X Meilen von unserem Ziel entfernt sein, dem Hafen von Tarraco.
    Es wird Zeit. Denn die Männer sind inzwischen kaum noch zu bändigen und wenn ich nicht mehrmals mit der Peitsche gedroht hätte oder damit, einen von ihnen über Bord zu werfen, dann wäre mit Sicherheit längst eine Meuterei losgebrochen. Das miese Wetter und die oft vergeblichen Anstrengungen der letzten Tage haben uns allen zugesetzt. Das Wasser wird knapp.

    VARRO

  • „Warschau da vorne! Refft Hauptsegel! Riemen klar!“
    Langsam glitt die Pegasus in den Hafen von Tarraco. Nachdem das Segel weggenommen war, ruderten die Männer das schwerfällige Handelsschiff mühselig das letzte Stück bis zur steinernen Kaimauer.
    „Belegen! Vorn und achtern zwei, nicht das sie sich losreißt.“
    Nachdem das Schiff vierfach mit Tauen festgemacht war, sprang er herüber und hatte nach fast drei Wochen wieder festen Boden unter den Füssen.
    „Besauft euch nicht sinnlos bis ich zurück bin!“
    Ein dumpfes Murren der Männer war die Antwort.

  • „Heee, aufgepasst!“
    Sie hatten endlich Ladung gefunden. Es war Eisen, zu mittelgroßen Barren gegossen. Die waren so schwer, dass für ihre Verladung extra ein Hebemechanismus aufgebaut worden war.
    „Vorsichtig jetzt, seid bloß vorsichtig!“
    Er war besorgt. Ein falscher Handgriff oder eine unachtsame Bewegung und die gute alte Pegasus hätte ein schönes Loch im Rumpf.
    „Ja, so ist es gut. Und runter! Langsam!“
    Viele dieser Barren konnte das verhältnismäßig kleine Schiff nicht aufnehmen und er hätte sich leichtere Ladung gewünscht, und eine, die mehr Profit versprach. Aber das hier war besser als nichts.

  • Nachdem der letzte Barren verladen war und sie die Ladung mit starken Tauen gesichert hatten, begannen die Männer Proviant und Wasser an Bord zu tragen. Inzwischen bauten andere, es waren Sklaven seines Auftraggebers, den hölzernen Kran ab.
    Er überwachte noch das Stauen der großen Wasseramphoren, denn bei ihrer Fahrt von Ostia nach Carthago Nova waren einige zerbrochen und das sollte sich nicht wiederholen.
    Als er zufrieden war, verließ er das Schiff, um den Regionarius aufzusuchen.

  • „Ion, wo sind die beiden Kreter?“

    „Ich weiß nicht. Haben nämlich das Schiff letzte Nacht verlassen. Erlaubnis hatten sie nicht! Abgehauen sind sie, wenn du mich fragst.“


    „Frag ich nicht.“ Zornesröte stieg in sein Gesicht.
    „Seit geschlagenen drei Wochen hängen wir hier fest. Drei Wochen bläst der Wind beständig landeinwärts. Das Schiff ist beladen und Proviant an Bord und keine Möglichkeit von der Leeküste los zu kommen. Wie ich das hasse!“

    „Nicht nur du, Herr. Wenn das so weiter geht, dann verschwinden noch mehr Männer. Drei Amphoren vom Proviantwein haben sie auch mitgenommen.“

    Ion stieß noch ein paar derbe Flüche in seinem griechischen Heimatdialekt aus.


    „Halt mir die anderen an der Kandare. Noch mehr Abgänge und es liegt nicht mehr am Wetter, dass wir hier bleiben müssen. Neptun soll mich holen, wenn morgen früh der Wind für uns steht und ich nicht auslaufen kann, weil keiner mehr da ist, dass Schiff aus der Bucht zu rudern.“


    „Eye. Ich werde sie im Auge behalten.“


    „Wenn nur der Wind endlich drehen würde…“

  • Das Licht des Morgens war noch schwach und nur schemenhaft hoben sich die Häuser der Stadt von dem noch dunkelgrauen Himmel ab, da stand der Kapitän bereits an Deck seines Schiffes. Sein Unterbewusstsein hatte im Schlaf die Veränderung sofort registriert und ihn aus den Träumen gerissen. Die fast unmerkliche Veränderung, die etwas andere Art, wie sich der Bootskörper im Auf und Ab der Wellen hob und senkte, die Geräusche des Windes in der Takelage, all das nahm er nur zu klar wahr, auch wenn es einer Landratte mit Sicherheit nicht im Geringsten aufgefallen wären.
    Der Wind, er hatte gedreht!


    „Alle Mann an Deck! Auf, auf, ihr Landlubber, oder soll ich euch Beine machen?“, brüllte er lautstark.
    Der Steuermann war als erster bei ihm.
    „Ion, sieh zu das dieser Müde Haufen in Bewegung kommt. Schau nur, der Wind, genau von Südwest. Besser können wir es gar nicht treffen, endlich…“


    Bald war auch der letzte Mann wach und an seiner Position. Die Pegasus löste sich unter dem mühevollen Stöhnen der Seeleute, die sie abstießen, von ihrer Anlegestelle. Dann wurde sie ein kurzes Stück aus dem Hafenbecken gerudert, bis sich das Hauptsegel unter der günstigen Brise ausreichend füllte und sie Kurs auf ihr neues Ziel nehmen konnten.

  • IX. Eintrag


    AUF SEE,
    KAL MAR DCCCLVI A.U.C. (1.3.2006/103 n.Chr.)
    II. Tag auf See. Raumender, achterlicher Wind treibt die Pegasus mit Kurs Nordost vorwärts. Barcino liegt bereits hinter uns, Schiff und Mannschaft sind wohlauf. Gott Neptun ist uns gnädig.

    VARRO

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!