Wie ein warmes Messer durch die Butter

  • Der alte Mann hatte sein Gedächtnis wiedergefunden und freute und fürchtete sich zugleich darüber. Besonders jetzt, besonders im Angesicht des nahen Todes. Konnte er länger schweigen? War er noch an seinen Eid gebunden? Nach all diesen Jahren? War es besser zu schweigen oder zu sprechen? Bei diesem Gedanken schlief er ein.

  • Er hatte sie immer geliebt. Fast so sehr wie ihre Mutter. Auch wenn sie nicht von seinem Blute war. Nicht so wie Publius oder der kleine Lucius. Nachgetragen hatte er es seiner Frau nie. Zumindestens nicht sehr und lange. Doch seinem Augenstern keinen Moment. Wenn sie da war lebte er, wenn sie fehlte war er tod. Er war zu lange tod gewesen und würde es bald für immer sein.

  • Fabia hatte es ihm damals fast sofort erzählt, erzählt wie sie diesen Gracchus traf, wie eins zum anderen kam. Der alte Mann seufzte als er daran dachte wie er ihn damals töten wollte. Aus verletztem Stolz, patrizischer Eitelkeit, infantilem Nichtverstehen. Doch die Liebe zu seiner Frau und ein ihm damals noch unverständliches warmes Gefühl für die Frucht in ihrem Leib lies ihn daraus verzichten, ja eher Vernunft annehmen. Er war heute noch dankbar dafür.

  • Sextus schloss die Augen und hörte das Lachen der kleinen Tiberia, hörte ihr Schreien weil sie nicht bekam was sie wollte. Tränen rannen über seine Wangen. Damals hätte sie nicht verstanden was es bedeute, es wäre ihr egal gewesen. Vielleicht war es auch egal, vielleicht schon damals. Catullus nahm einen Schluck unverdünnten Wein. Der Schmerz in seiner Brust war damit zu lindern, der lähmende Zwiespalt in seinem Innern aber nicht zu füllen.

  • Ihr Lachen und Weinen hatte ihn immer berührt. Wie ein warmes Messer durch die Butter ging es ihm. Immer. Warum wusste er nicht. Und die Wahrheit hatte sie immer wissen wollen, war neugierig und wissbegierig. Bis zur Schmerzgrenze und darüber hinaus. Bis Blut kam. Der alte Mann hustete und nahm einen weiteren Schluck. Er hustete erneut. Schlimmer. Bis Blut kam.

  • Als er erwachte wusste er es. Er musste es ihr sagen. Er wusste aber auch das er es nicht konnte. Nicht von Angesicht von Angesicht. So begann er zu schreiben

    Geliebte Tochter, sei tapfer, lies diesen Brief allein und setzt Dich, denn ich habe Dich belogen. Es ist nicht an mir es anders zu nennen, doch urteile selbst...

  • "Schierling" dachte der alte Mann und trank einen Schluck davon. Er war des Lebens müde, erst jetzt seit er beschlossen hatte sein Herz zu erleichtern. Leicht war es nun und seine Beine wurden langsam kalt

    ... Ich habe Dich stets geliebt, wie eine Tochter, mehr als alles. Doch meine Tochter bist Du nicht...

    Mit flacher werdender Atmung beendete er den Brief, siegelte ihn und gab ihn seinem Sklaven

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