Avarus versicherte noch, das er sich gern Zeit genommen hatte und überließ den Gast schließlich einem der Sklaven. Jener begleitete den jungen Mann zur Porta und verabschiedete ihn auch aus dem Haus der Gens Germanica. Germanicus Avarus hingegen verspürte ansehnlichen Hunger und ließ sich in den Garten ein warmes Mahl bringen. Wenn es auch hitzig in Rom war, so favorisierte der Senior Germanicus doch die warmen römischen Speisen. Irgendwo hatte er mal aufgeschnappt, das dies bei Hitze gesünder war, als sich mit Kaltem vollzustopfen und dann mit Schweißtuch über den Schultern den Nachmittag zu verbringen.
Casa Germanica - Atrium
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Im Atrium Wies Elissa Laevina einen Bequemen Platz und winkte einem anderen Sklaven. „Du bring der Domina eine Erfrischung sie ist sicher durstig. Ich werde die Herren holen.“ Der Sklave sah die beiden ungläubig an. Elissa fuhr ihn an als er sich nicht gleich in Bewegung setzte. „Nun mach schon, dies ist eine Dame dieses Hauses willst du sie verärgern beeil dich gefälligst.“ Als sie ihn aus ihren grünen Augen anfunkelte zischte er wie von der Tarantel gestochen ab.
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Laevina ließ sich mit einem kleinen Seufzer auf dem Platz nieder, den Elissa ihr angeboten hatte und beobachtete dann amüsiert (ohne, dass man das ihrem Gesicht angesehen hätte) wie die junge Frau ihren männlichen Mitsklaven an die Arbeit scheuchte. Respekt gebührte in Laevinas Augen demjenigen, der ihn sich verschaffte, zwischen Männern und Frauen machte sie da keinen Unterschied.
"Sieh an, sieh an, die Kleine scheint einen guten Stand hier unter dem Personal zu haben." dachte sie und speicherte diese Information sofort ab. Es war immer wichtig, gut über seine Mitmenschen Bescheid zu wissen, gleichgültig ob es sich nun um Sklaven oder Mitglieder der höheren Gesellschaft handelte.
Mit einem gnädigen Gesichtsausdruck nahm sie dann den Becher mit verdünntem Wein entgegen, den ihr der verschreckte Sklave schließlich brachte, machte es sich gemütlich und wartete gespannt auf die Ankunft des Hausherren
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Die Arme voller Schriftrollen und auch einigen Tabulae, die Haare etwas zersaust -schließlich war sie zu Haus und musste nicht zwangsläufig ständig auf ihr Äußeres achten- und fröhlich summend, lief sie durch das Haus. Jetzt wo sie lesen und schreiben konnte, hatte sich ihr die Welt der Schriftsteller geöffnet und nun wollte sie lernen und mehr wissen, auch über die Familie. Diesmal hatte sie sich einige Stammbäume und auch eine Familienchronik aus der biblioteca geschnappt. Doch als sie am Atrium vorbeikam, wurde sie fast von einem Sklaven überrante, welcher schon fast panisch wirkte.
"Verzeiht, domina!" murmelte dieser nur eilig und entschwand dann ihres Blickes. Verblüfft und neugierig geworden wagte sie es einen Blick in den Raum zu werfen. Als erstes viel ihr Elissa ins Auge und dann eine ältere Dame. Wer war das, diese Frau hatte sie bisher noch nicht in der Casa gesehen.
"Salve!" grüßte sie freundlich und warf ihrer Leibsklavin einen fragenden Blick zu.
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Laevina trank langsam und genüsslich ihren Wein und ließ währenddessen ihren Blick liebevoll über die aufwendigen Wandmalereien und die zweifellos kostbaren Statuen und sonstigen Einrichtungsgegenstände um sie herum gleiten. Mit jeder Minute und jeder neuen Entdeckung wurde ihre Laune noch ein klein wenig besser. Sie wurde etwas unsanft aus ihren erfreulichen Betrachtungen gerissen, als sie eine junge weibliche Stimme vernahm, die eindeutig nicht zu der ihr bereits bekannten Sklavin gehörte.
So löste sie ein wenig unwillig den Blick von einer besonders schön verzierten Bodenvase und richtete ihn auf das junge Mädchen, das gerade das Atrium betreten hatte.
Sie musste ungefähr im selben Alter wie ihre Enkelin Serrana sein, war ähnlich klein und zierlich und hatte auch braunes Haar. Aber an dieser Stelle hörten die Ähnlichkeiten auch schon auf. Serrana wäre niemals in derart farbenfroher und auffallender Kleidung in der Öffentlichkeit erschienen (zumindest solange sie noch unter Laevinas Kontrolle gestanden hatte), und auch auf ihre Frisur hatte Laevina immer ein wachsames Auge gehabt. Dieses Mädchen sah ja komplett zerwühlt aus! Hätte sie nicht die ganzen Schriftrollen unter dem Arm, könnte man ja auf schlimme Gedanken kommen... Ganz offensichtlich fehlte in diesem Haus jemand, der ein bisschen auf Disziplin und Ordnung achtete...
Laevina musterte die junge Frau ungeniert von oben bis unten. Den kostbaren Stoffen und ihrem unbeschwerten Auftreten nach zu urteilen, gehörte sie eindeutig zur Familie und so setzte Laevina ein freundliches Lächeln auf. Selbstverständlich stand sie dabei nicht auf, denn gleichgültig wer das Mädchen auch sein mochte, sie selbst war eindeutig die Ältere und verdiente daher den größeren Respekt."Salve" grüßte sie dann zurück. "Mit wem habe ich denn das Vergnügen?"
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In diesem Augenblick bereute es Calvena doch ein wenig, nicht so auf sich geachtet zu haben, wie sonst. Aber sie hatte ja nicht ahnen können, dass sie ausgerechnet jetzt einem Gast über den weg laufen würde. Sie trug für ihre Verhältnisse eine schlichte Tunika, in einem sanften grünen Ton, nicht wirklich aufdringlich, aber eben nicht das klassische Weiß. Vena fand weiß langweilig, vor allem weil es auf dem Mercatus Urbis immer solche wunderbaren Stoffe gab, aus allen Ländern und in den aufregendsten Farben. Vor allem aber trug sie meist rot oder grün oder indigo.
Als sie einem kritischen Blick ausgesetzt war, färbten sich ihre Wangen ganz zart. Sie wusste nicht ob aus Wut oder aus Verlegenheit. Sie sie machte im Augenblick nicht gerade den perfekten Eindruck, aber solch eine Missbilligung hatte sie nicht verdient. Da war sich die junge Germanica ziemlich sicher. Vor allem weil sie das Gefühl hatte, das der alten Dame rein gar nichts entging. Hilflos warf sie Elissa einen Blick zu, ehe sie sich vorstellte.„Ich bin Germanica Calavena, die Nichte von Sedulus!“ meinte sie zurückhaltend.
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Mit einer gewissen Genugtuung bemerkte Laevina, dass das Mädchen unter ihrem prüfenden Blick verlegen wurde. Da waren Hopfen und Malz offenbar doch noch nicht verloren und mit paar wohlmeinenden erzieherischen Maßnahmen könnte man aus dieser jungen Dame sicherlich noch eine ganz vielversprechende Partie machen.
Dann dachte sie über die eben genannten Namen nach. Der Senator Sedulus war ihr selbstverständlich ein Begriff, denn auch wenn sie ihn nie persönlich kennengelernt hatte, so hatte sie doch seine Karriere selbst im fernen Nola aufmerksam verfolgt. Nicht zum ersten Mal stieg Ärger in ihr hoch, als sie daran dachte, dass sie wegen ihres unfähigen zweiten Ehemannes über 30 Jahre in der Campania festgesessen hatte, statt am Aufstieg ihrer Familie teilzuhaben und den ihr gebührenden Anteil zu geniessen...
Dann richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Mädchen. Der Name Calvena sagte ihr rein gar nichts und sie hatte auch keine Ahnung in welchen Familienzweig sie sie packen sollte, aber das konnte sie sich selbstverständlich nicht anmerken lassen. Deshalb setzte sie jetzt ein (ihrer Meinung nach) gewinnendes Lächeln auf und sagte:"Achja, Calvena, natürlich" sie streckte dem Mädchen eine Hand entgegen. "Komm her und begrüße mich, ich bin Germanica Laevina und damit so etwas wie deine Großtante." Gottlob war diese Verwandtschaftsbezeichnung so schwammig, dass sie in jedem Fall passen würde...
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Calvena blinzelte verblüfft und blieb stehen wo sie war. Woher wusste diese entfernte Verwandte, wer sie war. Hatte Sedulus oder Avarus es der alten Dame mitgeteilt? Etwas panisch wandte sie dann den Blick Elissa zu. Diesmal war ihr Blick durchdringend, hatte sie etwas ausgeplaudert. Doch sie bereute ihr misstrauen sofort, Elissa war verschwiegen und würde sich niemals einen solchen Fehler erlauben.
Zögernd machte sie dann einen Schritt auf Laevina zu. „Du kennst mich… woher?“ fragte sie vorsichtig. Sie wusste wie heikel ihre eigene Verwandtschaft war und das Geheimnis ihrer Geburt und Ankunft, im Allgemeinen ihre ganze Vergangenheit.
Großtante, also niemanden dem sie jemals begegnet war. Zögernd ließ sie sich neben ihr nieder und überreichte Elissa erst einmal den ganzen Stapel an Dokumenten und Chroniken. „Es freut mich deine Bekanntschaft zu machen!“ besann sie sich schließlich wieder auf die Regeln der Höflichkeit.
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Laevina lächelte zufrieden, als Calvena gehorsam auf sie zukam. Die ausgesprochen nervöse Reaktion des Mädchens auf ihr nichtssagendes Kennelern-Geplänkel überraschte sie dann aber doch ein wenig. Was hatte sie denn auf einmal? Auch der Blick, den Calvena der jungen Sklavin zuwarf entging Laevina nicht.
In ihrem Hinterkopf begann eine kleine aber durchaus vernehmbare Alarmglocke zu läuten. Hier gab es eindeutig etwas, was ihrer besonderen Aufmerksamkeit bedurfte...
Aber jetzt galt es erst einmal sich nichts von der eigenen Verwirrung anmerken zu lassen.
Daher nahm Laevina ihre Großnichte fest ins Visier (damit ihr auch blos keinerlei Reaktion entging) und sagte dann mit zuckersüßer Stimme:"Aber warum sollte ich dich denn nicht kennen, meine liebe Calvena? Ich habe es mir immer schon zur Aufgabe gemacht, über alle Mitglieder meiner Familie und auch deren größeren und kleineren Geheimnisse genaustens informiert zu sein. Man hat ja schließlich eine Art Verantwortung für die jüngere Generation, findest du nicht?"
Die letzten beiden Bemerkungen waren natürlich ein Schuss in den blauen Himmel, aber man konnte ja nie wissen. Irgendetwas hatte schließlich jeder Mensch zu verbergen....
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Auf den ersten Blick wirkte die Großtante ausgesprochen nett und auch fürsorglich, aber irgendwie konnte Calvena ein gewisses Gefühl des Misstrauens nicht ablegen. Die Worte waren freundlich und zuckersüß, aber sie war fremden doch etwas vorsichtig gegenüber. Schließlich wollte sie ihre Verwandten nicht in Verlegenheit bringen. Aber auch Laevina schien eine Verwandte zu sein oder aber hatte dies behauptet. Ob Avarus und Sedulus bereits bescheid wussten. Sie konnte es hoffen, denn sie wollte nicht unbedingt völlig allein mit dieser Fremden sein.
Auf die rhetorische Frage ihrer sogenannten Tante antwortete nicht, stattdessen ging sie lieber in die Offensive und wollte heraus finden, was Laevina zu wissen glaubte.
„Sicherlich… Ich hab dich bisher noch nicht in Rom gesehen, wann warst du das letzte Mal hier?“ fragte sie freundlich und versuchte ihre scheu zu überwinden. „Ich hab dich leider bisher noch nicht kennen gelernt“, versicherte sie.Auch sie ließ sich einen Becher mit verdünntem Wein bringen und nippte daran.
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Also doch! Das Ganze hatte nur einen winzigen Moment gedauert, aber Laevina war Calvenas kurzes Zögern und ihr Ringen nach einer passenden Antwort nicht entgangen. Irgendetwas stimmte hier nicht, auch wenn es dem jungen Mädchen gut gelungen war, seine Verlegenheit zu überspielen, wie Laevina anerkennend feststellte.
Aber was auch immer es wohl sein mochte, im Moment gab es wichtigere Dinge, und Laevina würde sich darüber weitere Gedanken machen, wenn sie sich erstmal eingelebt hatte. Wo wohl Avarus blieb? Mittlerweile hatte er doch bestimmt schon von der Ankunft seiner Cousine erfahren. Sie entschied sich, sich die Wartezeit noch mit ein bisschen Plauderei zu vertreiben."Nein, da hast du Recht" antwortete sie Calvena dann. "Du hattest bislang noch keine Gelegenheit mich kennenzulernen, da ich eine ganze Weile nicht mehr in Rom gewesen bin. Ich habe in den letzten Jahren mit meinem Ehemann in der Campania gelebt, aber vor zwei Monaten wurde er mir plötzlich genommen". Sie setzte einen betrübten Gesichtsausdruck auf und seufzte tief.
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Es fühlte sich fast etwas überrumpelt an, als vor wenigen Augenblicken Germanicus Avarus vom Eintreffen der Base aus Dingsda, ach er erinnerte sich: Campania erfuhr. Erst vor wenigen Tagen war ein Schreiben mit dieser Ankündigung eingetroffen und kaum Zeit gewesen das Haus auf diesen Gast vorzubereiten. Immerhin mußte ein Gemach im Erdgeschoss freigeräumt und ausstraffiert werden, die Stufen zum im Keller gelegenen Bad gerichtet sein und die Küche auf Kost ab achzig vorbereitet werden. Was aß man dann? Dafür waren einige Sklaven dieses Alters, die in dem Hause Germanica so eine Art Altersschutz genossen befragt worden. Doch kam dabei kaum etwas heraus, denn ein Sklavenleben war nunmal überhaupt nicht mit dem luxeriösen Sein einer Matrone zu vergleichen. Doch irgendwie hatte man sich dann doch darum gekümmert und war zu dem Entschluss gekommen einige Speisen etwas 'durcher' zu kochen. Kohlrabi, Möhren zum Beispiel auf ihrer Knackigkeit der schlimmste Zahnfeind.
Die Zimmer waren so halbwegs fertig. Altersgerecht im Erdgeschoss gelegen und dazu noch gut temperiert. Für die drückende Luft im oberen Teil der Casa konnte sich auch der Hausherr nie so recht erwärmen. Er zog damit zwar den Kürzeren, was das Thema Abstand betraf, denn sein Gemach befand sich ganz in der Nähe dieser Räumlichkeiten, aber so tragisch war es nicht, denn Avarus pflegte die meiste Zeit des Tages eh seinen Geschäften außerhalb dieser Casa nachzugehen.
Er hatte sich beim Lesen des Briefes viel Zeit genommen. Aber umso mehr er nachdachte, umso weniger konnte er sich an die damaligen 'Spielgefährten' erinnern. Nichts rein garnichts hatte sich in seinem Gedächtnis eingebrand. Gab es da nur Gutes zu merken, dann wäre doch sicherlich etwas übrig geblieben. Übrig vom um die Häuser ziehen, übrig vom durch den germanischen Wald toben (egal wie verboten das war), übrig vom Unsinn anstellen, wenn der Herr Papa den Rücken gedreht hatte, die Mutter sich den häuslichen Aufgaben zuwendete, übrig von der großen Base, die für jeden Schabernack in Allianz gezogen wurde...
Nein nichts der Gleichen hatte sich erhalten. Wie war das damals. War der kleine Avarus vielleicht so winzig, das die großen Anverwandten ihn lieber im Sandkasten absetzten, ihm das Zeug zum Sandkuchen backen versteckten und sich dann einen Scherz daraus machten, wenn der kleine Avarus tollpatschig danach suchte? Nutzten sie sein geringeres Alter aus, um ihre Streiche auf ihn abzuwälzen oder gar, um seine kindliche Befangenheit in den Missionen auszunutzen. Stand der kleine Avarus immer Schmiere und wurde als Einzigster gekascht? Viele dieser Fragen warfen sich auf, aber keine wurde durch Erinnerung beantwortet.
So nahm sich Germanicus Avarus vor die Anverwandte nicht nach der Vergangenheit zu bewerten, sondern zu sehen, was sie in Zukunft einbrachte. Schon ihr Alter machte es fast unmöglich sie erneut gewinnbringend an einen einflussreichen Mann zu verheiraten.
Der Hausherr betrat das Atrium und wunderte sich zuerst, das er keinerlei Sklaven mit Tabletts entdeckte. Dies mußte sich ändern, war er im Raum. Sicherlich würden sie sehr bald etwas stark verdünnten Wein brauchen.
Im nächsten Augenblick dann der Schock. Wie konnte man nur derart alt aussehen. Klar Germanica Laevina war alt, sehr alt, aber manch Frau hielt sich einfach besser. Die Luft in Campania mußte arg salzig gewesen sein.
Seinen Schock überspielend, dachte er bis zum eigentlichen Zusammentreffen über seine Worte nach. Zuerst kam ihm in den Sinn:' Oh salve Laevina erst vor wenigen Tagen habe ich durch deinen Brief erfahren, das du deinen Mann unter die Erde gebracht hast...' sicherlich nicht so angebracht. Egal wie realistisch dies schien...
"Salve Laevina ich begrüße dich in meinem Haus. Es freut mich sehr, dich schon so rasch hier empfangen zu können. Die Reise war erträglich? Nun du bist sicherlich durstig?!"
Avarus kam in den Sinn sich noch nachträglich vorzustellen, denn über dreißig Jahre hatten selbst ihn zu einem stattlichen Mann werden lassen und Laevina konnte nur erahnen, wer da vor ihr stand.
"Ich bin dein Urgroßcousin Germanicus Avarus, mein Neffe Sedulus wird sicherlich auch gleich kommen. Dann sind jene hier wohnenden Germanicas komplett."
Für mehr Plauderei fehlte vorerst die Grundlage. Ihre Verwandschaftsbeziehungen waren ja soweit auseinander, das es fast unmöglich erschien irgendetwas Gemeinsames zu entdecken. Noch dazu wo Laevina es dreißig Jahre nicht für nötig erachtet hatte den regen Kontakt mit der Familie zu pflegen. Klar kam immer mal ein Brief und wurde dieser beantwortet, aber von familierer Kontaktfreudigkeit war dabei nichts zu spüren gewesen.
Der Hausherr Avarus überlegte bereits, ob Germanica Laevina länger bleiben wollte...
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Aha, die ältere Dame war ihr also noch nicht begegnet. Innerlich atmete sie auf, sie konnte also nicht wirklich etwas über sie wissen, sondern hatte einfach nur ein Gespräch beginnen wollen. Sie musste unbedingt sicherer werden im Umgang mit den Menschen in Rom und sich eben nicht so leicht verraten. Das machte ihr Gegenüber nur unnötig Neugierig und dort wo Geheimnisse gewittert wurden, kamen sie leider dann auch meist schnell zu Tage.
Ehe sie zu einer Antwort ansetzen konnte, tauchte auch schon Avarus auf und befreite sie unbewusst aus dieser kleinen Unterhaltung.
"Salve, Avarus!" lächelte sie freundlich. "Ich will dann mal nicht stören.... " meinte sie unschuldig und auch entschuldigend Lächelnd. "Es hat mich gefreut dich kennen zu lernen, Laevina. Wir können unsere Unterhaltung ein andermal sicher fortführen!" versicherte sie und erhob sich dann ohne Hast und verließ mit einem letzten freundlichen Lächeln den Raum. Sie war froh erst einmal sich wieder anderen Dingen zuwenden zu können.
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Laevinas Interesse an Calvena erlahmte schlagartig, als ein Mann mittleren Alters das Atrium betrat, seinem selbstbewussten Auftreten nach eindeutig der Herr des Hauses. Soso, das war also der kleine Avarus…. Besonders gut konnte sie sich an ihren jüngeren Cousin nicht erinnern, schließlich war sie damals ein stolzer Teenager gewesen und hatte Besseres zu tun gehabt, als sich mit den rotznasigen kleinen Kindern unter ihren Verwandten abzugeben. Wirklich im Gedächtnis geblieben war ihr eigentlich nur, dass sie ihm auf einem Familienfest einmal gründlich den Hintern versohlt hatte, weil er es gewagt hatte, ihre neue teure Stola mit seinen schmutzigen kleinen Pfoten anzutatschen. Aber das war schließlich eine notwendige erzieherische Maßnahme gewesen, zu der sie als ältere Cousine ja quasi verpflichtet gewesen war.
Avarus’ taxierender Blick in Bezug auf ihr Äusseres entging ihr natürlich nicht, auch wenn er sich Mühe gab, es einigermaßen unauffälig zu tun, und sie ließ sich davon ebenfalls nicht aus der Ruhe bringen. Damals vor 40 Jahren, als es noch darauf angekommen war, war sie durchaus eine attraktive junge Frau gewesen und hatte es auf eine stattliche Zahl von Bewerbern gebracht. Natürlich war es möglich, dass die auch durch ihr liebenswertes Wesen angezogen worden waren, aber vermutlich war es wohl eine Kombination aus beiden Dingen gewesen…
In der Zwischenzeit hatte sie insgesamt 38 Ehejahre mit zwei verschiedenen Männern ausgehalten und drei Kinder geboren, mehr konnte man auf diesem Gebiet von ihr nun wirklich nicht mehr erwarten, denn schließlich hatte sie ihre Pflichten als römische Frau mehr als erfüllt.
Jetzt kam es aber zunächst einmal auf den richtigen ersten Eindruck an, und Laevina beschloss, fürs Erste die Rolle der zerbrechlichen trauernden Witwe weiterzuspielen.
Sie erhob sich (für den Betrachter scheinbar mit einigen Mühen) aus ihrem Sitz, zauberte ein Lächeln in ihr nach wie vor betrübtes Gesicht und ging mit ausgestreckten Armen auf ihren Cousin zu.„Avarus, welche Freude!“ zwitscherte sie und quetschte dabei ein kleines aber nicht übertriebenes Tränchen aus dem linken Auge. „Was ist aus dir doch für ein stattlicher Mann geworden…..“
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Er blickte kurz Calvena hinterher... 'jaja lass mich doch alleine in dieser Tropfsteinhöhle' ... doch die Höflichkeit verlangte sofortige Aufmerksamkeit für Germanica Laevina. Avarus fühlte sich unbehaglich und verbarg nur mit Mühe einen Seufzer. Sein Gesicht hellte sich leicht auf, er spielte die Szene mit und kam zu der gleichen Geste mit ausgestreckten Armen. Die gefassten Hände hatten jede Frische, jede Sanftheit abgelegt. Ihm schauderte dabei, doch er mußte diese Frau zum Glück nicht ehelichen. So entspannte Avarus sich merklich und ignorierte das 'kleine Tränchen' indem er etwas schüchtern (wirkend) an sich herab blickte.
"Oh danke, aber der Lebenswandel geht auch an mir nicht spurlos vorüber. Ich bin zum zweiten Mal verheiratet, vier Kinder in der ersten Ehe und nun stolzer Vater eines Buben mit Decima Lucilla. Du siehst die römische Pflicht ist getan, jeder weiter Nachkomme für die Freude an einer großen Familie gezeugt."
Endlich kam der Wein. Natürlich der Gute.
"Hm du hast geschrieben, das du länger bleiben willst, ich habe mir erlaubt dir bereits ein Gemach im Erdgeschoss bereiten zu lassen. Wenn du möchtest, kannst du dich dort von den Strapatzen der Reise erholen..."
Avarus wartete, ob Germanica Laevina dem zustimmte oder ob sie viel lieber im Atrium verweilen wollte, um Neuigkeiten auszutauschen. Der Hausherr zog es eher in Betracht zum Abend alle Gensmitglieder zu einem angemessenen Begrüßungsmahl zu laden, um die schwere der Worte mit leichten Speisen besser verdauen zu können. Immerhin hatte es wiedermal eine Phase der Finsternis gegeben, die gleich mehrere Seelen dem Fährmann versprach und irgendwie mußte das Versprechen auch gehalten werden. Sprich einige Germanicas waren ins Elysium überstellt worden und erneut war Avarus nicht dabei gewesen...
Doch von diesem Vorschlag ließ er noch keine Worte erklingen. Immerhin konnte es auch gut sein, das ein abendliches Mahl zuviel des Guten war und Germanica Laevina darauf bestand einen kleinen Happen allein in ihrer Residenz zu verspeisen, um zeitig zu Bett zu gehen.
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Während Avarus auf sie zu kam, nutzte Laevina die Gelegenheit und musterte ihn etwas genauer. Ausnahmsweise hatte sie einmal nicht lügen müssen, denn ihr Cousin war wirklich ein stattlicher und attraktiver Mann und strahlte zudem eine natürliche Autorität aus, die Laevina schon seit geraumer Zeit bei niemandem mehr hatte beobachten können.
Sie seufzte innerlich auf. Warum hatte ausgerechnet sie gleich zweimal hintereinander derartig in die Jauche greifen müssen? Ihr erster Mann Vindex war derartig langweilig gewesen, dass sie sich erfreulicherweise kaum noch an ihn erinnern konnte, und dabei war sie immerhin fünf Jahre mit verheiratet gewesen….
Und dann war ihr der hübsche Lento zum Verhängnis geworden. Das hatte man davon, wenn man mal für ein paar Tage das Gehirn ausschaltete….drei Tage Leidenschaft und Freude gefolgt von 33 Jahren mit einem Waschlappen…Und was hätte aus einer Frau mit so grandiosen Anlagen wie den ihren alles werden können, wenn sie den richtigen Mann an ihrer Seite gehabt hätte…..Eine vielbeachtete und geehrte Senatorengattin wäre da wohl das absolute Minimum gewesen…wenn nicht gar die Gemahlin des Kaisers....
Laevina verscheuchte ein wenig missmutig diese trüben Gedanken, jetzt hieß es, sich für die nächsten Jahrzehnte optimal zu betten, damit ihr wenigstens ein anständiger Lebensabend gesichert war. Die Nachricht von ihren neuen Gemächern passte da schon hervorragend ins Konzept und Laevina war ausgesprochen neugierig, was sie dort erwarten würde. Vielleicht ergab sich ja sogar die Möglichkeit, sich diese wirklich sehr schön anzusehende Bodenvase an Land zu ziehen und in ihren Gemächern aufzustellen. Eine kostbare Vase für eine kostbare Dame, dachte sie und kicherte innerlich.
Dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder Avarus zu.„Mein Lieber, das ist ganz wundervoll von dir, damit habe ich wirklich nicht gerechnet“ ein neues Tränchen schimmerte, dieses mal im rechten Auge.
„Ich weiß gar nicht, wie ich dir danken soll, ich bin wegen meines tragischen Verlustes noch völlig am Boden zerstört, aber deine Großzügigkeit wird mir sicher bald wieder auf die Beine helfen….“Sie erwiderte Avarus’ Händedruck, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen. „Wenn es dir recht ist, werde ich mich ein kleines Weilchen zurückziehen und verschnaufen, ich bin ja eine alte Dame und von der beschwerlichen Reise doch ein wenig erschöpft.“
Eigentlich konnte es ihr gar nicht besser gehen, denn während der Fahrt hatte sie sich damit unterhalten, die mitreisenden Sklaven zu schikanieren, und das hatte sie, wie immer, hervorragend fit gehalten. Aber sie war doch mehr als neugierig auf den Rest des Hauses, da ja das Atrium schon so ausgesprochen vielversprechend war…
„Vielleicht könntest du mir später ja ein wenig darüber erzählen, wie es den Germanicern in der letzten Zeit so ergangen ist. Ich würde sehr gern ein wenig mehr über meine lieben und hochgeschätzten Verwandten wissen…"(und dabei direkt ein paar Strategien und Schlachtpläne für die Zukunft entwickeln, aber das behielt sie erst einmal für sich.) Heute sollte noch nichts das Bild der leidgeprüften, liebenswerten alten Dame trüben…..
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Den Göttern sei Dank gepriesen, Avarus konnte keine Gedanken lesen oder wenigstens erahnen. Er wäre vor Schreck im Schock zu Boden geschmettert worden, denn die 'liebreizende' Germanica Laevina gedachte wirklich noch Jahrzehnte zu leben. Das wäre sein Ende gewesen. Der Steinboden im Haus lud nicht unbedingt zum längs Vermessen ein.
"Wir sind doch eine Familie." Samariter entstanden erst später, hatten aber ähnliche Züge. "Deine Räumlichkeiten gehen von diesem Atrium ab. Dort drüben..." er zeigte nach links auf eine massive Holztür, die leider nur einen Riegel innen trug "... geht es hinein." Avarus erhob sich, um der ältlichen Dame aufzuhelfen, sollte das erforderlich sein. "Wir sehen uns also zum Abendmahl?" Ein kurzer Gedanke flammte auf... hinsichtlich der vorherigen Überlegung, das Laevina dafür zu erschöpft war.
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Hervorragend! Räumlichkeiten direkt neben dem Atrium, besser hätte sich Laevina selbst nicht postieren können. Auf diese Weise würde ihr künftig auch nicht die kleinste Kleinigkeit von dem entgehen, was in diesem Haus so vorging....Die Dinge entwickelten sich wirklich blendend...
So, jetzt war ein guter Abgang gefragt. Scheinbar unter leichten Mühen und offenbar Schmerzen unterdrückend erhob sie sich von ihrem Sitz. Natürlich war sie so gesund wie ein campanischer Ackergaul, aber das passte nun wirklich nicht in das mitleiderregende Bild, das sie gerade aufrecht erhalten wollte. Dabei legte sie ganz leicht ihre Hand auf Avarus Arm, als brauche sie seine Stütze. Männer mussten immer das Gefühl haben, stark und wichtig zu sein, das war wichtig für ihr Ego. Und zur Zeit war ihr wirklich sehr daran gelegen, ihren lieben kleinen Cousin Avarus bei Laune zu halten."Oh, ein gemeinsames Abendessen wäre wundervoll" sagte sie dann mit bemüht erschöpfter Stimme. "Im meinem Alter isst man natürlich nur noch wie ein Vögelchen, aber es wäre eine sehr große Freude für mich, mit dir und deinen sonstigen Lieben gemeinsam zu speisen."
Eigentlich knurrte ihr der Magen schon jetzt wie ein Bär, aber das war natürlich indiskutabel. Irgendwo in ihrem Reisegepäck würde sie sicher noch etwas Proviant finden, um die Zeit bis zur Cena zu überbrücken...
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Im ersten Augenblick dachte Avarus an die Spatzen und Tauben, die alles auffraßen, das man ihnen vorwarf. Egal wie reichlich die Mast war, egal wie üppig die Auswahl. Diese Viecher verputzten alles und Jeden. Doch gab es in Rom weniger Würmer, dafür ausreichend Fliegen, Mücken und noch größere Brummer. Dazu kamen allerlei Schaben, Käfer und natürlich die allseits beliebten Nacktschnecken. Auf den Plätzen jedoch warfen sie sich auf alles, was vom Menschen hinterlassen wurde und auf manchen Plaza's war der Tisch täglich überreichlich gedeckt.
Innerlich mußte er schlucken ob dieser Gedanken. Doch so 'verfressen' sah Laevina nun auch nicht aus. Zumindest hatte sie in der Vergangenheit nicht zu sehr in Saus und Braus gelebt, war nicht aufgegangen wie eine Melone. Ein kleiner Hoffnungsschimmer eben...
"Unsere Hauptköchin Helena ist wirklich eine vorzügliche Küchengöttin. Sie versteht es den Gaumen der Bewohner und Gäste zu verwöhnen. Ich bin mir sicher, das es auch Dir schmecken wird."
Avarus machte sich bereit das Atrium zu verlassen. Die rumstehenden Sklaven würden sich darum kümmern, das das Gepäck dahin kam, wo es hin sollte und auch die neue Bewohnerin dieses Hauses bis zum Essen vernünftig 'vertan' war.
"Wir sehen uns dann also später, Laevina..."
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Es war noch relativ früh am Morgen und Laevina hatte sich erst vor kurzem gut gelaunt und bestens erholt von ihrem Bett erhoben und angekleidet. Im Haus schienen noch die meisten zu schlafen, daher nutzte sie die günstige Gelegenheit sich noch einmal die nette Einrichtung im Atrium etwas genauer anzuschauen. Liebend gern wäre sie auch schon zu einem ersten Inspektionsgang durch den Rest des Hauses aufgebrochen, aber noch hatte ihre Nichte Calvena ihr die Casa und die einzelnen Räumlichkeiten nicht gezeigt.
Aus diesem Grund zügelte sie ihre Neugier noch ein wenig, schließlich würde sie sich wesentlich besser orientieren können, wenn sie erstmal wusste, wer oder was sich hinter welcher Tür befand. Und natürlich vor allem, wer sich zu welchem Zeitpunkt nicht hinter seiner Tür befand, so dass sie die entsprechenden Räumlichkeiten auch ungestört ein wenig inspizieren konnte...Aber egal, in der Zwischenzeit konnte sie sich ja genauso gut am Anblick des luxuriösen Atriums und all seiner netten kleinen Details erfreuen...
Ihr erster Blick glitt sofort wieder zu der schönen Bodenvase, die ihr schon am Tag ihrer Ankunft aufgefallen war und ihre Miene erhellte sich sofort. Für Vasen hatte sie definitiv eine Schwäche, den Göttern sei Dank hatte Avarus ihre Räumlichkeiten auch mit dem einen oder anderen schönen Exemplar ausgestattet.
Als nächstes fiel ihr ein aus Marmor gefertigter Diskuswerfer in Originalgröße auf, der gerade zum Wurf ausholte und ihr sein makelloses Hinterteil entgegenstreckte. Laevina fuhr erfreut mit der Hand über den leuchtenden Po, wobei sie das kostbare Material deutlich mehr interessierte als das Motiv und stutzte dann. Was war das denn? Staub???? Das konnte doch wohl nicht wahr sein...Das hiesige Hauspersonal schien sich ja einen schönen Lenz zu machen.... Aber glücklicherweise war sie ja jetzt da und konnte entsprechende Gegenmaßnahmen einleiten...
Laevina wartete geduldig, bis der erste Sklave arglos seine Schritte in das Atrium lenkte und bellte dann:
"Du da! Komm sofort hierher!" Der Sklave fuhr zusammen, da er sie hinter der Statue vermutlich gar nicht gesehen hatte, und blieb erstarrt an Ort und Stelle stehen.
"Ich sagte hierher!" wiederholte sie noch einmal, diesmal zwar etwas leiser aber in noch schärferem Ton und wies dabei mit dem ausgestreckten Zeigefinger auf eine Stelle etwa zwei Meter von sich selbst entfernt. Dabei fixierte sie ihn mit unbewegter Miene und ohne auch nur ein einziges Mal zu blinzeln. Auf diese durch langes Üben erworbene Kunst war Laevina ausgeprochen stolz, denn sie kannte niemanden, der es dabei mit ihr aufnehmen konnte. Bei der Cena eines der Duumviri von Nola hatte sie dessen Gattin einmal solange fixiert, bis das dumme Weibstück vor allen Gästen in Tränen ausgebrochen war. Ein herrlicher Abend....
Laevina wartete in aller Seelenruhe, bis der Sklave sich langsam und zögerlich bis zu dem von ihr angezeigten Platz bewegt hatte und hielt ihm dann den staubigen Zeigefinger unter die Nase.
"Siehst du das, du unnützes Subjekt? Das ist Staub!"
Das Wort "Staub" betonte sie mit einem derartigen Ekel, als handle es sich um eine Mischung aus Exkrementen und weit schlimmeren Dingen.
Als der Sklave eingeschüchtert nickte, fuhr sie fort."Ich werde von nun an jeden Tag jede einzelne Statue, Truhe und Amphore in diesem Atrium kontrollieren. Und wenn ich auch nur noch ein einziges Mal eine Staubflocke finden sollte, dann werde ich mir einen großen Eimer davon besorgen und dir eigenhändig den kompletten Inhalt in den Schlund schütten. Haben wir uns in diesem Punkt verstanden?"
Der Sklave nickte eifrig mit weitaufgerissenen Augen und Laevina lächelte ihn fröhlich an.
"Ich sehe schon, wir werden wunderbar miteinander auskommen. Du darfst jetzt wieder an die Arbeit gehen"
Der Sklave rannte davon, wie von der Tarantel gestochen und machte sich vermutlich auf die Suche nach einem Staubwedel. Es war eben wichtig, das Hauspersonal immer so gut wie möglich zur Arbeit zu motiveren....
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