Gestern Freitag hatte ich die Möglichkeit, den Film Troy zu sehen, nachdem wir uns an der Uni die letzten 2 Jahre immer wieder gewundert hatten, wie das denn nun werden könnte. Hier meine Eindrücke:
Etwas muss man sicher schon am Anfang festhalten. Es geht in dem Film nicht darum, die 'Ilias' des Homer zu verfilmen! Es handelt sich um einen Historienfilm, der sich zwar an der Vorlage des Homer orientiert, diese aber dann auch entsprechend frei umsetzt!
Wenn man das versteht, dann ist man plötzlich dankbar für die kurzen Momente zwischendurch, wo man lächeln, ja sogar kichern kann, denn 31/2 Stunden geballte Epik würden wir glaube ich kaum ertragen.
Sollte jemand das Gefühl haben, dass etwas viel LotR im Film vorhanden ist, so liegt das vermutlich an der Art, wie Achill sich bewegt und dass sein Gegner im ersten Zweikampf ein wahrhaft gigantischer Thessalier ist, der einem Uruk nicht unähnlich sieht. Dennoch ist dies die Umsetzung der von Homer dem Achill beigegebenen Adjektive 'der Flügelschnelle' 'der Behende' 'der Bewegliche'. Fühlt sich also jemand im falschen Film, so hat ER vermutlich zuviel LotR gesehen.
Paris gefällt mir recht gut. Ein noch nicht ganz erwachsener Jüngling, der in den Tag hineinlebt und immer gerade das tut, wonach er Lust und Laune hat. Ganz wie ich ihn mir schon immer vorgestellt hatte. Ein Schönling, der sich über die Reichweite seiner Taten kaum im Klaren ist.
Was die Kostüme angeht, so habe ich eigentlich nur an der Farbe der Kleidung der Normalbürger in Troja etwas auszusetzen. Diese ist immer dieselbe. Jedoch ist die Ausrüstung sonst sehr gut!! Die trojanischen Rüstungen und Wagen gleichen sehr stark denjenigen, welche auf uralten Fresken abgebildet sind. Sehr hoch rechne ich dem Film an, dass man sich ganz klar in der Bronzezeit befindet. Weit und breit kein Eisen!! Nur das 'Schwert von Troja', das ja etwas ganz Spezielles ist, ist aus Eisen geschmiedet. Und dann habe ich sehr viele Replikenteile des Schliemannschen Schatzes gesehen, was ich sehr gut fand!
Natürlich schreibt Homer viele Details anders! Es handelt sich ja nicht um eine Homerverfilmung, sondern jener hat lediglich die Puzzleteile für diesen Film geliefert. Das Rohmaterial kommt von ihm, der Film ist aber ein Historienfilm, keine Buchverfilmung.
Odysseus ist genau so, wie er in meinem Kopf umhergeschwirrt ist. Noch bevor er als solcher vorgestellt wurde, war ich mir sicher, dass dies nun Odysseus sein muss! Manchmal konnte man die Räder in seinem Gehirn so richtig arbeiten sehen.
Manche Leute könnten auch die Anzahl der Schiffe der Griechen für völlig übertrieben halten. Das habe ich mir zuerst auch gedacht, aber denken wir einmal an die von Homer geschilderten Zahlen (ca. 50'000 Griechen). In jedem Schiff haben 50 - 100 Soldaten platz. Das macht dann schon mal mindestens 500 Schiffe!!!
Mir persönlich ist Achill im Kampf noch etwas zu 'nett'. Brad Pitt bringt zwar den lieben Teil des Charakters sehr gut hin, aber die Wut, das Tier, das habe ich eigentlich nie so richtig gesehen. Die Kameraeinstellungen sind da sicher sehr gut gewählt, denn diese vermitteln Tempo und Rage und übertünchen so die für mich fehlenden Inputs von Brad Pitt. Natürlich hat er seine grossen Momente und der Zweikampf mit Hektor ist 100x besser als diejenigen in Gladiator, aber irgendwie fehlte mir die Wildheit in seiner Darstellung.
Der Film stellt die Belagerung in ca. 1 Woche dar, nicht 7 Jahren. Wiederum: Historisch gesehen dürfte vermutlich der längste Teil der ganzen Sache die Mobilisierung der Griechen gewesen sein und die eigentliche Belagerung hat vermutlich kaum 7 Jahre gedauert! Wenn wir die ganzen 7 von Homer geschilderten Jahre verfilmen würden, dann hätten wir einen Film, der in der Länge und Langweiligkeit alles bisher dagewesene übertreffen würde.
Absolutes Highlight des Films, ausser dem Zweikampf Achill - Hektor: Die Szene in welcher Primos sich ins Lager der Griechen schleicht und um den Leichnahm seines Sohnes bittet! Diese Szene ist perfekt!!!
Alles in Allem: Für mich ein gewaltig guter Wurf mit ganz wenigen kleinen Abstrichen. Sehr gut finde ich auch, dass am Ende nicht "based on" sonder "inspired by" hingeschrieben haben, denn mehr ist es wirklich nicht und sollte es auch nicht sein!!
Zum Schluss meines Monologes hier noch eine Szene, die mich besonders berührt hat: Mein Stammvater Aeneas erhält tatsächlich auch noch seinen Auftritt! Ganz am Schluss zwar, und nicht als grosser Held, sondern als Jüngling, der das 'Schwert Trojas' von Paris erhält und es in Sicherheit bringen soll.
Mein Fazit: Ein Historienfilm, der in sehr vielen Details mindestens 10x besser ist als 'Gladiator' und für alle historisch Interessierten ein Muss darstellen sollte, ganz egal was man von Brad Pitt hält.