| Officium des Pater Gentis |

  • Arria nickte leicht. Ja, sie hatte die Prüfung bestanden, aber eigentlich auch nicht.


    "Ich habe die Prüfung zur Popa abgelegt - und die habe ich nicht bestanden, denn sonst wäre ich jetzt Popa", erwiderte sie mit einem Schulterzucken. "Aber immerhin bin ich keine Discipula geblieben, da hast du recht."

  • Varus seufzte hörbar und schüttelte leicht den Kopf.
    "Wenn du die Prüfung nicht bestanden hättest, wärst du nun immer noch Discipula. Ich sehe da keinen Grund, sich aufzuregen. Manchen liegen einige Sachen besser als anderen, warum also machst du dir so einen Kopf?"

  • Arria zuckte mit den Schultern.


    "Ja, du hast wohl recht. Es ist egal, Vater. Ich werde mich wieder meinen Schriften widmen", antwortete Arria. "Helena wartet immer noch auf die Texte über Ceres und Mercurius", fügte sie erklärend hinzu. Irgendwie schien sie niemand zu verstehen, so dass sie versuchte, die Gedanken beiseite zu schieben.

  • Varus runzelte die Stirn und starrte Arria einen Moment lang an. Schließlich seufzte er und ordnete mit einer Hand unnötigerweise einige Pergamente vor sich auf dem Schreibtisch.
    "Sag mal...ich habe mich gefragt, ob du nicht vielleicht mit nach Rom reisen willst. Du könntest Imperiosus sehen", meinte er nebensächlich, ehe er seine Tochter anlächelte und auf eine Reaktion ihrerseits wartete.

  • Arria blickte ihn einen Moment an. Wie gerne würde sie mitfahren und Imperiosus sehen. Sie versuchte, sich sein Gesicht vorzustellen, wenn er sie vor der Tür stehen sah, dann jedoch musste sie den Kopf schütteln.


    "Die Pontifex wird in einigen Tagen ebenfalls nach Rom reisen und bat mich, während ihrer Abwesenheit ihr Officium zu übernehmen und die anfallenden Arbeiten zu erledigen. Ich kann sie nur schwer abweisen, so gerne ich Imperiosus auch sehen würde."

  • Varus nickte.
    "Gut, wenn das niemand anderer übernehmen kann...." meinte er dann. Schließlich war es Arrias Entscheidung. Varus wunderte sich nur, dass es scheinbar weder willige noch fähige Vertreter für diesen Gefallen gab.


    Schließlich räusperte er sich.
    "Ich werde voraussichtlich einige Wochen in Rom bleiben. Wann genau ich zurück bin, weiß ich nocht nicht."

  • "Ich bin die einzige Comentaria in Tarraco und damit wie geschaffen dafür. Und Valeria hat ja noch die Arbeit an der Schola am Hals, außerdem ist sie schwanger. Die ganzen neuen Schüler müssen mit nach Rom, um den Eid abzulegen", erklärte Arria.


    "Soll ich irgend etwas während deiner Abwesenheit machen?"

  • "Ahja. Na gut... Soll ich ihm etwas ausrichten?" fragte er dann. Er wunderte sich immer noch, dass es scheinbar außer der handvoll Schüler und der schwangeren Curatorin niemanden außer Arria gab, der im Cultus Doeorum Hispania war und diese Aufgabe übernehmen wollte. Aber letztendlich war es nicht seine Angelegenheit, also beließ er es dabei.


    "Etwas machen? Nein, nicht dass ich wüsste. Cinna wird die Familiengeschäfte während meiner Abwesenheit übernehmen. Ach, da fällt mir doch etwas ein. Ich möchte gern, dass du dich einmal mit Livia unterhältst."

  • Arria nickte leicht. "Ich habe ihm erst kürzlich einen Brief geschrieben. Ich habe eigentlich nichts neues zu berichten. Wenn du ihm triffst, dann kannst du ihm sagen, dass ich ihn sehr vermisse, aber leider nicht mitkommen konnte", antwortete Arria und blickte ihren Vater dann verwirrt an. "Mit Livia? Und worüber?"

  • "Ich weiß", sagte Varus, denn er selbst hatte die Briefe nach Roma sortiert, ehe er sie Venusia mitgegeben hatte.
    "Aber gut, dann werde ich ihn nicht extra aufsuchen. , erklärte Varus und ließ dabei im Dunklen, was genau er meinte.

  • "Über deine Sponsalia", antwortete Varus.
    "Und über die damit verbundenen Tätigkeiten und Charaktereigenschaften als Ehefrau."
    Varus hob Abwehrend die Hände und ließ Arria so keine Möglichkeit, etwas zu sagen.
    "Ich weiß, was du jetzt denkst und sagen willst. Aber lass mich dir erklären, warum ich möchte, dass Livia sich deiner annimmt. Du weißt es nicht, aber durch meine Tätigkeit als Praefekt des Postwesens in der Provinz sind viele Augen auf mich und die ganze Gens gerichtet. Eine Verbindung zwischen den Petroniern und den Iuliern wird nichts daran ändern, im Gegenteil. Ich möchte, dass du lernst, wie man sich in bestimmten Situationen verhält, Arria. Das gilt für die Öffentlichkeit. Und Livia erscheint mir als die Person, die dafür am geeignetsten ist, da sie selbst diese Dinge schon vor langer Zeit gelernt hat und einiges an Erfahrung aufweist. Versteh mich nicht falsch, ich möchte nicht, dass du dein Wesen änderst. Was ich möchte ist, dass du lernst, dich in bestimmten Situationen angemessen zu verhalten. Das ist alles."

  • Arria biss die Zähne zusammen und antwortete gar nicht erst. Sie sollte ihr Wsen nicht ändern, natürlich, aber ihr Verhalten. Nur ihr Verhalten war nun einmal Teil ihres Wesen.


    "Du brauchst mir keine Anstandsdame zur Seite stellen, Vater, schon gar keine Tante von mir. Ich weiß durchaus, wie ich mich benehmen soll", antwortete sie und dachte an die inzwischen verkrustete Wunde an ihrem Becken. "Du brauchst dir wirklich keine Gedanken machen, dass ich dir Schande bereiten könnte oder dergleichen. Und wenn ich es doch machen sollte, steht es dir immer noch frei, mich aus der Gens zu verbannen. Nein, Vater, ich will nicht, dass du beteuerst, wie sehr du mich liebst und dass du das nicht könntest. Du hast die Patria potestas über mich, es steht dir frei, mich zu verbannen, wenn ich der Gens nur Schande bereite. Aber ich kann dich wirklich beruhigen, ich weiß, wie man sich verhält, nur will ich es nicht immer unbedingt. Und diesen Willen zu ändern ist Livia sicher nicht die Richtige. Aber ich lasse mich gerne von ihr belehren, wenn es dir so viel bedeutet."

  • Varus' Lippen pressten sich zu einem blutleeren Strich zusammen. Die Worte, die Arria sprach, taten ihm weh, aber er wollte es nicht zeigen. Zu all den Dingen, die in letzter Zeit an seiner Kraft zehrten, kam nun auch noch das hinzu. Und Arria weigerte sich permanent, die Dringlichkeit einzusehen, mit der sie Anstand in der Öffentlichkeit wahren sollte. Varus senkte den Kopf und stieß eine Art Seufzer aus, der eher zu einem geschlagenen, verwundeten Mann gepasst hätte als zu ihm in diesem Moment. Für einen kurzen Augenblick war er versucht, Arria auf ihr Zimmer zu schicken und sich einfach nur zu betrinken. Dann wieder wollte er sie zornig anfahren und ihr eine Lektion erteilen; ja, er hatte sogar Lust, sie zu schlagen. Aber alles, was er tat, war aufzustehen und zum Fenster zu gehen, sich dort mit beiden Händen schwer auf dem Sims abzustützen und den Kopf tief sinken zu lassen. Mit geschlossenen Augen stand er da, unenedlich verletzt, dass Arria scheinbar nur noch den Pater Gentis in ihm sah.

  • Arria wartete stumm ab. Ihr Vater und sie entfernten sich einfach zu weit voneinander. Er wollte sie zu etwas anderem machen, was sie war, auch wenn er immer das Gegenteil beteuerte und sie wollte es seinetwegen machen, was ihm aber auch wieder nicht gefiel, weil er es ja eigentlich nicht wollte.


    Arria vermutete fast, dass ihr Vater nun endlich in Rage geraten würde, hielt er sich doch seit Wochen zurück, aber auch diesmal behielt er Fassung, wandte sich nur ab. Langsam und zögernd erhob sich Arria und trat neben ihn an das Fenster, die Arme nicht verschränkt, sondern die Hände lediglich vor sich übereinander gelegt.


    "Vater? Ich weiß, dass meine Worte hart sind, aber die deinen sind es nicht minder. Einerseits sagst du, ich solle mich nicht verändern, andererseits verlangst du gerade das. Ich weiß, dass du - wie wohl jeder Mann - gerne einen Sohn hättest, Vater, und genau deswegen bin ich wohl, wie ich bin. Ich bin weder eine echte Tochter noch werde ich je eine Sohn sein können. Nein, Vater, sag nichts, lass mich ausreden", meinte sie schnell, da sie fürchtete, ihr Vater könnte ihr widersprechen wollen. Dennoch wollte Arria ihre Gedanken, den Blick derweil in die Ferne gerichtet, aussprechen. "Ich bin nie wie eine gute, liebe, brave Tochter erzogen worden, deswegen bin ich sie jetzt nicht. Das bedeutet aber nicht, dass ich nicht weiß, was du von mir erwartest, Vater, nur ist es schwer, nach einundzwangzig Jahren sein Verhalten zu ändern. Du willst, dass ich mit Livia rede, damit sie mir sagt, was sich gehört? Das brauche ich nicht, Vater, ich weiß es so. Nur musst du mir auch die Zeit geben, die ich brauche, um mein gesamtes Verhalten zu ändern. Es ist wahrlich nicht leicht", fuhr sie fort. Langsam wurde ihr Mund trocken und sie hatte keine Ahnung, wie ihr Vater reagieren würde, wenn sie fertig war. "Ich bitte dich, Vater, lass mir ein wenig Zeit, mich an die neuen Umstände zu gewöhnen. Ich habe mich noch nicht einmal richtig in Tarraco eingelebt, kenne gerade Mal Valeria und Helena und soll schon eine andere sein, als ich bin. Ich verspreche dir, wenn du aus Rom zurück bist, bin ich die, die du haben willst", schloss sie ihre Ausführungen und holte ihren Blick aus der Ferne hinter dem Fenster zu ihrem Vater zurück. "Aber trotz allem bist du mein Vater und als diesen liebe ich dich."

  • Varus rührte sich auch dann nicht, als Arria neben ihn trat und aus dem Fenster sah. Er öffnete lediglich die Augen, ließ den Kopf aber gesenkt, den Rücken gebeugt und stützte sich nach wie vor auf dem Sims auf. Als sie den Sohn ansprach, den er gern gehabt hätte, wollte er aufbegehren, doch Arria bat ihn, nichts zu sagen; und so ließ er sie erst einmal ausreden.


    Ihre Worte waren unangenehm und verletzten Varus. Aber seine einzige Reaktion darauf war, dass er sich aufrichtete und ebenfalls aus dem Fenster blickte. Als Arria geendet hatte, blieb er lange Zeit stumm und sagte nichts; sein Gesicht eine undurchschaubare Maske. Dann seufzte er tief und schloss die Augen.


    "Arria", murmelte er kraftlos.
    "Ich möchte, dass du mit Livia redest. Wenn du mich schon nicht verstehst, vielleicht verstehst du dann meine Schwester. Nimm dir die Zeit, die du brauchst, aber rede mit ihr."


    Varus öffnete die Augen und sah wieder aus dem Fenster. Er hatte einfach keine Kraft mehr dazu, sich immer wieder mit der widerspenstigen Arria über ihre Art zu zanken. Sie betonte zwar, dass sie ihn als Vater liebte, aber Varus wusste nicht mehr, wo ihm der Kopf stand. Arria und er...es schien, als seien sie an einem Punkt angekommen, an dem sich ihre Wege trennten.

  • Arria wartete mit fast stoischer Geduld ab, bis ihr Vater antwortete. Sie wusste nicht, was in ihm vorging, aber sie konnte sich vorstellen, dass es nichts angenehmes war. Und sie wollte ihm die Zeit geben, die er brauchte, um eine Antwort zu erdenken oder einfach nur seine Gedanken zu ordnen. Seine Stimme verriet ihr allerdings, dass sie recht gehabt hatte, zumindestens zum Teil.


    Vorsichtig legte Arria ihm eine Hand auf die Schulter und drehte ihn sanft zu sich, lächelte ihn liebevoll an. Er sah auf einmal so alt aus, viel älter, als sie ihn in Erinnerung hatte.


    "Wenn es dir so viel bedeutet, werde ich es machen. Ich habe Livia ohnehin versprochen, mit ihr auf den Markt zu gehen", antwortete Arria leise und schloss ihren "armen, alten" Vater dann in die Arme, drückte ihn sanft, ehe sie ihn wieder losließ und seine Hände nahm. "Bitte genieß die Zeit in Rom und denk nicht nur an Geschäfte. Nimm dir einen Tag für die Thermen, bummle vielleicht ein wenig über den Markt. Immer nur zu arbeiten ist nicht gut, Vater", meinte sie mit einem besorgten Blick aber dennoch lächelnd.

  • Varus fühlte sich so alt, wie er für Arria aussah. Er wäre nicht überrascht gewesen, hätte sie ihm gesagt, dass sein Haar plötzlich ganz grau war. Er seufzte und strich Arria fahrig über den Rücken, als sie ihn drückte, nickte und schüttelte dann plötzlich den Kopf.
    "Das würde ich gern tun. Aber ich fürchte, ich werde keine Zeit dazu haben. Ich möchte außerdem so schnell als möglich zurück hierher kommen. Die Arbeit, weißt du... Und die Familia und..."
    Er dachte an Alessa, sprach aber nicht weiter. Alessa und Arria waren im Moment kein gutes Thema für Varus; zumindest nicht zusammengenommen.

  • "Dann nimm dir die Zeit", meinte sie eindringlich. "Oder muss ich, wenn du zurück bist, Valeria rufen, dass sie dir ärztlich einen Thermenbesuch verschreibt?", zwinkerte sie mit einem Schmunzeln und hoffte, ihn so ein wenig auf andere Gedanken zu bringen.

  • Varus seufzte und sah Arria an. Natürlich hatte sie nur einen Scherz machen und die Situation auflockern wollen, aber Varus war im Moment ganz sicher nicht zu Scherzen aufgelegt, also seufzte er nur.
    "Ich werde nicht länger als unbedingt nötig in Rom bleiben, Liebes. Mein Herz zieht es nicht mehr in die Vergangenheit; und ich werde hier als Präfekt gebraucht", erklärte er ihr leise und für seine Verhältnisse ungewöhnlich ruhig.

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