1. erläuterung des begriffes ´fasti´
Als Fasti bezeichnete man zunächst den römischen Festkalender mit den für den Bürger wichtigen Verzeichnissen der Werktage (dies fasti) und Feiertage (dies nefasti). Da, wie in den meisten antiken Staaten, auch in Rom die Jahre nicht nach Zahlen, sondern nach jährlich wechselnden Beamten gezält wurden, lag es nahe, Listen der jeweiligen Konsuln oder anderer Magistrate anzulegen. Solche Verzeichnisse wurden notwendig, weil im öffentlichen und kaufmännischen Leben zahlreiche Gelegenheiten erforderten, Jahre anzugeben, sich aber nur die wenigsten Personen sämtliche Konsuln merken konnten. So führten seit den Anfängen der Republik zahlreiche Privatleute und Priester entsprechende Listen für den praktischen Gebrauch, die jedoch höchstens nur auf 30 Jahre zurückreichten. Gewöhnlich wurden diese Listen zusammen mit dem Festkalender auf die gleichen Tafeln oder Papyrus-Blätter geschrieben, so daß sich die Bezeichnung ´fasti´ vom Festkalender auch auf die mit ihm verbundenen Konsular- und Magistratslisten übertrug. Zusätzlich zu den Magistraten wurden die Verzeichnisse häufig mit Bemerkungen über wichtige politische Ereignisse ergänzt und bildeten so kleine, primitive Chroniken.
Die erste offizielle Liste der eponymen (Eponymie: Der antike Brauch, in der Zeitrechnung die einzelnen Jahre nach dem jeweiligen obersten Jahresbeamten zu bezeichnen) römischen Magistrate enstand ca. ab 320 v.Chr. Die Aufgabe zur Führung dieser Liste wurde dem Pontifex Maximus übertragen, der sich gleichfalls schon um den Tages- oder Festkalender zu kümmern hatte. Als Quellen des Verzeichnisses dienten ältere Aufzeichnungen und Magistratslisten, tituli imaginum (Gedenkinschriften) und laudationes funebris (Grabreden). Unter Aufnahme unechter Konsulnpaare wurde die Liste rückwärts bis zum Beginn der Republik ergänzt und jährlich bis in die Gracchenzeit fortgeführt. Der Aedil von 304, Cn. Flavius, ließ die Fasten erstmalig in Marmor einmeißeln und öffentlich aufstellen, was fortan jährlich wiederholt wurde, um den Bewohnern Roms Informationen bekanntzugeben.
Den Informationsmangel für die Zeit seit der Republikgründung, die von den Pontifices mit der Weihung des Jupiter-Tempels auf dem Kapitol in das Jahr 507 gesetzt wurde, bis ca. 350 v.Chr. nutzten zahlreiche Familien, besonders die seit 362 zum Konsulat zugelassenen plebeischen Familien, um zusammen mit den Pont. Max. die Fasten für unlautere Stammbaummanipulationen zu mißbrauchen und sich ruhmreiche Ahnen zu erschaffen. So ist auch das Konsulat des L. Iunius Brutus, des Vertreibers der Könige, zu erklären, der als Kollege von M. Horatius als Konsul 507 verzeichnet ist, jedoch einer plebeischen Familie, den Iunii Bruti, entstammt, die schon um 300 sehr angesehen war. Nach derselben Methode haben auch die Aquilier, Sempronier, Cassier, etc. Ahnen unter den angeblichen Magistraten der alten Zeit erhalten.
Weiterhin wurden auch diese Fasten durch Eintragung wichtiger Ereignisse des politischen und religiösen Lebens der Stadt, beginnend mit dem großen Samniterkrieg (326-304), ergänzt und boten so den Pont. Max. die Möglichkeit, aufgrund einer subjektiven Wiedergabe der Informationen durch Zusätze oder Auslassungen, das objektiv Geschehene zu manipulieren und zu verzerren. Schließlich entwickelte sich durch intensivere Bearbeitung und weiteres Ausschreiben der Fasten eine Chronik, die Anfang des 2. Jh. schon Fabius Pictor als Grundlage seiner Annalen verwendete. So kann man - stark eingeschränkt - die Fasten als annalistische Chronik die erste Form der römischen Geschichtsschreibung nennen, die jedoch bezüglich der Glaubwürdigkeit mit Vorsicht zu betrachten sind. Für die Magistratsangaben wird vermutet, daß sie ab ca. 300 v. Chr. vollständig, im 4. Jh. in Hauptzügen und im 5. Jh. sogar nur im Überlieferungskern der Wahrheit entsprechen. Auch die zusätzlichen Einträge in den Fasten sind gerade wegen ihrer Subjektivität entsprechend vorsichtig zu behandeln.
Nach 200 v.Chr. schwollen die Listen erheblich an, sämtliche Magistrate, politische Vorgänge und wichtige oder merkwürdige Ereignisse wurden verzeichnet. Das Bearbeiten der Listen wurde den Pont. Max. schon bald zur Last, und im Jahre 123 stellte der Pont. Max. P. Mucius Scaevola die Weiterführung des Jahrbuches ein, ließ aber den gesamten vorliegenden Chroniktext in Form von 80 Büchern, den ´libri annales´ oder ´libri maximi´, publizieren.
Eine Wiederauferstehung erfuhr die Tradition der Jahrbücher mit dem Aufstellen der Kapitolinischen Fasten zur Zeit des Prinzipats des Augustus. Auch in der Kaiserzeit wurden die Aufzeichungen von Fasti Consulares fortgesetzt, da das Amt oder der Titel des Konsuls weiterhin existierte. Außerdem entstanden auch in zahlreichen anderen Städten Italiens Fasten als amtliche Stadtverzeichnisse.
Als Triumphalfasten wurden Listen geführt, die in einfacher Form ein kultisches Inventarverzeichnis darstellten und die Triumphatoren benannten, die in einem Triumphzug zum Tempel des Iupiter Optimus Maximus fuhren, um diesem dort entsprechende Ehrungen zukommen zu lassen.
2. die kapitolinischen fasten (fasti consulares und fasti triumphales)
Die Fasten in ihrer Gesamtheit werden - soweit erhalten - im römischen Konservatorenpalast aufbewahrt und dementsprechend als Fasti Capitolini bezeichnet. In der gesamten verbürgten und konstruierten Fastenüberlieferung stellen sie ein Endprodukt, einen Höhepunkt dar und gelten als berühmteste Eponymenliste. Die Bezeichnung ´Eponymenliste´ ist für die Kapitolinischen Fasten jedoch nur bedingt zu gebrauchen, da sie keine solche Liste im herkömmlichen Sinne darstellen, weil den Censoren die Eponymie nicht zugestanden haben dürfte und die Diktatoren und Reiterführer in der Datierung nicht aufgeführt werden mußten. Außerdem standen sie nicht, wie gewöhnlich, in Verbindung mit einem Kalender.
Der wichtigste Fund bezüglich der Kapitolinischen Fasten ist auf die Jahre 1546/47 zu datieren. Allein 30 Fragmente der Magistratsliste und 26 Fragmente der mit dieser verbundenen Triumphalliste, den Fasti Triumphales, wurden ausgegraben. Bald darauf wurden sie im Konservatorenpalast unter Aufsicht Michelangelos in die Rückwand der nach ihnen benannten "Sala dei fasti" eingemauert.
Die Kapitolinischen Fasten nehmen einen besonderen Platz unter den Konsularfasten ein, sie verbindet mit den alten Eponymenlisten das Verzeichnis der republikanischen Konsuln, aber eine Verbindung mit einem Kalender wird entbehrt. Außerdem werden die Jahre dekadenweise ab urbe condita gezählt. Diese Zählweise trotz einer Konsulliste sollte ständig darauf hinweisen, daß die Geschichte Roms noch älter war als die Republik. Aus diesem Grunde wurden in den Kap. Fasten ursprünglich wohl auch die Könige genannt. Während andere Fasten oftmals nur die separate Geschichte einer kleinen Institution oder Örtlichkeit wiedergaben, bildeten die Kapitolinischen Fasten somit ein Denkmal der Geschichte Roms, welches die gesamte römische Vergangenheit erfaßte.