Vom Stadttor Ostias herkommend, polterte ein einsamer und etwas älterer Wagen die Strassen Ostias entlang. Ein Kutscher mit einem Dreitagebart, einer abgewetzten Tunika und schlecht gelaunter Miene trieb mit einer Lederpeitsche die beiden Eseln mit rauhen Rufen an. Zielsicher lenkte er den Wagen in Richtung des Hafens, der schon von weitem wegen all der Schiffsmasten auszumachen war. Je näher der Kutscher dem Hafen kam, desto besser gelaunter schien seine Miene zu werden. Sein Blick ging sehnsüchtig zu den ersten Hafentabernae, die er passierte.
Wieder fing es leicht an zu rieseln und ein Seufzen kam aus seiner Kehle hervor. So war es nicht verwunderlich, dass er dem Ruf einer jungen Frau nicht wiederstehen konnte. "Hey, Lucius!" rief diese. "Bist Du wieder in der Stadt?" Der Kutscher zügelte seine beiden Esel und grinste breit der rotblonden Frau entgegen, die am Rande der Strasse stand, grell geschminkt war und ihr Gewand bis zu den Waden hochgezogen hatte. "Lucia! Wie schön Dich zu sehen!" Die Frau sah ihn für einen Moment leicht pikiert an. "Calvina..." berichtigte sie ihn. 'Lucius' zuckte mit der Schulter, gleichgültig. Schließlich hieß er weder Lucius noch Gaius und bezweifelte, dass die Lupa ihm ihren richtigen Namen verraten hatte.
"Komm, Lucius, mach doch eine kleine Pause und komm mit mir in den roten Stier! Na, wie wär es?" 'Lucius' sah zu seiner Fracht, dann wieder zu Calvina. Nach einigen Sekunden angestrengten Nachdenkens, man sah es auch auf seiner Stirn, die stark gerunzelt war, nickte er schließlich. "Ja, warum nicht?" grummelte er leise, grinste breit und fuhr seinen Wagen an den Rand der Strasse. Er sprang vom Wagen, band die Zügel fest und sah noch mal unschlüssig auf die Fracht. "Komm, Marcus passt auf deinen Wagen auf, ja?" meinte Calvina und winkte einen zehnjährigen Jungen mit blossen Füßen und abgerissener Kleidung heran. 'Lucius', der Kutscher, nickte nun deutlich erleichtert. "Wenn sich was bewegt, Junge, einfach mit dem Knüppel von meinem Kutschbock draufhauen, verstanden?" Der Junge sah 'Lucius' mißtrauisch an, nickte dann jedoch schließlich als ihm ein Sesterze in die Hand gedrückt wurde. Immerhin ein Vermögen für den Jungen.
So sich seiner Sache sicher seiend, verschwand der falsche Lucius mit seiner Lupa in Richtung einer billigen Tabernae in einer Seitenstrasse. Marcus sah ihnen noch kurz hinter her, dann ging er langsam auf den Wagen zu. Grinsend schwang er sich auf den Kutschbock und schwang die Peitsche probeweise durch die Luft. Nach einer Weile verlor jedoch auch das seinen Reiz. So drehte er sich neugierig zu der 'Fracht' hinter ihm um. Prüfend musterte er den Leinensack. Nach einigen Minuten beugte er sich den Kutschbock herunter und in Richtung des 'Leichensackes'. Vorsichtig streckte er seine Hand dem 'Ding' dort entgegen und tippte mal daran. Als sich nichts rührte, schien es seinen Mut zu verdoppeln. So kletterte der junge Marcus den Kutschbock herunter und auf die Wagenfläche herunter. Sich mal in Richtung der Taberna umsehend, packte er den Faden, der den Sack zuhielt und versuchte den Knoten zu öffnen. Erst nach einigem Fluchen, dem Einsatz seiner Zähne und langen Herumprobieren konnte er den Faden aufmachen. In dem Moment bäumte sich der Sack auf. Marcus gab einen erschrockenen Laut von sich und fiel fast vom Wagen. Bleich hielt er sich an dem Wagenrand fest und starrte auf den Sack, der sich nun bewegte...