Es war wieder soweit. Das Theater im Theater began. Heute war der erste Termin der neuen Sommersaison und das erste Stück war von Aischylos. Er war gespannt, wie es bei den Bürgern ankommen würde.
Nicht wenige waren erschienen und das war gut so.
KRATOS:
Wir stehn am fernsten Saum der Welt, dem skythischen
Gelände jetzt, in unbetretner Einsamkeit.
Hephaistos, du wirst eingedenk jetzt sein des Amts,
Das dir der Vater übertrug, den Frevler hier
In diamantner Fesseln unlösbarem Netz
Hoch anzuschmieden auf den gipfelsteilen Fels.
Denn deines Kleinods, wunderkünstlichen Feuers, stahl
Er einen Funken, gab ihn preis den Sterblichen.
Den Frevel soll er büßen jetzt den Ewigen,
Auf daß er lerne, sich Kronions Herrentum
Zu fügen, seiner Menschengunst Einhalt zu tun.
HEPHAISTOS:
Gewalt und Kraft, euch beiden hat jetzt Zeus' Gebot
Sein Ziel und Ende, weitres bleibt euch nichts zu tun.
Ich aber selbst, ich zittre, den verwandten Gott
Mit Gewalt zu schmieden an ein unwirtbar Geklüft;
Und dennoch zwingt Notwendigkeit mich, so zu tun;
Des Vater Wort mißachten ist die schwerste Schuld.
Hochsinnger Sohn der rateskundgen Themis, dich
Gezwungnen muß gezwungen ich in Ketten jetzt
Unlösbar schmieden an den menschenöden Fels,
Wo nie Gestalt, nie Stimme eines Menschen dir
Sich naht, vom glühnden Strahl der Sonne dir versengt
Der Glieder blühnde Kraft dahinwelkt, bis ersehnt
Dir dann den Tag einhüllt die buntgewandge Nacht,
Dann fort den Frühreif wieder schmilzt der Sonne Blick.
So stets von jedem Elend, jeder Gegenwart
Wirst du gequält; da ist niemand, der helfen kann.
Den Dank gewinnt dir deine Menschenfreundlichkeit,
Da, Gott du, unbekümmert um der Götter Zorn,
Den Menschen Ehre gönntest mehr, als du gesollt.
Drum wirst du Hüter dieses öden Felsens sein,
Schlaflos, emporgefesselt, ungebeugt das Knie,
Wirst viele Jammerklage, vieles Weh und Ach
Vergebens schrein; denn unerbittlich zürnet Zeus;
's ist hart ein jeder, der in neuer Macht sich sieht.
KRATOS:
Auf, auf! Was säumst du und bedauerst ihn umsonst?
Wie, hassest du nicht diesen gottverhaßten Gott,
Der doch den Menschen frevelnd dein Kleinod verriet?
HEPHAISTOS:
Verwandter Ursprung, lange Freundschaft binden stark.
KRATOS:
Ich glaub's; doch unfolgsam des Vaters Worten sein,
Wie ist es möglich? Scheust du es nicht um vieles mehr?
HEPHAISTOS:
Stets ohn Erbarmen bist du und voll wildem Trotz!
KRATOS:
Es hilft ja doch nichts, Tränen ihm zu weinen; drum
Müh dich umsonst nicht mit so ganz Vergeblichem!
HEPHAISTOS:
O dieser Hände hundertfach verhaßt Gewerb!
KRATOS:
Warum verhaßt dir? Denn mit einem Wort: des Grams,
Der jetzt dich drückt, trägt deine Kunst dir keine Schuld.
HEPHAISTOS:
Und doch, o hätte jeder andre sie erlost!
KRATOS:
Es ward den Göttern alles, nur nicht Herr zu sein;
Denn frei und Selbstherr nennst du niemand außer Zeus.
HEPHAISTOS:
Ich seh's; entgegen dem zu sprechen hab ich nichts!
KRATOS:
Und eilst dich doch nicht, gleich mit Fesseln ihn zu umfahn,
Damit dich säumig nicht der Vater möge sehn?
HEPHAISTOS:
Nun, mir zu Händen sind die Ketten ja schon zu sehn!
KRATOS:
Um die Hände leg sie, schmiede sie ihm aus aller Kraft
Mit deinem Hammer, nagle fest sie an den Fels!
HEPHAISTOS:
Schon faßt es; nicht ist meiner Arbeit Werk umsonst!
KRATOS:
Schlag's mehr, noch mehr ein! Keil es fest! Laß nirgend nach!
Der weiß sich Rat zu finden, wo's unmöglich scheint.
HEPHAISTOS:
's ist unerlösbar jetzt geschlossen dieser Arm.
KRATOS:
So schmiede sicher auch den andern an, damit
Er lernt, vor Zeus sei seine Schlauheit eitel Nichts.
HEPHAISTOS:
Der einzig tadelt, keiner sonst mich noch mit Recht.
KRATOS:
Des diamantnen Keiles schonungslosen Zahn,
Hier durch die Brust hin treib ihm den mit aller Kraft!
HEPHAISTOS:
Weh dir, Prometheus! Ach, ich seufz um deinen Schmerz!
KRATOS:
Du zögerst nochmals, seufzest um den Feind des Zeus?
Daß nur du selbst nicht um dich selbst einst jammern mußt!
HEPHAISTOS:
Du siehst ein Schauspiel, nicht mit Augen anzuschaun!
KRATOS:
Des wohlverdienten Lohns beschieden seh ich ihn.
Auf! Um die Seiten leg ihm an den Eisengurt!
HEPHAISTOS:
Ich muß es tun; befiehl es nicht zum Überdruß!
KRATOS:
Jawohl befehlen, an dich treiben obendrein!
Steig nieder, gürte jetzt den Schenkel eisern ein!
HEPHAISTOS:
Und schon geschehn ist's also sonder viele Müh!
KRATOS:
Jetzt schlage tüchtig ihm der Kette Stift in den Fuß,
Denn deiner Arbeit Richter ist, du weißt es, streng!
HEPHAISTOS:
Dein Mund, er lärmt, wie's würdig deines Riesenleibs!
KRATOS:
Sei du ein Weichling, aber meinen Eigensinn
Und meines Zornes Härte mach mir nicht zur Schuld!
HEPHAISTOS:
So laß uns gehn; fest liegt um ihn das Eisennetz.
KRATOS:
Hier trotz und frevle, hier entwend den Göttern ihr
Kleinod und bring es deinen Tagesmenschen! Wie
Vermögen sie dir auszuschöpfen deine Qual?
Falsch heißt Prometheus du der Vorbedächtige
Den Göttern; selbst bedurftest du des Vorbedachts,
Mit welcher Wendung du dich entwändest diesem Netz.
Kratos, Bia und Hephaistos ab.
PROMETHEUS, an der Höhe des Felsens angeschmiedet:
O heilger Äther! Schnellbeschwingter Windeshauch!
Ihr Stromesquellen! Du im Wellenspiel der See
Unzählges Lachen! Erde, Allgebärerin!
Du allesschauend Sonnenaug, euch ruf ich an!
Seht her, was ich von Göttern dulden muß, ein Gott.
Seht her auf mich, wie in Schmach, wie in Qual,
Wie erniedriget ich Jahrtausende hier
Abhärmen mich soll. Und das hat mir
Der Unsterblichen neuer Gebieter erdacht,
Mir Ketten und Schmach.
Weh! weh! Um das Jetzt, um der Zukunft Qual
Wehklag ich umsonst! Wann wird jemals
Mir der Mühsal Ende sich zeigen!
Und doch, was sag ich? Klar im voraus weiß ich ja
All meine Zukunft; nimmer unerwartet naht
Mir jede Trübsal; mein Verhängnis muß ich dann,
So leicht ich kann, ertragen, im Bewußtsein, daß
Die Gewalt des Schicksals ewig unbezwinglich ist.
Und doch, verschweigen mein Geschick, verschweigen nicht,
Unmöglich ist mir beides. Weil den Menschen ich
Heil brachte, darum trag ich qualvoll dieses Joch.
Im Ferulstabe glimmend, stahl ich ja des Lichts
Verstohlnen Urquell, der ein Lehrer aller Kunst
Den Menschen wurde, alles Lebens großer Hort.
Und diese Strafen büß ich jetzt für meine Schuld,
In Ketten angeschmiedet hoch in freier Luft!
Horch! wehe!
Weh! welch Geräusch, welcher Duft weht mir zu, fremd, gestaltlos?
Von den Ewigen, von den Sterblichen, oder beiden?
Naheten gar sich zu dem fernen Geklüft
Neugierge meines Leides? Oder wozu sonst?
So seht gefesselt mich, den unglückselgen Gott,
Mich, Zeus' Abscheu, mich verfeindeten Feind
Der unsterblichen Götter zumal, soviel
Eingehn in des Zeus goldleuchtenden Saal,
Weil zuviel Lieb ich den Menschen gehegt!
Weh mir! Aufs neu tönt her das Geschwirr
Wie von Vögeln der Wildnis; es flüstert die Luft
Von der Fittiche leis hinschwebendem Schlag!
Was naht, mir naht es zum Grausen!
Auf geflügeltem Wagen schweben die Okeaniden vor dem Felsen des Prometheus auf und ab und singen im abwechselnden Chorlied.