Wieder flog die Tür auf und wieder war ich es der hindurchtrat, nur diesmal vor Freude stralend ...
"Hach Piso du wirst nicht glauben was gerade passiert ist!"
Wieder flog die Tür auf und wieder war ich es der hindurchtrat, nur diesmal vor Freude stralend ...
"Hach Piso du wirst nicht glauben was gerade passiert ist!"
Tja, schade, dass Imperiosus so plötzlich gehen musste. Piso verabschiedete sich ebenfalls. Er wollte den guten Mann nicht aufhalten. Er griff sich an den Kopf, schüttelte sich ein wenig – er fühlte sich noch immer sehr benebelt – und machte sich wieder an seine Arbeit.
Schweigen breitete sich aus im Officium, man hörte nur das Kratzen der Federkiele.
Die Stille wurde mit einem Mal unterbrochen. Die Tür flog auf, und Piso taxierte die Runde. Ein Drittel der Notarii waren entsetzt, der Rest blickte nur kurz auf, bevor sie weiterarbeiteten! Ein riesiger Schritt vorwärts! Fast wäre er aufgesprungen und hätte den Eindringling umarmt, war er doch so froh über diesen Fortschritt.
Da sah er im letzten Moment, um wen es sich da handelte, und hörte, was er rief. „Imperiosus? Ja sag mal. Was ist denn geschehen?“, rief er entsetzt aus, meinend, der kaiserliche Palast wäre zusammengebröselt oder ein Procurator hätte sich in Luft aufgelöst. „Sag mir doch, was ist los?“ Er war besorgt.
Ich strahlte bis über beide Ohren auch wenn ich eigentlich gekommen war weil ich eine negative Nachricht für Piso hatte ...
"Die Procuratoren schicken mich nach Aegyptus, als Sonderbeauftragter der Kanzlei! Das ist meine Chance, Piso! ... Nur eh ... leider werde ich schon innerhalb der nächsten Tage aufbrechen, also müssen wir unseren kleinen Umtrunk wohl verschieben!"
Zum einen konnte ich garnicht aufhören mich über die Reise nach Alexandria zu freuen, aber zum anderen bedauerte ich das ich diese Gelegenheit nun vielleicht verspielt hatte ...
„Oh!“, meinte Piso nur, und seine Augen weiteten sich. „Oh!“, wiederholte er. „Aegyptus?“, fragte er und rieb sich die Augen. „Wirklich?“ Ein wenig schafsmäßig war die Frage schon, hatte Imperiosus ihm das doch gerade gesagt. „Das ist wirklich Schade, aber sag mal. Kommst du nach Alexandria? Du gehst doch sicher wegen der Unruhen dort.“ Ja, Piso las die Acta, er wusste, was vorging. „Wenn du in Alexandria bist, sag mal, denkst du, du könntest da etwas für mich tun? Wäre echt super, wenn du das machen könntest.“ Er blickte Imperiosus an, der würde doch nicht etwa nein sagen. „Oder bist du zu beschäftigt?“, fügte er hinzu, denkend, dass dies ja eine Möglichkeit war.
„Wenn nicht, könntest du vielleicht bei meinem Freund Aelius Archias vorbeischauen? Ich kenne ihn schon seit meiner Kindheit, und er ist jetzt Praefectus Vehiculorum in Aegyptus, und er würde sich sicherlich freuen, wenn du mal zu ihm kommst und ihm Grüße von mir ausrichtest. Sag ihm einfach, der Fischhandel läuft gut, dass mir mein neuer Job sehr gut gefällt, und dass die Decima-Sache wie am Schnürchen läuft. Wäre prima, wenn du das tun könntest. Ihr beide werdet euch sicherlich hervorragend verstehen.“, meinte Piso.
Habe letzten Paragrafen dazugeeditet.
Ich grinste ...
"Sicher gehe ich wegen der Unruhen, allerdings auch weil viele der Offiziere und Beamten versäumen regelmäßig Berichte zu übersenden!
Natürlich kann ich dir einen Gefallen tun schließlich musste ich ja unseren kleinen Umtrunk verschieben!"
Aufmerksam höhrte ich mir an was ich dem Leiter der Poststelle mitteilen sollte und schmunzelte als mir Piso eine gute neue Bekanntschaft ankündigte ...
"Du scheinst wirklich überall jemanden zu kennen was?"
In die Aufregung der beiden Primicerii mischte sich ein junger Palastschreiber ein, der kurz zuvor das Officium betreten hatte.
"Flavius Piso, der Procurator a libellis möchte dich sprechen, wenn du es einrichten kannst." sagte der junge Mann an den Flavier gewandt.
Piso grinste ob Imperiosus’ Erstaunen. “Ja, Kollege, es schut fast so aus, als ob ich überall jemanden kenne.” Das war nicht zuletzt wegen seiner Reisen im ganzen Imperium, wenn er auch Archias von Kindesbeinen an kannte. Archi und Pi, die zwei Gauner von Ravenna... hatten wir beide einen Jux gehabt damals in unserer Geburtsstadt, dachte sich Piso. „Das ist absolut wunderbar, dass du das machen willst! Danke viele Male! Ich...“Er wurde unterbrochen, als ihn jemand ansprach. Der Kerl hatte sich so leise ins Officium hineingeschlichen, dass nicht einmal die Notarii was gespürt hatten. „Oh.“, meinte Piso nur, zum wiederholten Male, als der Scriba ihn ansprach. „Ob ich es einrichten kann? Ich fürchte ja...“, seufzte er und wandte sich an Imperiosus. „Alsdann. Ich hoffe, du verbringst eine schöne Zeit in Aegyptus. Wir dir sicher gefallen dort. Ich muss jetzt gehen, tut mir echt Leid. Gute Reise und vale bene.“ Nun war es an Piso, dem Pompeier auf die Schulter zu klopfen, bevor er das Officium verließ. Das Kopfweh war schon etwas geschwunden, doch leicht benebelt fühlte er sich noch immer. Nochmals fuhr er durchs leicht ungeordnete Haar und bewegte sich dann in den Flur hinaus, zum Officium des Procurators.
Ich nickte dem guten Piso zu und machte mir eine geistige Notiz das ich dringend an seinen Freund in Aegyptus zu denken hatte. Das er nun zum Procurator gerufen wurde war natürlich etwas ungünstig schließlich hatte ich ihn noch fragen wollen ob er nicht auch einen fähigen Kapitän kennen könnte der mich dort runter bringen würde ...
Da er aber nun sicherlich einige Zeit weg sein würde machte ich ebenfalls kehrt um mich mit meinen Notarii zu beschäftigen schließlich gab es noch so einige Aufgaben zu verteilen ...
...oder auch nicht.
Piso saß in seinem Officum, vor ein paar Papyrusrollen. Er nahm sich eine und begann zu schreiben.
Hey, Titus, altes Haus, wie geht’s so? Stell dir mal vor, was mir der Pal heute gezwitschert hat! Du wirst es nicht glauben, dreimal darfst du raten! Nein, er hat mich nicht zum Kaiser gemacht, hähä! Nein, er hat nicht Flamininus rausgeworfen! Aber, stell dir vor, er hat mir gesagt, dass du ernannt worden bist! Und zwar, jetzt kommt es, halt dich gut fest, zum Curat
Hier endete der Brief. Piso hatte den Federkiel fallen lassen, zerknüllte das Papyrus und warf es in die Richtung eines der Notarii. Dieser sprang entsetzt auf und wimmerte, als ihn das Geschoss traf.
Piso schüttelte den Kopf. So schrieben absolute Löcher einen Brief, und keine Beamten.
Er versuchte es abermals.
Aulus Flavius Piso Tito Decimo Vero s.d.
Meine aufrecht empfunden Kontrafibularitäten und Ornatofikationen zu deiner Auswahl als Curat
Der Brief überlebte sogar weniger lange als der Vorherige. Der arme Flavier ließ den Kopf hängen und blickte den bereits dritten brief vor sich an.
Hallo, Titus, Verus und so, glubglubkritzelkramharharhar, weißst eh, oder? Hrmbrmbarmpflumlumlum. Dideldidididüdeldüdedüdeldi, dadumbarum. Zimpfbampflalalalala! Lalalala! Lalalala! Also, freuet euch! Gaudeamus igitur, tralalalala! Ach, ich sag es dir, ich waere auch gern ein Curat
Er hatte gestern eindeutig zuviel getrunken. Auch dieser Papyrus wurde sachgemäß verworfen, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Numerius Urbicus, der Obernotarius, nahm das Papyrus, welches ihm am Kopf traf, mit Gleichmut zur Kenntnis, faltete es klammheimlich aus, las es und lachte. Dann steckte er es ein.
Was Piso nicht half. Jener saß über sein Pult gebeugt und hatte keine Ahnung, was er schreiben sollte.
Der vierte Brief aber sollte gelingen! So, er hoffte, dass dies auch tatsächlich der Fall war.
An
Titus Decimus Verus
Casa Decima
Roma
Italia
A. FLAVIUS PISO PRIMICERIUS A LIBELLIS
T. DECIMO VERO S.D.
Ich habe die Ehre, dir im Namen des Procurator a libellis Tiberius Prudentius Balbus mitteilen zu können, dass deine Bewerbung um das Amt des Curator Calendariis erfolgreich war und du unter dein neuer Berufsstand nun eingetragen und bestätigt ist. Bitte melde dich am ANTE DIEM III ID IUN DCCCLIX A.U.C. beim Curator Rei Publicae, um anfangen zu können. Bedenke, dass du pünktlich erscheinen sollst und bereit sein musst, sofort beginnen zu können.
Im Auftrag des Procurator a Libellis
Aulus Flavius Piso
Primicerius a Libellis der Admistratio Imperatoris
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PS: Gratulation Titus! Das freut mich wirklich fur dich!
Das klang gut! Das würde er so abschicken.
Es war wieder das selbe wie an allen anderen Tagen, als Piso sich zum wiederholten Male die Briefe durchschaute. Doch eines war auffällig heute – besonders viel Post einer bestimmten Art schien aus Achaia zu kommen. Doch es handelte sich dabei nicht um Beschwerdebriefe an den Kaiser, keine kläglichen Kommentare bezüglich der repressiven Herrschaft der pösen, pösen Rhomäer. Nein, es war... Fanpost.
Ungläubig starrte der Primicerius in die Schriftrollen hinein, die der Laufbursche Orbinus ihm kübelweise schon fast heraufbrachte. Das meiste wurde übergeben an Acidinus, doch die witzigsten Briefe beschlagnahmte Piso.
Wenn man wissen will, wer Acidinus ist, er war Notarius in der Kanzlei. Im vollen Namen hieß er Marcus Calpurnianus Acidinus, er war also Freigelassener. Und zwar freigelassener von niemand geringerem als Marcus Calpurnius Piso, dem Statthalter von Asia. Unser Piso, der Primicerius, wr ein heimlicher Verehrer jenes Statthalters, dachte er doch, jemand, der so einen grandiosen Cognomen hatte, konnte kein übler Kerl sein. Aus diesem Grunde hatte er Acidinus auch zum Leiter der Bearbeitungsgruppe für Privatanfragen von Nichtbürgern gemacht. Doch dass er der Freigelassene eines Mannes mit einem lässigen Namen war, war nicht seine einzige Merite, nein, er war auch ein scharfer Denker.
Und aus diesem Grund hatte Acidinus auch ein eigenes Urteil über sein Leben gebildet. Hinter dem Rücken von Piso pflegte er zu sagen, sein Leben heute und damals wäre nicht sehr unterschiedlich. Damals war er von einer Kanaille namens Piso herumgescheucht worden. Heute würde er von einer Kanaille namens Piso herumgescheucht werden. Immer das Gleiche.
Insgesamt gab es 8 Bearbeitungsgruppen im Officum. Und es war wirklich so, dass sich durch die Arbeitseinteilung die Arbeit um einiges beschleunigt hatte.
Früher wären die Notarii unter der Last einer solchen Briefwelle verblüfft gewesen, und niemand hätte damit umgehen können. Und dieses Mal war es nur ein Achtel der Notarii, welche schuften mussten. Doch diese Notarii wussten, wie man mit Anfragen von Peregrini umging. Viele allzu seltsame Briefe wurden einfach verworfen.
Ein paar Briefe, solche von Leuten, die in der Verwaltung angestellt waren, wurden freundlciherweise von der Bearbeitungsgruppe von Privatanfragen aus den Verwaltungen der östlichen Reichshälfte bearbeitet.
Und Piso hatte sich die Rosinen herausgepickt.
In einem der Briefe bettelte jemand darum, nach Rom zu kommen, um die Füße des Imperators zu küssen. Jemand anderer bat um ein konspiratives Gespräch mit dem Imperator, und jemand bat um eine Audienz, ohne einen Grund anzugeben. Jemand, eine Frau, schrieb im absolut kläglichen latein, dass sie den Procurator a libellis kennen lernen wollte, um ihn zu heiraten.
Spätestens dann fing Piso an, herzhaft loszulachen.
Da hatten wohl ein paar in der Witzkiste geschlafen. Auf jeden Fall schienen durch einen seltsamen Zufall alle Narren Achaias auf einmal einen Wusch von Briefen in die kaiserliche Kanzlei geschickt zu haben.
Waren diese Briefe ernst gemeint? Oder war es doch nur eine Art... Gag? Eine Beamtenverarschung? Oder war die Kanzlei das Opfer einer griechischen Wette geworden?
Was auch immer die Intentionen der Bittsteller gewesen waren, erflogreich waren sie nicht. Am Abend wurden Kisten voll mit Briefen aus dem Officium XXIII gekarrt, alle mit Absender und Ankunftsadresse fein beschriftet, und als Inhalt hatten sie alle ein einziges Wort: OXI – nein.
Damit war der Fall geschlossen.
Wenn man ein Abenteurer war, der an fernen Küsten sein leben aufs Spiel setzte, so war Langeweile etwas Willkommenes. Wenn man als römischer Legionär in Parthien einer Kolonne von Kataphrakten, in Germanien einer Horde von fanatischen nackten Berserkern oder in Africa einer Schaar von furchterregenden nubischen Speerträgern gegenüberstand, war Langeweile etwas durch und durch erstrebenswertes. Gleichsam auch, wenn man vorm CRV oder einem höheren Test stand und sich einen herunterschwitzte, weil man komplett blank war. Oder aber, wenn man Arzt war und eine komplizierte Operation durchführen musste, oder wenn man als Anwalt vor einem Richter einen hoffnungslosen Fall verteidigen musste.
In allen diesen Fällen war Langeweile spitze. Unerreicht und unerreichbar. Man sehnt sich danach.
Allen diesen Leuten hätte Piso mit Belieben gerne ein Stück von seiner eigenen Fadesse gegeben. Er war schon den ganzen Tag am Pult gesessen und hatte abwechselnd an einer Wurstsemmel herumgenagt, immer wieder die selbe Acta Diurna durchgeschmökert und mit diversen Notarii belanglose Gespräche geführt über das Wohlbefinden derer Familie.Oder aber, alternativ, scheuchte er sie herum und nannte sie Faulpelze. Und natürlich hatte er gearbeitet. Er hatte sich schon gut eingefügt, und diverse Schreiben aufsetzen war kein Problem mehr. Doch es mangelte an Ästhetik. Nichts passierte, es war immer dasselbe.
Er blickte vorsichtig um sich, dann langte er in eine Schublade hinein und holte einen Fetzen Papier hervor. Nicht viel stand drauf, es war nur eine Berufsbeschreibung. Und zwar vom Procurator a memoria. 1000 Sesterzen. Seine Augen glommen, als er diesen fantastischen Betrag sah. Eine schöne, runde, ästhetische Summe. Nicht zu vergleichen mit den 150 Sesterzen, die er bekam. Erine krumme, hässliche Azahl. Und deplorablerweise eher klein, wenn man sich das Gesamtbild so anschaute. Und nicht zuletzt die Arbeit, die er dort erledigen musste, war auch sehr ansprechend.
Nur schien sie noch einigermaßen entfernt zu sein. Er dachte nach. Es war ein Posten, den er wollte. Ja, zu dem Entschluss war er gekommen. Und noch zu einem weiteren. Er hatte kein Geld locker, doch bald würde er ausbezahlt werden. Dann könnte er sich was leisten... einen Kurs.
Ein anderer Zettel wurde hervorgezogen. Ein Zettel mit fortgeschrittenen Kursen. Pisos leicht fettiger Finger wanderte übder den Wisch und verharrte bei einem Namen. „Rebus Mercatoribus.“, murmelte er leicht zu sich. Ja, den würde er eventuell, vielleicht, irgendwann machen. Vielleicht konnte das ja überzeugen? Oder auch nicht.
Er ließ den Zettel sinken und wandte sich wieder der Arbeit zu, dabei ein Gähnen unterdrückend. Es war immer dasselbe, bei den Göttern.
Wie ganz und gar kalamitös.
Träge wanderte der Blick des Primicerius über die Kanzlei an jenem drückend heißen Sommertag. Das Officium roch nach Schweiß. Irgendjemand hatte einen Furz lassen, und der Flatulenzgeruch wollte einfach nicht weichen. Mehrere Notarii waren im Sitzen eingenickt, sachte durch die Hitze in Morpheus‘ Arme hineingefallen. Ein regelmäßiges Rütteln der Kommitteeleiter an den Ärmeln der Notarii weckte den einen oder anderen unverhofft wieder auf. Doch viel konnte man nicht ausrichten.
Denn das Auge des Piso war das einzige, was heute groß in Bewegung war. Die meisten Notarii schauten sehr gleich aus, wenn sie an ihren Tischen saßen. Viele sahen so aus, als ob sie dösten, doch konzentrierten sich auf das vor ihnen liegende Formular. Bei vielen an deren täuschte der Eindruck aber nicht.
Gelegentlich kam ein Notarius ins offensichtliche Schlafen – der Kopf fiel zurück, und mit herausgestreckter Zunge wurde dann zum Schnarchen begonnen. Einer schickte sich sogar an, im Schlaf mit sich selbst zu reden, und wurde darob mit einem Schubser wieder aufgeweckt.
Eine löbliche Ausnahme zu diesem verdrießlichen Verein gab es – Glaucus von Byrsa, der Leiter des Kommittees für Anfragen aus dem Cultus Deorum. Er war ein alter Mann aus Mysien, der allerdings, was Götter anging, sehr versiert war. Deshalb pflegte er auch des öfteren innerlich diverse kappadokische, mykenische oder skythische Gottheiten auf Leute zu hetzen, die er nicht mochte. Er erhob sich und schlurfte müde zu Piso hin.
„Kannst du auch nicht schlafen, Boss?“, fragte er den jungen Patrizier ernst, fast besorgt, und keuchte, fast so, als ob er stundenlang gerannt wäre. Seine Gesundheit war nicht einwandfrei. Bald schon würde er in Ruhestand gehen.
Piso gab ihm nur einen müden Blick und lächelte. „Du hast verloren. Du warst der erste, der sich bewegt hat.“ „Wie bitte? Ich komme nicht mit.“ „Ist ja egal.“, machte Piso, der innerlich eine Art von Spiel erfunden hatte. Beamtenmikado. Wer sich zuerst bewegt, hat verloren.
So seltsam seine Erfindung auch war, selbst 2000 Jahre später würde sie sich noch ungebrochener Popularität in Amtsstuben, Offizien und Büros erfreuen.
In die unbetrübte Stille des Beamtenmikados drang dann jedoch ein sehr bewegter kleiner Schreiber ein, der die Bewegungslosen nach dem Eintreten vorsichtig musterte und sich dann beeilte dem Primicerius eine Tabula vorzulegen um schnellstmöglich wieder das Officium zu verlassen.
Piso,
lade bitte die beiden Senatoren Tiberius Durus und Germanicus Sedulus zu einem gemeinsamen Gespräch mit mir ein.
Der Termin sollte in den nächsten Tagen sein.
Balbus
Als sich die Türe öffnete, wusste der Primicerius, dass er sein selber erfundenes Spiel nun ebenfalls zu verlieren gezwungen war. Unruhe verbreitete der Eindringling, schier dadurch, dass er etwas tat. Piso legte seine Griffel, mit dem er unschlüssig herumgespielt hatte, nieder, und nuschelte ein „Salve.“ Enthusiastisch klang es nicht. Eigentlich eine Frechheit, dass man von Leuten verlangte, dass sie für ihr Geld arbeiten mussten. Innerlich murrend nahm Piso das Schriftstück zur Hand, meinte „Danke“ und hob es zu seinen Augen hin, womit er die Runde Beamtenmikado mit sich selber verloren hatte. Er überflog die Worte. Aha, hoher Besuch für den Procurator. Er hatte die zwei Herren noch nie gesehen, doch vage gehört hatte er schon von ihnen.
Langsam, ganz langsam senkte sich seine linke Hand gen Schreibtisch. Dort angekommen, tastete sie, ohne dass sich Pisos Blick auf den Tisch senkte, nach zwei passenden Pergamenten. Schwierig war das nicht, der Tisch war voll davon. Er zupfte sich zwei davon heraus, nahm sich eine Wachstafel, hob seinen Griffel wieder und begann deine Wachstafel zu beschriften. Komisch, dass Balbus nicht den Grund des Treffens genannt hatte. Und auch nicht den Ort. Es würde aber wohl im Officium sein.
...
Im Namen des Procurator a libellis Tib. Prudentius Balbus habe ich das Privileg, dir mitzuteilen, dass du zu einer gemeinsamen Unterredung mit dem Procurator a libellis in seinem Officium am Nachmittag des ANTE DIEM VII KAL IUL DCCCLIX A.U.C. (25.6.2009/106 n.Chr.) geladen bist.
So, das sollte genügen. Er würde jetzt entsprechende Briefe schreiben und sie einwerfen lassen.
Die letzten Tage hatten die Notarii eher Schlafwandlern geglichen als Leuten, die einer echten Arbeit nachgingen. Obwohl Schlafwandler das falsche Wort war. Viel eher würde es das Wort „Schläfer“ treffen. Die Hitze hatte alle niedergedrückt. Der Schweiß klebte an der Kleidung eines jeden. Beamtenschweiß, welch seltener Saft! Viele Notarii hatten enorme Wasserkrüge neben sich am Arbeitstisch stehen. Aus ihnen süffelten sie hie und da, um nicht zu Verdursten. Vor lauter Hitze begann das Holz in den Tischen zu arbeiten. Dies bildete einen interessanten Kontrast zu den Beamten im Officium XXIII.
Manche hatte Piso gesehen mit einem blauen Abdruck auf einer von ihren Wangen. Der Grund dafür war, dass sie auf Stempelkissen eingenickt waren.
So konnte das nicht weitergehen. Es musste durchgegriffen werden. Und der beste Zeitpunkt dafür war heute. Denn heute war das Ärgste der Hitzewelle vorbei. Es gab keine Ausrede mehr fürs faule Herumsitzen.
Piso erschien früh im Officium und machte sich eifrig an Akten, die sich noch vom Vortag an angesammelt hatten. Er ackerte sich schnell durch. Die meisten Notarii erkannten sofort die Zeichen der Zeit und ahmten ihren Vorgesetzten nach.
Nach einiger Zeit traf ein Notarius verspätet an. Vor 2 Tagen hätte das nichts ausgemacht, doch er spürte sofort die neue arbeitsame Atmosphäre im Officium. Es begann ihm zu dämmern, dass es keine gute Idee gewesen war, heute zu verschlafen.
Schnellen Schrittes deshalb begab sich der Notarius zum Primicerius. „Salve Primicerius! Entschuldigung! Ich habe verschlafen!“, erklang seine Ausrede. Der Angesprochene blickte schief herunter. „Was? Zuhause schläfst du auch?“ Sehr begeistert klang der Tonfall nicht. „Wenn ich das noch einmal sehe, fliegst du. An die Arbeit.“ „J... ja!“, machte der Notarius, entsetzt über den Sinneswandel seines Chefs. Jener lehnte sich zufrieden zurück und blickte auf die verschiedenen Kommittees von Notarii, welche plötzlich heftig zu arbeiten anfingen. Die Stöße an unaufgearbeiteten Papyri wurden immer kleiner. Doch hinten erblickte Piso noch jemanden, der friedlich zu schlummern schien. Genau, das war ein Neuer. „Potzblitz.“, meinte Piso zu sich selber. „Der hat sich aber schnell eingearbeitet.“ Eine Art von sadistischem Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus.
Er erhob sich und eilte zum Schlafenden auf. Fest packte er den Kerl am Arm und rüttelte an ihm herum. Der Unglückselige wachte auf und starrte den Primicerius verwundert an. „Ja?“ „Es tut mir sehr Leid.“, meinte Piso freundlich. „Ich hätte dich nicht geweckt, wenn es nicht wichtig gewesen wäre.“ „Was is‘?“ „Du bist gefeuert. Raus.“, erwiderte Piso trocken.
Der Geschasste starrte in die Augen des Patriziers. Er war Freigelassener, wie viele hier in officium. Sich einem Befehl zu widersetzen hätte er nicht gewagt. „Ja, Herr...“, murmelte er nur und verließ das Officium bedröselt.
„Was gafft ihr alle so!“, rief Piso den Augenpaaren, die ihm entgegenstarrten, entgegen. „Arbeitet! Los, dalli, dalli! Die Formulare arbeiten sich nicht von selber durch!“ Hastig neigten sich die Köpfe wieder den Pergamenten durch. Piso war vollends befriedigt. Macht war gut. Mehr wäre nicht schlecht.
Langsam sich von seinem kurzen Machttrip abkühlend, bewegte er sich wieder seinem Tisch entgegen und setzte sich mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck hin.
Mal wieder kam einer der Notarii angeschlichen. In seiner Hand hielt er eine Tabula und ein Stück Papyrus. Er übergab beides an den Primicerius und sagte dabei: "Der Procurator bittet dich, dich darum zu kümmern."
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An die Kaiserliche Kanzlei
Procurator a libellis Tiberius Prudentius Balbus
~~~~~
Roma
~~~~~
Palatium Augusti
____________________________________________
Verehrter Prudentius Balbus,
ich schreibe, um einen privaten Wunsch an den Kaiser auszurichten, was mein senatorisches Tribunat in der Legio II Germanica Fidelis Constans anbelangt. Im Rahmen meiner Amtszeit als Tribunus Laticlavius in dieser Truppe habe ich die Umstände kennenlernen dürfen, welche das Leben im Militärstab bietet.
Gerade jetzt, in meiner besten Phase, möchte ich doch ausnutzen, was mir zuteil wurde und weiter an meinem militärischen Wissen feilen, um das Militär näher, tiefer einzustudieren. Ich kann das jedoch nur tun, wenn der Kaiser in seiner Weisheit meine Amtszeit verlängert, so dass ich, anstatt eine eilige Rückreise nach Rom anzutreten, eine weitere Amtszeit in dieser Truppe verweilen darf. Ich möchte herzlich darum bitten, dies dem weisen Urteil meines Kaisers offenzulegen und diesen über meinen Vorschlag nachdenken zu lassen.
Egal, wie die Entscheidung ausfällt: Ich erwarte Antwort.
Mögen die Götter Dich und den Kaiser behüten, Prudentius.
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Salve Piso.
Auch wenn das Schreiben falsch adressiert war, bearbeiten wir das natürlich trotzdem.
Antonius Hortalus hat entschieden, dass dem Wunsch des Aurelius Avianus entsprochen wird. Sein Tribunat wird um ein weiteres Jahr verlängert und er bleibt auch weiterhin der Legio II zugeteilt.
Erwähne bitte, zumindest am Rande, auch, dass solche Anliegen eigentlich an die Abteilung des Procurator ab epistulis gerichtet werden sollten.
Balbus
Aus seiner inneren Zufriedenheit wurde Piso gerüttelt, als ein Notarius, dessen stur gesenktes Gesicht verriet, dass er Lunte roch, dass im Officium XXIII dicke Luft war. Piso nahm hastig die beiden Briefe entgegen und schüttelte als gestandener Bürokrat nur den kopf. Wie hatte man so einen Brief nur an Balbus richten können! Er nahm die Tabula und studierte sie. In letzter Zeit pflegte ihn der Procurator als Piso zu adressieren. Vielleicht sollte er in Zukunft auch nur Balbus zum Prudentier sagen. Vielleicht ließ sich ja ein gutes, kollegiales Verhältnis daraus machen.
Es war klar, wieso Piso das bearbeiten sollte. Imperiosus war auf Urlau... äh, auf amtlicher Mission in Aegyptus. Da musste es ein anderer erledigen, und die Arbeit war auf Piso gelandet.
Er las die Tabula geübten Auges durch, nahm dann seinerseits eine Wachstafel und begann zu schreiben.
Anrede, balabla salutem dict.
Im Namen der kaiserlichen Kanzlei habe ich den Auftrag, dir mitzuteilen, dass deinem Wunsch statt gegeben worden ist. Der Procurator ab epistulis, Kaeso Antonius Hortalus hat entschlossen, dass du den Rang des Tribunus Laticlavus bei der Legio II auch für eine weitere Amtszeit beibehalten sollst. Die Verlängerung der Dienstzeit wurde schon in den Büchern eingetragen und bestätigt. Erwähnt sollte noch werden, dass du ein solches Anliegen aus Gründen prozeduraler und administrativer Dienlichkeit das nächste Mal am Besten direkt an den Procurator ab epistulis richten solltest, sodass jenes Anliegen auch schneller bearbeitet werden kann. Vielen Dank für das Verständnis.
Im Auftrag blablabla und soundso.
Das klang in Ordnung. Er würde jetzt auch seine brandneue Unterschrift, die er sich selber antrainiert hatte, ausprobieren können.
Von der domus Aeliana, wo Lucius Aelius Quarto wohnte, war es nur ein kurzer Fußweg zu dem Teil des weitläufigen Kaiserpalastes, wo die Beamten der Administratio Imperatoris ihren Dienstgeschäften nachgingen. Er kannte ihn gut, diesen Weg, aus seiner Zeit als Magister Domus Augusti.
So fand er auch sofort das Zimmer mit der Nummer XXIII.
In der linken Hand hielt er einen zusammengerollten Papyrus. Mit der rechten klopfte er an.
Piso erhob sein müdes, träges Haupt von der typischen Hornochsenposition, tief über sienen Schreibtisch gebeugt, auf eine normale Position, als er das Klopfen erhörte. „Herein!“, erschallte seine Stimme durch das Officium, durch die Poren im Türholz, dem bärtigen Haupt des ehemaligen Consuls, entgegen. Er fragte sich, wer das wäre. Sicherlich wieder ein Notarius, der ihn mit einem Schwall von unnötigen Fragen belästigte, oder der ihn ins Officium des Prudentius Balbus zitierte. Auf jeden Fall, so war er sich sicher, wartete Arbeit auf ihn.
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