[Gräberstraße] Mausoleum der Gens Tiberia

  • Das Mausoleum der Gens Tiberia befindet sich in einem schon etwas älteren Teil der Gräberstraße zu Tarraco und ziemlich nah an der Stadt. Sie wurde in älterer Zeit erbaut, in welcher die Gens zwar noch nicht patrizisch, aber bereits durchaus schon bedeutend war. Das Gebäude war aufwendig und prunkvoll, noch immer einer patrizischen Gens würdig. Hier liegen nicht wenige Urnen der Gens, von manchem noch mehr, von manchem weniger betrauert. Doch von vielen bestaunt.



    Das Mausoleum der Gens Tiberia zu Tarraco

  • Schon als sie in den nicht zu verachtenden Raum getreten war, hatte die alte Beklommenheit von ihrem Herzen Besitz ergriffen. Sie hatte sofort an die Beisetzung ihres Mannes denken müssen, kaum dass die kalte Hand nach ihrem Herzen griff. Einige Minuten war sie andächtig noch am Eingang stehen geblieben und hatte mit geschlossenen Augen andächtig um Fassung gerungen und zur gleichen Zeit einige ihrer Gedanken den Laren und Penaten gewidmet. Dann hatte sie sich daran gemacht, den Weg zu dem Podest im hinteren Teil zu beschreiten, auf welchem die Urne ihres Mannes lag.


    Mit jedem Schritt schienen ihre Beine schwerer zu werden und ein fast ungekannter Schwindel griff nach ihr. Lange Zeit, seit sie das erste und letzte Mal diese Halle betrat, war sie nicht mehr hier gewesen. Sie war stets vor dem Mausoleum stehen geblieben und hatte sich nicht überwinden können, die Räumlichkeiten zu betreten. Nun war sie wieder hier und es war, als würden die Laren um sie herumwuseln, ihr verächtliche Blicke zuwerfen. Vielleicht wäre es doch der bessere Weg gewesen, nach einem Messer zu greifen und Maximus zu folgen, anstatt ihrer Liebe untreu zu werden und sich auf einen neuen Mann einzulassen. Niemals würde sie Metellus die gleichen Gefühle wie Maximus entgegenbringen und damit belog sie nicht nur ihren ersten Mann, sondern auch ihren künftigen.


    An seinem Bildnis war Helena letztlich kraftlos auf die Knie gefallen, als hätte man ihr die Beine unter dem Körper weggerissen. Hier war sie keine Pontifex mehr, keine Mutter. Hier war sie nur noch die untreue Frau ihres ersten Mannes, der vor ein paar Jahren sein Leben lassen musste. Doch gesunken war ihre Trauer nicht. Noch immer beweinte sie ihn wie in der ersten Nacht, da sie von seinem Tod erfuhr. Viel war seitdem geschehen, Gutes und Schlechtes, doch sie hatte nicht einen Tag verbracht, an welchem sie sich nicht seiner erinnerte.


    Hier nun saß sie bereits eine längere Zeit. Von draußen schimmerte schwaches Dämmerlicht, der Abend brach an. Doch sie wollte noch nicht heim, wollte bei ihm bleiben. Ihre Palla lag längst nicht mehr auf ihren Schultern sondern neben ihr auf dem marmornen Boden. Ihr Kopf lehnte erschöpft an der Wand während sie stetig zu seiner Urne hinaufsah, in der Nische, in welcher sie ruhte. Eine Zeit lang hatte sie leise flüstern gesprochen und gebetet, eine andere Zeit hatte sie bittterlich geweint. So rannen ihr auch jetzt die heißen Tränen lautlos über die erbleichten Wangen. Helena war insgesamt sehr blass geworden und wirkte nun, als habe sie seit Jahren nicht mehr gelacht. Und in diesem Moment dachte sie gar, dass sie es wohl nie mehr könnte.


    Sie hätte längst hierher kommen sollen. Sicher hatte Publius schon vermisst. Ihr Haar war zerzaust und ihre Sinne schon beinahe so sehr im Anblick des Mausoleums gefangen, dass sie glaubte Maximus würde sie in ihrem Arm halten. Sie selbst hatte nicht wahrgenommen, welch späte Stunde es schon war und für sie an der Zeit zur Cena nach Hause zu kehren.

  • Es vergingen schon einige Tage in der tristlosen Umgebung der Villa Flavia, der er sich hinzugeben versuchte, doch es war nicht Rom. Auf der Suche nach einer doch ergreifenden Landschaft und der Idylle, die es auch hier nicht gab, hatte er schon gestern diese via beschritten, sich die Garbmonumente angeschaut und bei dem ein oder anderem auch stehengeblieben. Schon gestern fiel ihm das Mausoleum der Tiberier ins Auge, schon gestern trat er hinein, verharrte und ging wieder schnell hinaus, denn gestern, ja, da war er mit leeren Händen gekommen. Heute schien alles anders, und doch war es kein großer Unterschied zum gestrigen Tage, lediglich der mit Opfergaben geschmückte Sklave an seiner Seite ließ das Fortschreiten der Zeit erkennen.


    Bevor der Sklave jedoch die Treppen erklimmen konnte, drehte er sich um und wies ihn an stehen zu bleiben.


    "Dieser Ort ist deiner Anwesenheit nicht würdig, warte hier auf mich."


    Behutsam nahm er den Weihrauch und die kleine Amphore Wein. Diese waren für Publius Tiberius Maximus gedacht, welchem seine Zukünftige nachzuweinen schien, sein Auffinden sie dermaßen durchwühlte, so dass er erleben konnte, wie grausam es ist sie weinen zu sehen. Würde Claudia das sehen, sie hätte sicherlich gelächelt. Doch sie war hier nicht, auch gab es keine anderen Gründe hier zu sein, lediglich der, ein Mitglied seiner bald hinzugewonnen Familie zu ehren.
    Doch kaum, als er den Raum beschritten hatte, sah er eine Frau. Auf den ersten Blick war sie nicht zu erkennen, doch die Szene, welche sich ihm hier bot, sie war Grund genug um zu handeln. So ließ er die Sachen zu Boden nieder und eilte herbei, um ihr aufzuhelfen. Er sagte nichts, denn die Tränen ließen ihn auch jetzt erstarren.
    Welche Macht, welch Ansehen und Reichtum ein Mann besitzen mochte, jeder wäre an seiner Stelle genauso macht- und hilfslos. Besonders gegenüber einer weinenden Frau.

  • Helena hatte die Worte vor der Halle nicht wahrgenommen, zu krampfhaft versuchte sie sich das Gesicht ihres Mannes vorzustellen und sich einzureden, er kauerte hier neben ihr und verzieh ihr all ihre Sünden. Auch, als der Patrizier die Halle betrat, hatte sie seine Anwesenheit nicht wahrgenommen. Die Schritte, so bildete sie sich ein, kamen von Maximus. Erst als sie eine Hand auf ihrem Arm spürte, schrak aus ihren fast fieberhaften Gedanken auf und sah Furianus aus großen Augen an. Sie saß noch immer mit angewinkelten Beinen auf dem Boden und nur zögerlich reagierte sie, als er andeutete, ihr aufhelfen zu wollen. Recht bald hatte sie den Blick wieder auf die Büste ihres Mannes gerichtet. Das lockige, etwas längere Haar war, wie sie ihn in Erinnerung hatte. Lediglich sein Blick ähnelte wohl eher jenem Maximus, den wohl seine Soldaten kannten.


    Als angesichts dieser Gedanken ein weiteres, leises Schluchzen aus ihrer Kehle kam, sackte ihr Kinn auf ihre Brust und sie hielt sich ihre zierliche Hand leicht auf die erkaltete Stirn. "Verzeih..." murmelte sie leise, räusperte sich einmal. Doch dieser Versuch, sich zu fassen wurde zunichte gemacht, als sie ein weiteres Mal schluchzen musste. In einer schwächlichen Geste deutete sie mit ihrer Hand auf den Namenszug P. Tiberius Maximus, der unter seinem Kopf auf der Büste eingraviert war und durch den leichten Fackelschein erst lesbar wurde. Sie war noch immer ziemlich überrrumpelt, da dies ein Moment war, da sie nicht im Entferntesten mit Besuch gerechnet hatte. Weniger elegant versuchte sie sich zu fassen, indem sie kurz die Luft anhielt und danach kurz hustete. Doch Stück für Stück schien die ruhiger zu werden und letztlich brachte sie ein gequältes "Ich bin Helena." vor. Hier, in diesem Raum, dachte sie nicht daran, ihren nomen gentile ebenfalls zu nennen. Zu sehr war sie noch in ihren Tränen gefangen. Für sie war fast selbstverständlich, dass man 'Helena' als Maximus' Ehefrau erkennen würde.

  • Er musste sich zurückhalten, seine überraschte Miene verbergen. Sie hatte er hier nicht erwartet. Zumindest kannte er sie nicht besonders gut, jedoch noch von seiner Verlobungsfeier. Claudia hatte sie extra einladen lassen, sie standen sich wohl nah.


    "Tiberius Maximus kann sich glücklich schätzen, dass eine Frau am heutigen Tage Tränen für ihn vergießt."


    Er musste ein großer Mann gewesen sein. Nicht groß im Sinne von Stärke und Macht, nein, groß in seinem Wesen und seiner Seele, die in jenem Augenblick der Aufmerksamkeit so edel erschien.


    "Lucius Flavius Furianus, du kennst mich."


    Sagte er nun mit einem leichten Lächeln. Vielleicht würde es sie aufheitern, denn vor einer Frau zu stehen, besonders wenn sie Tränen in den Augen hatte, das konnte er nicht. Zudem fühlte er sich in solchen Momenten ziemlich unwohl, hilfslos und schwach. Anders, als er sich sehen wollte, so anders, wie er sich immer gab.
    Vorsichtig hob er den Weihrauch auf, opferte ihn dem Feuer und versuchte ihr dadurch die Zeit zu geben sich zu fassen.

  • Als sie ihre Aufmerksamkeit stärker auf ihn richten konnte, während ihre Tränen langsam versiegten, glaubte sie, sein Gesicht zu kennen. Aber es war ihr beinahe unmöglich, es zuzuordnen. Sie rang einige Minuten lang mit ihren Erinnerungen, als ihr dann die Verbindung zu einem Gesicht einfiel: Claudia. Ihn hatte sie sich erwählt. Vielmehr lösten seine Worte Skepsis in ihr aus. Er kannte sie. Hatte Claudia nie erzählt, warum sie beide ein so enges Verhältnis zueinander hatten? Mit noch brüchiger Stimme korrigierte sie ihn. "Seine Frau." Beinahe klangen ihre Worte trotzig, als wolle sie auch sich selbst davon überzeugen, dass sie ihm gehörte. Auch nun, da er tot war und ihr nicht viel mehr blieb, als die Erinnerungen an ihre gemeinsame Zeit.


    "Und ja, ich erinnere mich." fügte sie mit gesenkter Stimme an, während sie sich wieder der Büste zuwandte. Noch immer glaubte sie, ihr Herz müsse doch eigentlich vor Trauer bersten. Schon jetzt wusste sie, dass sie in den nächsten Tagen des Öfteren hier sein würde. Jetzt, da ihre gemeinsame Tochter in Rom war, hatte sie das schlechte Gewissen wieder eingeholt. Als er den Weihrauch zu Ehren ihres Mannes opferte, wurde ihr auch langsam wieder bewusst, dass sie hier nicht erwarten konnte, ungestört zu sein. Eine Hand hielt sie an ihre Brust gepresst, die andere hatte sich um ihren Bauch gelegt, als wenn sie Schmerzen hätte.


    "Maximus war ein großer Mann." begann sie nach kurzer Zeit des gemeinsamen Schweigens. Für viele mochte sein Denken närrisch sein, doch Helena hatte es stets bewundert. "Er war ein wundervoller Mann und noch ein viel besserer Soldat. Sein Andenken möchte ich durch den Bau eines Kapitols wahren. Es wird bald geweiht werden." Sie sah nun zu Furianus, dieses Mal ein leichtes, wenn auch trauriges Lächeln auf den Lippen.

  • Seine Frau also. Er hielt kurz inne, ob der doch bedeutenden Information, fuhr jedoch nach einem Augenblick weiter fort den Weihrauch zu verbrennen.


    "Ein wahrlich großer Mann, wenn du ihm so ergeben bist, selbst nach dem Tod."


    Sein Blick fiel nicht auf sie, denn er machte beharrlich weiter, hob die Amphore Wein auf und goss sie in die Opferschüssel. Nun war das Opfer vollzogen und er verharrte vor dem Bildnis des Maximus.


    "Die Ehe ist ein sicherer Hafen, die Liebe jedoch der gefährliche Sturm."


    Seine Worte würden sie im ersten Augenblick verwirren, doch dies war auch nicht verwunderlich, denn es war seine Philosophie, nach der er sich immer richten würde. Zumindest nahm er sich dieses Leben vor. Leicht lächelnd drehte er sich zu ihr um.


    "Und darum, Helena, liebe ich nicht. Solch Leid, wie du es gerade in deiner Brust spürst, das werde ich nie erfahren. Wärst du mit dem Mann verheiratet, so würdest du an seinem Trauerzug teilnehmen, ihn einige Tage betrauern und ihn dann vergessen. Doch du liebst diesen Mann, erfährst noch heute den Schmerz und du wirst Tage, Wochen, gar Jahre nach seinem Tod leiden. Du wähltest den gefährlichen Sturm und nun bist du ihm verfallen."


    Er hoffte, dass sie ihn verstand. Die Liebe war ein Spiel der Gefühle, welches am Anfang beflügelte, doch am Ende nur leid brachte. Diesem Leid zu entkommen war sein Bestreben, denn auf das anfängliche Glück konnte er nur zu gut verzichten, wenn er die Folgen, gerade ihren jetzigen Zustadn, anblicken musste.

  • Als er erwähnte, dass sie ergeben war, stutzte sie kurz. Konnte man ihre Liebe und ihre Trauer als Ergebenheit bezeichnen? Vielleicht hatte er Recht, auch wenn dieses Wort ihr nicht besonders gut gefiel. Maximus war schon seit Jahren tot und noch immer war es ihr nicht möglich, sich von dem Schmerz zu befreien. Sie hörte ihm schweigend zu und betrachtete fortwährend den Weihrauch, der langsam ihre Sinne benebelte. Sie konnte nicht viel mit seinen Worten anfangen, denn sie war noch zu sehr in ihren Gedanken gefangen. Etwas lahm entgegnete sie: "Ich habe den Sturm mit Freuden erlebt, denn was ist ein Leben ohne Risiko. Schmerz erlebt man in jeder Form und ich möchte die erlebten Gefühle gegen nichts in dieser Welt eintauschen. Der Tod mag schmerzen, ist gegen die Liebe aber machtlos."


    Mit ernstem Blick wandte sie sich nun zu ihm. Ob Claudia ähnlich dachte? Es täte ihr leid, für ihre beste Freundin. Ebenso für ihren Verlobten, der nun vor Helena stand. Sicherlich litt sie nun größere Qualen, als sie es wohl getan hätte, wenn sie eine Pflichtverbindung eingegangen wäre. Aber sie wusste, auch Maximus fühlte wie sie und nach dem Tode sähen sie sich wieder. Vielleicht würde auch Metellus dort jemanden für sich finden. Beinahe ängstlich starrte sie auf den Boden vor sich. Sie würde einen weiteren Sturm in Kauf nehmen. Würde Metellus ihr auf ewig treu sein, so würde er nach dem Tode leiden. Würde er zu Lebzeiten eine neue Partnerin finden, würde sie im Leben leiden. Sie seufzte schwer, denn Liebe war ein schmerzliches Spiel. Aber Menschen waren zum Lieben bestimmt und sie würde Venus nicht leugnen.


    "Was du mir allerdings deutlich machen möchtest, verstehe ich." erklärte sie mit freundlicher Stimme, die in ihren eigenen Ohren aber irgendwie hohl klang. Sie richtete ihren Blick wieder auf Maximus, meinte dann aber: "Dies ist nicht unbedingt der richtige Ort, für Gespräche. Lass uns gehen." Sie fuhr sich mit ihrer Hand durch das offene, dichte, blonde Haar um ein wenig die Knoten zu lösen, legte sich die Palla wieder über Kopf und Schultern und nickte Furianus zu.

  • Er war der Ansicht, dass man auch andere Freuden im Leben erfahren konnte, außer der Liebe. Damit war auch der Schmerz zu vermeiden, welcher mit der Liebe den selben Pfad beschritt. Frei von Schmerz würde man wohl nie sein, doch es gab die Chance diesen zu dezimieren, was Furianus auch sicherlich versuchte, doch es war schwer.


    "Wir sollten wahrlich gehen."


    Sagte er leise und wandte sich dem Ausgang zu. Zeit hatte er an diesem Tag reichlich, doch womöglich riefen sie ihre Pflichten, da konnte er nicht im Wege stehen. Außerdem war das kleine Stückchen Besonderheit noch nicht gefunden und er der Suche noch nicht leid.

  • Schweigend wandte sich Helena vom Grab ihres verstorbenen Mannes ab und sich dem Ausgang zu. Es würde einen anderen Tag geben, da sie wieder trauern konnte. Nun rief sie das Leben wieder zurück auf die Straße und fort von Maximus' Ruhestätte. Gemeinsam mit Furianus schritt sie die Treppen hinunter, um allmählich den Heimweg anzutreten.

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