Das selbsternannte Orakel Germaniens

  • Meistens liegt dichter Nebel über dem kleinen Waldstück. Kaum einer weiß, dass hier jemand lebt, oder sollte man eher 'haust' sagen? Es ist Urgulanilla, eine Germanin. Die Römer meiden ihren Wald, die Einheimischen fürchten ihn. Seltsame Dinge sollen sich hier zutragen und zugetragen haben und nur selten findet jemand klaren Verstandes den Weg zum selbsternannten Orakel Germaniens. Wenn es jedoch geschieht, so fordert der Weg bis hin zu jener klapprigen Hütte tief im Wald und inmitten eines Sumpfgebietes großen Mut und eine Prise Glück von jedem Wanderer und jedem Bittsteller, der sich auf den Weg zu Urgulanilla gemacht hat. Das selbsternannte Orakel Germaniens ist, obwohl sehr versteckt und gefürchtet, weithin bekannt. Die Römer behaupten zwar, sich vor nichts zu fürchten und nicht abergläubisch zu sein, doch behelligen sie Urgulanilla und ihren Wald niemals.


    Am morschen Holz eines Brettes, das wenige Meter vor der Tür zu Urgulanillas Hütte in der Erde steckt, hängt ein Fetzen Pergament, auf dem geschrieben steht:



    Ei, Wanderer,


    tust du nur einen Schritt noch wagen,
    solltest großen Mut beweisen, nicht verzagen!
    Was du sehen wirst in Urgulanillas Reich,
    macht selbst den stärksten Krieger weich.
    Doch wennst' dem Gerede trotzen willst
    und nicht dein Mut ganz schrecklich schmilzt,
    tritt in dieses Haus hinein
    und ich werde den Orakel sein.


    Urgulanilla, Orakel von Germanien


    P.S.:
    Kröten, Mäus´und Spinnenbein,
    komm bloß leise rein!


  • Geleitet von den wirren Worten der alten Frau, die er auf dem Forum Mogontum umgestoßen und die darauf einen Herzkasper erlitten hatte, war Maximian in beschützender Begleitung einem stillen Ruf gefolgt und hatte sich in einen dichten und von Nebelschwaden verhangenen Wald verirrt.
    Sein "Aufpasser" hatte ihn murmelnd davon in Kenntnis gesetzt, dass das ein heiliger Hain war, wie die Germanen einen ihn heiiligen Wald nannten, in denen ihre Götter Wunder und Zauber taten. Er war nicht näher darauf eingegangen, hatte die Warnungen des Älteren, es würden seltsame Dinge an diesem Ort vor sich gehen, missachtet und sich immer tiefer hinein in den Wald getragen.


    Er war mal mehr rechts und mal mehr links gegangen, dann eine Weile lang geradeaus. Sein Orientierungssinn würde ihn schon wieder auf dem richtigen Wege hinausführen, dachte er, und versuchte sich einige seltene Lichtungen genau einzuprägen oder zählte die Schritte, die er tat.
    Sein Mut und seine Neugier waren beinahe zur Gänze geschrumpft, nachdem er eine halbe Ewigkeit einfach herumgeirrt war und nichts gefunden hatte. Mit hängenden Schultern blieb er stehen. Hatte er sich also nicht getäuscht. Diese Alte hatte nur dummes, wirres Zeug geredet und er hatte sich einen Bäden aufbinden lassen.


    Maximian seufzte nicht sonderlich erfreut über seine Naivität, stemmte die Arme in die Seiten und sah sich um. Er stand mitten im Nichts, umringt von Bäumen, die dem anderen mehr glichen als Zwillinge das konnten. Sein Aufpasser hielt ihm untersetzte Vorträge, dass er es ja gleich gesagt habe und sie nun den Salat hätten, dass er nämlich nicht mehr sagen könne, wie sie nun wieder zurückfinden konnten, usw usf.


    Der junge Decimus aber legte den Kopf in den Nacken und sah einen Moment lang in einen gräulichen Nebelhimmel und als er den Blick wieder hinabsenkte, sah er etwas am Rande einer Lichtung. Etwas, das kein Baum war. Nein, es war etwas anderes.
    Neuen Mut schöpfend ging Maximian dorthin und war überrascht, als er eine Art Schild vorfand, auf dem ein maroder Fetzen Pergament steckte. Rasch überflog er die Zeilen, die darauf verfasst waren, dann sah er sich prüfend um und tat einen Schritt hinter das Schild. Dann noch einen und wieder einen.

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    Sie hatte den Fremden und seinen zitternden, ängstlichen Begleiter schon bemerkt, da hatten sie gerade erst einen Fuß hinter die Waldgrenze gesetzt. Mit Spannung hatte sie ihren Weg verfolgt, nichts weiter als eine schäbige Karte von Rechtecken und einige Knochensplitter nutzend. Ins Fäustchen hatte sie sich gelacht, als sie gesehen hatte, dass sie einmal im Kreis gegangen waren. Und nun, da der junge Mann das Pergament gefunden und gelesen hatte, keine Furcht gezeigt und mutig weiter gegangen war, hatte auch Urgulanilla sich erhoben und ging mit langsamen, schleichenden Schritten zur Tür. Sie wartete, bis der Fremde und sein Begleiter nur noch wenige Schritte von den drei Stufen entfernt waren, die zu der Tür hinaufführten, hinter der sich Urgulanillas Schätze und ihr Wissen verbarg. Dann öffnete sie langsam die knarrende Tür, deren Geräusch vom Quaken der Unken und Kröten hier im dunstigen Sumof untermalt wurde. Die Augen hatte sie geschlossen und sie stand hoch aufgerichtet in der Tür, umgeben von einem Kranz aus Kerzenlicht, das hinter ihrem Rücken ein schummriges Licht verstrahlte. Dann schlug sie die Augen auf und grinste.


    "An dir haftet ein Hauch von.....Schicksal....Decimus Maximiaaaan", hauchte sie ihm entgegen, ehe sie sich herumdrehte und ihn einfach stehen ließ. Einzig die Tür blieb als Einladung offen stehen.

  • Maximian ging vor. Er sah sich neugierig um, lauschte vorsichtig auf jedes Geräusch, das der Wald mit seinen vielen zwielichtigen Einwohnern verursachte, und zögerte nur kurz, als ein Haus, kaum viel mehr als ein Holzverschlag, in Sicht geriet. Der nächste Schritt, den er tat, fühlte er sich einsinken, mit einem schmatzenden Geräusch zog er Fuß und Schuh weiter.
    Sein Begleiter legte ihm eine eiskalte Hand auf die Schulter und ihn hielt ihn daran zurück. Er gab sich große Mühe sein Unbehagen zu unterdrücken und versuchte seinen Schützling mit milder Autorität von der Umkehr zu überzeugen, aber Maximian schüttelte nur amüsiert die Stirn runzelnd den Kopf und wischte seine Hand fort.


    "Wenn du gut auf mich aufpasst, dann kehren wir um, so schnell es geht. Einverstanden, Angsthase? Was soll denn ein altes Weib schon anstellen, hä? Dich mit einem Stock verprügeln? Dir eine girfitgen Tee einflößen?"
    Maximian hatte albern gelacht und war dann weiter gegangen. In der Tat spürte er keine Furcht, zu groß war die Neugierde. Endlich hatte er mal wieder etwas, das seinen Geist und seine Sinne komplett ausfüllte.


    Sie gingen weiter, bis sie schließlich direkt vor dem Häuschen standen, das auf Pfeilern stand. Maximian sah sich mit scharfsinnigem Blick um und gerade, als er den ersten Schritt auf die erste Stufe tun wollte, erklang ein Knarzen und die Tür des Hauses öffnete sich. Zuerst Dunkelheit, dann schwaches Licht gaben den Blick frei auf eine... eine Frau?, deren Augen wie schwarze Löcher waren und deren Mund schwarze Farbe verunzierte.
    Maximian konnte nicht anders, als den Kopf ein wenig schief zu legen und die Gestalt skeptisch zu mustern. Dann plötzlich schlug sie die Augen auf (es waren also keine Löcher, die sich in ihren Schädel gefressen hatten!) und sprach mit einer Stimme zu ihm, die von schneidender Weiblichkeit war und seinen Namen in die Länge zog, sodass man annehmen konnte, sie würde einen im nächsten Moment verschlucken. Da erschrak Maximian und bog sich ein wenig zurück, während der tapfere "Aufpasser" hinter seinem Rücken vernehmlich schluckte.


    Dann war die Frau? in ihrem Haus verschwunden. Die offenstehende Tür wirkte wie das Maul eines gigantischen Fisches - so gar nicht einladend. Da er nun aber mal hier war, so lange gelaufen war, wollte Maximian nicht einfach wieder umkehren. Was es damit auf sich hatte, dass sie seinen Namen wusste, wollte er auch gern wissen. Er glaubte kaum, dass eine Amsel ihr seinen vollständigen Namen gezwitschert hatte, um seine Ankunft anzukündigen.


    Maximian atmete tief durch und erklomm Stufe für Stufe das Haus. Es war, als würde das Holz unter jedem seiner Schritte nachgeben und als er mit der Hand die Tür noch ein wenig weiter aufschob, lief es Maximian eisig den Rücken herunter.

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    Urgulanilla indes zeigte sich nicht sonderlich beeindruckt davon, dass der Junge seine Neugier nicht zurückhalten konnte und ihr folgte. Sie kannte die genaue Länge ihrer Treppe und des kurzen Holzstückes, das zur Tür führte; und dies gipfelte unweigerlich in dem Wissen darüber, wann ein besucher - so er normale Schritte machte - mitten auf der Türschwelle stehen würde. Urgulanilla saß nun hinter einem Runden Tisch, auf dem allerlei...Dinge standen. Flaschen mit seltsamem Inhalt, Beutel, die einen komischen Geruch verstreuten, Schalen mit befremdlichem Zeug darin. Und die Decke der Hütte war nicht groß anders: Kräuter hingen von den Balken, große Flaschen mit ekelhaften Dingen darin, aber auch Kerzen und kleine Lampen, die jede einen anderen, die Sinne betörenden Duft verteilte.


    Urgulanilla saß hinter ihrem Tisch, breit grinsend und die Beine unter der Tischplatte verschränkt. Vor ihr stand ein seltsam anmutender Stuhl mit komischen Armlehnen, doch sie deutete nicht auf ihn, als Maximian näher kam, sondern grinste ihn nur an. Schließlich war er gekommen, weil er etwas von ihr wollte, nicht umgekehrt...

  • Maximian ließ den Blick über all diese seltsamen, teils ekelerregenden, teils seltsamen Dinge, die jedoch eins alle gemein hatten: Sie wirkten abstoßend und zugleich schürten sie Neugier. Mehr Neugier, als man sich eingestehen würde. Und doch verursachte der Duft von vielerlei Dingen ein zartes Gefühl von Behaglichkeit, weshalb Maximian wohl einfach in das Haus trat. Sein Begleiter tat es ihm nach und haderte einen Moment, ob er die Tür hinter ihnen schließen sollte. Mit einem Blick auf die Nymphe entschied er jedoch, sie offen zu lassen, damit ein Fluchtweg immer offenstand.


    Sich umsehend war Maximian zu ihrem Tisch gegangen. Etwa zwei Meter stand er nun davor, neben ihm baumelte ein milchiges Glas gefüllt mit grobkörnigem Sand. Sein Blick wanderte zu der Fremden, die es nicht unterließ ihn mit verfärbten Zähnen anzugrinsen.


    "Woher kennst du meinen Namen?", fragte er sie und setzte sich noch nicht, denn noch war er zu argwöhnisch, was hier vor sich ging.

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    Es war nicht verwunderlich, dass die zwei verwundert waren über diese Verwunderung. Immerhin trieb Urgulanilla gern gleich zu Anfang solche Spielchen, wie sie es nannte, damit ihr Gegenüber gleich wusste, mit wem er es zu tun hatte. Im Gegensatz zu manchen Behauptungen war sie nämlich keine Hexe, sondern ein echtes Orakel, jawohl!


    So grinste sie nur wieder breit und nichtssagend, wohl aber allwissend und deutete nun doch auf den Stuhl.


    "Du bist nicht gekommen, um mich nach deinem Namen zu fragen, hm? Oder etwa doch, hm?" fragte sie ihn und senkte dabei leicht den Kopf, ohne ihn jedoch aus den Augen zu lassen. Er stand direkt neben ihrem geheiligten Glas Dreck. Allein deswegen ließ sie ihn schon nicht aus den Augen.

  • Nein, war er nichts. Er kannte seinen Namen doch sehr gut. Wie hatte sie das gemeint? Maximian kniff die Augenbrauen ein wenig zusammen, dann folgte er ihrem Angebot und setzte sich auf jenen seltsamen Stuhl, der zu seiner Seite stand. Er war nicht wirklich bequem und da er befürchtete, dass er sich irgendwo aufspießte, sah er unter und neben sich, ehe er seine Arme auf die Lehnen legte, weil sie sich dem gerade anboten.
    Dann räusperte er sich und musterte Urgulanilla eingehend. Sie wusste scheinbar schon, weshalb er sie aufgesucht hatte. Interessant. Vollkommen durchgedreht!


    "Bist du Urgulanilla? Ein Orakel?"


    Maximian neigte den Kopf ein wenig, sodass er sie nun aus leicht zusammengekniffenen Augen prüfend und gleichermaßen skeptisch ansah.


    "Wenn ja, dann wirst du eine alte Frau gekannt haben, auf die ich traf. Sie erkannte mich ganz offensichtlich. Und sie schien mich zu fürchten. Ich habe so ein Gefühl, dass du mir sagen kannst, was es mit ihrer Angst vor mir auf sich hat."

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    Urgulanilla grinste wieder einmal (oder immer noch?), stellte die Ellbogen auf den Tisch und stützte das Kinn auf die Hände auf. Dabei warf sie Maximian zweideutige Blicke zu.


    "Hmmm....die Frau, die auf dem Markt gestorben ist...nachdem sie dich gesehen hat?" fragte sie belustigt und riss schaurig die Augen auf. Damit bestätigte sie indirekt, dass sie diejenige war, die der Junge suchte. Trotzdem sagte sie noch einmal, nachdem sie sich zurückgelehnt und sich kurz gestreckt hatte:


    "Ich bin Urgulanilla, ja. Wäre ich es nicht, würdest du wohl kaum hier sitzen, hm?"


    Sie bleckte ihre schwärzlichen Zähne und strich sich durch das verfilzte Haar, in dem allerlei baumelte, klebte und steckte. Dann lehnte sie sich weit nach vorn über den Tisch und sah Maximian von unten herauf an.


    "Was ist dein Begeeeehr?" flüsterte sie. Lautes Kichern folgte und - wie konnte es anders sein - ein breites Grinsen.

  • Da sie wusste, von was er sprach, erwiderte Maximian nichts. Er beobachtete sie schweigsam, versuchte den Sinn und Zweck hinter jeder ihrer Bewegungen zu entdecken und runzelte die Stirn dabei ratlos.
    Er war sich sicher, dass sein Aufpasser sich am Türrahmen festhielt und zusammenzuckte, als sie so schrill kicherte. Ein Windhauch flog herein und brachte die vielen von der Decke hängenden Gegenstände dazu, sich in seichter Bewegung zu wiegen. Es klirrte, raschelte und knarrte.


    Seine Blicke hatten diese Bewegungen flüchtig eingefangen, dann sah er zurück zu der.... was auch immer, die ihn wieder breit angrinste. Was sein Begehr war? Maximian blinzelte irritiert und seufzte dann.


    "Ich hatte erwartet, du würdest mir das sagen können. Schließlich bist du doch ein Orakel, oder nennst dich zumindest so, nicht?" Ganz offensichtlich wusste er mit ihr nichts anzufangen. Hatte sie ihn vielleicht bespitzeln lassen?
    Maximian legte eine Hand auf den Tisch und tippte mit dem Zeigefinger auf die hölzerne Unterlage.
    "Ich möchte wissen, woher du meinen Namen kennst, warum diese Frau sich vor mir zu Tode erschreckte, weshalb sie mich Rabenmann nannte. Und ich möchte erfahren, wieso ausgerechnet ich zu dieser zweifelhaften Ehre gekommen bin, überhaupt darein geraten zu sein."


    Was auch immer "darein" hier bedeuten wollte. Vielleicht konnte sie es ihm ja sagen.

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    "Die Fügung des Schicksals", erwiderte Urgulanilla trocken und schmunzelte.
    "Wärst du hier, wenn diese Frau nicht bei deinem Anblick tot umgefallen wäre, hm? Würdest du mir diese Fragen stellen, hm? Sie kam heeeer, zu miiiir und fragte mich nach ihrem Schicksal. Nun, ich offenbarte es ihr, warnte sie vor dem Rabenmann mit der purpurnen Fedeeeer........"


    Urgulanilla schloss die Augen und hob die Arme zur Decke.
    "Er würde ihr den Tod bringen, nicht etwa weil er gefährlich sei, sondern weil sie es....WOLLTE!" Urgulanilla ließ ruckartig die Arme bei ihrem letzten Wort sinken, ihr Kopf ruckte vor und sie Augen waren weit geöffnet.


    "Sie wollte es so. Und sie hat in dir nur gesehen, was sie sehen wollte."
    Urgulanilla deutete auf den purpurstreifen auf Maximians Toga.
    "Die purpurne Feder... Rücksichtlos, der Rabenmann..."


    Sie grinste breit.
    "Ich kenne deinen Namen, weil ich wusste, dass du hierher kommen würdest. Ich wusste, du würdest kommen und nach deinem Platz im Geschehen fragen. Nach deinem Platz - und nach dem einer blonden Frau."


    Urgulanilla lehnte sich zurück, verschränkte die Arme vor der Brust und sah Maximian abwartend und triumphierend zugleich an.

  • Ihren Worten folgte er schweigsam und sie beharrlich ansehend. Hin und wieder wäre ihm beinahe eine Augenbraue in die Höhe gerutscht und ein anderes mal hätte er sich gern gar ein wenig angewiedert weit nach hinten gelehnt, wenn sie allzu lebhaft erzählte und den Tisch mit den vielen Fläschchen, Schälchen, Messern und Tüchern scheinbar nicht Grenze zwischen ihnen betrachtete.


    Schließlich allerdings nickte er verstehend und war augenblicklich erleichtert, obwohl er zu keiner Zeit wirklich angenommen hatte, dass etwas Böses habe ihm anhaften können. Alberne Spukgeschichten, letztendlich hätte er nur geglaubt, was andere ihn glauben lassen wollten.
    Diesmal rutschte tatsächlich skeptisch eine Augenbraue nach oben, weil er da doch tatsächlich gedanklich ihre Worte wiederverwendet hatte.


    "So ist das also.", gab er seine Einsicht zu erkennen und nickte. Und dann sagte sie ihm, dass sie ihn daher kannte, da er zu ihr kommen wollte. Und, dass er herausfinden wollte, wo sein Platz im Geschehen (im Leben? in der Welt?) war. Das hätte er vielleicht mit einem verwunderten Nicken angenommen, aber als sie eine blonde Frau ins Spiel brachte, verdunkelte sich augenblicklich sein Blick. Ihre triumpfhierende Haltung ekelte ihn an, also senkte er den Blick auf den Tisch. Für ihn war es schlimm, dass sie so viel über ihn wusste - insbesondere über Valeria wusste. Er wollte sich nicht wie ein offenes Buch vorkommen, in dem jeder nach seinem Belieben schmökern konnte.


    "Das is Unsinn. Ich kenne diese Plätze. Ich bin wegen der Alten gekommen und nur deshalb. Mein Vater würde mich einen leichtgläubigen Trottel schimpfen, würde er wissen, dass ich dem Gerede alter Weiber folge." Er schwieg einen Moment, dann sah er wieder auf. Irgendwie interessierte ihn, was sie sonst noch alles zu wissen glaubte, selbst wenn ihm das gegenwärtige Thema mehr missfiel als alle anderen.
    "Also gut: Wo ist mein Platz im... im Geschehen? Und was meinst du genau mit einer blonden Frau?"

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    Urgulanilla lachte kurz auf, lehnte sich vor und zeigte mit dem nackten Zeigefinger auf Maximian.
    "Duuuu kennst deinen Platz, hm? Und warum bist du dann hier? Weil das Schicksal der alten Frau dich interessiert?"
    Sie sah ihn zweifelnd an, schüttelte den Kopf und lehnte sich dann zurück.
    "Naaah, das glaub ich dir nicht!" meinte sie spitzbübisch und verschränkte die Arme vor der Brust. Allerdings nicht für lange, denn schon kurz darauf war Urgulanilla aufgesprungen und kramte leise fluchend in einer Schublade herum.


    Schließlich zog sie etwas heraus, das auf den ersten Blick wie ein Kerzenstummel aussah. Auf den zweiten übrigens auch. Sie reichte ihn Maximian mit den Worten:
    "Der wird übrigens Licht ins Dunkel bringen! Und nun frag, was du fragen willst, aber nicht so allgemein."


    Sie setzte sich wieder und sah ihn ernst an. :D

  • Maximian verschränkte ebenfalls die Arme vor der Brust. Freilich kannte er seinen Platz. Also... so gut wie. Grob. Irgendwie. Als wüsste sie das nicht schon längst, setzte er eine Miene auf, die gar ein wenig beleidigt wirkte. Und dann hielt sie ihm plötzlich einen Stummel einer heruntergebrannten Kerze vor die Nase. Maximian sah von ihr zu dem Ding und wieder zurück. Ganz offensichtlich war es, dass die Zahnräder in seinem Kopf arbeiteten und der Zeiger der Wahrnehmung seines Gegenübers sich der geistigen Verwirrtheit näherte.


    Maximian besah sich den Stummel einen Moment, wie sie ihn mit ihren verfärbten Fingern hielt. Dann räusperte er sich, löste einen Arm und nahm ihn sich. Er hielt ihn vor sich, musterte ihn nochmals und sah dann, die Hand mit dem Stummel immer noch erhoben, daran vorbei ins Gesicht Urgulanilla, die ihn vollkommen ernst beobachtete.


    "Der Stummel einer Kerze....?", vergewisserte er sich. Konnte ja sein, dass er irgendetwas falsch verstand oder irgendetwas übersah. dann räsuperte er sich zum Wiederholten male, runzelte die Stirn und ließ das wertlose Ding in seiner Hand sinken.
    Er sollte fragen. Was sollte er fragen? Er war hierher gekommen und hatte nicht einen Gedanken daran verschwendet, dass man einem Orakel ja eigentlich Fragen stellte. Was für Fragen? Er hatte ja welche gestellt, aber sie hatte sie meist nur mit Gegenfragen beantwortet, wobei diese Gegenfragen ja meist Antwort genug waren. Er sah auf den Stummel in seiner Hand und dann wieder auf.


    "Ich weiß nicht, was ich fragen könnte. Ich meine... die Dinge sind klar genug, so wie sie geschehen." Da dachte er wohl an Valeria. "Was meintest du mit dem Platz einer blonden Frau? Sie hat ihn doch jetzt gefunden. Oder nicht?"
    Das 'Oder nicht?' sprach er nicht so aus, als hätte er da irgendeine Hoffnung übrig behalten. Es klang vielmehr ein wenig verachtend und auch verärgert. Nein, er wusste absolut nicht, was er jetzt gerade noch hier verlor.

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    "Wenn du ihn nicht willst, gib ihn mir wieder zurück", kommentierte sie sein ungläubiges Getue leicht beleidigt. Es sollte doch tatsächlich immer wieder Leute geben, die die wahren Wichtigkeiten des Alltags entweder nicht erkannten oder gar verschmähten. Pah!


    Als Maximian dann seine Frage stellte, lächelte Urgulanilla wieder und nickte. Er war doch irgendwie süß und ein Schelm. Wusste genau, was er wollte, verstand es nur selbst nicht. Urgulanilla fragte sich, ob wohl alle jungen Männer in dieser Zeit so waren. Oder ob es nur die Römer waren, die sich so komisch verhielten. Das Orakel lehnte sich zurück und faltete unter dem Tisch die Hände.
    "Nichts ist so, wie es zu sein scheint", erklärte sie ihm recht freundlich.
    "Die Dinge ändern sich stets, die Welt ist im Wandel und nichts bleibt, wie es ist. Nicht immeraber wandelt sich alles zum Guten - oder zum scheinbar Guten, musst du wissen."


    Urgulanilla grinste breit, wurde aber wieder ernst.
    "Wenn du wissen willst, was sie fühlt: Liebe. Aber nicht nicht mehr in der Art, die du gern hättest, sondern auf eine andere Weise. Ob sie ihren Platz gefunden hat, kann ich nicht sagen, aber..."


    Nun hob die Frau die Hände und klaubte ihre Knöchelchen und Splitter vom Tisch, schüttelte sie zweimal und intonierte:
    "Ein........Hauch von Schicksaaaal!!"
    Die Knochen flogen auf die karierte Karte und bildeten ein eigenwilliges Muster. Der größte Knochen (er sah aus wie das Stück eines Zeigefingers) jedoch lag einzeln, was Urgulanilla die Stirn runzeln ließ.


    "Hm", machte sie und sah kurz zu Maximian auf, dann wieder auf die Karte.
    "Hm, hm, hm."

  • Er hätte beinahe die Hand vorgestreckt, mit den Schultern gezuckt und den Kerzenstummel mit einem 'Hier, bitte, ich brauch deinen Abfall nicht' vor ihre Nase kullern lassen, aber dann hatte er sich gefragt, was genau sie damit gemeint hatte, dass er Licht ins Dunkel bringen würde, und einem Instinkt nach ganz schnell seine Hand um das Ding geschlossen.
    "Nein.", hatte er gesagt und sich insgeheim gedacht, dass er den Stummel auch später noch würde wegschmeißen können, wenn er ihm zu lästig wurde. Bestimmt hatte dieses Ding irgendeine Bedeutung für sie, die er nie verstehen würde.


    Ihre Antwort nahm er mit eher teilnahmsloser Miene auf, bis sie das Wort Liebe nannte. Maximian runzelte die Stirn und sah müde, entnervt und gleichgültig drein. Liebe. Er hatte an diesen Unfug mal geglaubt, aber um sich selbst gerecht zu werden, machte er sich nunmehr beinahe darüber lustig. Liebe gab es nicht, wenn sie nicht zusammenhalten konnte, was zusammen gehört und auf der anderen Seite zerstört, was einmal hoch und heilig gewesen war.


    Bevor er sich jedoch irgendwie dazu äußern konnte, warf sie eine Hand voll... Knochen? Konnten das wirklich Knochen sein, die sie da gerade in der Hand gehalten hatte? Nun denn, sie warf diese.... und sie sahen wirklich enorm nach Knochen aus.... sie warf die Knochen auf eine Art Karte und besah sich das entstandene, völlig zufällige Bild, indem sie sich eit vorn über beugte und Laute der Erkenntnis von sich gab. Oder des Zweifels?
    Maximian war zwar skeptisch, aber auch neugierig, sodass er sich zusehends ebenfalls über den Tisch faltete, eine Augenbraue erfüllt von Skepsis hochgezogen, die Zunge an die Oberlippe legte und zuerst auf die Karte, dann in Urgulanillas Gesicht sah.


    "Hm?", ahmte er mit fragendem Ton nach und schielte nochmal kurz auf die Karte herab, sich in dieser Nähe zum sogenannten Orakel ein wenig unwohl fühlend.

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    Urgulanilla grinste.
    "Dann wird er nützlich sein", sagte sie und beugte sich wieder ernst über die Knochen.


    "Hm", machte sie noch einmal.
    "Entweder ist dies deine Chance oder nicht", meinte sie dann und sah Maximian an. Sie deutete auf den Zeigefingerknochen.
    "Das da ist ein hoher Mann an der Seite deines Mädchens. Aber er wendet sich von ihr ab. Warum genau kann ich nicht erkennen."


    Urgulanilla runzelte die Stirn undndeutete auf einige weitere Knochen.
    "Die da wenden sich ebenfalls ab. Keinen Schimmer wieso. Hat sie was angestellt?", fragte sie Maximian mit gerunzelter Stirn.

  • Maximian runzelte ebenfalls die Stirn. Der 'hoher Mann an der Seite seines Mädchens' konnte eigentlich nur Livianus sein - und ob man ihn überhaupt hohen Mann nennen konnte, bezweifelte er nicht ohne Grund. Da konnte er im Beruf auch noch so weit gekommen sein; der Charakter sprach jedoch für sich. Und er wandte sich also ab von Valeria? Ach ja?


    Und die anderen, die sich von ihr abwandten... Maximian betrachtete die Steine und wartete darauf, dass sie sich in irgendwelche Gesichter verwandelten. Schlussendlich konnte er sich nur vorstellen, dass es die Gesichter einiger seiner Familienmitlgieder waren.


    Angestellt? Maximian verschluckte sich in seiner nachdenklichen Konzentration und sah kurz Urgulanilla an.
    "Ich habe sie schon seit einer geraumen Zeit nicht mehr gesehen noch irgendetwas von ihr gehört. Woher soll ich das also wissen? Du bist doch das Orakel, oder? Und da du Dinge voraussagst, die in der Zukunft geschehen werden, solltest du doch auch erkennen, was sie vielleicht anstellen wird."


    Er verharrte noch einen Moment, dann runzelte er wieder die Stirn und sah das Orakel, die Haltung beibehaltend, erneut an.
    "Die Vergangenheit zählt doch nicht, oder?"

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    Die Augen des Orakels verengten sich, als Maximian so von Schmerz gezeichnet sprach. Nett war das ja nicht gerade, allerdings konnte sie es ihm auch nicht verübeln. Leider jedoch sah sie die Dinge nur schemenhaft und erkannte nicht die ganze Tragweite dessen, was da wohl alles vorgefallen war.


    Bei seiner Äußerung, das Vergangene zähle ja nicht, schüttelte sie allerdings ganz entschieden den Kopf, nahm sogar noch eine Hand dazu, mit deren Zeigefinger sie vor Maximians Gesicht herumwedelte.


    "Nein, nein, nein", tadelte Urgulanilla.
    "Vergangenes beeinflusst die Zukunft, wie es die Gegenwart beeinflusst. Denn alles, was sein wird, wird einst gewesen sein."


    "Vielleicht solltest du deinem Herzen folgen, wie immer es darin aussehen mag. Da....ist noch etwas", sagte sie dann und legte den Zeigefinger auf die quadratische Karte, fuhr einen Strich entlang und legte den Kopf schräg.
    "Eine Eins", sagte sie dann und sah Maximian verblüfft an.

  • Als ihr bläulich verfärbter Finger vor seiner Nasenspitze hastig hin- und herfuchtelte, wich Maximian ein wenig zurück. Ihren Tadel verstand er, obgleich er geglaubt hatte, sie hätte ihm mittels ihrer tiefschwarzen Augen schon längst bis tief in die Seele geguckt und alles herausgefunden, was sie so interessierte.


    Dem Herzen folgen? Dann war die Sache so ziemlich entschieden, denn die meiste Zeit sagte es ihm, dass er sich den letzten Rest Würde bewahren und nicht nachgeben durfte.


    "Hm.", machte diesmal er und beugte sich, den Kopf voller Gedanken, wieder weiter über die Karte. Wo Urgulanilla eine Eins erkannte, erkannte er nur Krümel. Wieder zuckte die skeptische Augenbraue in die Höhe, als er sie ansah.
    "Eine Eins? Und was bedeutet sie?"

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