Sklavenunterkuft ¦ Ikarus und Verres

  • Lange sass er so da, vollkommen verwirrt, vollkommen traurig und verzweifelt und wusste nicht, was er tun sollte. Er dachte immer wieder an Albina, wie es ihr wohl gerade gehen würde, dachte daran, was in ihr vorging und malte sich alles mögliche aus. Was hatte er ihr nur angetan? Und was sprachen vielleicht zu diesem Zeitpunkt Quintus und Albina? Hatte sie sich von ihrer Ohnmacht erholen können?
    Verres war so ziemlich am Ende. Das er noch eine Strafe bekommen würde, daran dachte er gar nicht mehr, diese Strafe war ihm egal. Seine Gedanken waren nur bei diesem lieben Menschen, in den er sich Hals über Kopf verliebt hatte, auch wenn es in den Augen der Gesellschaft falsch war. Aber eben nur in den Augen der sogenannten Gesellscht, zu der er ja eh nicht gehörte.


    Doch auf einmal hatte es Verres satt, sich und Albina zu bemitleiden. Er hatte es einfach satt, nicht wie ein Mensch behandelt zu werden, nur weil es die Gesellschaft so vor sah. Und doch versuchte er ja auch zu verstehen. Er war eben "nur" ein Sklave und diese hatten kaum Rechte. Aber er wollte es nun einmal mehr nicht verstehen. Er fühlte doch ähnlich wie alle anderen Menschen. Vielleicht sogar ähnlich wie Quintus, sein Herr. Was war nur so anders? Wa war doch nur die Bezwichnuung, wer wer war: Er, Verres ein Sklave, Quintus der Herr! Aber wer war nun der wirklich bessere Mensch? Eigentlich niemand, ausser, dass Sklaven doch einfach keine Chance hatten, sich zu beweisen. Sie wurden von vorne rein verurteilt ...



    Doch Verres wusste nun, dass er dem nicht zustimmen würde. Nicht er, nicht Verres und dann schalt er sich einen Narren: Er hatte wirklich an Suizid gedacht: Nein, nicht mit ihm. Er hatte schon so viel durchgestanden, so einfach würde er es der sogenannten Gesellschaft nicht machen.


    Das das, was er dann vorhatte, nicht einfach würde, wusste er, aber genau dafür brauchte er einen klaren Kopf. Er würde sich etwas einfallen lassen, sofern es Albina noch wollte ...


    Und dann waren da aber wieder seine Gedanken an sie: Überforderte er sie vielleicht mit seinen Visionen? Nicht, dass er an ihrer Liebe zweifelte, aber er wusste ja nun auch nicht, was in ihr vorging. Bereute sie vielleicht sogar doch langsam ihre gemeinsame Liebe? Immerhin war oder schien er der erste Mann in ihrem Leben. Vielleicht sollte er sie frei geben und ihr keine weiteren Schwierigkeiten machen? Verres war verzweifelt: Wenn er sie doch nur sprechen und sehen könnte.


    Und vielleicht war er ja zu egoistisch? Vielleicht sollte er sie vergessen, damit sie ein glückliches Leben ohne ihn führen konnte. Sie war doch noch so jung. Vielleicht bedeutete er ihr nicht so viel, wie sie ihm. Aber er wusste es nicht und so stützte er mit quälenden Gedanken seinen Kopf in seine Hände.


    Er dachte weiter nach, den ganzen restlichen Tag. Und fliehen konnte er auch nicht, stand doch eine Wache vor seiner Tür. Und irgendwann legte sich Verres nieder auf seine Schlafstatt und auch wenn er dort noch lange wach blieb. Irgendwann übermannte ihn seine Müdigkeit und er schlief ein, auch wenn er es nicht wollte.


    Er träumte davon, wie er mit Albina und seinem treuen Wolf Achilles ausgelassen über eine Wiese lief. Doch dann holten ihn die Albträume ein ...


    Egal, wie schlecht er träumte, alles half Verres und er gewann seine alte Kaft wieder: Nein, niemals würde er aufgeben, niemals!

  • Die Tür öffnete sich früh am Morgen und Tiberius Vitamalacus betrat die Kammer, eine Viti in der Rechten Hand. Ikarus schickte er wortlos hinaus und als dieser die Kammer verlassen hatte, schloss sich die Tür wieder.


    Tiberius Vitamalacus stand neben dem Bett auf dem Verres unruhig schlief und die Vitis, der Weinstock fuhr unsanft auf Verres nieder.


    "Steh auf !" befahl er harsch.

  • An einen angenehmen Schlaf war nicht zu denken. Verres hatten einen schlechten Traum nach dem anderen und hinzu kamen immer wieder seine Kopfschmerzen. Doch der wahre Alptraum kam erst, nachdem er durch die barschen Worte von Quintus geweckt wurde.


    Hart weckten ihn seine emotionslosen und scharf gesprochenen Worte. Und auch wenn er einen Moment brauchte, alles richtig zu ordnen, war ihm klar, dass es nun Quintus war, der ihn so ansprach und im Augenblick wusste Verres warum.


    Dennoch, alles, an wen er zuerst denken konnte, war Albina. Dennoch wachte er augenblicklich auf und setzte sich bei den Worten seines Herren im Bett auf. Er trug noch seine Tageskleidung, er hatte sich nicht umgezogen und dann starrte er Quintus ausdruckslos an. Er grüsste ihn nicht und salutierte auch nicht. Auch wenn sie beide glaubten, dass er ein Soldat gewesen war: Verres war es nicht mehr und so reagierte er auch nicht wie ein Miles. Dennoch war er nun hellwach und rieb sich auch nicht seinen Schlaf aus seinen Augen. Das war ihm egal. er starrte Quintus einfach an, ein wenig erschrocken, weil dieser ihn so heftig aus dem Schlaf gerissen hatte, aber auch leicht trotzig, denn Verres wollte nicht mehr schwach sein, er wollte zeigen, dass er wusste, wer er war, auch wenn er sich nicht erinnerte.


    Und so blickte er tief in Quintus harte Augen, doch noch saß er einfach aufrecht in seinem Bett. Erst mühsam stand er schliesslich auf, trat neben sein Bet, aber auch nur, weil er seinem Gegner ebenbürdig sein wollte. Keinerlei Angst spiegelte sich in Verres Blick wieder, eher war es ein Blick, der ahnte, was kommen würde, aber er war gefasst. Oder schien es zumindest, jedenfalls hatte Verres sich sehr gut unter Kontrolle, trotzdem Quintus ihn so heftig weckte.


    Doch sagen tat er nichts. Stattdessen blickte er seinen Herren nur stumm und ausdruckslos an.

  • Tiberius Vitamalacus schwieg, er trieb weder Verres zur eile, noch sagte er sonst etwas. Er blickte Verrres nur kalt an, hart und durchdringend. Auch wenn er nicht mehr den gleichen, unbändigen Zorn verspürte wie noch am Tag zuvor, war er dennoch immer sehr wütend über Verres verhalten.
    Denn Verres hatte etwas getan, das ein Sklave nicht tun durfte, abner nicht nur ein Sklave, auch ein Miles hätte das nicht gedurft.


    Erst nach einer ganzen Weile begann er zu sprechen.


    "Ich sollte dich verprügeln und anschliessend den Löwen vorwerfen, oder dich in die Bleiminen verkaufen."


    Seine Stimme war so kalt und hart wie sein Blick.

  • Verres vernahm Quintus Worte und bemerkte auch die Härte in seinem Tonfall. Er stand zwar aufrecht da, doch alles kam ihm auch falsch und sinnlos vor: Natürlich wollte er keine Schwäche zeigen. Er war ein Mann, der viel erlebt hatte. Und doch fehlte ihm so manches an Erinnerungen, auf die er zurückgreifen hätte können. Er wusste zu kämpfen, er konnte lesen und schreiben, irgendwie wusste er viel, doch nicht, wer er eigentlich war. Wer war er vorher? Wer war seine Familie? Was hatte er damals erlebt, wie hatte er damals gefühlt, reagiert, gelernt?
    All das war ihm fremd. Manchmal fühlte er sich wie eine leere Hülle.


    Vielleicht war dies auch der Grund, warum er Albina so liebte: Sie liebte ihn, wie er war. Ohne Hintergrund. Ohne Vorurteile. Sie mochte ihn, wie er war und wie er lernen musste, wer er war: Ehrlich. Und natürlich sehnte sich Verres nach einer Vertrautheit, nach Nähe, wusste er doch nicht, wer er war.


    Aber wie sollte dies jemand verstehen, der all das hatte, was Verres nicht hatte. Er hatte Albina nicht um denn Finger gewickelt noch hatte er sie gezwungen. Es kam, wie es kam. Und es war ihm ernst. Doch nun war alles anders und Verres hatte es doppelt schwer: er wusste wegen seines Gedächtnisverlust so wenig, er hatte kaum Emotionen dafür, was richtig war. Zugegeben: Er mochte an sich denken. Aber er hatte auch an Albina gedacht. Sie war jung und er hatte sich dennoch so zu ihr hingezogen gefühlt, weil sie ihn sah, wie er war: Ohne vielen Erinnerungen oder vielleicht auch wegen etwas anderem. Aber nie dachte er, sie auszunutzen. Er fühlte sich in ihrer Gegenwart einfach nur frei und wie ein Mensch. Und nun wurde ihm dies alles genommen. So wie alles, denn er dachte nun auch an seinen Wolf. Warum nur kam alles zusammen? Und dennoch versuchte er Quintus zu verstehen, auch wenn dieser ihn wohl nur hasste.


    Verres wusste kaum etwas zu sagen. Und eigentlich wollte er auch keine Schwäche zeigen, aber er mochte Quintus. Er war immer sehr ehrlich und gerecht.


    Und so senkte Verres nur seinen Blick und schaute zu Boden. Er wagte nichts zu sagen, denn er spürte die Wut von Quintus. Ja, Verres senkte seine Augen, als Zeichen der Demut, auch wenn es ihm schwer fiel. Aber in diesem Moment wurde ihm bewusst, dass er es nicht tat, um unterwürfig zu sein, sondern weil er seinem Herren zeigen wollte, dass es ihm wirklich leid tat, denn er schätzte Quintus. Doch vielleicht war es zu spät.


    Fast wagte er nicht zu sprechen, als er auf den Boden blickte. Er wollte auch kein Mitleid und doch sprach Verres:


    »Es tut mir leid, ich weiss, es war ein Fehler. Aber ...« Er schluckte und wusste, dass er nun einen Fehler machte, aber das war ihm alles wert, egal, was kommen würde: »Meine Absichten waren ehrlich. Dennoch weiss ich, es war nicht gut und ich erwarte keine Verzeihung. Ich bin nur ein Sklave, der keine Rechte hat.«


    Verres wollte noch mehr sagen, doch er schwieg.
    Er dachte an Albina. Nur an sie. Doch da er wusste, dass er sie wohl niemals wieder sehen würde, blieb ihm nur noch eine Hoffnung, die er auch fast aufgab: Sein Wolf.

  • Wieder schwieg Tiberius Vitamalacus, obwohl er die Worte von Verres sehr wohl vernommen hatte. Doch anstatt zu antworten, blickte Verres nur an, und die Worte von Verres trugen nicht dazu bei, das seine Stimmung wirklich besser wurde.


    "Es war ein Fehler ! Es war dein Fehler !" brach er unbarmherzig nach einigen Momenten sein Schweigen. Seine Stimme donnerte fast durch die Kammer und dieser Donner wurde von einem Hieb mit der Vitis auf Verres Kniekehlen, das dieser garnicht anders konnte, als auf seine Knie zu fallen.


    "Deine Absichten sind die Absichten enes Narren. Und das hat nichts damit zutun, das du ein Sklave bist. Und beleidige mich nicht stets mit diesem vorwurf, denn habe ich dich jemals anders behandelt als einen Miles ?"


    Er umrundet Verres einmal, dabei korrigiert er mit der Vites Verres Haltung unsanft, so das diese Gerade und die eines Soldaten ist. Er hat dieses selbstmitleidige Gefassel satt, diese Jammern, er sei nur ein Sklave ohne Rechte.


    "Was glaubst du würde ich mit Titus machen, einen römischen Bürger, einem Mann, mit dem ich blutvergossen habe, hätte er sich so verhalten wie du ?"

  • Schmerzhaft traf ihn der Schlag des Vitis in Verres Kniekehlen, so dass er nicht anders konnte und auf die Knie fiel. Doch kein Laut kam über seine Lippen, der Schmerz war zu ertragen, im Gegensatz zu dem Schmerz in seinem Herzen. Verres wunderte sich selber über sich, er war verwirrt und doch voller Hass.
    Lag es an seinem Gedächtnisverlust, dass er unsicher war, welchen Gefühlen und Gedanken er nachgeben sollte? Auf der einen Seite wollte er nicht alles noch schlimmer machen, als es schon war. Doch ward ihm das eigentlich bewusst? Auf der anderen Seite hätte er Quintus am liebsten die Kehle zugedrückt für seine Worte und die Demütigung. Natürlich, vielleicht hätte er das ewige Lied mit dem Sklaven sein lassen sollen. Aber so war es nun mal: Wäre Verres ein Bürger, hätte er nicht diese Behandlung nötig. Und so konnte Quitus sicherlich kein Verständnis erwarten können von dem Sklaven, der nun auch noch am Boden kniete und weiter zurecht gewiesen wurde von Quintus.
    Verdammt: Verres mochte vielleicht ein seltsames Bewusstsein von Stolz haben, aber Quitus lag so vollkommen falsch bei seiner Behandlung und schürte damit nur Hass bei Verres. Aber so war es eben immer: Die Herrschaften meinten strafen zu können, wenn sie Gewalt einsetzen, doch Verres war, auch wenn er im Moment verletzlicher und empfänglicher war für Demütigungen, dennoch aus einem ganz anderen Holz geschnitzt. Auch wenn er momentan und auch gestern geweifelt hatte, weil ihn die ganze verfluchte Situation überfordert hatte und er nicht auf seine alten Verhaltensmuster zurückgreifen konnte, weil er sich einfach nicht daran erinnerte, wer er einmal gewesen war, so spürte er nun etwas, von dem er glaubte, das es eben doch ein Teil von ihm war. Hass!


    Doch er wollte auch nicht rein emotional und unüberlegt handeln. Eigentlich wollte er den perfekten Weg. Doch gab es diesen überhaupt? Eigentlich wollte er einen kühlen Kopf bewahren. Doch wieder waren da die Zweifel und die Angst: Was sollte er tun? Wie sollte er handeln? WAS war denn für ihn eigentlich das beste? Nichts mehr sagen und in Zukunft planen, alles ruhig angehen? Oder Quintus entgegentreten? Doch dann? Wenn er diesen reizen würde, konnte es doch gut sein, dass dessen Geduld am Ende war und er Verres einfach töten liess. Damit war weder Verres geholfen, noch Albina.


    Und für einen Moment dachte er an sie, sehnsüchtig. Hatte sie seine Liebe nun aufgegeben? Was war wohl zwischen ihr und Quintus geschehen, nachdem Titus Verres zur Villa geschleift hatte.
    Nein, Verres war sich sicher: Sie würde ihn nicht aufgeben, so wie er sie nicht. Warum er sich nach so kurzer Zeit so sicher war, wusste er nicht. Er traute ihr einfach und glaubte an sie. Und doch kamen Ängste und Zweifel auch hier immer wieder hoch: Sie kannten sich doch kaum, vielleicht wurden Albina also doch die Füsse heiss? NEIN! Verres glaubte an ihre Liebe und dies machte ihn stark und Mut. Er glaubte an so etwas, wie eine Seelenverwandschaft. Sonst wären sie auch nicht in so kurzer Zeit zusammengekommen.


    »Ich bin kein Miles, Quintus ....« presste Verres dann nur zwischen seinen Lippen hervor und recht eindringlich, wenn auch leise, dafür aber um so schärfer. »Vielleicht war ich es mal. Vielleicht, aber nun bin ich hier nur ein Mensch! Dein Sklave, mit dem du machen kannst, was du willst. Doch dies ist mir fast egal. Schlage mich, trete mich, demütige mich. Erwarte von mir Gehorsam! Aber auch wenn ich wieder einen Fehler mache! Du sollst eines wissen: Wir sind zu verschieden. Und ich mag in deinen Augen noch so dumm handeln, aber ich bin kein Mensch, der sich gerne verstellt. Das mag mein Fehler sein. ...
    Verres seufzte. Wahrscheinlich war alles, was er redete eh egal. Es war der schwache Versuch, ein letztes Mal an die Vernunft eines Menschens zu appelieren, den er wirklich eigentlich schätzte. Doch vielleicht hing Verres da einem Traum nach.


    »Was Titus angeht: Ich bin nicht Titus. Ich bin Verres! Und wenn ich mich beugen soll, so werde ich es nicht tun. Nicht auf diese Weise. Aber ich bin bereit für vieles, aber rede mit mir und auch wenn du deine Gewalt einsetzt, so kann ich dir nichts versprechen. Ich weiss, dass du die Macht hast. Und ich traue dir auch zu, sie weiter ein zusetzen.«


    Verres Entschluss stand fest: Er wollte auf seine kleine Weise kämpfen, auch wenn er damit ein sehr grosses Risiko einging.


    »Es war ein Fehler, und doch passiert so etwas. Ich nenne dies Menschlichkeit, auch wenn so etwas in den Köpfen vieler keinen Platz hat.«


    Verres musste selber schlucken. Er hatte all diese Worte ausgesprochen. Und er hatte keine Erwartungen. Aber was er sprach, war seine so genannte Wahrheit. Ob es falsch oder richtig war, darum ging es nicht. Doch er hatte sich entschieden, aufrichtig zu sein, ohne Quintus anzugreifen. Aber sich einfach nur feige fügen, das wollte er auch nicht. Er war kein Mensch, der sich verstellte, um das vielleicht beste für sich herauszuschlagen. Nein, das wäre für ihn Verrat an sich selber.


    »Wenn du willst, dann töte mich auf der Stelle. Wenn ich in deinen Augen kein Recht habe, zu leben, tue es. Ich werde nicht um mein Leben flehen. Wenn nicht, versichere ich dir, dass ich es ernst meine und damit nicht deine Macht und Autorität untergraben wollte. Ich schätze dich und versuche dich und dein Handeln zu verstehen und bitte, was auch immer ich gesagt habe: Ich meine es aufrichtig.«


    Und Verres meinte es sehr aufrichtig und so kamen seine Worte auch rüber. Ob Quintus sie allerdings auch so aufnehmen, würde sich zeigen.


    Aber als Verres diese vielen Worte gesprochen hatte, würde ihm bewusst, dass er eigentlich nicht einmal die Berechtigung hatte, zu leben und dies veranlasste ihn zu seien ehrlichen Worten. Er ging damit aufs Ganze, aber es war für ihn sein Weg, egal, ob er auf Verständnis traf oder nicht. Noch nie war ihm dies so bewusst wie nun.
    »Ich liebe Albina, auch wenn ich weiss, dass es verboten ist. Aber ich wollte dir sagen, dass ich diese Liebe nicht verleugnen werde, auch wenn ich sie nie wieder sehe. Mehr an Aufrichtigkeit kann ich dir nicht wiedergeben. Und auch wenn es in deinen Augen ein Fehler ist und du mich dafür, dass ich aufrichtig war, verachten solltest, dann liegt es in deinen Händen, in deinem Handeln, meinem Leben ein Ende zu setzen.«

  • Wenn Verres ihn wütender machten, dann zeigte er es nicht. Aber genau das das taten sie, denn aus ihnen sprach eine Sturrheit, die schon fast von verblendeter Dummheit zeugte. Und zu allem überfluss zwang Verres ihn so, ihn hart zu bestrafen und damit Albina noch mehr weh zu tun.


    Langsam begann er auch daranb zuweifeln, das Verres einst ein Miles gewesen war und das trug nicht besonders dazu bei das seione Laune etwas besser wurde. Doch wenn Verres gedacht hätte, das er jetzt eine gehörige Trachtprügel oder gar sein Todesurteil erwartet hätte, dann irrte er. Stattdessen ging Tiberius Vitmalacus zur Tür der Kammer, drehte sich dort nocheinmal um.


    "Es stimmt, du bist kein Miles. Du bist ein Narr !" meinte er kühl. Das Thema Verres und Miles war für ihn durch, er wollte so schnell nichts mehr davon hören. Er würde nun auch nicht lang und breit mit Verres über dessen Fehler sprechen, hatte er die Hoffnung aufgeben, das Verres zur Einsicht kommen würde.


    "Du wirst vorerst in deiner Unterkunft bleiben, danach wirst du aufs Land geschickt. Schwere Körperliche Arbeit auf einem Landgut der Familie wird dich vielleicht zur Vernunft bringen."


    Er öffnete die Tür, trat hinaus und schloss sie wieder. In dem kurzen Moment, in dem die Tür geöffnet war, konnte man ein entferrntes Jaulen eines Wolfes hören.

  • Immer noch kniete Verres am Boden. Und durch die Schläge mit dem Vitis, die seine Haltung berichtigten sollten und ihre Wirkung gezeigt hatten, kniete er immer noch sehr aufrecht und gerade am Boden. Während er seine Worte gesprochen hatte, aber auch als er nun Quintus' Worte darauf hörte, die rein kühl über die Lippen seines Herren kamen, der es im Gegensatz zu Verres innerer Aufgewühltheit schaffte, nichts von seiner Wut auf Verres zu zeigen, kniete er aufrecht und doch auf eine Weise geschlagen am Boden.


    Ein Narr? Ja, er war wohl ein Narr. Doch im Gegensatz zu Quintus brodelte ein Meer an Emotionen in Verres Kopf. Ja, er mochte wohl in den meisten Augen der Menschen ein Narr sein. Aber die meisten ahnten ja auch nicht, was in ihm vorging: Er wollte stark sein und fühlte sich so elendig. Aber er durfte es auf der einen Seite nicht zeigen.


    Und so nahm er Quintus Worte einfach erst einmal hin: Schwere Arbeit: Naja, was war das für eine Strafe? Es gab schlimmeres. Auch wenn er so erst Recht von seiner Albina getrennt war, an die er fest glaubte. Auch wenn ihm nun vor Augen geführt worden war, dass er es hätte besser wissen müssen. Aber das war die Meinung der Gesellschaft. Was wusste die schon von Emotionen? Die hatte sich ihr eigenes Bild geprägt, das war eine Instanz, die nichts mehr mit Menschlichkeit zu tun hatte: Es waren einfach Regeln, die mussten eingehalten werden ...
    Und doch, Verres mochte jämmerlich wirken in dieser Gesellschaft und doch war ihm eines wichtig: Er versuchte immer er selber zu sein: Ob stark oder schwach. Und auf Grund seines Gedächtnisverlust viel ihm dies so verdammt schwer, da er keine Ahnung von sich hatte, nicht auf vergangene Erlebnisse und Erfahrungen zurückgreifen konnte. Er war fast wie ein erwachsenes Kind: Er wusste viel und doch fehlte es ihm an Erfahrung.


    Und da er dieses seltsam einsame und leere Gefühl inzwischen kannte, auch wenn er darunter litt, so war es tatsächlich seine Alnina, um die er sich sorgte. Doch er wusste nicht, wie es ihr ging, was sie erwartete und wie er handeln sollte. Alles war so unwirklich und so unverständlich.


    Als Quintus dann den Raum verliess, rief ihm Verres noch eines nach, bevor er das klägliche Jaulen seines Wolfes hörte: »Quintus: Bitte! Albina ist nicht Schuld! Aber sag mir eines: Was passiert mit ihr?«


    Und erst danach hörte er etwas, was ihn bis ins Mark traf: Sein Freund, der Wolf Achilles war hier im Haus. War das nun ein gutes Zeichen oder ein schlechtes?
    Wie gebannt starrte der noch immer kniende Verres zu Tür und er hoffte so auf eine ehrliche Antwort. Und klang in seiner Frage nach Albina nicht wirkliche Aufrichtigkeit mit?

  • Verres wäre wahrscheinlich etstaunt gewesen, was hinter der eisernen Fassade des Tiberius vor sich ging. Denn auch wenn er nur selten Emotionen zeigte, hiess es nicht, das er keine hatte. Aber, er hatte von Kindesbeinen gelernt sie zu verbergen und das hatte verhindert, das er Verres einfach verprügelt hatte. Verres trug in seinen Augen die Hauptschuld an der Misere, trug die Schuld an Albinas Leid. Und, das war das Schlimmste für ihn, schlimmer als alle Verstösse gegen gesellschaftliche Konventionen.

    Ja,... er liebte seine kleine Cousine, so wie ein grosser Bruder seine kleine Schwester liebte. Und dummerweise würde das seine Aufgabe, seine Cousine zu verheiraten nicht leichter machen, kam doch zu dem gesellschaftlichen Ansprüchen an einen möglichen Ehemann noch dazu das Bedürfniss sie glücklich zu sehen.


    Doch all das zeigte sich nicht, er drehte sich sich auch nicht noch einmal um, so das Verres nur seinen graden Rücken sehen konnte.


    "Sie wird heiraten !" sagte er kühl und hart, bevor sich die Tür schloss. Und er tat dies in dem Bewusstsein, das diese Worte Verres vielleicht härter treffen würden als ein paar Ohrfeigen.


    In das entfernte Jaulen des Wolfes mischten sich die schweren Schritte des Tiberiers, die sich zügig entfernten.

  • Erst schien Verres voller Hoffnung, das Quintus noch nicht aus seiner Hörreiche gewesen war und seine letzten Worte wohl doch noch vernommen hatte. Doch dessen Antwrt kam vernichtender, als Verres erhofft hatte.


    Albina wird jemanden anderen heiraten ... jemanden anderen, den sie nicht liebte. Aus reiner Konvention. Aus reiner Strafe, aus Rachsuch.


    Sie wird es gegen ihren willen tun ... weil es Quintus und ihre Familie es so vorsah. Und Verres kniete immer noch am Boden und verharrte: Alles war etwas viel: Das Schicksal seiner Albina und sein Freund, das letzte was ihm geblieben war und nun auch seiner fern: Achilles: der Wolf, den er aufgepäppelt hatte und an den er sich erinnerte.


    Niemals glaubte sich Verres so elend zu fühlen und so hilflos und fast lachte er über seinen Herren, der ihn als Miles gesehen hatte. Was erwartete er von einem Miles? Das er kämpfte? Das hatte Verres vor. Oder erwartete er, dass er sich als Miles unterordnete?


    Und dann fiel ihm die Geschichte des König Leonidas von Sparta ein, welche erst später von Herodot wirklich aufgeschrieben wurde: Eine Unterzahl ausgebildeter Spartaner hielt einige Zeit die Armee des Perserkönig Xerxes auf ... auf einmal kam ihm diese Geschichte in den Sinn. Und auch wenn er wusste, dass er nur ein Sklave war, diese Geschichte stahl sich plötzlich in seinen sonst so leeren Kopf. Und er sah den König, der seinen Männern befahl, nicht aufzugeben, für Griechenland, für die Freiheit.


    Und wieder fühlte sich Verres stark und doch so schwach wie König Lenonidas, der an seine Frau und seinen Sohn dachte, vielleicht.


    Verres sank auf seine Kien, nachdem Quintus nun endgültig den Raum verlassen hatte. Seine Albina würde heiraten? Er würde seinen Wolf nicht wieder sehen? Nein, so durfte die Geschichte nicht ausgehen. Niemals.
    Er sah und glaubte an Albinas unglaublichen Blick, der ihm so unendlich viel gab, nämlich das Gefühl von Gleichheit, von Liebe ... und er glaubte an Achilles, seinem treuen Wolf ....


    Doch auf einmal wurde Verres bewusst, wie er im Nachteil war: Quintus hatte die Macht, sein Herr hatte die Macht.
    So schrecklich Verres auch fühlte, er versuchte nun ruhig zu bleiben: Für seine Albina.



    Und sein letzter verzweidelter Gedanke war: Nein sie wird nicht heiraten!



    Darin war sich Verres sicher!

  • Und dann stand Verres langsam auf. Er wankte nicht. Er fühlte sich eher wie der Fels in der stürmischen Brandung, der allem trotzte. Und dennoch traf ihn immer wieder ab und an eine so harte Kraft, dass er leicht bebte. Dies waren sie Zweifel, die auch immer wieder in ihm aufkamen: Hatte er wirklich etwas falsch gemacht? Hätte er Albina, von der er ausging, dass sie nun wie er furchtbare Qualen litt, vor sich und den Gefühlen zu ihr, schützen müssen? Hätte er standhaft bleiben müssen, als sie seine Hand nach ihm ausgestreckt hatte und er sie erst abwies? Und hatte er sie eigentlich abgewiesen? Eigentlich hatte er sich nichts sehnlicher gewünscht, dass sie ihn berührte. Den ersten Schritt hätte er niemals gewagt, so viel Anstand hatte er in sich gehabt. Aber er hatte doch, als sie sprach, dass sie das nicht dürften, abgewiesen, als er gesagt hatte, dass es ihm leid tat. Er war ja damals im Park selber unsicher gewesen und doch voller Gefühl für sie. Aber hätte er ...


    hätte hätte hätte: Es war geschehen. Und sie waren für einige Momente glücklich gewesen. Auch, als er sie nachts besuchte, sie dann ihren Kopf auf seine Brust gelegt hatte und so selig eingeschlafen war. Was waren das alles für magisch wunderbare Momente gewesen. Er hatte seinen Gedächtnisverlust vergessen und auch seine ständigen zermürbenen Gedanken, wer er denn eigentlich war, die ihn seit damals, als er in Dakien in der kleinen einfachen Hütte aufgewacht war, immer während quälten. Er hatte vergessen, das er ein Sklave war und fühlte sich so leicht und frei wie ein Vogel, der, wenn er er wollte, einfach seine Flügel bewegen und davon fliegen können, auch wenn er das in ihrer Gegenwart und gerade wegen Albina gar nicht wollte.


    Seine kleine Albina. Sie war so unschuldig wie ein Reh. So rein und zart und doch so innerlich stark. Vor allem war es auch ihre Offenheit ihm gegenüber und dann war es einfach diese Liebe, diese aufrichtige Liebe ihm gegenüber, einem Mann, den sie doch kaum kannte. Und der so viel älter war als sie und zu dem auch noch ein Sklave.


    Als er so an die schönen Momente dachte, fühlte Verres, wie stark er sich fühlte, vor allem auch, weil er glaubte, diese Kraft war etwas, was Albinas Liebe verursachte.


    Er ging zu seinem Bett und setzte sich darauf.
    Seine Beine hatte er rechts und links leicht seitlich von seinem Körper bewegt und nun stützte er seine Ellenbogen je auf eines seiner Knie und senkte seinen Kopf in seine Hände, so dass seine Handflächen seine Stirn umfassten und er den Boden anstarrte.


    Ein Fels in der Brandung? Ein König Lenoidas, der sich opferte? Ein Miles? Ein Liebender? Oder nur ein Sklave seiner Umstände?


    Zweifel wechselte mit Standhaftigkeit und das irritierte den verwirrten Sklaven mehr, als er erst zugeben wollte. Doch Verres wollte sich auch nicht belügen. Auch wenn es die schwerste Zeit war nach seiner Versklavung und auf alte Erinnerungen konnte er ja nicht zurückgreifen.


    Alles war so verwirrend.


    Auf der einen Seite wollte er um diese magische Liebe zu Albina kämpfen, auch wenn seine Vorraussetzungen nicht schlechter sein konnten als Sklave. Diesmal ging es ihm nicht darum, dass er sich deswegen bemitleidete, wie er es vielleicht manchmal tat. Es war nun mal eine Tatsache, die er endlich akzeptieren musste. Er hatte kaum Rechte als Sklave und natürlich war es ihm klar, dass es in den Augen der Gesellschaft nicht rechtens war, eine freie Frau zu lieben. Aber er fühlte sich als Mensch und ja, er war zu stolz und zu lebenshungrig nach der Wahrheit, als dass er sich dermaßen unterorden wollte, sich seinem Schicksal kampflos zu ergeben. Und wenn er um Albina und ihre gemeinsame Liebe kämpfen wollte, musste er um vieles mehr stärker sein, als bisher in seinem kurzen Leben der Erinnerungen, die ihm blieben. Er musste seit damals in Dakien sein Leben neu anfangen, da er nicht auf die Ressoursen der Erfahrung seines eigentlich längeren Lebens zurückgreifen konnte: Er wusste nicht, wie er früher gehandelt, gedacht, gefühlt hätte. Es schmerzte ihn schon, aber vielleicht war dies auch ein Neubeginn, den er nutzen sollte. Doch es fiel ihm schwer: Ständig fragte er sich: Wer war ich vorher, wie hätte ich gehandelt. Doch mit einem Mal akzeptierte er seinen Zustand: Er wusste es nicht und nahm es in diesem Moment als Neubeginn an, auch wenn es schwer viel.
    -Vielleicht warst du auch ein arroganter Mistkerl- kam es ihm plötzlich in den Sinn und er sagte sich: - Wer du auch warst, du bist heute der Verres, der du bist!-


    Es war seltsam, aber kurz huschte ein Lächeln über Verres Gesicht: Ja, er hatte ein wenig mit seinen Überlegungen etwas erreicht: Er nahm sich an, wie er jetzt war. Auch wenn er immer wieder daran denken würde, wer er vor seinem Gedächtnisverlust war, doch nun half ihm diese Erkenntnis, sich auf die Gegenwart und Zukunft zu konzentrieren. Und die war wichtiger als die Vergangenheit.


    Und eines wusste er: Die Liebe zu Albina war für ihn etwas besonderes. Natürlich dachte er darüber nach, ob es so etwas wie eine Flucht sein konnte, dass er so an ihr hing, sie so liebte, weil er sich vorher wegen seines Gedächtnisverlust so alleine fühlte, aber dann kam ihm eine andere Erkenntnis: Wäre es so gewesen, würde er nicht ganz so um sie trauern, würde sie nicht ganz so lieben: Nein, er war sich sicher: Sie und ihn verband etwas anderes, etwas, was vielleicht nur die Götter verstehen würden. Er war ja jemand, der zweifelte und immer wieder dachte er: Vielleicht war es nur ein Moment, eine Leidenschaft und er dachte sogar daran, dass Albina vielleicht alles bereute, weil es so viel Ärger bedeutete. Und ja, sie war jung und vielleicht war Verres der erste Mann, der solche faszenierenden Gefühle in ihr ausgelöst hatte. Doch es war seltsam: Verres glaubte daran nicht. Albina war kein naives Weibchen, welches sich schnell beeinflussen lies. Dann hätte er sich nicht in sie verliebt. Er spürte, dass es da was anderes gab.


    In dem Moment aber wechselte seine Stärke wieder um zu seinen Zweifeln und der Fels bebte: War er zu egoistisch und zu stolz? Redete er sich etwas ein, an das er glauben wollte, weil er selber so wenig Glauben und Wissen über sich hatte: WOLLTE er an die grosse Liebe glauben?


    In diesem Moment dachte er nur eines: Verzeihe mir, Albina, dass ich so denke, aber ich bin wahrlich kein Prophet oder jemand der die Weisheit mit Löffeln gegessen hat. Ich liebe dich!


    Dennoch kam er sich seltsam vor, dass er angefangen hatte damit, ihrer beider Liebe in Zweifel zu ziehen. Doch er wollte alle Möglichkeiten durchgehen:
    War er, Verres vielleicht einfach nur zur richtigen Zeit bei ihr? Sie war jung und unerfahren, hatte ein wenig Angst vor der grossen Stadt und sehnte sich nach ihrem Zuhause. War Verres einfach jemand, in dem sie glaubte, einen Menschen gefunden zu haben, dem sie ihre Sorgen und Ängste erzählen konnte?


    NEIN! Verres glaubte es nicht.


    In seinem Kopf brodelte es und noch nie so wie jetzt merkte er, wie er verzweifelt nach einer Antwort suchte. Und etwas anderes kam ihm schmerzlich in den Sinn: Was war mit ihr? Wie behandelte Quintus sie? War er ihr sehr böse? Verres hoffte es nicht, denn er war sich sicher, dass ihr das nicht helfen würde. Er hoffte, dass sein neuer Herr ihr vergeben würde. Auch wenn er ihm, Verres nicht vergeben würde und Verres meinte es ernst und es war ihm egal, dass es vielleicht so sein würde, doch er sorgte sich in diesem Augenblick nur um seine Albina und wünschte ihr, dass man sie auffing.


    Doch im nächsten Augenblick spürte Verres auch, dass das alles so kompletter Wahnsinn war und dachte an seinen Wolf, seinen Freund, den er so gerne nun bei sich hätte. Wollte Verres uneigennützig sein für seine Albina, wollte er alles Gute für sie und sich dafür aufgeben? War das Liebe?


    Und dann kamen mehr und mehr Zweifel: Bin ich zu egoistisch? Bin ich zu stolz? Bin ich von mir zu voreingenommen? Sollte ich Albina einfach vergessen? Ihr zu Liebe? Vielleicht wird sie mich schnell vergessen und einen Mann an ihrer Seite finden ...


    Nun raufte sich Verres die Haare. Wie er es auch dachte, alles schien ihm falsch: Er wollte und konnte es nicht glauben und es tat ihm Leid, an ihrer Liebe zu zweifeln. Und doch wusste er: Sie ist noch so unerfahren, vielleicht ähnlich wie ich, da ich nicht weiss, wie ich vorher war. Er hätte heulen können, denn er merkte, wie er sich verrannte: Was war schon richtig oder falsch und alles lag daran, dass er nicht mit ihr reden konnte: Ein Berg von Spekulationen baute sich vor ihm auf, wie der Leichenberg der Gegner bei König Leonidas und Verres spürte, dass er langsam an seine Grenzen kam und es so keinen Sinn hatte:
    Er musste Kontakt aufnehmen zu seiner Albina. Und dann fühlte er sich wieder stark und kräftig und war voller Hoffnung, doch dann kam wieder ein zweifelnder Gedanke: Sollte ich sie vergessen, damit sie mich einfach vergisst? Ist es nicht so, dass ich kein Öl ins Feuer giessen sollte?


    Wieder war Verres kurz am verzweifeln.


    Und dann spürte er erst, wie verzweifelt er war: Dieses Hin und her zwischen Stärke und Schwäche machte ihn fertig, er musste sich endlich entscheiden. Und dann fragte er sich, ob er früher nicht einfach gehandelt und sich entschieden hätte: Denn was gerade in ihm abging, dieses Hin und Her, brachte ihm im Moment nur Verwirrung und würde Albina nicht helfen. Und immer wieder dachte er, ob er egoistisch wäre, wenn er um Albina kämpfen würde. Und zwar deswegen, weil er sie nicht enttäuschen wollte, sondern ihr zeigen, wie wichtig sie ihm war, damit sie spürte, was für ein feiner Mensch sie war und er ihrer Liebe zollen konnte.


    Oder war er egoistisch und wollte damit unbewusst wissen, wie er geliebt wurde?


    Verres wusste es nicht und es war die schlimmste Herausforderung in seinem bewussten Leben. Er wollte perfekt sein, er wollte so viel. Doch auf einmal kam er zu sich: Es gibt niemals den goldenen Weg. Ich liebe Albina, ja, auch wenn sie sich kaum kannten. Er liebte sie nicht, weil sie für ihn da war, nein, Verres glaubte an etwas höheres. Denn er wusste um die tiefen Gefühle für Albina, die er für sie empfand und das nach so kurzer Zeit.


    Und dann liess er sich auf sein Bett nieder, verschränkte seine Arme hinter dem Kopf und plötzlich dachte er an die Götter und sprach leise: »Ihr lieben Götter? Warum? Schickt mir doch ein Zeichen? Ich meine es doch ernst, warum all dies Leid? Warum? Ich weiss, dass das Leben aus Prüfungen besteht ... aber ich liebe Albina wegen ihrer selbst, nicht nur weil sie mir das Gefühl gibt, ein Mensch zu sein, oder weil sie für mich da war, in meiner Not.ist und ich ihr ein Freund sein konnte. Ich liebe sie, wie sie ist, mit ihren Stärken und Schwächen. Warum ich sie wirklich so liebe, wisst nur ihr Götter. «


    Und dann starrte Verres an die Decke und erneut begann er zu denken, mit Stärke aber auch mit Schwäche, denn er war nur ein Mensch. Er wollte sich und Albina nicht belügen und doch wusste er, dass es keine Wahrheit gab, denn diese Wahrheit war immer von den Menschen erdacht.

  • Aesara ging direkt zu der Sklavenunterkunft von Verres und Ikarus. Kurz bevor sie um die Ecke bog, mit den Teller in der Hand, atmete sie noch einmal kurz durch. Denn sie wußte das Titus vor der Tür des Zimmers wachte. Und das machte die Sache nicht gerade einfacher. Mit festen Schritt ging sie auf ihn zu und sagte Ich wurde von der Köchin geschickt, um Verres das Essen zu bringen. Könnte ich vorbei und es ihm hinstellen.

  • Titus
    --------------------------------


    Titus war eigentlich kurz davor gewesen, die Kammer zuzunageln, dann hätte er sich verziehen können. Aber, das in der Kammer noch ein anderer Sklave hauste, musste er bleiben, bis seine Ablösung kam.


    Als allerdings eine hübsche, junge Sklavin auftauchte, hellte sich seine Miene auf und er grinste freudig, er hatte Rahel schon wieder fast vergessen.


    Gross und Breit stand er vor der Tür, stützte sich leicht gegen die Wand. Aufjedenfall versperrte er die Tür ganz und gar, so das an ihm kein vorbei kommen war.


    "Dem da drin schickt sie was zu essen, un` mir nich`?" meinte er fragend. "Aber dafür schickt `se mir so`ne hübsche kleine wie dich ?"

  • Aesara guckte Titus einfach nur an und dachte sich, was für mich ein blöder Spruch. Aber sie lächelte nur und sagte die Köchin wartet nur auf dich um dir die Leckereien zur servieren. Kann ich nun endlich durch, ich muß noch das Zimmer meiner Herrin aufräumen und habe daher nicht viel Zeit um solche angenehmen Gespräche mit dir zu führen Aesara dachte in Wirklichkeit, dass sie am liebsten überall sein wollte nur nicht hier. Sie hatte es Titus immer noch nicht verziehen, wie er auf den Sklavenmarkt sie hat abgetastet und begutachtet, wie ein Stück Vieh. Wenn sie daran zurück dachte, kochte sie immer noch vor Wut. Aber sie zeigte ihre Gefühle nicht, lächelte nur Titus an.

  • Titus
    --------------------------------


    Titus lachte laut auf.


    "Nee, iss nich`, der Tribun will das ich hier bleibe."


    Dann blickte auf den Teller herunter. So`n Eintopf war wirklich nicht das Richtige für ihn. Er hatte bessere Quellen, später würde er sich eine Schink in den Vorratskellern bedienen.


    "Wenn ich abgelöst werde, hol ich mir was,... wenn du lust auf Schinken, Brot und guten Wein hast, komm mich mal in meinem Zimmer besuchen..."


    Sollte den Eintopf doch der Sklave essen. Doch er hatte schon lange genug Gefangene bewacht, und daher musste er sicherstellen, das in dem Essen nichts versteckt war. So steckte er einen seiner Finger in den Eintopf und fuhr einmal durch, egal wie heiss das essen auch war. Dann leckte er den Fingter ab, öffnete die Tür und liess Aesara hindurch.


    "Überlegs dir, kleene...." sagte er noch, während er sie durchliess, nicht ohne ihr einen kleinen Klapps auf den Hintern zu geben.

  • Ich muß leider diese wirklich lieb gemeinte Einladung ablehnensagte Aesare im vorbei gehen kochend vor Wut. Er hatte es wirklich gewagt ihr einen Klaps auf den Hintern zu geben und außerdem hat er mit seinem dreckigen Finger in dem Eintopf gerührt. So eine Schweinerei. Was dachte er denn, hätte sie in dem Teller versteckt. Aesara war außer sich. Und daher sagte sie noch zuckersüß zu Titus Aber es ist ja so süüüß von dir, daß du an mich gedacht hast Sollte ihm der Schinken doch im Hals stecken bleiben.

  • Verres bekam nichts von dem Gespräch vor seiner Kammer mit. Er war inzwischen ein wenig vor Erschöpfung eingedöst, obwohl er noch so voller Gedanken war, wie sein Leben weiter gehen sollte und wie es mit Albina war. Er zweifelte nicht an ihrer Liebe und doch dachte er, dass er vielleicht vermessen war, wenn er glaubte, dass sie ihn weiterhin lieben würde, unter diesen Umständen. Er würde ihr verzeihen, wenn sie sich von ihm abwenden würde: Sie war noch so jung und hatte so viele Möglichkeiten: Was konnte er ihr schon bieten. Auch wenn er diese Gedanken nun nicht voller Selbstmitleid führte, aber immer mehr wurde ihm bewusst, das eine wirklich Liebe, egal zwischen wem, keine Chance hatte. Bald würde er weggeschickt und er würde seinen Juwel nie wieder sehen, ausser, er würde ...


    Doch dann hatte er plötzlich einen Traum:


    Verres stand einem gesichtslosen Mann gegenüber, der über ihn lachte:


    "Verres, Verres, du bist beeindruckend. Nie hätte ich dir solch guten schauspielerischen Fähigkeiten zu getraut. Wirklich gut, das mit deinem angeblichen Gedächtnisverlust. Aber wir kennen dich ja, du alter fieser Haudegen!"


    Verres verstand die Worte nicht und erkannte den Mann mit dem hämischen Grinsen in seinem Tonfall nicht und war verunsichert: »Wer bist du, was willst du und was soll das? Sprich offen, damit ich verstehen kann!« bat Verres berwirrt und aufrichtig im Traum.


    Sein Gegenüber lachte jedoch nur wieder: "Wirklich überzeugend, Verres. Aber mich kannst du nicht blenden. Deine Albina vielleicht und diesen Quintus vielleicht, aber ich kenne dich: Du bist der geborene Wiederlink und du weisst es!"


    Verres aber verstand kein Wort und der Traum entwickelte sich immer mehr zum Albtraum, es war, als würden sich die Worte des Mannes im Traum wie ein Lederriemen um seine Brust schnüren und ihm die Luft nehmen.


    Verres japste nach Luft und stiess ungewollt einen leichten Schrei aus: »NEIN!«

  • Aesara hörte wie Verres ein verzweifeltes Nein ausstieß. Sie sah in genauer an. Er war noch im Halbschlaf. Nicht richtig in dieser Welt und auch nicht richtig in der Welt der Träume. Aber es sah eher danach aus, als ob es Albträume sind die ihn quälten. Langsam ging sie zu ihm hin. Und tippte ihn mit der freien Hand an und sagte vorsichtig Ich bin es Aesara, ich soll dir Essen bringen

  • Verres war noch halb in der anderen Welt, als ihn jemand ansprach und er fast panisch die Augen öffnete. Er sah eine junge Frau, welche er in der Villa mal gesehen hatte. Er wusste, dass sie wie er hier eine Sklavin war, doch im ersten Moment hallte nur der seltsame Traum nach.
    »Ja? Wie?Essen?« stammelte er verwirrt. Doch dann setzte er sich auf, fasste sich aber an seinen Kopf, in dem er schreckliche Schmerzen spürte. Doch langsam war ihm klar, wo er war und auch wieder, was geschehen war: Seine Albina. Wie ging es ihr und was zum Hades war das eben für ein Traum?


    Leicht verwirrt sah er die junge Sklavin an.
    »Essen? Oh danke ... Verzeih, ich muss wohl geträumt haben ...«


    Eigentlich hatte Verres wahnsinnigen Hunger und der Duft trieb ihn in die Nase, doch er sah Aesara nur wie verwundert aus einer anderen Welt an.
    »Danke ...« kam nur so halb über seine Lippen.

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