Es wurden immer mehr Leute - den Mann, der nun zu ihr getreten war und sie ansprach, hatte sie vorher nicht gesehen, und er schien auch nicht zu den Lakenträgern zu gehören, seine Gesichtszüge wirkten auch nicht vollkommen wie die der Römer, ähnlich, ja, aber eben nicht ganz gleich. Und er blickte sie auch gleich ernst an - überhaupt schienen die meisten Menschen in Rom eher ernst auszusehen, denn irgendwie zu lachen, konnte man sich in dieser Stadt denn nicht freuen? Die ganze Pracht, das glänzende Gold, die kräftigen Farben an der Wand, all das schien den Menschen, die hiermit so selbstverständlich umgingen, als wäre das für sie nichts Besonderes mehr, ganz egal zu sein.
Der Wortschwall, der über seine zugegebenermaßen sehr schön geschwungenen Lippen sprudelte, war auch gleich zu schnell und zu umfangreich, als dass Cadhla mit ihren wenigen Brocken Latein den Sinn hätte herausfiltern können. Irgend etwas mit Gold sagte er - aureus? aurelus? - hatte sie gerade noch verstanden, auch von einem Herrn sprach er, aber der Sinn des Satzes entging ihr. Sie riet mehr schlecht als recht, dass der Mann ihr zu verstehen geben wollte, dass sie sich benehmen sollte - alles andere hätte wohl wenig Sinn gehabt, und schon trat er zurück, denn der sitzende Mann hatte ihm ein Zeichen gegeben.
Er war jung, jünger als der andere, allerhöchstens dreissig Sommer alt schätzte sie ihn, und er hatte dieselbe Augenfarbe wie sie selbst, was ihn ihr zumindest im Augenblick sympathisch machte. Dennoch konnte sie sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie abermals wie ein Tier begutachtet wurde, ob sie denn für das, was sie tun sollte, taugen würde, was auch immer es sein würde. Schnell schob sie ihre feucht gewordenen Hände auf den eigenen Rücken, als ob man ihr die Nervosität dadurch ansehen könnte, und versuchte, in seinen langsam gesprochenen Worten mehr Sinn zu erkennen als in der Ansprache des anderen. Und endlich war zumindest ein Teil verständlich, auf den sie auch antwortete:
"Ich ... sprechen nicht ... Latein."
Entschuldigend lächelte sie etwas, und fügte in einwandfreiem Gälisch an: "Und ich verstehe kein Wort von dem, was Du sagst, ich hoffe einfach, dass es etwas freundliches war." Für einen Römer indes musste ihre Heimatsprache hart und fremd klingen, ganz und gar unzivilisiert, aber das konnte Cadhla in diesem Moment nicht ahnen. Unsicher strich sie die unvermeidliche Haarsträhne aus der Stirn und offenbarte den Sonnenbrand, der noch von der Reise durch die provincia Italia her stammte, bei der den Sklaven leider kein Sonnenschirm zugedacht gewesen war und der Cadhlas helle, zarte Haut mit einem unschönen Rotstich versehen hatte.