Abwesenheit der Senatoren

Hungi nickte zustimmend. Das ist sogar ein recht guter Vorschlag. War net auch irgendwann mal eine Geschäftsordnung des Senats angedacht?

“Eine Geschäftsordnung, ja, dass wäre tatsächlich einmal etwas Erstrebenswertes!“, fand Aelius Quarto.
“Der letzte Anlauf dazu scheitere wohl an Unstimmigkeiten innerhalb des Senats, glaube ich. Aber das sollte uns nicht davon abhalten, dass Thema erneut anzugehen.

Was den Vorschlag betrifft, die Anwesenheit der Senatoren vor jeder Sitzung zu überprüfen und, wie es hieß, unentschuldigtes Fehlen zu beanstanden, so erinnert mich das an meine Kindheit. Aber Senatoren sind keine Schuljungen und der Princeps Senatus kein Lehrer, der fehlende Schüler rügt.

Ich muss ehrlich sagen: Bevor durch eine solche Maßnahme hier fünfzig Senatoren mehr die Ränge bevölkern, deren Gedanken aber dann doch nur bei ihren Fischteichen sind, sollen sie von mir aus doch lieber gleich ihre Schuppentiere füttern. Wer hierher kommt, der sollte auch etwas zu sagen haben und wen das Geschehen in der Curia Iulia nicht interessiert, der kann von mir aus auch draußen bleiben. Alles andere verschwendet nur unsere Zeit.“

"Und wen das Geschehen in der Curia Iulia nicht interessiert, der hat die Aufgaben eines Senators nicht verstanden", ergänzte Macer als alternatives Ende für die Ausführungen von Quarto. "Ich gönne jedem, dass er sein Landhaus hübscher findet als die Curia Iulia und man hat ja schließlich Sitzungstage und sitzungsfreie Feiertage, damit man weiß, wann man anwesend sein kann und wann nicht. Aber der Senat ist keine Taverne, in der man ein und aus geht, je nachdem welche Musik gerade gespielt wird."

Völlig richtig. kommentierte Hungi den letzten Satz des Senators Macer.

Schön, dann machen wir halt eine Geschäftsordnung. sagte er noch mit einem erwartungsvollen Blick an seinen Bruder, den Consul.

... der aber just in diesem Zeitpunkt in eine andere Richtung schaute.

“Also, von mir aus, regeln wir die Anwesenheit im Rahmen einer allgemeinen Geschäftsordnung.“, gab sich Aelius Quarto geschlagen.
“Ich möchte vorschlagen, dass die Senatoren Vinicius Hungaricus und Purgitius Macer den Entwurf dazu ausarbeiten. Sie scheinen bereits gute Ideen dafür zu haben.“

"So, wir haben gute Ideen?", fragte Macer halb amüsiert und halb verdutzt zurück und blickte dann erst zu Quarto und dann zu Hungaricus.

"Was möchten die Kollegen denn noch in der Geschäftsordnung haben? Offensichtlich also eine Anwesenheitsregelung. Ein paar allfällige Gemeinheiten würde uns ja sicher einfallen, aber vielleicht gibt es ja noch spezielle Wünsche."

Sein fragender Blick schweifte durch die Runde.

“Wir könnten darin das Rederecht hier im Senat noch genauer spezifizieren und außerdem die Rechte, Pflichten und Sanktionsmöglichkeiten des Princeps Senatus. Momentan ist letzteres im Codex Universalis festgehalten und zwar im § 57. Diesen Paragraphen könnten wir im Zuge dessen meines Erachtens dann ersatzlos streichen.“

Einen ganzen Paragraphen streichen zu können war ein von Macer gerne gehörtes Stichwort. Zwar hatte er keineswegs eine Abneigung gegen Gesetze und Regelungen, aber wenn man etwas vereinfachen konnte, dann war ihm das immer einen Blick wert. Also zückte er einen Wachstafel und begann, die Ideen des Kollegen zu notieren.

"Das klingt sinnvoll und naheliegend, dieses teilweisen Interna des Senates aus einem allgemeinen Codex zu entfernen. Sie sind außerhalb der Curia ja kaum von Bedeutung."

Eine Frage nach weiteren Vorschlägen, wie er sie bei Planspielen an der Academia gerne stellte, verkniff er sich. Hier im Senat war er schließlich nicht der Moderator der Debatte.

Naaaja. meldete sich Hungi zu Wort. Sicher kann man den 57er entschlacken, aber ganz abschaffen will ich ihn doch nicht. Immerhin wird darin der Öffentlichkeit erklärt, daß es dieses Amt gibt und welchen Zweck er hat. Außerdem unterstreicht der Gesetzgeber die herausragende Rolle des Princeps Senatus, das würde ich nicht außer Acht lassen wollen.

“Aber alles was in § 57 geschrieben steht sind Regelungen, die ausschließlich innerhalb des Senats von Bedeutung sind. Außerhalb des Senats verfügt ein Princeps Senatus nach diesem Paragraphen über keinerlei besondere Rechte oder Pflichten, es sei denn, dass Amt wird von einem amtierenden Consul wahrgenommen. Aber dann werden seine besonderen Befugnisse in § 52 beschrieben.
Das Amt des Princeps Senatus ist im engeren Sinne nur innerhalb der Curia Iulia von Relevanz und darum meine ich, dass es genügt, wenn es in einer Geschäftsordnung verankert wird, die ebenfalls nur hier Gültigkeit hat.“

"Vielleicht könnte man die Teile, die nicht aus dem Blick der Öffentlichkeit verschwinden sollen, in einen anderen Paragraphen verschieben", schlug Macer vor, ohne dass ihm der passende Paragraph zum Senat sofort präsent gewesen wäre. "Das hätte auch den Vorteil, dass dann alle öffentlich relevanten Senatsangelegenheiten an einer Stelle zusammen gefasst wären und dort sogar für weitere Regelungen explizit auf eine Geschäftsordnung verwiesen werden könnte."

Das ist richtig, dennoch hat das Amt eines Princeps Senatus auch außerhalb der Curia eine gewisse Ausstrahlung. beharrte Hungi auf seiner Meinung. Er ist nun mal die offizielle Anlaufstelle des Senates. Wenn es keinen Consul gibt.

Was der Princeps Senatus hingegen darf oder nicht darf, das kann sicher in eine Geschäftsordnung, da bin ich voll dafür.

Dann wandte er sich Senator Macer zu. Wenn du mir noch sagen könntest, welcher Paragraph das sein soll... In seiner Miene war die Skepsis zu sehen. Ich glaube nicht, daß es gescheit wäre, groß rumzuschieben. Ich würde eher vorschlagen, derweil den 57er nur zu entschlacken, denn der Cod Univ gehört ohnehin einmal generalüberholt. Und zu oft sollten die Normen nicht ihren Platz wechseln, das schafft nur Verwirrung.

Macer nahm den fragenden Blick auf und leitete ihn weiter zu Hungaricus.

"Ich kann mir meine Zeit momentan für so etwas recht gut einteilen. Wie sieht es bei dir aus?"

Hungi wollte den weitergeleiteten Blick selber weiterleiten an irgendwen, nur dummerweise gab es niemanden.

Jo, wenns unbedingt sein muß... Die größte Lust packte ihn nicht wirklich, aber was tat man nicht alles für Rom.

Macer hatte eigentlich mit einer etwas auskunftsfreudigeren Antwort seines Senatskollegen gerechnet. Zumindest mit der gegebenen konnte er nichts anfangen. Also zuckte er auf die Worte des Consuls hin mit der Schulter, klappte seine Wachstafel zu, legte sie auf seinen Platz und ging rasch zu Hungaricus herüber. "Dann lass' mir einfach eine Nachricht zukommen, wenn du Zeit hast. Ich mache mir derweil schon mal Gedanken, falls mir was einfällt."

Und bevor der Consul das nächste Thema der Sitzung ansprechen konnte, war Macer auch schon wieder auf dem Rückweg zu seinem Platz. Dieses herumlaufen im Senat während der Sitzungen machte ihm in letzter Zeit reichlich Spass.