Cubiculum | Claudia Epicharis

  • Epicharis hielt augenblicklich inne im Schreiten, als ihr Vater endlich eintraf. Die ins Schloss fliegende Arbeitszimmertür hatte sie in der Ferne zwar gehört, aber ihre Gedanken waren zu sehr mit Dingen beschäftigt, die sie selbst betrafen, sodass sie sich nicht darum kümmerte. Endlich war der Sklave fort und Vesuvianus schien nicht sonderlich begeistert, hier zu sein. Vielleicht war er eben noch mit etwas von Bedeutung beschäftigt gewesen und Epicharis hatten ihn dabei stören lassen? Doch die Claudierin verschwendete nicht einen einzigen Gedanken daran, dass ihr Verhalten womöglich unpassend gewesen war, und sie achtete auch nicht auf den unwirschen Unterton in den Worten ihres Vaters, sondern stürmte mit kleinen Frauenschritten auf ihn zu nd fiel ihm um den Hals. "Papa!" entfuhr es ihr dabei gequält, was wohl seinerseits schon ein Zeichen für Vesuvianus war, dass etwas im Argen war, denn Epicharis nennte ihn höchst selten und eigentlich so gut wie nie bei diesem Kosenamen, sondern bevorzugte das etwas gesellschaftsfähigere 'Vater'. Auch rannen ihr recht selten Tränen in seiner Anwesenheit hinab. Er konnte allerdings nur die bebenden Schultern sehen oder spüren, denn Epicharis hatte ihr Gesicht in seine Toga gegraben, deren hübscher Schmuckstoff bereitwillig alle salzigen Tropfen aufnahm und allmählich feuchte Flecken bildete. Das Pergament lag immer noch an Ort und Stelle neben der Obstschale auf dem kleinen Tisch, Epicharis' Palla hatte einen ungeeigneten Platz irgendwo auf dem Boden zwischen Bett und Sitzgruppe gefunden und Sklaven waren keine mehr im Zimmer, denn sie hatte alle fort geschickt. "Er muss in den Krieg", nuschelte sie daraufhin recht unverständlich und ohne weitere Angabe eines Namens in seine Toga. Das angenehme Gespräch im Garten am gestrigen späten Nachmittag schien plötzlich sehr lange zurückzuliegen.

  • Als ihm seine Tochter um den Hals fiel, erstarrte Vesuvianus. Solche Aktionen mochte er gar nicht, weil er sich dann unbeholfen und überfordert fühlte. Eine weinende Frau war ärger als der schlimmste Feind im Nahkampf. Was tun? Wie verhalten? Was sagen? Wie aus der Situation kommen? Noch immer hingen seine Arme reglos herab, obgleich er wusste, dass es ratsam und sicherlich hilfreich war, sie um den zuckenden Frauenkörper zu legen.


    Claudius war ein Mann der Tat, trösten kam für ihn nicht in Frage, daher legte er nur einen Arm um die Schulter seiner Tochter und mit dem anderen drehte er sie derart, dass er sich bewegen konnte. Er leitete sie zu einem der Sessel, drückte sie hinein, zog sich einen weiteren heran, nahm Platz und stützte vorn übergebeugt die Unterarme auf die Knie.


    "Was für ein Krieg? Er ist Aristides?"


    Zunächst brauchte er Orientierung, damit würden sich Lösungen finden lassen. Vor allem überraschte ihn die Mitteilung eines Krieges. Er war erst gestern in Rom eingetroffen und verfügte weder über aktuelle Kenntnisse vom Militär noch hatte er bislang die Zeit gefunden, die Acta zu lesen.

  • Epicharis spürte, wie Vesuvianus sie herumdrehte und irgendwie zu einem Sessel schob. Es war ja nicht nur die Angst, die sie zugegebener- und berechtigterweise um Aristides hatte, sondern auch die Unwissenheit, was nun werden würde und die Verunsicherung, die durch die Worte in dem Brief bei ihr entstanden waren. Sie ließ sich von Vesuvianus zu einem der Sessel führen und sanft hineindrücken, dann sah sie ihm dabei zu, wie er sich eine Sitzgelegenheit heranzog und sich ihr gegenüber hinsetzte. Epcharis beruhigte sich wieder etwas und versuchte, rational zu denken, nur irgendwie tauchten da immer wieder die Worte aus dem Brief vor ihrem Inneren auf. Trotzdem antwortete sie nach einer Weile auf die Fragen ihres Vaters. "Ja, Marcus. Genau weiß ich auch nichts über den Krieg, nur, dass die Soldaten das Lager nicht mehr verlassen dürfen und bald mit dem Kaiser fort ziehen. Marcus wollte doch eigentlich das Militär verlassen...und nun muss und will er mit in den Krieg ziehen. Und die Sponsalia... Er hat mir freigestellt, was ich tun möchte. Er würde mich freigeben, schrieb er..." Epicharis hob den Kopf und sah ihren Vater nun wieder an. Etwas Trotz zeigte sich auf ihrem Gesicht, und ein Außenstehender mochte hier ganz deutlich erkennen, dass die junge Epicharis definitiv die Tochter des Mannes war, der ihr gegenüber saß. "Aber das werd' ich nicht tun. Eine Claudierin macht keinen Rückzieher!" fuhr sie energisch fort und konnte es nicht verhindern, dass sich ihr Kinn kampfeslustig etwas nach vorn schob.

  • "Natürlich nicht", bekräftigte Vesuvianus die Aussage seiner Tochter, die Verbindung war beschlossen, also wurde sie auch umgesetzt. Dennoch war er mit den Gedanken nicht ganz bei der Sache, hatte er doch soeben erfahren, dass sich die LEGIO I, seine Legion, denn Aristides diente dort, sich für einen Krieg rüstete. Diese Nachricht schien so unglaublich zu sein, wie sie wahr sein musste. Und er hatte sich ausgerechnet jetzt dazu entschlossen, eine Quaestur zu absolvieren. Wieso hatten die Götter ihn ausgerechnet jetzt dazu gebracht, den Entschluss umzusetzen?
    Alles Grübeln half nichts, er musste den Tatsachen ins Auge sehen, sie akzeptieren.


    Wie aus tiefer Versunkenheit erwacht, schaute er seine Tochter an, die noch immer auf eine Antwort wartete.


    "Es ist die Pflicht und der Stolz eines jeden Mannes, alles, selbst das Leben, für Rom einzusetzen. Ein Soldat denkt in solchen Momenten weder an Familie oder sich selbst, aber es zeichnet den Flavier aus, dir eine Entscheidungsfreiheit einzuräumen. Ich hätte das vermutlich nicht getan. Epicharis, dir wird nichts anderes übrig bleiben, als das Schicksal vieler Offiziersfrauen zu teilen und auf deinen Gatten zu warten. Dein Anteil, den du für Rom leisten kannst, besteht darin, ihm dein Ausharren versichern, deinen Glauben an den Sieg und an seine Rückkehr. Das erwarte ich von dir, das erwartet er von dir, das erwartet jeder Soldat und Offizier von seiner Angebeteten. Ich nehme an, eine Sponsalia wird aus diesem Grund nicht mehr vorher stattfinden."


    Die letzten Worte waren eine Mischung aus Frage und Feststellung.

  • Vesuvianus reagierte ganz so, wie Epicharis es erwartet hatte. Er war gefasst und zielorientiert, wie immer. Das war es, was ihren Vater ausmachte. Gerade jetzt mochte sie dieses Verhalten nicht. Es hätte ihr u ein Vielfaches besser gefallen, wenn er sie einfach umarmt und getröstet hätte, statt so zu tun, als käme nur eine der beiden Möglichkeiten in Frage, obwohl es doch tatsächlich zwei Entscheidungsmöglichkeiten gab. Er wirkte gar so, als hinge er eigenen Gedanken nach. Epicharis sah ihn vorwurfsvoll an. Sie wusste ja, dass er stets das Beste für sie und Prisca wollte, doch in ihren Augen verhielt er sich einfach nur unmöglich. Frustriert seufzte sie und ließ die Ausschweifungen ihres Vaters an sich vorüberziehen. Er hätte ihr keine Entscheidungsfreiheit eingeräumt? Das war so kalt, so...gefühllos. Epicharis wünschte sich nichts mehr, als verstanden zu werden, wünschte sich Deandra oder ihre kleine Schwester Prisca herbei. Oder ihre Mutter. Sie hätte sie vermutlich in den Arm genommen und ihr geholfen. Vesuvianus' Worte indes waren nicht das, was Epicharis brauchte. So antwortete sie auch nicht direkt auf seine Frage, sondern zog die Arme um den Oberkörper, als würde sie frösteln, und sah auf ihren Schoß, um ihren Vater nicht ansehen zu müssen. "Ich vermisse Mutter", flüsterte sie. "Und Prisca und Deandra." Wie gut hätte eine tröstliche Umarmung getan, wie schön wäre die Illusion gewesen, dass sie wirklich diese Entscheidungsfreiheit gehabt hätte, die ihr Aristides eingeräumt hatte - auch wenn sie sich aus freien Stücken trotzdem nicht gegen ihn entschieden hätte. So aber fühlte sie sich seltsam allein, obwohl ihr Vater doch augenblicklich gekommen war und ihr so nah gegenüber saß. Langsam und zerknirscht wegen ihrer Äußerungen hob die junge Frau den Blick und touchierte die Augen Vesuvianus', um zu sehen, was in ihm vorging. Fast befürchtete sie einen wütenden Ausbruch - kein angenehmes Gefühl, aber was war seit diesem Brief schon angenehm?

  • Was sollte Vesuvianus mit dieser Antwort anfangen? Er richtete sich im Oberkörper auf, schaute skeptisch, beließ es aber ohne weitere Nachfragen bei der Aussage seiner Tochter, auf die er nun seinerseits nicht einging. Über die Tatsache, dass Frauen höchst selten klare Antworten gaben, grübelte er schon lange nicht mehr nach. Er erhob sich mit einem unterdrückten Ächzen und überlegte kurz, warum er eigentlich so verstimmt das Zimmer seiner Tochter betreten hatte. Die Erinnerung kehrte zurück, aber die Ursache hatte aufgrund der überraschenden Kriegsnachrichten an Bedeutung verloren. Er atmete einmal tief durch und stellte fest, dass er mehr mit sich selbst als mit dem Anliegen seiner Tochter beschäftigt war. Gezwungenermaßen riss er sich zusammen und schaute sie aus aufrechter Position an.


    "Gibt es noch etwas zu besprechen?", fragte er, um nicht unhöflich zu erscheinen. Frauen wollten öfters reden, das wusste er, auch wenn für ihn alles geklärt schien.

  • Epicharis hob den Blick und folgte den Bewegungen ihres Vaters. Er erschien ihr abweisend und desinteressiert bezüglich ihrer Gefühle. In Epicharis' Blick mischte sich Bedauern und ein vager Hauch Enttäuschung. Doch statt etwas auszusprechen, erhob sie sich kurz nach den Worten ihres Vaters nur, sich umwendend und den Blick aus dem Fenster richtend. "Nein. Das war alles. Hab Dank für dein Ohr, Vater", entgegnete sie leise und sah ihn dabei nicht an. Er mochte diese Worte vielleicht bei weitem nich so kalt gemeint haben, wie sie klangen, doch sie kamen wie norditalisches Eis aus den Alpen bei seiner Tochter an.


    Sie wusste ja, dass er nie besonders gut in Gefühlsdingen gewesen war. Ihn hatte der Tod ihrer und Priscas Mutter sehr getroffen, aber statt ihn zu brechen, hatte er Vesuvianus nur noch härter und abweisender allen Gefühlsdingen gegenüber gemacht. Epicharis bedauerte dies sehr, denn nun, da sie jemanden brauchte, der ihr eben nicht nur das Ohr lieh, sondern auch die Arme und eine starke Brust, nun vermisste sie ihre Schwestern und auch ihre lange verstorbene Mutter sehr. Dennoch; sie sollte nicht so viel Zeit verschwenden sonden besser gleich auf diesen Brief antworten, dachte sie bei sich. Je eher sie ihn schrieb, desto eher erreichte er Aristides und ersparte ihm weiteres Ausharren in Ungewissheit.

  • Nur eine knappe Woche, nachdem Epicharis ihrem Verlobten durch den claudischen Boten Dexter den Brief hatte überbringen lassen, kam jener mit einer Antwort von Aristides zurück. Man brachte Epicharis den Brief umgehend, nachdem Dexter todmüde vor der Villa vom Pferd geglitten war, und die Claudierin brach das Siegel mit fliegenden Fingern, um anschließend die schon bekannten, leicht schrägen Zeilen des Schreibens zu lesen.




    Liebe Epicharis,


    um mich musst Du Dir wahrlich keine Sorgen machen, denn obgleich der Krieg riskant ist, die Gefahren groß, die uns in dem fernen Parthia erwarten mögen, so sind wir eine starke Legion und die besten Soldaten des Imperiums vereinen sich in dem sechstausend Mann starken Heer. Zudem bin ich als centurio noch mehr vor den Gefahren gefeit, die einen römischen Soldaten im Krieg erwartet, selbst wenn ich mitten unter den Kämpfenden sein werde. Auch ich habe da keine großen Bedenken und das solltest Du ebenso nicht haben. Nur die Tatsache, daß ich wohl für lange Zeit fern von Rom sein werde und der Heimat ist ein Grund bedrückt zu sein. Aber auch die Monate, womöglich wenigen Jahre, werden schnell und im Flug vergehen.


    In einem magst Du sicherlich Recht haben, wahrscheinlich wäre ich im Moment wenig dazu zu bewegen, meinen Dienst in der Legion aufzugeben. Das liegt nicht daran, daß ich mich für einen besonders pflichtbewussten oder eifrigen Soldaten und Kriegsversessenen halte. Im Gegenteil, das möchte ich Dir nicht verhehlen, denn ich war nie sonderlich begeistert überhaupt mich der Legion anzuschließen. Dennoch verlangte es auch unser Stand, dem römischen Imperium auf diese einfache Weise gedient zu haben: Als Soldat Roms. Auch im Garten hatten wir uns schon über die Veränderung der Zeit unterhalten, die meinen Dienst mal normal, dann wieder unstandesgemäß erscheinen läßt. Dennoch glaube ich, daß es durchaus der richtige Schritt war, mich vor einigen Jahren der hispanischen Legion in Germania angeschlossen zu haben, die mich dann letztendlich zu der Legion des Kaisers geführt hat.


    Doch in all der Konsequenz dieser Entscheidungen muss ich den Weg bis zum Schluss gehen, den ich einmal gewählt habe. Aus Deinen Worten habe ich durchaus vernommen, daß Du diesen Entschluss selber kennst und somit vermagst nachzuvollziehen. Und als Soldat muss ich auch die Konfrontation im Krieg auf mich nehmen, selbst wenn mich danach der Weg aus der Legion und in die Politik führen wird. Vielleicht auch aus jenem Grund sollte ich gerade jetzt nicht diesen Pfad verlassen, denn welcher Senator wird einen Soldaten ernst nehmen, der vor dem Kampf seinen Stab zurück gegeben und die Sicherheit Roms vorgezogen hat? Vor vielen Jahren hätte ich indes auch nicht gedacht, daß mich einst mein Leben in einen derart großen Krieg ziehen wird.


    Dein Nachricht und Deiner Versicherungen, daß Du dennoch zu der Verbindung stehen willst, hat mich tief berührt. Denn selbst bei vielen Männern unseres Standes kann man nicht so eine Aufrichtigkeit und Loyalität zu einer solch frisch entstandenen Bindung erwarten. Und Dein Gefühl für Ehre und Treue würde so manch einem Mann gut zu Gesicht stehen, bei Frauen findet sich dies doch noch sehr viel seltener. So bin ich besonders geehrt, eine solche bewundernswerte Frau wie Dich, Epicharis, einst als meine Frau zu wissen.


    Ich habe meinen Vorgesetzten mit allem, was mir an guten Worten, Druck und ausgefeilten Argumenten einfiel noch dazu bewegen können, mir einige Tage frei zu geben, damit ich nach Rom kommen kann. Dann wird einer Feier, bevor ich in den Krieg ziehen werde, sicherlich nichts im Wege stehen. Sobald ich mich hier von den Pflichten lösen kann, werde ich den Weg nach Rom mit einem guten Pferd nehmen und Dir eine Nachricht zukommen lassen. Du kannst auch Deinem Vater ausrichten, daß ich seine Grüße und Wünsche an die Soldaten der legio prima ausrichten werde. Womöglich wird ihn schon bald der Weg vom Senat aus wieder in die Legion führen und er kann uns noch zur Seite stehen im Kampf gegen die Parther. Dennoch hoffe ich für Dich, damit Du nicht auch noch Sorge um Deinen Vater haben musst, daß wir bis dahin den Krieg schon gewonnen haben.


    Liebe Epicharis, da ich bald nach Rom komme, werde ich alle langen Abschiede lieber auf jene Tage verlegen und bis dahin lieber mit einem “Auf daß wir uns bald sehen!“ abschließen.
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    Sie seufzte beruhigt, obwohl Zufriedenheit und Sorge sich in ihrem Inneren die Waage hielten. Sie hatte zwar deutlich gemacht, dass sie angesichts einer unverhofften Schwierigkeit keinen Rückzieher machen würde, doch bestand diese Schwierigkeit eben aus einem Krieg, und dies war kein kleiner Kiesel, sondern ein recht großer Felsbrocken, den es zu umschiffen galt.
    Bei den Zeilen, die sie lobten, musste Epicharis trotz der Situation amüsiert lächeln, denn sie war noch nie mit einem Soldaten verglichen worden und fand dies reichlich amüsant. Die Worte zeigten auch, dass Aristides durchaus einen für sie angenehmen Sinn für Humor hatte. Epicharis beschloss, ihm die noch verbleibende Zeit hier in der Heimat so angenehm zu gestalten, wie es in ihrer Macht stand.

  • Herrin! ... Herrin ... seid ihr da? ganz aufgeregt und ohne anzuklopfen rannte Kassandra in das cubiculum von Epicharis. Sie kam direkt von der Poststube angelaufen und hielt einen Brief für ihre Herrin in den Händen. Es war der Brief des Verlobten von Epicharis und Kassandra wusste, wie sehr sich ihre Herrin nach ihm sehnte. Also wollte sie dieses Scheiben so schnell wie möglich aushändigen.


    Natürlich hatte Kassandra ihn nicht gelesen und so hoffte sie, dass Epicharis ihr vielleicht erzählen würde, was alles in dem Brief stand. Und neugierig war Kassandra außerdem, endlich zu erfahren was nun aus der Reise nach Ägypten würde. Seit Ravenna hatten sie darüber nicht mehr gesprochen, aber diese Reise wollte ihr einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen.


    Völlig außer Atem hielt sie mitten im Raum an. Hoffentlich hatte ihre Herrin nicht gerade geschlafen, so dass sie sich bei dem Lärm erschreckt haben könnte. Hastig rang Kassandra nach Luft, um ihr plötzliches und stürmisches Eindringen wenigstens erklären zu können.


    Claudia Epicharis
    Villa Claudia
    Roma

    Drei Tage vor dem Monat August DCCCLVII A.U.C. bei Antiocheia


    Liebste Epicharis,


    Fortuna scheint uns hold zu sein. Stetig war der Wind im Rücken der Schiffe und in den Segeln all der Kriegsschiffe, die die römischen Soldaten in ein fremdes und fernes Land bringen sollten. Für eine Landratte war- worüber die Soldaten der classis in den Tagen auf See stets gespöttelt haben- der Aufenthalt auf einem Schiff nicht immer einfach. So viele grüne Gesichter der sonst tapferen Männer, die nun jedoch nur den ganzen Tag über der Rehling hängen konnten, habe ich in meiner Zeit in der Legion noch nicht erlebt. Ich muß jedoch sagen, daß die Schiffsreise äußerst angenehm war. Monoton empfand ich es nicht, im Gegenteil. Zudem hat sich unser Vorgesetzter- Matinius Plautius, den Du auf seiner Hochzeit schließlich kennen lernen durftest- ein sehr kurioses Spiel ausgedacht. Auch sonst wußten die Soldaten der classis ihre freie Zeit mit unterhaltsamen Vergnüglichkeiten zu füllen. Sie pflegen stets auf Deck, wenn sie Freiwache haben, zu musizieren und sogar zu tanzen. Womöglich können sich die Landsoldaten von der Lebenslust der Seeleute noch einiges ab gucken.


    Wir hatten somit eine gute und flotte Überfahrt. Es muß ein imposantes Auftreten gewesen sein, als wir die Stadt Seleukia- es ist die Hafenstadt von Antiocheia- erreichten und dort an Land gehen konnten. Der Orient verströmt schon mit dem ersten Atemzug ein heimatliches Gefühl bei mir. Wenn es auch nicht Afrika ist, sondern nur Syria, so sind die Farben hier genauso kräftig, aufregend und mitreißend, wie es auch Afrika offenbart. Und die Menschen sind hier genauso spannend mit all ihren kuriosen Ticks und Absonderlichkeiten. Schon die Art, wie sich hier die Männer geben ist immer zum Staunen. Manche sind wie ein bunter Vogel heraus geputzt, tragen rote, goldene und blaue Seidengewänder, dazu mehr Schichten Schminke als ein Saal voller Römerinnen jemals vereinigen könnte. Die Griechen im Orient sind wahrlich weibisch. Daneben tummeln sich Syrer, Römer, Schwarzhäutige mit seltsam sprechenden Nomaden, dazu Scharlatane mit Gelehrten und exotische Tierpracht. Wenn man schon in Rom denkt, daß sich die ganze Welt in wenigen Straßen vereinigt, so ist die Vielfalt hier noch sehr viel ungewöhnlicher. Denn wann begegnet man schon einem Parther mitten in Rom oder einem von so weit aus dem Osten, daß man ihm gerne glauben mag, er hätte das Ende der Welt gesehen? Ich würde mich nicht wundern, hier einem Zyklopen über den Weg zu laufen.


    Am nächsten Tag lagerten wir bereits vor den Toren Antiocheias. Wahrscheinlich hast Du schon viel von dieser Stadt gehört, sicherlich schon die ein oder andere Räubererzählungen aus dieser Stadt in den Händen gehalten. Ich habe früher, als Kind zumindest, gerne die Geschichten von dort gelesen. Neben Gaius ist der Beste waren diese Abenteuer mitunter die Aufregendsten. Dir hätte sicherlich das Heiligtum von Daphne gefallen. Es ist einfach ein paradiesisches Fleckchen Erde. Leider kam ich nicht mehr dazu, dem Heiligtum einen Besuch abzustatten. Die Legion zog bereits kurz darauf los. Dieses Mal war es nicht nur die prima, die sich aufmachte. Es schloß sich noch die in Antiocheia stationierte legio XII an. Nun sind es schon mehr als zehntausend Männer, die sich in das Gebiet der Parther aufmachen. Gerüchteweise steuern wir Zeugma an, doch genaues dringt von den Stabsoffizieren auch nicht bis zu den Mannschaftsrängen. Doch da ich noch den Brief an dieser kleinen, einsamen Poststation abgeben wollte, damit er Dich schnell ereilt, muß ich mich nun etwas kürzer faßen.


    Epicharis, ich hoffe, es geht Dir gut und Du vermagst Deine Tage mit freudvollen Momenten zu füllen. Die Götter mögen über Dich achten. Aber sie werden das gewiß, schließlich können die Götter so einer schönen, glanzvollen jungen Frau nicht ohne Wohlwollen begegnen.


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  • Zwar hatte Epicharis gerade im Sessel sitzend etwas gedöst, als Kassandra regelrecht hereinpolterte, aber als sie gerade verwundert fragen wollte, was der Grund für die ganze Aufregung war, sah sie das Pergament, mit welchem Kassandra herumwedelte. So wurde die fragende Miene von einer verblüfften abgelöst, und statt einer Frage kam nur ein erstauntes "Oh", über die Lippen der Claudierin und Epicharis' Blick war festgeheftet auf dem Brief, den Kassandra ihr auch bald endlich reichte.


    Epicharis brach das Siegel, ihre Hände zitterten, die Finge flogen nur so. "Iek!" kreischte sie dann halblaut. "Er ist von ihm!" hauchte sie ihrer Sklavin entgegen, als sie Aristides' Namen erkannte. Was ihr sogleich auffiel, war, dass die Schrift eine andere war, irgendwie unsauberer. Aber zugleich passte sie auch viel besser zu dem Mann, der beim Orakel sich selbst die Prophezeihung leise vorgelesen hatte. Atemlos huschten Epicharis' Augen hin und her und verschlagen Zeile um Zeile. Als sie durch war, seufzte sie langgezogen und las das Schriftstück erneut, aber diesmal langsamer und genüsslicher. Schließlich ließ sie den Brief sinken. Es wäre nun ein Leichtes für Kassandra, ihn Epicharis abzunehmen und selbst zu lesen, was sie selbstverständlich tun durfte als Leibsklavin und eine Art Freundin, die sie geworden war.


    "Antiocheia... Da ist er also heil am Orontes angekommen...Mercurius sei Dank", murmelte Epicharis. Ob die Schlacht gegen die Parther wohl genauso pompös und geschichtsträchtig werden würde wie jene, die der ägyptische Pharao Ramses II. geführt hatte, die Schlacht um Kadesh? Erneut seufzte Epicharis langgezogen. "Ich vermisse ihn", klagte sie. "Und er hat gar nicht geschrieben, was er zu dem Geschenk sagt....oder was er mit meiner Palla anstellt....oder wann sie auf den Feind treffen...oder -" Epicharis setzte sich erschrocken auf. "Hoffentlich muss er nicht in vorderster Front kämpfen! Ich muss ihn gleich fragen!"

  • Oh?! brachte Kassandra fast zeitgleich wie ihre Herrin über die Lippen und wollte sich schon dafür entschuldigen, sie geweckt zu haben. Kassandra hatte zwar am Siegel und am Zustand des Briefes schon vermutet, dass der Brief nur von Epicharis Verlobten aus der Ferne stammen konnte. Gewissheit hatte sie dann erst, als Epicharis mit zitternden Fingern das Siegel brach und mit einem Seufzer der Freude es ihr bestätigte. Kassandra nickte lächelnd, denn es freute sie zu sehen, dass der Brief ihre Herrin so glücklich machte. Dann wartete sie stumm, bis Epicharis den Brief zu Ende gelesen hatte. Und das dauerte, denn sie schien ihn gleich zweimal zu lesen. Schließlich sank Epicharis Arm mit dem Brief so unvermutet nach unten, dass es für Kassandra so aussah, als würde Epicharis ihn gleich zu Boden fallen lassen.


    Was war geschehen? schnell trat Kassandra die zwei Schritte auf Epicharis zu und bücke sich schon um den Brief doch aufzufangen. Ihre Hände trafen sich und kurz nur hielten sie beide den Brief. Kassandra hatte sich wohl geirrt, doch Epicharis machte keine Anstalten sie zurück zu halten und so nahm sie ihn ganz vorsichtig an sich. Darf ich ...? fragte sie leise und als ihre Herrin wieder nicht verneinte, konnte Kassandra nicht umhin, auch einen Blick darauf zu werfen.


    Antiochia, ja ... als wolle Kassandra das was sie eben las mit den Worten von Epicharis vergleichen und halb lesend halb zuhörend antwortete sie weiter. Er vermisst Euch sicher auch Herrin! Und er hätte bestimmt noch viel mehr geschrieben. Aber wie es scheint, war er in Eile ... hier! Er schreibt, dass er ihn auf dem Weg, an einer kleinen Poststation, abgeben musste. versuchte Kassandra die Zweifel ihrer Herrin zu zerstreuen und deutete auf die Stelle im Brief. Aber alles was er schreibt klingt zuversichtlich und es geht ihm sicher gut! fügte sie aufmunternd an und als Epicharis erwähnte, sie wolle ihm gleich antworten fragte sie. Wollt ihr ins Tablinum gehen Herrin, oder soll ich euch die Schreibsachen hierher bringen? ... was wollt ihr ihn denn alles fragen, ihm antworten ... werdet ihr ihm auch davon erzählen, dass ihr nach Äqypten reisen wollt? sprudelte dann die Neugier aus Kassandra hervor.

  • Auf die Frage, ob sie lesen dürfe, ging Epicharis gar nicht weiter ein, denn natürlich durfte sie, immerhin war sie ihre Leibsklavin und genoss nicht nur deswegen einen Sonderstatus bei der Claudierin. "In Eile, ja, das war er sicherlich. Immerhin hat er als Offizier sicherlich eine Menge Leute herumzukommandieren, nicht?" sagte sie und nickte kategorisch. Aristides war ein wichtiger Mann in der Legion, befand Epicharis. Und natürlich war er für sie der wichtigste Mann bei der Truppe, nachdem ihr Vater sich der Politik zugewandt hatte.


    Kassandras Versuch der Beruhigung verlief wie von der zierlichen Sklavin beabsichtigt, und Epicharis wurde nachdenklicher. Eine kleine Poststation...ob eine solche Einrichtung in Antiocheia wohl genauso aussah wie hier in Rom? Epicharis schmunzelte über sich selbst. Vermutlich waren nicht nur die Menschen vielschichtiger, sondern auch die Gebäude und überhaupt alles. Wenn Aristides erst siegreich heimkehrte, würde sie ihm regelrechte Löcher in den Bauch fragen, das konnte sie bereits jetzt mit Bestimmtheit sagen. "Hm...Ich werde die Antwort hier verfassen", erwiderte sie auf Kassandras Frage hin und nickte bestätigend. Aufgeregt klatschte sie in die Hände. "Ägypten, freilich werde ich ihm davon berichten! Und ich werde ihn fragen, ob die Schlacht schon begonnen hat oder ob sich die Legion noch auf dem Vormarsch befinden. Und ob es ihm gut geht und er nicht ständig nur Puls essen muss..." Epicharis lachte kurz auf und zwinkerte Kassandra zu. "Geschwind, hol das Schreibzeug, ich kann es kaum mehr erwarten, meine Gedanken zu Papier zu bringen!"

  • Schon als Epicharis in die Hände klatsche hatte sich Kassandra in Richtung Tür begeben. Ihre Herrin schien voller Tatendrang und so wollte sie sich auch beeilen, um das Gewünscht so schnell wie möglich zu holen. Also lief sie in das Tablinum und raffte eilig ein paar Pergamente, Schreibkiel, Tinte und Siegelwachs zusammen. Mit den ganzen Sachen beladen trat Kassandra schon Minunten später wieder das cubiculum, breitete alles auf dem Tisch aus, entrollte ein unbeschriebenes Pergament und öffnete das Töpfchen mit der Tinte.


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    "Hier bitte Herrin, ich bin schon gespannt was ihr ihm schreiben wollt!" antwortete Kassandra und schob den Korbsessel zurecht. "Glaubt ihr denn, die Schlacht hat wirklich schon begonnen. Wie lange ist es überhaupt her, seit die römsichen Armeen aufgebrochen sind. Ein paar Wochen vielleicht? ... Wann wollt ihr denn nach Ägypten aufbrechen, hat euer Vater denn schon zugestimmt?" knüpfte Kassandra an die Worte ihrer Herrin an, so als hätte sie den Raum nie verlassen gehabt. Sie wollte ihrer Herrin zwar keine Löcher in den Bauch fragen, aber die Aufregung hatte sie natürlich angesteckt und neugiereig gemacht."... und was den Puls angeht, glaubt ihr wirklich dass die Soldaten ständig so etwas essen müssen. ... wer mag denn schon ständig Puls, bäh?!" scherzte Kassandra kichernd und kräuselte dabei leicht angewidert die Nase.

  • Als Kassandra zurück in Epicharis' Zimmer kam, fand sie diese aufgeregt auf und ab laufend vor. Kaum dass Kassandra das Zedernholzkästchen geöffnet und die Schreibutensilien bereitgelegt hatte, kam Epicharis auch schon zum Tisch und setzte sich wieder. "Danke, Kassandra. Ach, ich bin so aufgeregt!" sagte sie und wusste selbst nicht zu sagen, warum das so war. Die Claudierin tauchte die Spitze des Federkiels in die Tinte und setzte die Feder auf das Pergament. "Mein Lieber Marcus", schrieb sie, dann setzte sie die Feder ab und strich mit der weichen Seite nachdenklich über ihre Wange. "Ich weiß nicht, Kassandra. Ich werde ihn einfach fragen... Wenn die Antwort länger dauert, hat er gewiss keine Zeit zum Antworten. Wie lange sie fort sind? Oh, es sind fünf Wochen, sechs Tage und etwa neun Stunden - irrwitzig, nicht, ich weiß es sehr genau..." sie sprach wie mit sich selbst. "Setz dich doch", sagte sie dann zu Kassandra und deutete auf einen Stuhl. Andere ließen ihre Sklaven zwar herumstehen, aber abgesehen davon, dass Epicharis keinen Grund dazu sah, machte es sie auch nervös, wenn Kassandra weiterhin schräg hinter und neben ihr stand. "Ägypten...ja, er hat zugestimmt, aber der Termin für die Abreise steht noch aus. Ich muss mich in einer ruhigeren Minute noch darum bemühen", erwiderte sie und schrieb nach einer plötzlichen Eingebung einen ersten Satz auf das Pergament. "mit großer Freude habe ich deinen so unverhofft zeitig kommenden Brief verschlungen."


    Kassandras Kichern ließ sie wieder aufsehen und sie grinste verschmitzt. "Mit mögen hat das, glaube ich, wenig zu tun. Puls ist ein schnell zubereitetes Essen, das nicht allzu viel Aufwand verursacht und viele Mäuler auf einma stopfen kann. Würde ich nicht Wert auf andere Gewohnheiten legen, würde dein Speiseplan auch zum größten Teil aus Brei bestehen. Aber du hast Recht, auf Dauer ist es unerträglich, sowas zu essen. Und Marcus ist Centurio, da wird er sicher anders verpflegt werden, nehme ich an." Epicharis fiel auf, dass sie das gar nicht so genau wusste. Sie strich eine dieser Strähnen zurück, die sich stets in unpassenden Momenten aus der Haarpracht lösten und zuckte dann mit den Schultern. "Ich werde ihn auch das einfach fragen", sagte sie schlicht und zuckte mit den Schultern. Hoffentlich konnte der arme Postbote den Brief noch tragen, wenn Epicharis mit ihm fertig war. Und nun schrieb sie...und schrieb.....

  • Auf die einladenende Geste sich zu setzen, holte Kassandra sofort einen Stuhl und nahm neben Epicharis am Tisch Platz. Allerdings hielt sie einen gebührenden Abstand ein, um ihre Herrin nicht zu bedrängen oder gar beim schreiben zu hindern. Mit Interesse verfolgte sie, was ihre Herrin ihr erzählte und zu schreiben beabsichtigte. Nebenbei stellte Kassandra fest, dass nicht nur sie die Zeit, die seit der Abreise des Verlobten vergangen war, nicht richtig abschätzen konnte. Was die Abreise nach Ägypten betraf, da wurde ihr Neugier leider wieder nicht befriedigt.


    Trotzdem nickte Kassandra nur zu dem Gesagten und fragte nicht weiter nach. Sie wollte ihre Herin ja nicht in ihren Gedanken stören. Und die Bemerkung eben mit dem puls und ihr Gekichere? ... ups, da war sie wohl fast ein wenig zu vorlaut gewesen. Auch wenn Epicharis dies mit einem verschmitztem Lächeln und einen dezenten Hinweis auf ihren Speiseplan überspielte. Nein, was das Essen betraf, konnte sich Kassandra wirklich nicht beklagen und daher senke sie auch schuldbewusst den Kopf. Aber nur für ein paar Sekunden, dann blickte sie schon wieder auf. Neugierig schielte sie auf das Pergament und las mit ... und las ...

  • Endlich hatte Epicharis den Brief fertig. Beim Schreiben waren ihr immer mehr Dinge eingefallen, die sie erwähnen wollte, und so war der Brief länger und länger geworden. Aber schließlich lehnte sich die Claudierin zurück, seufzte und legte die Feder beiseite. Behutsam blies sie über den Papyrus und reichte ihn schließlich Kassandra, als die Tinte getrocknet war. Kommentarlos betrachtete sie die hübsche Griechin, wie diese las und las und las. Ob sie etwas anmerken würde? Epicharis hoffte es.



    Centurio
    Marcus Flavius Aristides
    Lager der Legio I Traiana Pia Fidelis
    Parthia (JWD)



    Mein lieber Marcus,


    mit großer Freude habe ich deinen so unverhofft zeitig kommenden Brief verschlungen. Du bist noch gar nicht so lange fort, und dennoch kommt es mir vor, als seien bereits Monate vergangen seit dem Tag auf dem Kai, als du mich um meine Palla batest. Nach dem Ausschiffen bin ich noch eine Weile mit Artoria Medeia in Ravenna geblieben, und auch als ihr Schiff gen Aegyptus auslief, blieb ich noch drei weitere Tage in diesem schönen Städtchen, sah mich um und besuchte die ansässigen Thermen. Ravenna gefällt mir, vielleicht ist es möglich, dort später etwas Land zu erwerben, wenn du wohlauf zurück bist.


    So schön der Aufenthalt in Ravenna auch war, so trist und öde war die Heimreise, so müßig und langweilig ist es hier daheim. Ich habe daher meinen Vater nach einer Zerstreuungsidee befragt und er schlug mir vor, eine abenteuerliche und interessante Reise nach Aegyptus zu unternehmen. Ich habe - du wirst mich für lebensmüde und unangebracht abenteuerlustig halten - begeistert zugestimmt, denn seitdem du mir von den wunderbaren Tempelstätten und der endlosen Weite und Medeia von diesem goldenen Land der Fülle und des Reichtums sprach, bin ich begierig, dieses Land der Wunder und Schönheit mit eigenen Augen zu sehen. Doch nicht nur des Müßigganges wegen werde ich reisen! Erinnerst du dich noch an die wunderschönen Kelche aus blauem Glas, aus denen wir im Hortus Lucretius tranken? Waren sie nicht aus Aegyptus? Die mir von meinem Vater aufgetragene Aufgabe lautet, das Geheimnis dieser Glasmacherkunst zu ergründen und entsprechende Aufzeichnungen nach Rom zu bringen. Zwar weiß ich noch keinen Reisetermin zu sagen, doch hoffe ich, dass sich die Abreise nicht mehr allzu lang hinziehen wird. Sorge dich bitte nicht, Geliebter, ein ganzer Stall von Sklaven und Wachleuten wird mich begleiten und mir vermutlich mehr hinderlich als nützlich sein.


    Deinen Reisebericht habe ich mit einem Schmunzeln verfolgt. Dein Vorgesetzter Matinius scheint wirklich ein lustiger Geselle zu sein. Ich hoffe aber doch sehr, er verliert bei all eurem Spaß nicht den Blick für das Wesentliche: Eine gute Strategie zu haben uns Sorge für die ihm unterstellten Männer zu haben? Wenn du erst zurück bist, musst du mir alles genau erzählen! Ich freue mich bereits jetzt darauf, Stunde um Stunde in einem Garten an deiner Seite zu weilen und dir zuzuhören, wie du deine Geschichten erzählst. Sicher bedauerst du, nicht ausgiebiger die fremdländischen Gepflogenheiten studieren und der andersartigen Musik lauschen zu können? Falls der Landstrich um Antiocheia herum wirklich reisenswert ist, so würde ich ein solches Unternehmen nur zu gern einmal an deiner Seite in Angriff nehmen, Marcus.


    Befindet ihr euch denn bereits Auge in Auge mit dem Feind? Muss ich schon um meinen Liebsten bangen, hoffen, dass ihn das Amulett auch beschützen wird? Ach Marcus, ich habe ja durchaus großen Respekt vor deiner Entschlossenheit und deinem Mut, welcher mich zugleich stolz macht, aber wie glücklich wäre ich, wenn ich dich hier und nicht im fernen Parthien wähnen könnte!


    Aus Rom gibt es indes kaum Neuigkeiten zu berichten. Die Magistratswahlen liefen vor kurzem ab, gewählt wurde ein Aurelier und einige andere, eher unbekannte Männer. Mir zumindest sagen die Namen nichts. Die Curia haben sie mit einem Gesetz abgesetzt und Spanien soll einen neuen Proconsul bekommen - Flavius Furianus! Ich sende dir die neueste Ausgabe der Acta Diurna in diesem Brief mit. Sie kommt zwar erst morgen heraus, aber als Lectrix habe ich bereits eine Abschrift vorliegen.


    Ich weiß nicht, ob es angemessen ist, dir mein Beileid nur schriftlich auszudrücken, Marcus, aber wir haben leider keine andere Wahl, als damit Vorlieb zu nehmen. Es tut mir sehr leid, dass Arrecina ins Elysium gegangen ist. Wenn ich sie doch wenigstens etwas besser kennengelernt hätte! Ich wünsche deinem Sohn den Segen Mercurius' und werde natürlich die Augen offen halten, wenn ich in Aegyptus weile. Vielleicht wollen die Parcen, dass ich ihn dort finde.


    Liebster Marcus, ich sende dir in diesem Brief all meine Zuneigung und meine Hoffnung, dir baldigst persönlich zeigen zu können, wie sehr ich dich vermisse. Vorerst aber muss es reichen, den Papyrus zu herzen, den du nun in deinen Händen hältst. Möge Mars dich schützen und Bellona dich lieben wie keinen anderen.


    In Liebe,


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    Roma, an den Kalenden des September

  • Lächelnd nahm Kassandra den Brief entgegen und las aufmerksam die Zeilen, welche Epicharis ihrem Verlobten geschrieben hatte. Ein paar mal konnte man sehen, wie sie im Lesen inne hielt und einen Absatz erneut überflog. Ab und zu huschte auch ein Lächeln über ihr Gesicht, wenn eine Formulierung sehr persönlich und schön auf sie wirkte, oder aber sie das Beschriebene selbst mit erlebt hatte. "Ein sehr schöner Brief ... er wird wird ihn mögen." sprach Kassanda leise aber überzeugt, während sie von der bevorstehenden Reise nach Ägypten las und als sie an einer Stelle weiter unten angelangte meinte sie etwas verwundert "Ihr würdet wirklich nach Antiochia reisen wollen? warum denn gerade dorthin?" wäre das nicht zu gefährlich? dachte sich Kassandra noch. Von den Wahlen verstand sie letztendlich zu wenig, um danach zu fragen und der Todefall? "hmmm...." nachdenklich überflog sie auch die letzten Abschnitte. Der Sohn ihres Verlobten hielt sich angeblich auch in Ägypten auf. War das nicht dieser Junge, der auf der Sponsalia ihrer Herrin dieses eigenartige Geschenk hatte schicken lassen? Kassandra hielt es für besser, nicht danach zu fragen und sah nun von dem Brief wieder auf. "Ich werde den Brief gleich zur Post bringen. Dann wird euer Verlobter ihn bald in seinen Händen halten können." schlug sie dann lächelnd vor.

  • Kassandras erstes Urteil viel lobend aus, und da Epicharis im Laufe der Zeit gelernt hatte, dass die Griechin ihr gegenüber stets sagte, was sie wirklich dachte, erwiderte sie ein Lächeln auf das Lob hin. "Antiocheia klingt wundervoll, so wie Marcus es beschreibt. Die vielen verschiedenen Menschen, die fremdländischen Gepflogenheiten, die kulturellen Stätten... Aber im Grunde wird es gewiss überall interessant sein, wo Marcus ist. Er ist eben ein interessanter Mensch, und es gibt noch viel zu ergründen."


    Epicharis horchte auf, als Kassandra einen grübelnden Laut von sich gab. "Hm?" fragte sie und sah auf den Brief. Hatte sie gar etwas falsch geschrieben oder war etwas misszuverstehen? Dem Vorschlag konnte sie indes nur beipflichten. "Ja, das wäre wirklich wunderbar, Kassandra. Den Weg kennst du ja inzwischen, und das Prozedere ebenfalls: Der Betrag geht wieder von der Wertkarte ab. Ein Versand als Normalbrief wird ausreichen, denke ich."

  • "Es muss bestimmt schön sein, das alles mit eigenen Augen zu sehen. Noch dazu mit einem Menschen, den man liebt" bestätigte Kassandra neidlos und mit einem zustimmenden Nicken die Worte von Epicharis. Sie konnte es gut verstehen und wahrscheinlich wäre es auch weitaus weniger gefählich, als sie angenommen hatte.


    Epicharis musste wohl ihren grübelnden Laut bemerkt haben. Etwas verduzt blickte Kassandra kurz auf und meinste schnell "Oh! ... nichts weiter ... ich habe mich nur eben gewundert. Ich meine das hier mit den Wahlen ..." und deutete dabei auf die Stelle im Brief "Nun bin ich schon so lange hier in Rom und verstehe von Politik noch immer nichts." Kassandra hoffte, dass ihr diese kleine Notlüge verziehen würde, denn den Todesfall und das mit dem Sohn wollte sie eigentlich nicht weiter zur Sprache bringen, um die freudige Stimmung ihrer Herrin nicht zu trüben.


    Deshalb schickte sie sich auch an den Brief, so schnell wie möglich, zur Post zu bringen. "Ja Herrin, den Weg kenne ich. Und ich hoffe sehr, dass ihr bald wieder eine Nachricht von eurem Verlobten erhalten werdet. Ich bin doch auch schon neugierig zu erfahren, was er euch antworten wird" gab Kassandra grinsend zu, rollte vorsichtig das Pergament zusammen und stand auf, um sich sogleich auf den Weg zu machen.

  • Brutus war nicht gerade begeistert davon, dass man Versprechen gab, die man sogleich nicht einhalten wollte.
    Mit einiger Wut im Bauch klopfte er daher an die Tür der Epicharis an, die, wie er mittlerweile wusste, seine Halbschwester war.

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