Unverhofft kommt oft

  • Bor hör auf zu quasseln und mach hin. Mit selbstbewussten und deutlichen Worten sagte ich ihr:


    „Nein!“


    Es ist die Erste die ich selber machen muss. Normalerweise machen das bei uns nur die Frauen, aber da offensichtlich keine da ist, die das schon einmal miterlebt hat, muss ich es eben machen. Erlebt und gesehen hab ich schon sehr viele Geburten und auch schon bei sehr vielen mitgeholfen. Das musste aber Tullia nicht wissen und auch niemand von den Anderen, die waren eh schon alle nervös wie ein Bienenschwarm.
    „Ich weiß, was zu tun ist!“


    Tullia schrie auf und drückte meine Hand zu Matsch, ich verzog aber keine Mine. Mit der anderen strich ich ihr noch mal über die Stirn.


    „Pschschscht. Atmen nicht vergesen Tullia. Ein und Aus, in die Wehe atmen. Und wieder Ein. Der Schmerz wird noch öfter kommen, das ist ganz normal und gehört dazu, nicht unruhig werden“


    An Aintzane
    Auf jeden Fall soll Cinna seinen Arsch hierher bewegen, wenn sie schon seinetwegen mitkommt, soll er auch hier sitzen und ihre Hand halten, das wird ihr gut tuen.

  • Aintzane, die nun festgestellt hatte, dass er Ahnung haben musste, sicher einmal nicht weniger wie sie, war schon weggeeilt, um das Wasser und die Seife zu holen. Keuchend stellte sie es neben Assindius ab. Irgendwie kam sie nicht darum herum, ihn zu bewundern. Wie er in einer solchen Situation seine Nerven behielt... er war nun der Ruhepol in der ganze hektischen Gesellschaft rund um ihr. Sie beschloss, seinen Anweisungen um Tullias Wohl zu gehorchen.
    Da die Römer sich offenbar nicht um Cinnas Schicksal scherten, sprang sie flink vom Wagen hinunter, beugte sich zu Cinna hin und hob ihn auf, indem sie an seinen Schultern zerrte. Er kam wohl wieder zu sich; unter Mobilisierung erstaunlicher Kraftreserven bugsierte sie ihn zur Kutsche und schob ihn hinein. Drinnen sah sie, wie er, noch ziemlich benebelt, zu Tullia hinkroch. Schwer atmend lehnte sie sich an die Kutsche an.

  • Mir ging die ganze Zeit meine Mutter durch den Kopf, ‚Hlidskialf, sitzt da nicht so blöd rum, sonder helf hier lieber mit! Du siehst doch, was hier los ist,‘ hatte sie gesagt. Ja, ja, mit mir kann man’s ja machen. Den Schlaf noch in den Augen, schleppte ich mich dann zur Gebärenden, egal, ob Schwester, Tante oder Schwägerin. Jedes mal die selbe Nummer, die Väter hielten sich nervös die Met-Hörner an den Hals und beruhigten sich gegenseitig und ich wurde von meiner Mutter zur Sau gemacht, weil ich nicht schnell genug wach wurde.


    Nach Luft schnappend brachte Aintzane Wasser und Seife. Ich klappste ihr flüchtig den Rücken und sagte


    „Danke dir Aintzane, das brauchen wir jetzt!“


    Sie verschwand wieder und plötzlich zerrte sich Cina zu Tullia, die grade eine schmerzende Wehe verspürte und versuchte nicht zu schreien. Mit vorwurfsvollem Blick und gleichem Ton in der Stimme sagte ich zu ihm:


    „Ach, gibt’s dich auch noch, ja! Pass auf, du hälst ihre Hand, tätschelst ihre Stirn ab und zu und sprichst mit ihr! Klar? Gut!
    Noch was, ich wasch mir jetzt die Hände, seh mir das da unten an und werde auch hinein fassen, also flipp nicht aus wenn ich das tue, ja!“


    Als ich die Hände wusch, hörte ich Aintzane draußen nach Luft ringen. Ich hielt meinen Kopf raus und sagte ihr:


    „Du trinkst jetzt erst mal einen Schluck und kommst zur Ruhe! Sonst kippst du hier auch noch um. Das können wir jetzt gar nicht gebrauchen! Du merkst ja wie aufgekratzt hier alle sind. Das Kind kommt auch ohne uns! Wir helfen nur dabei, damit es möglichst ohne Probleme geschieht! Es liegt nun an uns beiden und ohne dich schaffe ich es nicht!“

  • Wie Camryn Assindius in diesem Moment hasste! Sie kannte ja bereits seine direkte, barbarische Art, aber inzwischen glaubte sie, dass er eigentlich gar nicht so war, sondern nur vorgab, so zu sein. Ein Barbar hätte sich wohl kaum auf die Kniete begeben, um ausgerechnet einer Frau, die ihr Kind bekam, bei der Geburt zu helfen. Camryn glaubte also nun fest daran, dass Assindius einfach ein armes lukanisches Würstchen war, das sich selbst nicht ertrug und daher den grimmigen, ungehobelten und unhöflichen Germanen spielte. Während Aintzane unglaublich schnell nicht nur Wasser, sondern heißes Wasser organisierte, stand Camryn einfach nur im Weg herum und hielt sich die nurmehr leicht blutende Nase mit einer Hand. Sie wollte es nicht zugeben, aber es tat immer noch weh. Und das von einer, die ihren Lebtag noch keine schwere Arbeit geleistet hatte, schoss es Camryn durch den Kopf, ihn schüttelnd.


    Sie ging langsam zu Cinna und hockte sich neben ihn. Er schien noch nicht wieder bei Sinnen zu sein. Just in diesem Moment kam Aintzane wieder herbei, erntete einen zerknirschten Blick der sich schrecklich unnütz fühlenden Camryn und zerrte den armen Cinna aus dem Matsch. Dabei kam er wieder zu sich, und Camryn nutzte die Gelegenheit des Augenblicks und half Aintzane, den Mann zu seiner Liebsten zu schaffen. Dabei wurden sowohl sie als auch Aintzane recht matschig, denn Cinna hatte zuvor ja noch im Schlamm gelegen und roch modrig. Camryn verzog die Nase, zuckte schmerzvoll zusammen und stieß einen keltischen Fluch aus. Wer Camryn kannte, hatte ihn durchaus schon öfter gehört und wusste, dass er mit dem Hinterteil eines Wildschweins zu tun hatte.


    Der zittrige Cinna kletterte also auf den Karren und setzte sich neben Tullia, um ihr monoton über die Stirn zu streichen. Er hatte keine Ahnung, was er tun sollte und war daher dankbar, dass Assindius ihm sagte, was er machen sollte. Als der Germane allerdings davon sprach "sich das da unten anzuschauen und auch hineinzufassen", läuteten seine Alarmglocken. Cinna war nie ein guter Redner gewesen, denn er stotterte und war zu hektisch, aber er war ein guter cubicularius. "A-a-aber...Mo...ment mal, D-d-das geht d-d-doch nicht! Iiiiiich meine, d-das ist m-meine Frau!" Jetzt war es Camryn, die zur Hilfe kam. "Cinna", sagte sie. "Du kannst Tullia nicht helfen, aber Assindius scheint zu wissen, was er tut", sagte sie und vermutete eigentlich das genaue Gegenteil von dem, was sie gesagt hatte.

  • Helena liebte es, wenn ihr jemand die Haare machte. Es war so wunderbar entspannend, zumindest wenn derjenige wusste was er tat. Normalerweise war Marina dafür zuständig, doch die saß im Sklavenwagen und war für diesen Moment unerreichbar. Aber diese Aintzane, mittlerweile hatte Helena herausgefunden, dass sie die Sklavin von Deandra war, verstand ihr Handwerk ebensogut. Großartig geredet wurde auf der Fahrt nicht. Helena hatte Deandra sofort wiedererkannt als sie sie gesehen hatte, aber das änderte nichts an der Tatsache, dass sie sich nicht wirklich kannten. Helena war zwar nicht schüchtern, aber ein Gespräch beginnen wollte sie auch nicht. Das Geschaukel der Kutsche war anfangs so gewöhnungsbedürftig, dass sie damit beschäftigt war gegen eine leichte Übelkeit anzukämpfen, so dass sie sich auch nicht an der Unterhaltung zwischen Marcus und Deandra beteiligte. Das die Beiden mehr verband als nur Freundschaft war mittlerweile offensichtlich. Helena gefiel das nicht und auch deswegen sagte sie nur wenig. Wahrscheinlich würde Marcus das als Schüchternheit sehen, aber das war ihr immer noch lieber, als wenn er ihre wahren Beweggründe erkannt hätte.


    Irgendwann, Helena hatte das Zeitgefühl verloren, stoppte die Kutsche. Helena hörte die aufgeregte Stimme Camryns, doch sie saß auf der falschen Seite der Kutsche, so dass sie nicht aus dem Fenster sehen konnte. Stattdessen warf sie einen Blick auf Marcus, der von dem ganzen Theater aber scheinbar nichts mitbekam. Als Deandra den Vorschlag machte hinaus zu gehen nickte Helena zustimmend. Sie slbst hatte mittlerweile das Gefühl, dass sie nicht mehr lange würde sitzen können und frische Luft wäre auch nicht schlecht. Nachdem Deandra und ihre Sklavin den Wagen verlassen hatten stand auch Helena auf. Vor Marcus blieb sie noch einmal kurz stehen und hob schließlich eine Hand, mit der sie ihm sanft über die Wange strich. Glücklicherweise schlief er so fest, dass er davon nichts mitbekam. Danach versuchte sie so elegant wie möglich aus der Kutsche hinaus zu kommen. Das war gar nicht so einfach, denn der Boden war schlammig und sah äußerst rutschig aus. Als sie endlich stand versanken ihre Füße ein wenig im Schlamm, wass Helena mit einem angewiderten Stirnrunzeln quitierte. Sie hob den Stoff ihrer Toga ein wenig an und lief ein paar Schritte, bevor sie stehen blieb und tief durchatmete. Eines war sicher, hier war die Luft um einiges besser als in Mantua.


    Schließlich wanderte Helenas Blick zu dem Sklavenwagen hinüber. Um den Wagen herum hatte sich eine regelrechte Menschentraube gebildet und alles redete durcheinander. Helena wusste noch immer nicht was los war, aber sie hatte nicht vor den Weg bis zum Sklavenwagen zurück zu legen. Also blieb sie einfach stehen und genoß das Gefühl ihr Hinterteil entlasten zu können. Die Umgebung war einfach traumhaft. Zwar unterschied sie sich sehr von Italia und Hispania, war aber auf ihre Art trotzdem berauschend. Helena ließ diese Eindrücke auf sich einwirken und schloß die anderen Geräusche aus ihren Gedanken aus. Hatte da nicht eine Frau geschrien? Möglicherweise hatte sie sich verletzt und es ging bei dem ganzen Theater darum sie zu verarzten. Irgendwie fühlte Helena sich ausgeschloßen. Sie gehörte hier nicht hin. Marcus beschäftigte sich mit Deandra und die Sklaven kochten ihr eigenes Süppchen. Sie fühlte sich wie das fünfte Rad am Wagen. Als sie plötzlich eine Stimme neben sich hörte zuckte sie zusammen. Marina war neben ihr erschienen und das lockte immerhin ein Lächeln auf Helenas Lippen.


    "Herrin, geht es dir gut? Kann ich etwas für dich tun?"


    "Du kannst mir sagen, was dort hinten los ist. Die Frau schreit ja wie am Spieß."


    "Oh ja, das ist Tullia. Sie bekommt gerade ein Kind."


    Ein Kind? Jetzt und hier? Helena sah nun doch zum Wagen hinüber und schüttelte den Kopf. Wer hatte denn befohlen eine schwangere Sklavin mitzunehmen? Das das nur Ärger bringen konnte war doch klar. Helena seufzte und sah dann wieder zu Marina.


    "Na wunderbar. Geh am Besten zum Wagen zurück und sieh zu, dass du irgendwie helfen kannst. Ich will so schnell wie möglich weiterkommen."


    Marina nickte und machte sich dann so schnell es eben ging auf den Rückweg. Helena sah ihrer rutschenden und strauchelnden Sklavin nach und erwartete jeden Augenblick, dass die ältere Frau im Schlamm landen würde, aber sie kam sicher am Wagen an. In diesem Moment traten Marcus und Deandra aus der Menge heraus und blieben etwas abseits stehen. Helena hatte noch nicht einmal mitbekommen, dass er die Kutsche verlassen hatte, so sehr war sie in ihre eigenen Gedanken vertieft gewesen. Jetzt aber drehte sie ihm demonstartiv den Rücken zu und betrachtete einen großen Vogel, der schräg über ihr seine Kreise zog. Wahrscheinlich würde es ihm noch nicht einmal auffallen. In Helena begann der Wunsch zu keimen niemals in diese Reise eingewilligt zu haben.

    teeeeeeeeeeeeeeeeeeeessssssssssssssssssssssssttttttttttttttttttt

  • Aintzane schnappte sich einen Schlauch und nahm einen gewaltigen Schluck daraus. Wie sollte sie denn nicht erschöpft sein, wenn Assindius sie so hastig herumbefohl? Immerhin hatte Camryn ihr geholfen, Cinna hineinzuheben, ohne ihre Hilfe wäre es ihr überhaupt nicht gelungen.
    Als sie endlich fertig war mit trinken und auch nicht mehr so angestrengt atmete, meinte sie zu Camryn: "Danke für... *keuch*... deine Hilfe...", sie wischte sich die Wasserspuren von ihren Lippen. Die sonst ziemlich hübsche Baskin sah aus wie nach einem Marathonlauf. Ihr schoss durch den Kopf, dass sie auch wieder einmal etwas für ihre Kondition tun müsste. Und sie stank, bedingt durch den modrigen Schlamm. Ein klarer Gebirgssee, das brauche ich jetzt, dachte sie sich. Auch wenn es nur einer hier in den Alpen ist und wohl nie die Qualität eines guten Pyrenäensees erreichen wird. Unten in der Schlucht, unerreichbar für sie, floss der noch junge Rhein, der sich einen Weg durch das Gebirge bahnte und den Lacus Brigantii zufloss.
    Die Spannung zwischen Camryn und Assindius war fast greifbar. Ihr gefiel das überhaupt nicht. Konnte man sich da nicht ein einziges Mal auf eine Sache konzentrieren? Konnte man nicht einmal zusammenhalten?
    Sie ging langsamen Schrittes zu Camryn hin. "Alles wird gut. Assindius weiß, was er tut,", einmal vermutete, hoffte sie es, "und dem Kind wird es gut gehen."
    Hoffentlich begannen sich die beiden jetzt nicht, in die Haare zu kriegen... das wäre eine Katastrophe.
    In dem Moment sah sie, wie Marina dahergelaufen kam. Die schon alte Frau hatte enorme Schwierigkeiten, nicht zu stolpern, aber sie erreichte den Wagen unbeschadet. "Alles in Ordnung?", fragte sie.
    Wäre Curia [Chur], die nächste Stadt, doch noch nicht so weit weg, dann hätte dies eine Hebamme machen können. Doch jetzt waren sie an der vielleicht verlassensten Gegend des ganzen Imperiums. Jetzt musste es so gehen.

  • Zitat

    Original von Marcus Aurelius Corvinus
    "Camryn ist nicht dumm, Deandra. Sie weiß, was du mir bedeutest, also verwendet sie Dinge gegen mich, um dich damit zu verletzen. Sie ist eifersüchtig, auch wenn es ihr nicht zusteht und ich das nicht tolerieren werde. Vermutlich ist ihr einfach nicht klar, dass sie all die Jahre nur eine Sklavin war, in Achaia gekauft um mir zu Diensten zu sein", entgegnete ich erklärend und sah sie dabei an.
    ...


    "Ich werde darauf achten, dass sie sich angemessen entschuldigt", sagte ich in geschäftlichem Tonfall, denn er schien mir angebracht. Mehr als entschuldigen konnte sie ein Mensch nicht für seine Taten oder Worte. Strafen und Peinigungen mochten kurzweilig die Rachegelüste und den Zorn stillen, aber eine Entschuldigung war etwas gänzlich anderes.


    Als er zu den Erklärungen ansetzte, blickte ich auf. Ich betrachtete sein Gesicht, mied aber dabei weitestgehend den Blickkontakt, denn das Gehörte tat alles andere, aber nicht gut. Den Schmerz zum Ausdruck zu bringen, war mir nicht möglich, vielleicht wusste ich auch um die Sinnlosigkeit, ihn zu offenbaren. Vermutlich stand er jedoch in meinem Blick, den ich aus diesem Grund langsam senkte. Auch wenn er ein Vorleben hatte, ich wollte sicherlich nicht damit konfrontiert werden – weder von ihm noch, oder besser schon gar nicht, durch seine Sklavin. Während ein Schlucken vergeblich den zugeschnürten Hals befreien wollte, suchte der Geist das Gehörte schnellstmöglich zu verdrängen. Ohne es zu merken, malte meine rechte Fußspitze eine Art Pfeil in den Bodengrund – ungeachtet der Tatsache, dass ich die aus feinem Leder gearbeiteten Schuhe damit verdarb.


    Auf seinen Vorschlag bezüglich der geforderten Entschuldigung hin zuckte ich mit der Schulter, sagte aber nichts. Stattdessen malte ich im aufgeweichten Boden weiter. Natürlich würde sie mir etwas bedeuten, gleichzeitig aber das schlechte Gefühl sicherlich nicht rückgängig machen können. Meine Neigung zu einem Trotzkopf stellte sich ohnehin gerade dem vernünftigen Ansinnen gegenüber quer, sein Vorleben doch einfach zu ignorieren oder abzuhaken. Auf den Gedanken, er könnte weiterhin seine Zeit mit Sklavinnen teilen, kam ich nicht. Derartiges schloss sich für mich vollkommen aus, also dachte ich auch gar nicht erst über solche Möglichkeiten nach.


    Einem erneuten Schmerzenslaut aus Richtung des Sklavenkarrens folgend, suchte mein Blick Halt an den dortigen Vorgängen. Endlich eine Ablenkung, anderseits war eine Flucht stets sinn- und auch zwecklos. Daher wandte ich mich ihm wieder zu.


    „Ich möchte gar nicht wissen, wie viele außer ihr in Frage kommen, hoffe nur, dass mich dergleichen bald nicht mehr einholen wird.“

  • In ruhigen Worten sagte ich: „Cinna, es muss sein! Pass auf, wir machen es zusammen!“


    Ich sah zu Camryn rüber und sah ihren Blick. Er war voller Verachtung und dieses „scheint“ war auch deutlich. Der Blick galt mir, entweder, weil die Herrin ihr grade gezeigt hat wo der Motek hängt, ich ihr Sklave bin und sie alles verachtete was zu ihr gehört oder ihr Blick war voller Verachtung, weil ich ihr die Show gestohlen hatte. Offensichtlich ist sie grade auf einem Ego-Trip, weil ihr Herrchen jetzt eine große Nummer ist, und kommandiert hier alle rum und glaubt bestimmen zu müssen wo es lang zu gehen hat und das alle nach ihrer Nase zu tanzen haben. Sogar die Herrschaften. Aber sie ist nun mal nicht allein auf der Welt. Die anderen sind auch noch da. Jetzt spielt sie hier die Beleidigte, weil es nicht nach ihren Vorstellungen läuft und wenn ich sie mir so ansehe, hat Aintzane ihrer Meinung nach das Wasser auch nicht schnell genug besorgt. Die Welt, sie war nicht, eh' ich sie erschuf; Die Sonne führt' ich aus dem Meer herauf; Mit mir begann der Mond des Wechsels Lauf; Bla, bla, bla, alles schon gehört. Das ist wirklich genau die richtige Situation dafür. Bislang kam ich mit Camryn gut aus, aber ob das künftig noch so sein würde bezweifelte ich sehr.
    Am liebsten hätte ich Cinna noch gesagt, dass Camryn ihm erklärt warum ich das tue. Sie hat es doch bestimmt in irgendeinem Buch gelesen. Aber solche zickigen Feindseligkeiten gehören nicht hier her und für so eine Scheiße hatte ich auch keine Zeit. Also hielt ich die Klappe und machte weiter.


    Cinna kam herüber und wir sahen uns gemeinsam an, wie es da unten aussah.
    „Siehst du hier, die Öffnung muss ungefähr so groß sein und das ist sie auch. Ich fasse jetzt hinein, um zu sehen, ob alles normal läuft. Ich fange jetzt an.“

  • Natürlich war ihr das, was ich sagte, zuwider. Wie hätte es auch anders sein können? Keine Frau hörte gern die Vorgeschichten eines Mannes und seiner bisherigen Liebschaften, Deandra natürlich ebensowenig. Sie war betroffen, das merkte ich anhand ihres malenden Fußes und ihre Mimik.


    Auch ich wandte bei dem neuerlichen Schrei Tullias den Kopf in Richtung des Sklavenkarrens, wobei mein Blick Helena streifte. War sie eben schon dort gestanden? Das fahle Sonnenlicht des Martiusmorgens ließ ihr Haar schimmern und an einigen Strähnen gar rötlich wirken. Nur eine Laune der Sonne. Ich runzelte die Stirn, als ich ihren missmutigen Gesichtsausdruck gewahrte, und beobachtete ihn einen Herzschlag länger als notwendig, ehe ich mich wieder Deandra zuwandte und seufzte.


    "Wenn es dein Wunsch ist, war dies mein letztes Wort dazu", erklärte ich lediglich diplomatisch und sah sie an. Sie wirkte klein und verletzlich, obwohl sie das nicht war, wie ich wusste. Deandra war eine starke Frau, auch wenn sie es gern hatte, dass man sich um die Sachlage und auch um sie selbst kümmerte, als wäre das Gegenteil der Fall. Ich hob die Hand und strich ihr über die Wange, wollte mich zum gehen wenden, als mir noch etwas einfiel.


    "Ah, und ich sähe es gern, wenn du meine Sklaven zukünftig nicht selbst maßregeln würdest, sondern dies mir selbst überließest. Ich bevorzuge sie nicht", erklärte ich noch, zwinkerte Deandra zu und schritt dann zu Helena, in der Hoffnung, Deandra würde mir folgen. "Helena", begrüßte ich meine Base und lächelte. "Du schaust, als wäre ein Gewitter im Verzug. Geht es dir nicht gut? Ich bin sicher, dass wir bald weiter können."


    In diesem Moment erklang ein langgezogenes "Hoooooooooo!" von der Seite, und ich wandte den Kopf. Der Dicke mit den Weinfässern war also angerollt und hielt mit seinem Pferdekarren nun direkt hinter dem Wagen der Sklaven. "Sach ma, was wird'n das wenn's feddich is? Geht's hier gleich weiter oder was is los?" rumpelte der Mann los, bedauerlicherweise auf tiefstem Germanisch. Ich sah ihn lediglich bekümmert an, wandte mich zu Helena und Deandra um und warf ihnen fragende Blicke zu. Prima, denn die einzigen, die germanisch sprechen konnten, waren gerade mit einer Geburt beschäftigt oder bekamen selbst ein Kind. In diesem Falle blieb mir nichts weiter zu sagen als "Hm. Heilsa?" woraufhin der Bärtige tierisch zu lachen begann und ich mich äußerst unwohl fühlte.

  • Der große Vogel war irgendwann davongeflogen. Helena starrte noch eine Weile auf die Stelle an der er seine Kreise gezogen hatte. Frei wie ein Vogel, das wäre sie gerne. Im Moment zumindestens. Eigentlich legte sie viel Wert auf die Familie. Wenn es auch immer mal wieder kleine Streitigkeiten gab, sie würde nicht ohne ihre Verwandten leben wollen. Das schloß sogar ihre Tante mit ein. Aber in diesem Moment wäre sie gerne allein und vor allem ganz woanders. Als Helena plötzlich erneut eine Stimme hinter sich hörte drehte sie sich langsam um, um auf dem rutschigen Boden nicht hinzufallen. Marcus stand dort und seine Worte sorgten dafür, dass ein Lächeln über ihre Lippen huschte. Ihm war also doch nicht entgangen, dass sie etwas störte. Oder war ihr Gesichtsausdruck mal wieder so verräterisch gewesen, dass er gar nicht anders gekonnt hatte als sie anzusprechen? Egal, er war zu ihr gekommen und schien ehrlich besorgt zu sein.


    Bevor sie allerdings antworten konnte hörte sie die laute Stimme eines Mannes. Helena wandte den Blick und musterte den Wagen, der mit Fässern vollgestellt war. Auch der Mann wurde einer Musterung unterzogen, bevor sie wieder wegsah. Von dem was er sagte verstand sie kein Wort. So hört sich also germanisch an... Auch Marcus schien nicht zu wissen was der Kerl wollte. Zumindest entnahm sie das seinem etwas hilflosen Blick. Und egal was er gesagt hatte, es schien sehr lustig zu sein, denn der Mann bekam sich gar nicht mehr ein vor Lachen. Helenas Blick war ein wenig konsterniert über die rüde Art des Mannes. Sie hoffte nur, dass nicht alle Germanen so waren. Schließlich sah sie zu Marcus.


    "Vielleicht sollte Camryn mit ihm reden. Sie kann doch Germanisch. Ich persönlich habe keine Ahnung was er will."


    Helena zuckte mit den Schultern und schwieg dann erstmal. Die Fragen von Marcus konnte sie auch später noch beantworten. Jetzt war es wichtiger in Erfahrung zu bringen, was der Mann mit dem Karren wollte. Zudem würde sie nur zu gerne wissen, warum er so gelacht hatte. Helena hoffte inständig, dass es dort wo sie hinreisen würde ein paar Leute gab, die ihre Sprachen sprachen. Ansonsten würde es ein sehr einsamen Aufenthalt werden, wenn sie sich nicht dazu bereit erklärte germanisch zu lernen. Und das hatte sie eigentlich nicht vor gehabt.

    teeeeeeeeeeeeeeeeeeeessssssssssssssssssssssssttttttttttttttttttt

  • Wir standen also inmitten eines germanischen Nadelwaldes, dessen Urtümlichkeit nur von einem schmalen Fahrstreifen durchbrochen wurde, und schlugen uns mit ernsten Themen herum. Weder der geeignete Ort noch der geeignete Moment, wie nicht nur Tullia wiederholt erinnerte, sondern auch der anrollende Pferdekarren bald deutlich machten würde. Immerhin wusste Marc, dass liebevolle Gesten viel abdecken konnten, was zuvor noch Kummer breitet hatte. Ich lächelte, als seine Hand über meine Wange strich. Diese Geste bedeutete mir mehr als jedes Wort.


    Er wollte sich schon abwenden, als offensichtlich noch etwas anlag. Ich hob gespannt die Brauen. Allerdings folgte ein Wunsch, die generelle Behandlung seine Sklaven betreffend. Ich nickte, musste jedoch zugleich schmunzeln. Ganz bestimmt hatte ich nicht vor, solche Aktionen des Öfteren zu wiederholen, wenngleich ich auch nicht sicher sein konnte, ob ich in einem ähnlichen Fall nicht wieder zuerst handeln und dann erst nachdenken würde.


    „Kann ich verstehen und ich werde mich bemühen“, entgegnete ich zwar einsichtsvoll, mir aber darin bewusst, kein verlässliches Versprechen abgeben zu können. Auf jeden Fall würde ich mein Bestes geben. Vielleicht wusste Marc von dieser Diskrepanz, denn sein Zwinkern wirkte auf mich, als könne er in meinen Gedanken lesen. Möglicherweise ein Irrtum, aber kein Grund, jetzt darüber nachzugrübeln.


    Er drehte sich nach diesem Hinweis um und schritt zu Helena. Mein Blick weilte auf seinem Rücken, bis er bei ihr angelangt war. Auf die Idee, ihm zu folgen, kam ich nicht, denn ich hatte nicht den Eindruck gewonnen, dass er genau das erwartete. Also trat ich mit einem großen Schritt auf ein dickes Moospolster, um von trockener und leicht erhöhter Stelle die Fortgänge bezüglich der Wagenkollision zu verfolgen. Kurzzeitig kippelte ich vor und zurück, während meine Arme, um Halt bemüht, herumruderten. Letztlich fand ich aber die passende Position und reckte alsbald den Kopf in Richtung des Germanen, der mich in gewisser Weise an Assindius’ Art erinnerte. Mit einigem Interesse betrachtete ich die Gäule, die schwer und eher zweckdienlich als hübsch anzusehen waren. Eines prustete laut, aber ansonsten ließen sie ihre Köpfe hängen. Da war kein Feuer dahinter. Na ja, was konnte man schon von Nutzpferden erwarten?


    Neugierig linste ich immer wieder auf den Sklavenkarren. Zu gern wäre ich dort gewesen, um zu sehen, wie so eine Geburt bei einem Menschen ablief. Ich nahm mir vor, die nächst beste Gelegenheit zu nutzen, um mich näher ans Geschehen zu bringen.

  • Voll in der Austreibung, na toll, wie beim Wagenrennen hier. Das Kleine hat es ja furchtbar eilig. Das rumgeschüttel in dem Wagen war wohl heftig gewesen und ich wollte gar nicht erst wissen, wie lange sich Tullia schon gequält hatte. Das geht doch sonst nicht so schnell. Ja, muss das rumgeschüttel gewesen sein. Hat Camryn den Wagen gefahren? Bestimmt. Wenn Frauen schon fahren.


    „Die Öffnung ist groß genug, damit das Kind durchpasst. Die Wehen sorgen jetzt dafür, dass das Kind nach vorne kommt und letztlich hindurchkommt. Es kommt nach vorn und geht auch wieder ein Stück zurück. Aber mit der nächste Wehe kommt es weiter nach vorn. Pass auf Tullia, du wirst gleich den Druck verspüren, es hinaus zu pressen, wenn du das machst holst du danach 2 mal tief Luft und presst langsam weiter. Du gehst jetzt am besten in die Hocke und legst die Arme um Cinnas Hals, das macht die Sache leichter. Aintzane kannst du Cinna abstützen, nur für den Fall?“


    Gesagt getan. Kurz nachdem sich Tullia in die Hocke begeben hatte, fing sie auch schon an mit hochrotem Kopf zu pressen. Jedesmal mit einem gedämpften Schrei und einem lauten Stöhnen. Ich glaube das sie zwischenzeitlich auch Cinna allerhand Vorwürfe machte, das er schuld an ihrem Schmerz sei und wenn sie das vorher gewusst, sich gar nicht erst darauf eingelassen hätte. Aber ich hörte nicht richtig hin und meine auch nur so etwas gehört zu haben.


    „Nicht zu schnell pressen, schön langsam, nicht so stark. Und einatmen, schön ruhig, ist gleich vorbei“


    Gleich ist gut, die Zeit schien gar nicht umzugehen, aber vielleicht lag es auch daran das ich ein sehr schlechtes Zeitgefühl in diesem Moment hatte. Jeder Germane war wohl schon bei einer Geburt dabei und hat auch dabei geholfen, aber welcher Germanische Kerl hat es schon einmal gemacht. Auch die Sprüche sind immer gut, nicht zu schnell, nicht zu stark. Mach das mal nach, Alter und dann reden wir weiter. Langsam wurde ich nervös und die Knie wurden weich. Ich wäre der ersten, der das Kind in den Armen hat und das erste was dieses Kind sehen würde. Ausgerechnet ich, na toll. Na ja, keine Zeit mehr zum frisieren, also weiter.
    Jedenfalls war dann irgendwann die Zeit gekommen, dass das Köpfchen gut zu sehen war und es sich nicht mehr nach hinten bewegte.


    „Jetzt nicht mehr pressen Tullia, nicht mehr pressen. Jetzt schön hechelnd atmen. Wie ein Köter den man getrieben hat. Jetzt kommt alles von allein. Nicht mehr pressen und hecheln, schön hecheln.“


    Das ging einige Minuten so und dann war es so weit. Der Kopf kam langsam raus, Gesicht nach unten. Der Kopf war raus und das Kind dreht sich langsam nach links. Tullia hingegen schrie kräftig auf und krallte sich an Cinna fest. ‚Hoffentlich fällt der nicht gleich um‘, dachte ich als es erst mal nicht weiter ging und wischte dem Kind das Gesicht ab. Eine knappe Minute später wurde die obere Schulter und dann die untere geboren und der Rest flutschte so heraus. Ich zuckte mein Messer, das ich immer bei mir hatte, und trennte die Nabelschnur, dann legte ich es in das Tuch und gab das Bündel Tullia.


    „Dein Kind, meine Liebe!“


    Gleich noch der Rest und dann sind wir fäddich.

  • Entgegen meiner Annahme war Deandra mir nicht gefolgt, sondern zog es vor, auf einem moosbewachsenen Stein - oder was auch immer es war, wo drauf sie herumbalancierte - zu verweilen. Ich blickte indes zwischen Helena und diesem dicken Germanen hin und her, dessen Lachen allmählich verebbte, wenngleich sein Schwabbelbauch noch weiterwackelte. Zufrieden registrierte ich am Rande, dass Helena mein Interesse an ihrem Befinden aufgemuntert zu haben schien.


    "Camryn kümmert sich glaube ich um die Sklavin, aber Assindius kann doch auch germanisch", überlegte ich laut und verengte die Augen zu schmalen Schlitzen, in Richtung des Sklavenkarrens blickend. Dass es Assindius war, der dort gerade einem kleinen Erdenbürger auf die Welt half, hielt ich ohnehin für ausgeschlossen, dazu waren ja die Mädels da, die so etwas vielleicht schon selbst durchgemacht, aber auf jeden Fall miterlebt hatten. So glaubte ich zumindest. Also räusperte ich mich kurz, bedeutete dem Mann auf dem Weinkarren mit einer Handgeste, zu warten, und hob die Stimme unwissend im unpassendsten aller Momente, nämlich, als er das Neugeborene gerade der Mutter gab. "Assindius! Komm mal her, deine Hilfe ist von Nöten."


    So wartete ich ab, Deandra zuzwinkernd und anschließend Helena beobachtend, die neben mir stand und wartete. Sie sah immer noch nicht glücklich aus, was entweder am kühlen und eher feuchten Klima auf dieser Passage durch einen Nadelwald lag, oder an etwas anderem, das es später zu ergründen galt. Doch vorerst ließ Assindius auf sich warten, weswegen ich ihm entgegen gehen wollte. Allerdings, ehe ich mich vollends in Bewegung setzte, wandte ich mich noch einmal zu den zwei Damen um. "Ihr könnt ruhig schon wieder Platz nehmen, ich werde das regeln", sagte ich und deutete auf den Reisewagen. Dann ging ich dem Sklaven entgegen.

  • Da! Das Kind kam! Aintzane war komplett aufgewühlt.
    Sie stützte Cinna, der kurz davor war, zu kollabieren. Was fiel einem Vater an der Geburt bloß so schwer? Er musste ja nicht das selbe ausstehen wie du Mutter! Einfach nur zuschauen!
    In Aintzane meldete sich eine innere Stimme: Vielleicht leidet er so, weil er Angst um das Kind und die Mutter hat?
    Cinna tat nichts dagegen, dass AIntzane von dieser Erkenntnis abkam. Er zitterte wie Espenlaub, zuckte unter ihren Händen hysterisch hin und her. Beruhigend strich sie ihn über den Kopf - Tullia hatte nun wohl besseres zu tun, als hinzuschauen.
    Als sie Tullia zuschaute, durchlitt sie ein Wechselbad an Gefühlen. Zum einen war sie froh, dass sie das noch nicht durchleiden musste, zum anderen traurig. Sie war noch nie Mutter gewesen. Wie herrlich musste es sich doch anfühlen, einen dicken, schweren Bauch mit einem Kind drinnen zu haben? Doch Tullia schrie wie am Spieß. Dies machte eben den gedanken, den Aintzane gerade gehabt hatte, nicht mehr so anziehend...
    Das Kind rutschte aus dem Bauch heraus und begann sofort zum Schreien. Sie atmete auf. Die Geburt war unproblematisch verlaufen.
    Assindius gab das Kind seiner Mutter, und in dem Moment wurde er gerufen. Ungehalten blickte sie aus der Türe heraus.
    "Corvinus! Nicht jetzt!", rief sie halblaut dem Römer entgegen, von dem sie wusste, dass er der... Ex-Bruder ihrer Herrin war. "5 Minuten noch!"
    Während sie so aus dem Fenster blcikte, wanderte ihr Blick nach links, wo sie einen dicken Germanen sah, der in seiner eigenen Sprache krakeelte. Ein Germane, hier?, dachte sie sich. Die sind auch schon überall... und sie machen sich nicht einmal die Mühe, eine Sprache zu lernen, mit der sie auch außerhalb von Germanien kommunizieren können.

  • Als die Geräusche aus Richtung des Sklavenkarrens an Intensität zunahmen, hielt mich dann doch nichts mehr auf meinem Platz. Ich schaute flüchtig zu Marc und Helena, lächelte entschuldigend, zog gleichzeitig verlegen die Schultern hoch, um sie sogleich wieder fallen zu lassen und in flinken Hopsern von einem annähernd trockenen Plätzchen zum nächsten zu hüpfen, bis ich schließlich am Karren angelangt war.


    Ich hielt mich mit beiden Händen am Rand fest, stellte mich auf die Zehenspitzen und lugte über den Rand. Mit verkniffener Miene begleitete ich jede Wehe, aber wohl nur deswegen, weil die Geburt bei Pferden wesentlich geräuschloser ablief und ich nicht wusste, ob sich Tullia besonders zimperlich anstellte oder das Gehabe bei Menschen üblich war. Als das Köpfchen ein kleines Stück zu sehen war, musste ich schlucken. Und das dauerte alles …
    Schon bald atmete ich mit. Als ob das helfen würde, aber na ja.


    Regelrecht erleichtert registrierte ich schließlich die Ankunft dieses kleinen verbeulten und verklebten Wesens. Nicht unbedingt so lecker, dachte ich bei mir. Auch hier sah es bei Pferden wesentlich netter aus. Oder lag es daran, weil sie Fell besaßen? Aufmerksam verfolgte ich jede von Assindius’ Handlungen. Als er die Nabelschnur durchschnitt, runzelte ich die Brauen, sagte aber noch nichts. Doch das solle es sein? Aufgeregt winkte ich mit den Armen.


    „Oh, Assindius, das geht doch nicht. Mutter und Kind verbluten, wenn du die Gefäße glatt durchtrennst. Reißen, abdrücken oder abbinden, anders wird das nix. Schau, das Blut läuft förmlich heraus. Selbst bei der Mama, wenn der Mutterkuchen noch festsitzt und versorgt wird.“


    Meinen Augen waren größer als sonst und ich hoffte, mein Sklave nahm mal ausnahmsweise meine Tipps als sinnreich wahr und damit ernst. Befehle waren schließlich was anderes, die konnte er nicht umgehen.

  • Das entschuldigende Lächeln, als Deandra regelrecht an mir vorbeistürmte und den Karren noch vor mir erreichte und Helena einfach so stehen ließ, machte micht auf eine seltsame Art wütend. Nicht nur, dass sie ihr Nichtbeachtung schenkte, sondern auch, dass sie einer Geburt beiwohnte und auch noch meinte, gute Ratschlägeverteilen zu müssen... Ich warf nur einen flüchtigen Blick auf all das Blut, das Neugeborene, welches die Sklavin glücklich in den Händen hielt, den kreidebleichen Vater, dem Luft zugefächelt wurde, dann ergriff ich Deandra konsequent an der Schulter drehte sie herum und bugsierte sie aus dem Wagen hinaus.


    "WAS ist eigentlich los mit dir? Es hat den Anschein, du willst mich heute ärgern. Erst diese Angelegenheit mit Camryn und nun lässt du meine Cousine stehen um bei einer Geburt Hinweise zu geben, die sichbei Pferden als nützlich erweisen?" Nur kurz holte ich Luft und sprach sogleich weiter. "Nein, ich will gar nichts hören, Deandra. Ich möchte, dass du zum Wagen zurückgehst und mit Helena dort drinnen wartest. Und zwar jetzt gleich."


    Erst jetzt ließ ich sie los und deutete in Helenas Richtung. Ich mochte vielleicht etwas grob gewesen sein, aber mir missfiel deutlich, dass ich diese Sache augenscheinlich nicht in der Hand hatte, und das musste ich ändern. Also schickte ich die beiden Mädels fort, wartete noch einen Moment, in dem der germanische Fahrer mich mit großen Augen ansah, und wandte mich dann um. Die wenigen Schritte bis zum Sklavenwagen legte ich noch zurück, dann machte ich eine fahrige Geste in Richtung Camryn und wartete ungeduldig, bis sie den Sklaven losgelassen hatte und neben mir stand. "Ich will, dass du mit diesem Mann dort redest und ihm die Lage erklärst. Vermutlich ist er sauer, dass es hier nicht weiter geht. Sag ihm, dass es bald wieder voran geht und biete ihm meinetwegen zehn Sesterzen an dafür, dass er warten muss. Aber bei iuppiter, geh endlich", grummelte ich sie an und verbrachte die Zeit danach damit, mich zu vergewissern, dass drinnen alles nach Plan lief. Also steckte ich den Kopf zu Assindius und Aintzane und maulte: "Wir können hoffentlich bald weiter."


    Daraufhin sah ich nach, ob die beiden Damen eingestiegen waren oder nicht. So war das eben mit der Laune, wenn man unvermittelt geweckt wurde.

  • Ich wurde bereits an der Schulter weggelotst, aber mein Kopf war noch immer zum Karren gewandt. So kam es, wie es kommen musste: Ich trat in eine Pfütze. „Mist“, fluchte ich unfein, als es aufspritzte. Zumindest schaute ich von nun an nach vorn, oder besser nach unten. Corvis Schimpflawine ließ ich zunächst wortlos über mich ergehen, nur ab und an warf ich einen wenig begeisterten Seitenblick auf ihn. Den einen Arm an ihm abgestützt, damit ich trotz des von ihm vorgelegten Tempos die Pfützen umgehen und dennoch Schritt halten konnte, erreichte ich die Reisekutsche. Der Weg war nicht weit, aber immerhin durch die Straßenverhältnisse schwierig gewesen.


    „Ich kenne mich halt auch mit Geburten niederer Geschöpfe aus“, schob ich vor, um nicht erklären zu müssen, dass mich der Vorgang an sich interessiert hatte. Irgendwann würde ich auch damit zu tun haben und man konnte nie genug wissen. Meine Wissbegier jedenfalls schien niemals gestillt zu sein. Warum verstand er das denn nicht?


    Schließlich stapfte er missmutig davon und ich drehte mich Helena zu.


    „Meine Schuhe sind nass. So kann ich unmöglich weiterreisen, aber alle Sklaven sind ja beschäftigt. Weißt du, wo unsere Sachen sind?“


    Vermutlich nicht, denn weder sie noch ich kümmerten uns je darum. Ich überlegte, ob ich mich einfach barfuß vor die Kutsche stellen und warten sollte, bis mir jemand die Füße wusch und neue Fußbekleidung holte. Vielleicht das beste, dachte ich bei mir und stützte mich mit der Linken an dem Reisegefährt an, während ich zunächst mit den Füßen versuchte, die Lederklumpen, die sie nunmehr waren, abzustreifen. Irgendwann gelang auch das, von einigen Hopsern unterstützt, die vereinzelt Spritzer produzierten. Die letzte Lasche des rechten Schuhs allerdings musste die freie Hand abstreifen. Angewidert betrachtete ich den Schmutz an Daumen und Zeigefinger.

  • Helena hatte nichts dagegen in die Kutsche zurück zu gehen, denn mittlerweile spürte sie, wie ihr ein wenig kühl wurde. Zwar war sie warm angezogen, aber die ganze Zeit draußen rumzustehen sorgte nicht gerade dafür, dass ihr Körper sich aufwärmte. Deswegen nickte sie auf Marcus Worte und sah ihm dann hinterher. Auch Deandra sollte zurück in die Kutsche, aber sie hatte scheinbar andere Pläne. Sie stand dem Sklavenwagen ein Stück näher und hatte wohl etwas gesehen, was ihre Aufmerksamkeit auf sich gelenkt hatte. Zumindest lief sie plötzlich hinüber, was Marcus überhaupt nicht gefiel. Helena sah noch, wie Marcus auf Deandra einredete bevor sie sich umwandte und zur Kutsche hinüber ging. Was zwischen den Beiden vor sich ging, ging sie nichts an. Vorsichtig machte sie einen Schritt nach dem anderen um die schlammigsten Stellen zu umrunden. Sie war eindeutig froh, wenn sie wieder gepflasterte Straßen unter ihren Füßen hatte.


    Schon kurze Zeit später hörte Helena Schritte hinter sich. Sie wandte sich um und sah Deandra auf sich zukommen. Egal was Marcus auch zu ihr gesagt hatte, scheinbar hatte es gewirkt. Helena lächelte ihr entgegen und registrierte nebenbei, dass die Laune der anderen Frau nicht gerade blendend war. Ihr Blick huschte zu Deandras Schuhen als diese sie ansprach. Die Schuhe sahen wirklich schlimm aus. Wahrscheinlich konnte man sie wegschmeißen. Helena bekam eine Gänsehaut als sie sah, wie Deandras nackte Füße in den Schlamm sanken. Alles in allem sah es recht lustig aus, wie sie dort im Schlamm herumhüpfte, aber Helena hütete sich davor zu lachen. Vor allem, weil ihre Schue nicht viel besser aussahen. Bei Deandras Frage huschte Helenas Blick zum Gepäckwagen. Sie wusste wo ihre Truhe war, aber das half nicht viel, denn da Deandra zuletzt gekommen war, lagerte ihr Gepäck auf dem von Helena. Es war also unmöglich an ihre eigenen Schuhe heran zu kommen.


    "Setzt dich am Besten schonmal in die Kutsche. Ich werde Marina rufen, damit sie dir die Füße wäscht. Sonst erkältest du dich noch. Und ich werde auch dafür sorgen, dass du neue Schuhe bekommst. Warte einen Moment."


    Helena lächelte erneut und dieses Lächeln war ehrlich gemeint. Zwar wusste sie immer noch nicht, ob sie Deandra mochte oder nicht und auch ihre Beziehung zu Marcus versetzte ihr jedesmal einen Stich, wenn sie daran dachte. Trotzdem war Deandra wohl die einzige Frau, mit der sie sich in der nächsten Zeit vernünftig würde unterhalten können. Da war es wichtig, dass man sich mit dem anderen gut stellte. Helena warf einen Blick auf den Sklavenwagen, doch Marina war im Moment nicht zu sehen. Da sie nicht über die ganze Straße brüllen wollte musste sie wohl oder übel hinüber gehen. Helena raffte ihre Tunika und stiefelte langsam los. Es dauerte lange, bis sie überhaupt in der Nähe des Wagens war, denn sie umkurvte jede Pfütze und wich jedem Schlammloch aus. Irgendwann blieb sie stehen und atmete tief durch. Was tat sie eigentlich hier? Das sollte ein Sklave übernehmen, aber irgendwie schienen gerade alle beschäftigt zu sein. Helena atmete tief durch und erhob dann ihre Stimme.


    "Marina, wo steckst du?"


    Es dauerte nicht lange und Marinas Kopf schaute hinter dem Sklavenwagen hervor. Als sie ihre Herrin sah wurden ihre Augen groß und sie beeilte sich zu Helena zu kommen.


    "Herrin, was tust du denn hier. Ach ja, dass Kind ist da. Es ist soo süß, aber all das Blut. Es war..."


    "Marina, das interessiert mich jetzt nicht. Sieh zu, dass du irgendwo warmes Wasser herbekommst und geh zur Kutsche hinüber. Deandra wartet dort und du sollst ihre Füße waschen. Danach schnappst du dir einen der Sklaven von ihr und suchst aus dem Gepäck neue Schuhe für sie heraus. Beeil dich, im Moment ist sie barfuß."


    Marina blinzelte ein paar Mal und nickte dann. Was die ältere Frau dachte, konnte Helena nicht sagen, denn Marina hatte ihr Gesicht gut unter Kontrolle. Nachdem die Sklavin verschwunden war und ihre Anweisungen befolgte sah Helena wieder zu dem Sklavenwagen hinüber. Das Kind war also da und da es recht ruhig war, war auch alles gut verlaufen. Na wenigstens etwas... Ihr Blick ruhte einen Moment auf Marcus, der ebenfalls noch beim Wagen stand. Erneut huschte dieses Lächeln über ihre Lippen, das immer erschien, wenn sie ihn beobachtete, ohne das jemand etwas bemerkte.

    teeeeeeeeeeeeeeeeeeeessssssssssssssssssssssssttttttttttttttttttt

  • Zufrieden registrierte ich, wie Camryn und der Dicke sich scheinbar angeregt unterhielten. Die kleine Keltin unten auf dem Boden und der Germane auf dem Bock. Gut, dass sie germanisch konnte. Kaum hatte ich den Blick von der Szenerie abgewandt, erblickte ich Helena, die eben ihre Sklavin fortschickte um was auch immer zu tun und mir nun entgegen sah. Deandra indes war nicht zu erblicken, ich hoffte, sie möge meinen Wunsch beherzigt haben und im Reisewagen sitzen. So ging ich also die wenigen Schritte auf meine Cousine zu - hatte ich soeben ein Lächeln bemerkt oder war es nur eine hübsche Reflektion der Sonne gewesen, die ihre schwachen Strahlen durch die Tannenwipfel schickte? - und zwinkerte ihr, nun schon etwas besser gelaunt, zu.


    "Na, Cousinchen? Ich vermute, dass wir bald weiter können. Das Kind ist da, und es gibt keinen Grund, noch länger hier zu verweilen. Wie geht es dir?" fragte ich und blieb neben ihr stehen. Im Gegensatz zu den Frauen machte ich keine großen Umwege um morastige Stellen, sondern tätigte einfach große Schritte falls nötig, was dazu führte, dass sich unter meinen calcei eine gut zehn Zentimeter hohe, lehmige Schicht germanischen Drecks befand. Ein kurzer Blick auf Helenas Sandalen zeigte mir, dass auch sie mit Matsch gesegnet war. Deandra würde demnach nicht die einzige sein, die barfuß im Wagen sitzen (und mir vermutlich ob der groben Behandlung von eben grollen) würde. Ich deutete nach vorn, wo sich der kerzengerade, matschige Weg irgendwo in einem grünlichen Ausgang aus dem Wald verlor.


    "Ich vermute, es wird noch zwei Wochen dauern, dann sollten wir da sein. Wenn das Wetter mitspielt und die Wege nicht noch weiter aufweicht, vielleicht sogar nur anderthalb. Und wenn wir dann angekommen sind, freut sich vermutlich jeder auf ein paar Tage Ruhe und ein angenehmes Bad."

  • Als Marcus sich plötzlich umdrehte und zu ihr sah zuckte Helena wie ertappt zusammen und verbannte das Lächeln aus ihrem Gesicht. Stattdessen sah sie ihm nun mit einem neutralen Gesichtsausdruck entgegen und hoffte inständig, dass er den träumerischen Ausdruck in ihren Augen nicht gesehen hatte. Seine Laune schien im Gegensatz von der Deandras um einiges besser zu sein. Und das obwohl seine Stiefel mindestens genauso dreckig waren wie die Schuhe Deandras, aber das schien ihn nicht zu stören. Als Helena sein Zwinkern sah konnte sie nicht anders als amüsiert zu grinsen, doch sie sah dabei zu Boden, so dass er es nicht wirklich sehen konnte. Bei seiner Frage zuckte sie kurz mit den Schultern und seufzte dann leise.


    "Mir geht es gut, Marcus. Das lange Sitzen in der Kutsche fällt mir nicht leicht, aber das geht euch sicher genauso. Und es ist recht kühl. Aber daran gewöhne ich mich sicher."


    Erst jetzt sah sie wieder zu Marcus hoch. Das war beileibe nicht die ganze Wahrheit, aber von dem Rest durfte er nichts erfahren. Niemand durfte das. Glücklicherweise sprach er schon weiter, so dass Helena ihre Gedanken auf etwas anderes lenken konnte. Zwei Wochen also noch. Sie spürte wie ihr der Mut sank. Das war eine lange Zeit, zu dritt eingepfärcht in einer Kutsche. Aber da musste sie durch und sie würde nicht meckern. Marcus sollte nur den besten Eindruck von ihr haben, auch wenn es ihr schwerfiel sich so zu verstellen. Zudem würde der Gedanke an ein Bad sie bei Laune halten. Schon jetzt sehnte sie sich nach ihrer großen Wanne aus Mamor zurück, die sie in Matua zurück gelassen hatte. Sie konnte nur hoffen, dass die Villa in Germanien den gleichen Standart hatte.


    "Ja, auf ein Bad freue ich mich wirklich. Wir werden uns die verbleibende Zeit schon irgendwie vertreiben. Wenn es gleich weitergeht, sollten wir vielleicht zur Kutsche hinüber gehen. Ach ja, Deandra ist übrigens wirklich nett."


    Ein dicker Kloß schien ihr die Kehle zuzuschnüren als sie das sagte. Helena wandte sich um in Richtung Kutsche um und ging los, immer darauf bedacht, dass Marcus ihr Gesicht nicht sehen konnte. Das war wahrscheinlich auch der Grund dafür, dass sie nicht auf den Weg achtete. Sie spürte erst, dass sie auf eine rutschige Stelle getreten war, als sie schon den Halt verlor. Ein leises erschrockenes Quieken kam über ihre Lippen während sie mit den Armen ruderte um ihr Gleichgewicht zu halten. Leider erfolglos. Der Boden kam immer näher und der einzige Gedanke, der Helena in diesem Moment durch den Kopf huschte galt ihrer Kleidung, die furchtbar aussehen würde, wenn sie im Schlamm landete.

    teeeeeeeeeeeeeeeeeeeessssssssssssssssssssssssttttttttttttttttttt

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