Es war mal wieder, wie so oft, einer von den besonders kalten Morgen, als Reatinus bibbernd in die Unterkünfte hereinstolzierte und die verschlafenen Legionäre aus ihren Pritschen trieb.
"Aufstehen, ihr Waschlappen, es wartet heute eine handvoll Arbeit auf uns!!", ertönte es Raum. Und tatsächlich gab es heute ein paar Wägen mehr zu füllen als sonst, mehr Pferde zu füttern und mehr Ställe auszumisten. Und die Küche hat auch schon bessere Tage erlebt...
Blitzschnell hüpften die Legionäre mit Augenrändern aus ihren Betten und zogen sich, wenn auch unordentlich ihre Tunikae über und marschierten nörgelnd raus. "Vor dem Porticus wartet ihr auf mich, ich erwarte Disziplin, wie es sich für römische Legionäre gehört!", sprach er, während er kontrollierte, ob in der Unterkunft alles seine Ordnung hat. Mal abgesehen von ein paar Ersatztunikas, die in der Gegend rumlagen und bestimmten "Sauereien" der Legionäre hatte es das sogar, was den Optio positiv überraschte.
In der Hand hielt Reatinus eine Liste der anstehenden Arbeiten und seiner persönlichen "Opfer", die heute die Drecksarbeit verrichten durften. Es gab ja immer wieder Leute, die es sich gerne mit einem Offizier verscherzten. Und das zum Vorteil des Offiziers, denn die suchen immer nach guten Putzkräften für die Latrinen!
Als die Legionarii in einer ordentlichen Reihe angetreten waren, überflog Reatinus seine Liste, die er sich noch auf die Schnelle dahergekritzelt hat, um den Überblick zu bewahren. Mit stolzer Brust trat er vor und fing an, die Anweisungen zu geben.
"Spurius, Lucius und Gaius, ihr mistet die Ställe aus! Ich will keinen einzigen Misthaufen da drinnen sehen!"
"Manius, Pompeius und Servius, ihr helft beim Beladen der Wägen!"
"Maximus, Sextus, Marcus, ihr habt die Ehre, die Küche auf vordermann zu bringen! Abite!"
Die Anweisungen waren nun verteilt, die Legionäre, die den Stall ausmisten und die Küche putzen durften gaben ein trauriges und zugleich saures Seufzen von sich und traten ab. Das waren eben die Nachteile, wenn man einen Optio gegen sich hatte. Das kannte Reatinus schon aus seiner eigenen Legionärszeit. Der Rest machte sich ohne etwas zu reagieren an die Arbeit. Die Wagenbelader warfen den anderen Dreien nur ein hämisches Grinsen zu, um sie noch weiter zu erniedrigen, als sie ohnehin schon waren. Die Tabula drückte Reatinus dem Tesserarius in die Hände, der dann neben ihm stand und kontrollierte, ob alles richtig gemacht wurde.
Doch das Schicksal sollte sich gegen den Tesserarius und zum Glück der Optios werden. Denn langsam fing ein lockerer Dachziegel an, zu kippen. Immer weiter, und weiter, und weiter... bis dieser den Halt verlor und mit immer erhöhter Geschwindigkeit pfeilschnell zu Boden sauste. Dem Optio hätte das mit Helm eh nichts ausgemacht, doch es musste den Tesserarius ohne Helm erwischen, der nichts merkte und mit der Tabula beschäftigt war. Dann ertönte ein tonernes Klirren, ein Schrei gällte durch den Korridor des Castellums. Der Legionär ging bewusstlos, mit blutendem Schädel zu Boden. Reatinus drehte sich reflexartig in Richtung Tessrarius und stößte ein unkontrolliertes "bei Jupitter!!" aus. Die anderen Legionarii blickten erschrocken zum Optio, weil sie dachten, es würde jetzt einen Anschiss geben.
Reatinus fasste dem Bewusstlosen, der stark blutete an den Hals und prüfte, ob er das überlebt zu haben schien, was jedoch stark von seiner Fortuna abhing!
Aber doch! "Er lebt noch!!", schrie der Optio mit seiner kräftigen Stimme und zeigte wahllos auf einen der Legionäre. "Ihr da! Holt einen Medicus, und zwar plötzlich!!", dann zeigte er auf einen Anderen. "Und du holst Centurio Crispus!!"
Die Tabula, die einst noch sauber und schön verarbeitet war, brach entzwei. Ein bluttropfen kullerte die Ränder runter und hinterließ einen knallroten, dicken Blutfaden...