• Die letzten sieben Tage hatte die Frühjahrsonne die Straßen Roms bereits erhitzt. Und in jenen sieben Tagen waren die Bürger der Stadt in die Theater gepilgert, in denen die szenischen Darstellungen der Ludi Cereales aufgeführt worden waren. Ein jeder, besonders die Bevölkerung des Landes, hatte Ceres um das Wachstum der Ähren in dieser Zeit gebeten.
    Die plebeischen Ädilen, denen die Ausrichtung der Spiele traditionsgemäß zufiel, hatten für ein ausgeglichenes Programm und einen regen Wechsel der Theaterbühnen der Stadt gesorgt. Gaius Sempronius Memmius hatte sich dabei besonders in Szene gesetzt und sich dem Volke präsentiert, während sein Amtskollege Lucius Ausonius Mucianus in dessen Schatten stand, obwohl er gar dieselbe Summe für die Spiele aufgebracht hatte.
    Das Volk jedoch feierte den Memmius und genoss die Spiele und die freie Kost in den Stätten der Unterhaltungskunst.


    Heute aber fanden die Cerealia ihren Abschluss und die Feierlichkeiten ihren Höhepunkt. Den ganzen Tag hatte der Circus Maximus Wagenrennen gesehen, einige Nachwuchstalente zeigten ihren Mut und ihr Können, andere nur, dass sie ihr Training fortsetzen sollten.
    Am Ende triumphierte ein Italiker aus dem Süden. Er kam aus einer der zahlreichen Landstädte; woher genau, das interessierte an diesem Tage niemanden so wirklich, außer vielleicht hohe Mitglieder der großen Factiones, die nach Nachwuchs Ausschau hielten.
    Vielmehr gab man sich auch heute der ausgelassenen Stimmung dieses plebeischen Festes hin, dem nur vereinzelt Patrizier beiwohnten, und aß und trank, was durch die Ädilen geboten wurde.
    Am Abend, als die Dämmerung einbrach und die untergehende Sonne die Backsteinbauten Roms für eine Zeit in ein warmes Orange hüllte, strömten besonders viele Besucher in den Circus.


    Man erwartete die große Hetzjagd der Füchse...

  • Plotina hatte den Tempel der Ceres verlassen und war den Aventin hinuntergestiegen. Sie war noch immer sehr betrübt darüber, dass an diesem Festtag der Cerealia kein Beter im Tempel der Ceres anzutreffen gewesen war.


    Um auf andere Gedanken zu kommen, beschloss sie, an diesem Tag wenigstens den Ludi Cereales auf den Straßen Roms beizuwohnen. Plotina stärkte sich nach ihrem langen Marsch vom Aventin gern mit verdünntem Wein, Brot und Oliven, die kostenlos an zahllosen Buden rund um die Stätten der Unterhaltungskunst angeboten wurden. Fasziniert betrachtete Plotina das quirrlige Treiben und die vielen, gutgelaunten Menschen.


    Doch eine leise Traurigkeiten umspielte zugleich ihre Züge: Während alle sich amüsierten, war sie hier allein und in Rom eine Fremde. Sie schaute um sich, ob sie nicht vielleicht doch ein bekanntes Gesicht entdeckte - oder vielleicht ein freundliches unbekanntes :wink:

  • ...Und mit Einbruch der Dunkelheit war es soweit. In großen Käfigen aus Holz brachte man nun die Füchse in den Circus. Die Tiere wirkten verstört und einige versuchten mit dem Maul die Fackel zu erreichen, die ihnen auf den Rücken gebunden war, was jedoch aufgrund der sorgfältigen Befestigung vergebens war.
    Unter dem Geschrei des Publikums traten nun auch die Jäger auf die Rennbahn des Circus Maximus, der am heutigen Abend fast den Eindruck eines Spektakels im Amphitheater hätte hinterlassen können.
    Schon bald wurde an der Vorderseite eines jeden Käfigs ein Feuer entzündet und der Lärm des Publikums wuchs. Als man an den Käfigen die schmalen Luken öffnete, versuchten die Füchse aus Furcht vor dem nahen Feuer aus ihrem Gefängnis zu entkommen. Doch beim Verlassen durch die enge Luke des Käfigs entzündete sich die auf den Rücken gebundene Fackel am Feuer, das zuvor am Käfig gelegt worden war. Mit Panik ströhmten nun die Füchse aus ihren Käfigen und den Zuschauern bot sich ein Bild von hundert rennenden Lichtern quer durch den Circus, als würden Glühwürmchen aufgeregt tanzen.
    Jetzt nahmen auch die Jäger ihre Speere wurfbereit in die Hand und begannen die Hatz auf die eilenden Feuer.
    Unter dem schallenden Jubel der Masse gab der Ädil Sempronius Memmius das Zeichen nun auch Feigen verteilen zu lassen, die er vom Geld, was dem Amtskollegen Mucianus unterschlagen worden war, bezahlt hatte.
    Bald schon sah man die ersten kleinen Feuer im Oval des Circus, die sich nicht mehr bewegten...

  • Bald schon aber dachte Plotina nicht mehr an ihre Einsamkeit. Denn während sie noch nach einem bekannten Gesicht in der Menge Ausschau gehalten hatte, war diese immer mehr angewachsen bis hin zu einem starken Strom, der schließlich auch Plotina mit sich fortriss. Halb war es die schiere Masse, die zielbewusst in eine Richtung marschierte und der Plotina sich nicht entziehen konnte, halb war es ihr eigener Wunsch nach Ablenkung, der schließlich dazu führte, dass sie im Circus landete, gerade rechtzeitig zur großen Hetzjagd der Füchse.
    Während die letzten Vorbereitungen für dieses Ereignis getroffen wurden, wurde Plotina bewusst, dass sie in ihrer Unkenntnis der Örtlichkeit in einen Pulk von ziemlich abgerissenen Gestalten geraten war. Aber sie war jetzt durchaus nicht in der Stimmung, sich Sorgen zu machen. Würde man versuchen, sie zu bestehlen? - Na und, sie besaß sowieso kaum Geld!
    Plotina richtete ihren Blick wieder nach vorn. Soeben wurden die Käfige der Füchse geöffnet, und die Tiere schossen daraus hervor, wahrscheinlich erleichtert und nicht ahnend, was ihnen noch bevorstand. Ein erregter Aufschrei ging durch die Menge, und bald schon irrlichterten die Füchse durch den Circus. Wie ein einziger Mann griffen jetzt auch die Jäger zu ihren Speeren. Sie verstanden ihr Handwerk, und jeder ihrer Treffer wurde von den Zuschauern mit einer gewissen Zeitverzögerung mit begeistertem, fast ekstatischem Jubel begrüßt.
    Plotina selbst war völlig in diesen Ereignissen aufgegangen. Ohne sich dessen überhaupt bewusst zu werden, steckte sie sich eine der Feigen in den Mund, die unterdessen unter den Zuschauern verteilt wurden. Niemals, nie hatte sie die Begeisterung mancher Leute für Circusspiele begriffen. In diesem Moment aber hörte sie sich selbst aufjauchzen, als wieder eines der Lichter von einem Speer zur Bewegungslosigkeit zu Boden gestreckt wurde.

  • Furianus beobachtete das Treiben aus seiner Loge mit gemischten Gefühlen. Auf der einen Seite gaben die Füchse ein abscheuliches Bild ab, sie würden entweder verbrennen oder aufgespiest werden, so oder so stand ihnen der Tod bevor. Auf der anderen Seite war dies Spektakel schön anzusehen, doch er selbst hätte diese Jagt nach der Dämmerung beginnen lassen, vielleicht kurz davor. Denn dann würde man die gequälten Füchse sehen, aber schon nach einigen Minuten nur die Lichter, die auf ihnen angebracht waren. Die Jäger müssten dann nur auf die Lichter zielen und hätten damit wohl auch ihre Schwierigkeiten, das Spektakel wäre eine Lichtershow und wohl auch von längerer Dauer.


    Dennoch fragte er sich, ob die Füchse in der Lage waren zu erkennen, in was sie hinein gerieten. Mit dieser Frage keimte auch gleichzeitig eine neue auf. Und zwar, ob die Füchse vor dem Feuer aus Angst flohen oder nur, um ihren Tod hinaus zu zögern, indem sie nicht ruhig standen, sondern den Jägern mit ihren schnellen Bewegungen Schwierigkeiten bereiteten sie zu töten.
    Er versuchte Vergleiche zu ziehen, Vergleiche zu anderen Tieren, anderen Situationen, es war jedoch vergebens. Furianus musste noch einmal in der Bibliothek nachschauen, ob irgend ein Philosoph zu dieser Frage eine Antwort fand.


    Bis dahin erfreute er sich an den vielen Lichtern im Stadion.

  • ...Es war ein großes Spektakel und an verschiedenen Stellen im Circus wurden den Jägern weitere Speere gereicht, mit denen sie versuchten die fliehenden Tiere zu treffen. Bald waren es schon ein Dutzend kleine Lichter, die im Circus-Oval lagen und sich nicht mehr bewegten. Hier und da erlischte eine Fackel im Staub der Rennbahn. Das Gewinsel der Tiere war aufgrund der schreienden Masse nicht zu vernehmen, die die Jäger mit Rufen anpeitschte auch die letzten Füchse zu treffen, die versuchten einen Zufluchtsort zu finden oder aber panisch umherliefen. Das Publikum schrie so heftig, dass einer der Verfolger im Taumel der Jagd seinen Speer gerade so schleuderte, dass er einen seiner Kollegen traf, der daraufhin blutend zu Boden fiel. Der Ädil Memmius erschrak. Man hatte ihm bereits bei Amtsantritt vorgeworfen, dass er nicht den Göttern geopftert habe, vergaß es aber mit der Zeit. Nun jedoch schien sich der Zorn der Himmlischen bei den Spielen zu entladen, die Memmius ausrichten ließ. Die ersten Zuschauer begannen schon Gerüchte zu streuen, und so begab es sich, dass die Karriere des Sempronius Memmius aufgrund seiner Untaten durch die Götter beendet werden sollte. So deutete es zumindest das gemeine Volk, wodurch nun wieder der Amtskollege Lucius Ausonius Mucianus zum Liebling avencierte, der zuvor so geprellt worden war.
    All dies waren aber nur die politischen Gerangel, wie sie täglich in Rom geschahen. Ceres jedoch würde dem Volk, das an jenem Tag mit Speisen und Unterhaltung beschenkt worden war, sicherlich gut gediehene Feldfrüchte bescheren.

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