Dienstantritt

  • Die Sonne ist schon am Horizont verschwunden, da nähert sich ein junger Mann dem riesigen Castellum der Legio I Traiana Pia Fidelis in der Nähe von Rom. Obwohl es nach der Wärme des Tages schon merklich kühler geworden ist, sind auf der Stirn des jungen Mannes Schweißtropfen zu entdecken.


    Kein Wunder auch, denn der junge Mann hatte, sofort nach Erhalt der Urkunde über die Verleihung der Bürgerrechte, sein Bündelchen geschnürt und sich auf den Weg gemacht, um seinen Dienst als Rekrut sobald wie möglich anzutreten. Dahinter stand auch der Gedanke: Wer früher mit der Grundausbildung anfängt, ist auch eher damit fertig.


    Und der junge Mann wünschte sich schließlich nichts sehnlicher, als bald Legionarius in einer der ruhmreichsten Legionen des Kaiserreichs zu sein.


  • Kurz vor Erreichen des Castellums richtet sich der junge Mann noch einmal auf, wischt sich mit dem Ärmel seiner Tunika den Schweiß von der Stirn und legt dann raschen Schrittes die letzten Meter bis zum Tor zurück.


    Der Torwache erklärt er mit fester Stimme:

    Salve!
    Ich, Probatus Marcus Didius Falco, wurde vom Imperator per Befehl vom 12.07.2004 zur Legio I Traiana Pia Fidelis versetzt und melde mich hiermit zum Dienstantritt.

  • Der Wachsoldat am Tor ließ sich die Reisepapiere aushändigen, warf ein Blick darauf und nickt dem jungen Mann freundlich zu: "Du hast den richtigen Weg gefunden; der Rest ist einfach, denn wir nehmen dich erstmal an die Hand."
    Kaum hatte er es ausgesprochen, da kam auch schon ein anderer Legionär herbei und begleitete den neuen Rekruten zur Principia. Nach einer Eintragung in die Meldeliste wurde er zur Musterung gebracht.


    "Kräftiger Körperbau, gute Augen, gute Ohren und keine größeren Narben", liess der Arzt im Protokoll vermerken und bescheinigte Falco damit volle Diensttauglichkeit.
    Auf dem Rückweg in die Principia erklärte der Legionär schon mal das weitere Procedere: "Es gibt eine menge Bürokratie in der Armee, deshalb müssen wir nochmal zurück zur Principia. Dort wird man Dir dann auch sagen, welcher Einheit Du zugeordnet wirst. Den Weg zu deren Kasernenblock werde ich dir dann auch noch zeigen. Von da an übernehmen es deine neuen Kameraden, Dir deine Stube zu zeigen und Dir bei der Beschaffung deiner Ausrüstung behilflich zu sein."


    Sie betraten die Principia, kamen kurze Zeit später wieder heraus und machten sich auf den Weg durch die vielen Lagergassen, bis sie den Block der zweiten Kohorte erreichten. "So, da wären wir, da vorne die zweite Barracke ist die von deiner Centurie. Frag' am besten sofort nach dem Optio, der wird nämlich für deine Ausbildung verantwortlich sein. Ich wünsche Dir viel Spass hier bei der ersten Legion." Und schon war der freundliche Legionär um die nächste Ecke verschwunden, um auf seinen Posten zurück zu kehren.

  • Der junge Rekrut ist vom bisherigen freundlichen Empfang in der Legion angenehm überrascht, da er auch schon anderes gehört hatte.


    Zügig steuert er die Baracke seiner Centuria an und fragt den nächststehenden Legionär nach dem Optio.


    Als er vor diesem steht, sagt er:
    Salve Optio!
    Probatus Marcus Didius Falco meldet sich zum Dienst.

  • An dieser Stelle möchten wir noch rasch berichten, wie es unserem jungen Rekruten am gestrigen Abend weiter ergangen ist:


    Der Optio mustert Falco strengen Blickes, schien aber an dem was er sah nichts auszusetzen zu haben. Willkommen, Probatus Marcus Didius Falco begrüßte er ihn knapp und wies ihm seine Schlafstelle zu.


    Nachdem Falco sein privates Gepäck abgestellt hat wird er gleich auf den nächsten Weg durchs Lager geschickt - diesmal zum Waffenmeister, der ihm die nötige Ausrüstung aushändigen soll. Bepackt mit Rüstung, Schild, Schwert und Speer kehrt er zurück und lässt sich das Anlegen des Körperpanzers erklären.


    Später dann - im Bett - konnte Falco nicht gleich einschlafen:


    Zu viel Neues war in den letzten Tagen und Stunden auf ihn eingeströmt... Vor zwei Tagen erst die Ankunft in Rom... die riesige Stadt... der Lärm der vielen Menschen... dann, vor wenigen Stunden erst - lang ersehnt - die Verleihung der Bürgerrechte... die Ankunft im Castellum... wieder neue Eindrücke - durchaus positiv... das herzliche Willkommen der neuen Kameraden für den Rekruten...


    Falco wußte, es würden auch schwere Stunden in der Legion auf ihn zukommen, aber er wußte auch: Viel hängt davon ab, wie ich mich selbst verhalte. Und Falco beschloß, in der Legion sein Bestes zugeben...


    Mit diesem Gedanken schlief er schließlich ein.

  • Priscus entdeckte den Neuling am nächsten Morgen kurz vor dem Morgenappell. "Salve! Du scheinst neu hier zu sein. Ich heiße Priscus und bin auch erst seit kurzem hier. Erst gestern habe ich meine Grundausbildung abgeschlossen. Falls Du mal Hilfe brauchst und dich nicht traust, einen der älteren legionäre oder den Optio zu fragen, dann kann ich dir vielleicht weiterhelfen."


    Schon rief der Centurio zum Antreten und das Gespärch war unterbrochen.

  • Da beide während des Morgenappells für unterschiedliche Tagesaufgaben eingeteilt wurden, begegneten sich Falco und Priscus erst am Abend nach Dienstschluß wieder.


    "Salve Priscus. Ich möchte Dir zu Deiner erfolgreich abgeschlossenen Grundausbildung sowie zur Beförderung zum Legionarius gratulieren."


    "Hoffentlich liegt dieser Tag auch für mich nicht mehr in allzuferner Zukunft..." murmelte Falco, mehr zu sich selbst.

  • Die Ungebduld des jungen Mannes sollte schon bald gestillt werden - der Optio nahm ihn wie jeden anderen Rekruten von Anfang an ordentlich zur Sache. Erst ein wenig Dauerlauf zum Konditionstraining, dann ging es auf den Exerzierplatz. Rasch erklärte er Falco, wie er mit Schild und Schwert umzugehen habe und wies ihm einen Holzpfahl als Übungsgegner zu. "Also Falco, dann wollen wir mal. Grundstellung, Schild hoch und dann immer schön gezielt stechen - und zurück in die Ausgangsstellung. Los geht's..."

  • Falco hatte den Instruktionen des Optio aufmerksam zugehört und tat wie ihm wie geheißen. Er nahm Schild und Schwert auf und begab sich in Kampfhaltung gegenüber den ihm zugewiesenen Holzppfahl. Die Übungswaffen waren erstaunlich schwer und lagen noch recht ungewohnt in der Hand.


    Falco begann mit der Übung... Schild hoch..., Ausfallschritt..., Zustechen... Zurück in die Ausgangsstellung...


    Bei den ersten Versuchen hatte Falco zu tun, vom eigenen Schwung gezogen, nicht hinzufallen...


    Dies wurde von Mal zu mal besser, dafür hatte er das Gefühl das Schild und Schwert mit jedem Zustechen auf den Holzpfahl immer schwerer wurden. Zudem brannte die Sonne auf das Übungsgelände und schnell lief ihm der Schweiß unter dem Helm hervor...

  • Der Optio beobachtete Falco noch einige Zeit, nickt dann zufrieden und ging weiter zum nächsten Rekruten. Immer, wenn er später wieder zu Falco hinüber sah, war dieser fast ohne Pause mit seiner Übung beschäftigt. Das gefiel ihm.


    Nach einiger Zeit kehrte er zu ihm zurück und schaute sich die Bemühungen des Rekruten nochmal genauer an. "Das sieht schon sehr gut aus, Falco! Mach' mal eine kleine Pause und trink' einen Schluck. Dann machen wir weiter..."

  • Falco vernahm die Worte des Optio, nachdem er die Bewegungen der Übung zuletzt nur noch wie in Trance vorgenommen hatte, und dachte Beim Jupiter, die Erlösung.


    Er widerstand dem Impuls, Schild und Schwert an Ort und Stelle fallenzulassen, sondern nahm stattdessen kurz Haltung an und legte danach die Übungswaffen an dem dafür vorgesehenen Platz ab.


    Anschließend ging er zu dem mit frischen Wasser gefüllten bereitstehenden Fass, griff sich eine Schöpfkelle und füllte seine Patera mit dem köstlichen Naß. Rasch trank Falco die Patera in wenigen Zügen leer.


    Danach begab er sich zu den Kameraden, die zur gleichen Zeit Pause machten. Er setzte sich dazu und sagte: "Jungs, ich glaube morgen habe ich einen tüchtigen Muskelkater." Dazu grinste er erschöpft.

  • Nach einer kurzen Pause, von der Falco jede Minute genoß, rief ihn der Optio wieder zu sich. "Los, Falco. Jetzt wird die Übung nochmal wiederholt. Wenn sie sitzt, können wir zur nächsten Lektion übergehen."


    Falco rappelte sich auf, setzte den Helm wieder auf und nahm die Übungswaffen wieder zur Hand.


    Ausgangsstellung..., Schild in Augenhöhe..., Ausfallschritt..., Zustechen..., Treffer..., Zurück...


    Und das ganze immer wieder..., einmal..., zehnmal..., hundertmal...,


    Falco hatte zu zählen aufgehört, er handelte rein mechanisch, aber die Treffer saßen. Endlich rief der Optio, der ihn genau, beobachtet hatte:"Schluß, Falco. Es reicht. Mach Pause, trinke was, und dann bringen wir Dir was neues bei."


    Diesmal reichte eine Patera voll Wasser zum Löschen seines Durstes nicht aus ...

  • Am Abend traf Priscus wieder zufällig auf Falco, der nach dem harten Training ziemlich verschwitzt aussah. "Du hängst dich ja richtig rein - sowas gefällt den Offizieren immer. Heute zum ersten mal Schwertraining am Pfahl gehabt?" Der Probatus nickte und gab mit ein paar Gesten mehr als deutlich zu verstehen, dass er seine Arme kaum noch nach oben bekam.
    "Das gibt sich", lachte Priscus, "ich hab's ja auch überlebt. Aber ein kleiner Tipp, falls Dir der Handrücken von der Innenseite des Schildgriffes weh tut: besorg' dir ein Stück starkes Leder, das Du dir als Handschutz anlegen kannst. Das wirkt Wunder!"

  • "Danke, Priscus. Das werde ich tun. Während der Übungen hat man ja kaum Zeit auf die Schmerzen zu achten, aber hinterher merkt´s man dafür doppelt."


    Falco merkte seine Erschöpfung wirklich jetzt erst richtig.


    "Na, ich bin schon gespannt, was als nächstes drankommt und welche Körperteile mir morgen Abend wehtun werden."

  • "Welche Körperteile? Alle! Ich tippe auf Speerwurf, das kam bei uns auch nach dem Schwerttraining. Oder Formaldienst. Das ist echt nervig. Aber man braucht es, sonst latscht man sich beim Wachwechsel auf die Füße..."
    Priscus nahm einen Schluck aus seiner Patera, beobachtete einige Kameraden, die sich gerade zur Wache rüsteten und machte sich dann daran, ein paar neue Nägel in seine Caligae zu schlagen. Da ist man kaum ein paar Tage dabei und schon fallen die Nägel aus...

  • Falco entschied, Formaldienst wäre ihm am liebsten. Die Füße taten ihm schließlich noch am wenigsten weh.


    Eigentlich hätte sich Falco jetzt am liebsten sofort auf seine Schlafstelle geworfen, aber er riß sich zusammen, und überprüfte seine Ausrüstung, denn die würde der Optio beim Morgenappell überprüfen. Soviel wußte Falco schon.


    Er war froh zu sehen, das Bekleidung und Ausrüstung den Tag heil überstanden hatten, nur den Staub mußte er von den Metallteilen wegpolieren.


    Nachdem dies getan war, legte er die Sachen ordentlich zusammen und sank auf seine Schlafstatt. Man hörte ihn noch undeutlich "Nacht, Priscus..." murmeln, dann war er schon eingeschlafen.

  • Es kam wie es kommen mußte.


    Beim Morgenappell verkünderte der Optio:


    "Die Probatii dürfen heute Vormittag das Werfen mit dem Pilum üben und am Nachmittag gieht es dann zur Formalausbildung."


    "Und jetzt, zum Wachwerden: Ein Dauerlauf!"


    Nach dem Dauerlauf führte sie der Optio zu den Wurfplätzen, wo er ihnen die notwendigen Bewegungsabläufe zeigte um das Pilum richtig zu schleudern. Die Rekruten bekamen wieder Übungswaffen, mit denen sie zunächst aus geringer Entfernung und ohne Scutum das Werfen des Pilum erlernen konnten.


    Das anfänglich recht chaotische Treiben der Probatii ordnete der Optio durch ständige Hinweise zu den Bewegungsabläufen und durch Korrektur der Wurfhaltung bei einzelnen Rekruten.


    Nachdem alle Rekruten die Ziele regelmäßig trafen, wurde der Schwierigkeitsgrad der Übung durch die Erhöhung der Entfernung zu den Zielen erhöht. Zudem mußten die Probatii jetzt zusätzlich das Scutum in die linke Hand nehmen.

  • Falco stellte zu seinem Erstaunen fest, das er die erneute starkem körperliche Belastung heute besser verkraftete als noch am ersten Tag.


    Natürlich schmerzte vor allem sein rechter Wurfarm inzwischen stark, doch je besser er die Übung beherrschte und je öfter und besser er das Ziel mit seinem Pilum traf, um so mehr machte die ganze Sache sogar Spaß.


    Falco sah mit Befriedigung seine ständige Verbesserung und hatte auch das Gefühl, das der Optio mit ihm zumindestens nicht unzufrieden war. Der Option mußte jedenfalls nur sehr selten zu Falco kommen, um ihn auf Fehler hinzuweisen. Meistens war er damit beschäftigt andere Rekruten zu korrigieren.

  • Trotzdem war Falco natürlich heilfroh, als der Optio plötzlich rief: "Schluß, Männer. Jetzt habt ihr euch eine Pause verdient und danach werde ich euch mit den Freuden des Formaldienstes vertraut machen. Wegtreten."


    Falco nutzte die Pause um Wasser zu trinken und knabberte dazu an einem Stück panis militaris. Danach streckte er sich noch ein wenig aus, bis der Optio sie wieder zu sich rief und sie in den Bereich des Exerzierplatzes führte, wo die Formalausbildung stattfinden sollte.

  • "So, Männer..." sagte der Optio zu ihnen "...damit ihr in Zukunft nicht weiter wie eine Hammelherde durch die Gegend laufen müßt, bringe ich euch jetzt mal ein bißchen Ordnung bei."


    Der Optio erklärte ihnen die ersten Befehle. Er ließ sich die Probatii der Größe nach sortieren und in einer Linie antreten. Das Kommando dfür lautete 'In aciem venite'. Das Scutum mußte dabei links von ihnen stehen, das Pilum hatten sie senkrecht abgesetzt mit der rechten Hand zu halten. In Reihen anzutreten - also hintereinander - hieß ´In ordinem venite´.


    Wenn es heißt 'State', hatten sie stramm zu stehen Bei 'Movemini' durften sie sich bequem hinstellen.


    Immer neue Kommandos erklärte ihnen der Optio.


    "Auf die Befehle 'Scuta sursum' und 'Pila sursum' werden Schild und Speer aufgenommen, auf die Befehle 'Scuta dorsum' und 'Pila dorsum' wieder abgesetzt.


    Alles soweit klar? Jetzt kommen die spannenden Sachen: Auf 'Pergite' lauft ihr los, auf 'Consistite' haltet ihr wieder an. Und das alles 'aequatis passibus', also im Gleichschritt. Ich werde anzählen...


    Wenn ihr steht heißt 'ad dextram', dass ihr euch sofort nach rechts dreht; bei 'ad sinistram' sofort nach links und bei 'retro' nach hinten. Wenn ihr in Bewegung seid, dann wartet ihr nach der Richtung noch auf das Folgekommando 'pergite' oder 'versate'. Der Unterschied ist einfach: bei 'pergite' lauft ihr eine schöne saubere Ecke, so als ob eure Kolonne eine Schlange wäre. Bei 'versate' dreht ihr alle sofort in die gewünschte Richtung und lauft sofort weiter. Aus einer Reihe wird dann also eine Linie und umgekehrt.


    Wir üben das jetzt. Achtung, es geht los:


    Probati, in duo acies venite!


    State!


    Scuta sursum!


    Pila sursum!


    Ad dextram!


    Aequatis passibus pergite! Unus, duo, tres, quatuor, ...


    Ad sinistram pergite!


    Ad dextram pergite!


    Ad dextram pergite!


    Ad sinistram pergite!


    Consistite!


    Retro!


    Aequatis passibus pergite! Unus, duo, tres, quatuor, ...


    Ad dextram versate!


    Ad sinistram versate!


    ..."


    Wieder und wieder ließ der Optio die Probatii Schwenks in verschiedene Richtungen ausführen. Wieder und wieder mussten sie anhalten und wieder loslaufen. Wer den Gleichschritt nicht hielt, der bekam einen Schlag mit dem Optiostab...

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