Ein kleines Fischerboot

  • Ruhig schwankt das kleine Fischerboot - eine wirkliche Nussschale - im Wasser der Küste hin und her. Ein kühler, salziger Morgenwind bläst durch die Luft, verkrustet die Haut einer weißen Spur und trocknet den Mund aus. Über den Köpfen der Fischer kreischen die Möwen, hoffen, sich einen Happen von dem Fang ergattern zu können. Zwischen den nassen Netzen tummelt und zappelt nämlich eine Vielzahl von Meeresgetier, Fische, Krebse, Tintenfische, alle Früchte des Wassers. Die Ausbeute des Tages war gut. Dieser Morgen wird eine Menge Drachmen in die Taschen der Fischer fließen lassen.


    Geschäftig machen sich die beiden Bootsmänner daran, die Tiere aus den Netzen zu befreien und nach Art und Größe in gefüllte Wassereimer zu sortieren. Ab und zu fliegt etwas über Bord, das sich in den Netzen verfangen hat und das man nicht verwerten, nicht zu Geld machen kann: Vor allem Algen, Tang und andere Wasserpflanzen, aber auch rostige Metallstückchen, Glas- oder Tonscherben, die die Netze zerschneiden könnten. Erstaunlich, wieviel Müll die Zivilisation auf dem Meeresgrund verstreut.


    Die Fischer machen ihre Arbeit gelassen und routiniert. Fast wirkt alles ganz normal, ganz alltäglich. Nur eine kleine Sache ist da, die nicht in das Bild passt: Auf dem Boden der Nussschale liegt in zerfetzter und durchnässter Kleidung ein weiterer Mann mit wildem Haar, Bart und Kopftuch. Dem Aussehen nach ein Lybier. Der Mann ist offensichtlich bewusstlos...

  • Uuurgh! Timokrates schlägt die Augen auf. Besser gesagt, er versucht es, denn die Salzkruste und das Brennen machen den Vorgang schwer. Was hat ihn da aufgeweckt?


    Er öffnet die Augen und mitten in seinem Blick kauert ein riesiges Ungeheuer über ihn, unscharf zu erkennen aber ein wahres Monster! Zwei ausdruckslose Sitelaugen glotzen ihn an und eine Unzahl an Beinen und Mandibeln bewegt sich rythmisch. Timokrates verzieht das Gesicht vor Scheck. Mit seinen riesigen Klauen greift die Bestie an.


    "Au!"


    Es hat ihn in die Nase gezwickt! Nun klärt sich die Sicht. Es scheint ein Krebs zu sein. Mit der einen Hand schlägt er das kleine Tier von sich weg und dreht sich auf den Rücken, um eine bessere Sicht über die Lage zu haben.


    Kein Zweifel: Er liegt in einem Fischerboot. Aber wie ist er da hin gekommen? Wo ist er überhaupt? Das Letzte, an das er sich erinnern kann ist ein Sturm in der Ägäis. Timokrates muss die Augen zusammen kneifen. Das Licht der Morgensonne blendet ihn. Er will den Oberkörper aufrichten. Nicht leicht, denn er ist schwach und alles tut ihm weh.


    Zwei Fischer gehen ihrem Tagwerk nach. Asier? Syrer? Ägypter? Bevor er weiter überlegen kann, bricht er wieder zusammen...

  • Ein kalter Schwall Meerwasser ergießt sich über Timokrates Gesicht. Hustend und prustend wacht er auf und zappelt hin und her.


    "Sieh an! Er ist wach!"


    Unverwandt blickt Timokrates auf den Mann über ihn, ein undeutlicher Schatten in der Sonne. In der Hand hält der Mann einen Wasserbottich, allerdings einen leeren, denn dort kam wohl das Wasser raus, das ihn so unsanft geweckt hat. Ein paar Tropfen fallen runter und platschen auf Timokrates Stirn.


    "Was-"


    Retter oder Feinde? Timokrates will sich aufrichten und bekommt gleich die Antwort: Seine Hände sind gefesselt. Er will zutreten. Aber in weiser Voraussicht haben die Fischer auch seine Beine zugeknotet.


    Erkennend und mit einem leichten Grinsen merkt Timokrates an: "Ah! Feinde!"


    Die beiden Fischer, die er nun genauer erkennt, kichern bestätigend.


    "Komm! Wir richten dich her!" meint der andere und packt ihn unsanft. Dann wendet er sich an den, der als erstes sprach: "Der gibt sicher einen ordentlichen Preis in Alexandria auf dem Sklavenmarkt. Mann, haben wir ein Glück!"


    "Ich weiß nicht, der schaut so merkwürdig. Irgendwas stimmt nicht mit den..."


    Aha! Alexandria also...


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