Unter der Schirrmherrschaft der Spiele Praetorae wurden Kommödianten verpflichtet kleinere und amüsante Stücke auf den Straßen Roms zur Erheiterung dazubieten.
Das Thema, welches der Praetor angeordnet hatte, war Philosophie und ihre glanzvollen Vertreter im belustigenden Schauspiel. Zielgerichtet sammelte man nun Anekdoten der Großen und Gelehrten, um diese bestmöglich vortragen zu können. Eigens dafür wurden signifikante Masken in Auftrag gegeben, Masken nach den Büsten der großen Originale wie Platon, Aristoteles und Diogenes wie auch weiteren Vertretern der Philosophien.
Eine kleine Bühne wurde eigens dafür schon am dritten Tage der Spiele aufgebaut und sollte den auf den Straßen vor dem Amphitheatrum Flavium wandelnden Römern ohne Umkosten Schauspiele bieten.
So standen schon am frühen Morgen kleine Kinder und warteten auf den Anfang der Darbietungen.
Die Sonne stand schon hoch über der Erde, als der Vorhang aufging und drei Personen, zwei mit Maskengesichtern, zum Vorschein kamen. Die zwei Protagonisten waren klar voneinander zu differenzieren, denn der links stehende war ein Mann und neben ihm stand eine Frauengestalt in griechischem Gewand. Der Mann schien in Gedanken versunken, denn er stützte seinen Kopf auf dem angewinkelten Arm und gab ein beständiges "Hmmmm..." von sich.
Die dritte Person stand auf einem kleinen Podest und sollte einen Herold oder Erzähler darstellen. Dieser breitete seine Arme aus.
"Römer, sehet diesen in die Abtiefe seines großen Kopfes versunkenen Mann mit dem Namen Thales, ein Grieche euch wohl bekannt! O ein großer Mann, doch selbst dieser konnte sich noch so sehr in den Wirren der Gedanken verirren, seiner Mutter entfloh er nie!"
In diesem Moment fing die Frau an zu schreien.
"Mein Junge, o mein Junge, wie abgemagert du doch bist! O mein Junge, siehe da, dein Gewand völlig verdreckt und zerrissen! Nehme dir doch endlich eine Frau, die sich dieser Missstände annehmen kann!"
Thales fing an, in derselben Pose, über die ganze Bühne zu laufen und anscheinend vor seiner Mutter zu fliehen, die ihm mit lautem Geschrei folgte, bis er sich endlich umdrehte und die Arme nach oben riss.
"Bei Zeus, es ist zu früh!"
Die Mutter schien, dennoch von einem ratlosen Kopfschütteln gefolgt, von ihm abgelassen zu haben und beide verließen die Bühne zur Seite.
"Jaja, bei Zeus, es war zu früh!"
Rief der Erzähler nun aus und lachte.
"Es vergingen also einige Jährchen..."
In diesem Moment kamen die beiden Protagonisten nun wieder auf die Bühne. Thales war nun sichtlich gealtert und hielt sich mit der linken Hand einen langen weißen Bart an die Maske, vermutlich aus dem Felle eines der zahlreichen Tiere gemacht, die man weißer Wolf nannte. Seine Mutter war ebenfalls gealtert, denn auf ihren Haaren lag nun Ruß, welcher diese doch erheblich altern ließ. Zudem stützte sich die Frau nun auf einen krummen Gehstock und schien zu hinken.
"O Thales, mein Jungchen! Sieh dich doch an, du verhungerst! O und dein Gewand, verdreckt und zerrissen! Sohn, nimm dir doch eine Frau!"
Einige Minuten lang verfolgte die nun bucklige Frau den Sohn unter lautem Geschrei, bis sich dieser wieder erbost zur Mutter wandte.
"Bei Zeus, es ist zu spät!"
Bei diesen Worten fiel die Mutter tot um und der Vorhang wurde gezogen.