Die villa war leer, so schrecklich leer, seitdem ihr Mausespatz und Galeo gegangen waren. Ofella wusste bereits jetzt, dass sie die versprochenen zehn Wochen nicht einmal annähernd allein mit diesem unnützen Sklavenpack hier aushalten würde, so angenehm Baiae um diese Jahreszeit auch war. Zwar hatte ihr der medicus geraten, sich weiterhin möglichst nicht aufzuregen und die Ruhe und Abgeschiedenheit des claudischen Domizils am Meer, sowie die gesunde Luft zu genießen, doch die gute Ofella fühlte sich eigentlich recht agil. Lag vemutlich an den selbstverordneten, heiß-kalten Wechselbädern. Zumindest redete sie sich das ein, und im Einreden war sie beinahe unschlagbar. Nur ihre Base Orfita, die war noch besser darin. Hatte sich sogar mal eingeredet, all ihre Zähne seien schlecht, und sogar den Arzt davon überzeugt, irgendwie. Mit dem nötigen Kleingeld war eben alles möglich. Armes Ding, konnte nur noch Hirsebrei essen seitdem.
Ofella - deren gebürtiger Name übrigens Lucretia Ofella war und keinesfalls Claudia Ofella - strich durch den prächtigen Garten der villa, als der Entschluss in ihr reifte, auf die Meinung des medicus zu pfeifen und schnellstmöglich nach Roma aufzubrechen. Die Sorge um ihren geliebten Mausespatz, welchen sie nach Strich und Faden verhätschelte und welcher nun ganz allein mit seinem jähzornigen, lieblosen, gefühlsneutralen, egoistischen und vollkommen stumpfsinnigen Vater ausharren musste, war einfach unerträglich, und zwar bereits nach einer einzigen Woche Abwensenheit. Es war kein Wunder, dass der kleine Lucius den Vorstellungen seines Vaters nicht entsprach, immerhin hatte Ofella ihr Möglichstes getan, damit dies so war. Lucius sollte kein ebensolch....naiver Soldat werden wie sein Vater. Deswegen hatte sie Galeo gebeten, den Jungen nicht eine Sekunde lang aus den Augen zu lassen, was er hoffentlich auch nicht tat.
Die Claudierin - oh, welch vermaledeites Schicksal hatte sie nur dazu getrieben, ihre Freiheit für Herius aufzugeben und eine Manusehe mit ihm einzugehen! - gelangte an einen Rosenbusch, streckte die knochige Hand nach einer blutroten Blüte aus und brach und zerdrückte sie. Allein der Gedanke an Herius, ihren Ehemann (allein, wenn sie an sein Gehabe dachte, als sie ihn vor drei Jahren nur kurz besuchte - schrecklich!), brachte sie bereits in Rage und rief Geringschätzung in ihr wach. Achtlos ließ Ofella die zerfledderte Blüte am Wegesrand fallen, wandte sich plötzlich um und verpasste der Sklavin Zarah ohne Vorwarnung eine Ohrfeige. "Was starrst du mich so an? Ich habe die ein Dutzend Mal gesagt, dass ich nicht mehr hasse, als unaufmerksames und unnützes Sklavenpack! Kannst du keinen angemessenen Abstand wahren? Dummes Ding!" herrschte sie das Mädchen an. "Ah, eines Tages vergesse ich mich noch! Wie dem auch sei, ich wünsche, dass meine Lieblingskleider augenblicklich für einen, sagen wir, vierwöchigen in der Reichshauptstadt gepackt und verstaut werden. Ich will sofort benachrichtigt werden, wenn alles für eine Abreise nach Rom bereit ist. Hast du das verstanden oder war selbst diese simple Aufgabe zu viel für deinen Grips? Die Sklavin beeilte sich, den Kopf zu schütteln. "N-nein, Herrin", sagte sie und entfernte sich dann schnell. Ofella massierte mit der Rechten ihre Schläfe und seufzte gemartert. "Womit hab ich das verdient..."