Ein schmerzender Hintern und Muskelkater

  • "Und es hat dich auch niemand gesehen, duplicarius?" hakte ich mit zusammengekniffenen Augen nach. "Nein, niemand, Tribun. Ich bin extra aus der Stadt hinaus- und einen Bogen geritten, dann auf der anderen Seite wieder hinein", versicherte mir der Mann namens Varius Verax tüchtig. Einen Moment sah ich ihn noch skeptisch an, dann winkte ich den ianitor herbei. "Zeige unserem Gast, wie er mit seinem Tier in den Garten kommt." "Herr? Aber...die Stallungen sind doch....?" "Ich weiß, ich weiß. Führe ihn dennoch in den Garten, Caecus." Der ianitor neigte demütig das Haupt und führte meinen inoffiziellen Besucher am Haus vorbei und durch ein schmales, schmiedeeisernes Gartentörchen, gerade breit genug für das prächtige Schimmelpferd, welches er führte. Ich war den halben Tag schon aufgeregt und rastlos, was zu einem nicht geringen Teil mit dem Besuch des duplicarius zusammenhing. Ein paar Tage zuvor hatte er mich im Lager aufgesucht und darum gebeten, ihm das Patronat zu gewähren. Nach kurzer Überlegung hatte ich schließlich zugesagt, nicht ganz uneigennützig, wie Verax' Anwesenheit hier und heute bewies. Ich konnte Stillschweigen verlangen von meinem Klient, und daher bat ich ihn darum, mir im heimischen Garten einige Kniffe zu zeigen, wie ein Mann eines Pferdes Herr werden konnte, wo ein solches Tier doch - wie mir schien - jeden Augenblick durchgehen konnte.


    Wenige Minuten später, ich trug nur noch eine schlichte, braune tunica ohne Stickerei oder sonstige Verzierungen, fand auch ich mich im hortus ein. Zugegebenermaßen wirkte ich etwas unbeholfen, was an der Präsenz dieses einschüchternden - und riesigen! - Tieres legen mochte. Verax nickte mir grüßend zu und ließ die Zügel des Schimmels fahren. "Tribun..Patron... Ich habe einen Apfel mitgebracht. Kleine Belohnungen sind sehr gut, wenn man die Freundschaft eines Pferdes für sich gewinnen möchte." "Hengst oder Stute?" verlangte ich zu wissen. "Stute. Sie heißt Roma Victrix", sagte Verax grinsend. Er gab mir einen wurmstichigen Apfel und erklärte, dass man das Obst auf der flachen Hand anreichen sollte. Ich klopfte den Hals des Tieres, das den Apfel witterte und träge den Kopf in meine Richtung drehte. "Na? Möchtest du den Apfel? Du wirst auch brav sein und mich nicht runterwerfen, nicht wahr?" murmelte ich reichlich sinnfrei. Das mulmige Gefühl wuchs, während Roma Victrix ihre feuchten Lippen über den Apfel stülpte und ihn von meiner Hand nahm. Bedächtig kauend, blickte sie mich mit ihren großen, wimpernbekränzten, braunen Augen vertrauensselig an.

  • "So, jetzt seid ihr Freunde", bemerkte der Soldat und grinste leicht dümmlich. Ich warf ihm nur einen zweifelnden Blick zu und überhörte, dass er mit mir sprach, als wäre ich gut und gern zehn Jahre jünger als ich in Wirklichkeit war. Er trat neben mich und blickte mich fragend an. "Bist du bereit? Dann helfe ich dir hoch und es kann losgehen!" sagte Varius Verax und faltete seine Hände, um mich mittels einer Räuberleiter auf den Pferderücken der Schimmelstute zu wuchten, wie es üblich war. Steigbügel wurden ja bedauerlicherweise erst einige Jahrhunderte später erfunden. Vier Sekunden später zog ich mich hinauf und schwang das rechte Bein über den Pferdehintern.


    Dann saß ich. Und zwar ziemlich weit oben. Varius Verax schien mir winzig. Und mir war schlagartig wieder klar, warum ich Pferde nicht mochte: sie waren so groß, dass man tief fallen konnte. Ich ergriff die Zügel, als seien sie mein letzter Strohhalm. Eine unglaublich süße Stimme flüsterte mir ein, dass ich mich hier gar nicht selbst quälen musste, ich konnte das Pferd und seinen Begleiter einfach wieder fortschicken und war erlöst. Doch Ehrgeiz und Stolz waren stärker. Ein Tribun, der nicht reiten konnte! Ein Unding, eine Peinlichkeit. Bisher hatte ich mich ja prima herumgemogelt, aber wenn ich wirklich mit dem praefectus auf diesen limeskontrollritt gehen sollte, würde ich mit meinen Unvermögen die Lacher auf meiner Seite haben. Und außerdem schadete es nie, wenn man reiten konnte.


    Der duplicarius ging um das Pferd herum, drückte hier meine Fersen zurecht, presste dort meine Waden an den Pferdebauch, richtete meinen Rücken und meine Hände und erklärte dabei sein Vorgehen, damit ich nachvollziehen konnte, wieso man wie ein Brett auf einem Pferd sitzen musste. Dann erklärte er, dass man die Bewegungen des Pferdes mit der Hüfte mitmachen sollte, und ich zog unmittelbar Parallelen zu weitaus angenehmeren Dingen als reiten. Bald war ich auch mit der Steuerung vertraut, zumindest theoretisch. Beim Empfang des neuen Legaten waren ja weitere Pferde dabei gewesen, und meines hatte einfach das getan, was die anderen auch getan hatten. Laufen, stehenbleiben, dumm gucken, wieder gehen. Hier aber, im aurelischen Garten, war weit und breit kein anderes Pferd in Sicht.


    Seufzend ergab ich mich in mein Schicksal, als Varius Verax mich aufforderte, die Steuerung auszuprobieren. Ich drückte die Beine zusammen und ließ die Zügel locker, und siehe da, Roma Victrix, die aufmerksam mit den Ohren spielte, setzte sich tatsächlich in Bewegung und ging gemäßigten Schrittes auf eine entfernt stehende Tanne zu. Nun blieb mir nicht viel Zeit, irgendwie musste ich sie zum Anhalten oder Umkehren bewegen, sonst würden wir mit einem Nadelbaum zusammenstoßen und ich würde mich blamieren. Rechts ziehen und rechts drücken bedeutete "nach rechts gehen"...oder so ähnlich. Ich probierte das gleich aus und die Stute schwenkte rechts ein. Triumphierend sah ich zu Verax, der breit grinsend noch an Ort und stelle stand.

  • Zwölf Runden später schließlich passierte das Unglück. In meinem Übermut hatte ich eingewilligt, es nun eine Gangart schneller zu versuchen, denn das langsam Geschaukel wurde mir schnell langweilig - und das war mein Fehler. Konnte man sich im Schritttempo noch den gemächlichen Bewegungen des Pferderückens anpassen, so war mir das im Trab nicht mehr möglich. Ich tat, wie Verax mir sagte, und presste die Waden fest an den Pferdebauch, und da lief ein Ruck durch Roma Victrix und sie schien fortan zu hüpfen. Da ich ja an Board war, hüpfte ich zwangsläufig mit. Ehrgeizig versuchte ich zunächst, mich irgendwie oben zu halten, aber das Hopsen und Wanken ließ einfach nicht nach. Mir fehlte etwas für die Füße, ein Jammer, dass Steigbügel erst viele Jahre später erfunden werden sollten. "Veraaax..." rief ich in böser Vorahnung, dann machte Roma Victrix erneut einen dieser Hüpfer, der Himmel kippte plötzlich nach rechts und ich rutschte vom Pferd. Ich fand mich in einem Gebüsch wieder, welches bedauerlicherweise Dornen aufwies, die sich augenblicklich in meiner tunica verhakten und meine Haut ritzten. Ein unfeiner Fluch kam über meine Lippen, und ich rief verärgert nach Verax, denn allein kam ich nicht mit dem Hintern aus dem Günzeugs. Nur gut, dass mich keiner gesehen hatte außer meinem neuen Klienten.


    Einen Moment später erschien Verax' Kopf in meinem Sichtfeld. Ich sah ihn grimmig an. "Patron, da hast du aber, hm, Pech gehabt. Vielleicht hätten wir doch noch ein paar Tage warten sollen mit dem Trab", sagte er und reichte mir eine helfende Hand. Ich packte ihn und ließ mir aus dem Gebüsch helfen. Als ich dann wieder stand, zupfte ich einige Dornen aus Kleidung und Haut. "Komm, ich helfe dir wieder rauf, Patron!" sagte Verax und deutete auf die Stute, die nun brav in einer Ecke des Gartens graste. Ich folgte seiner Geste mit Blicken und sah anschließend Verax an. "Nicht einmal Iuppiter selbst bekommt mich wieder auf dieses Höllenviech", verkündete ich bestimmt und schüttelte den Kopf. Ein Freiflug hatte mir gereicht. Verax sah mich bedauernd an. "Aber...es wäre besser, wenn man gleich wieder aufsteigt und weiter macht, wenn man heruntergefallen ist. Sonst verbindet man immer ein schlechtes Ereignis mit dem Reiten, und das ist nicht gut. Wenn ich dir also etwas empfehlen dürfte...steige wieder auf, Patron."

  • Alles gute Reden hatte nicht geholfen. Pferde waren und blieben mir einfach suspekt, besonders, wenn sie schneller voranpreschten als ein Mensch laufen konnte. Sie waren hoch (was bedeutete, dass man tief fallen konnte), rochen streng (was bedeutete, dass man entweder ein betörend starkes Parfum oder ein anschließendes Bad brauchte) und sie waren Tiere (was bedeutete, dass sie nicht denken konnten und damit unberechenbar waren). Nein, ich wollte weiterleben und das nicht als Krüppel tun, also zog ich es vor, Verax' Empfehlung zu ignorieren, den guten Mann reden zu lassen und beharrlich bei meinem Entschluss zu bleiben, in nächster Zeit nicht wieder auf den Rücken eines Pferdes zu steigen, und wenn es noch so ruhmreich hieß und noch so sanftmütig dreinblickte.


    So entlohnte ich Varius Verax für seine Mühen, und die Summe fiel beträchtlich höher aus, als er wohl erwartet haben musste. Dies war von mir beabsichtigt, denn neben der Entlohnung für seinen Einsatz erhielt er im gleichen Lederbeutel noch einiges an Schweigegeld. Ehe er ging, befestigte er sein Geld an Roma Victrix' Sattel, dann führte er sie aus dem Garten und war fort. Ich selbst sah ihn noch eine Weile nach. So schnell würde man mich nicht mehr auf einem Pferderücken sehen, davon hatte ich erstmal genug. Schließlich wandte ich mich um und ging zurück ins Haus, mit schmerzendem Hintern und vielen kleinen Kratzern auf Armen, Beinen und Gesicht. Am nächsten Tag sollte ich mich darüber wundern, dass man an den Oberschenkelinnenseiten und am Hintern solch schlimmen Muskelkater bekommen sollte....

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!