officium MAC | In Beschlag genommen von Cotta

  • Nachdem am Tag der Postkasten der Villa Aurelia geleert worden war - genauer gesagt, ein Sklave einen Brief gebracht hatte und seine übliche Verköstigung an der porta erhalten hatte und nun dort auf Antwort wartete - hatte der ianitor der Villa Aurelia den Brief dem erstbesten Sklaven übergeben, der gerade vorbeigekommen war - in diesem Fall Cadhla - damit diese ihn in das officium des Aurelius Cotta bringen sollte. Als sie ihren Auftrag ausgeführt hatte, blickte sie sich noch einige Momente lang neugierig um und eilte schließlich von dannen, als der nächste Auftrag wartete. Zurück blieb die Schriftrolle auf dem Schreibtisch, die auf einen geneigten Leser wartete.



    Ad
    Appius Aurelius Cotta
    villa Aurelia in Roma
    Italia



    Marcus Corvinus Appio Cottae s.d.


    Lieber Vetter, uns trennen nur noch wenige Tagesreisen von einem Wiedersehen! Momentan befinden wir uns kurz vor Verona. Ich gehe davon aus, dass wir spätestens am Ende der Woche endlich zu Hause eintreffen werden.


    Behalte den Boten dieses Briefes bitte bei dir, sofern es nicht einer dringlichen Rückantwort deinerseits bedarf, anderenfalls schicke ihn zurück, er kennt unsere Reiseroute. Er heißt Brix und ist ein treuer Sklave, der sich durchaus ein, zwei Tage Erholung erarbeitet hat.


    Ich freue mich auf unsere Begegnung, Appius!


    Vale


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    REGIO ITALIA, PRIDIE KAL AUG DCCCLVII A.U.C. (31.7.2007/104 n.Chr.)


  • Nach einem ausgedehnten ientaculum mit meinem Bruder Lupus - wir hatten uns immerhin Jahre nicht gesehen, und es gab viel zu erzählen - und Sisenna hatte ich mich wie üblich wieder in das officium Corvini begeben, das ich nach wie vor in Beschlag genommen hatte, bis Corvinus mir nach seiner Ankunft hoffentlich ein eigenes zuweisen würde. :D


    Mein erster Gang an jedem meiner Tage seit meiner Ankunft hier in der villa Aurelia in Roma nach dem ientaculum führte mich hierher. Wenn ich das officium betrat, hatte normalerweise schon einer der Sklaven die Post auf den Schreibtisch gelegt und ein Tablett mit einer Wasserkaraffe und einem Becher bereitgestellt. Am heutigen Tage fehlte trotz großer Sommerhitze das Tablett. Verwundert blieb ich in der Tür stehen und wollte mich schon zu Maron umdrehen, der mich wie jeden Vormittag in das officium begleitete, um eventuelle Anweisungen entgegenzunehmen, die sich aus der Lektüre der Post häufig ergaben. Als ich mich aber schon halbwegs zu meinem Sklaven umgewandt hatte, sah ich aus den Augenwinkeln heraus, dass jemand einen neuen Brief auf den Schreibtisch gelegt hatte. Offenbar hatte also ein anderer Sklave als sonst die Post geholt, der von dem Tablett mit der Wasserkaraffe nichts wusste.


    Durch diese Änderung der üblichen Vorgänge in der villa Aurelia in Roma war meine Neugierde geweckt. Ich wandte mich doch nicht an Maron, sondern ging direkt auf den Schreibtisch zu. Eigentlich hatte ich mich setzen wollen, doch schon mein erster Blick auf das Schreiben belehrte mich eines Besseren: Ein freudiges Lachen ging über mein Gesicht, und an Hinsetzen dachte ich einstweilen nicht mehr. Das Schreiben war nämlich von niemand anderem als von Corvinus. Und seine Nachrichten waren gut: Offenbar waren alle ihn begleitenden Familienmitglieder wohlauf, und sie alle waren nur noch wenige Tagesreisen von Roma entfernt!


    Mit strahlendem Lächeln verkündete ich die frohen Neuigkeiten sogleich an Maron, der sie entsprechend freudig quittierte. Währenddessen stand ich immer noch im Raum und überflog noch einmal den Brief in meinen Händen: "Marcus Corvinus Appio Cottae s.d." stand da. Ich schmunzelte: Wenn Corvinus gewusst hätte, dass er stattdessen auch hätte schreiben können: "Marcus Corvinus Lucio Lupo s.d.". Aber dies wusste er natürlich noch nicht, und es würde für ihn und für alle anderen eine freudige Überraschung bei ihrer Ankunft sein - wenngleich dies natürlich auch ein Grund gewesen wäre, den erschöpften Boten Brix, von dem in dem Schreiben die Rede war, wieder zurück zu der Reisegesellschaft zu schicken. Dies würde ich natürlich aber nicht tun und gab Maron darum jetzt auch gegenteilige Anweisungen: Er sollte veranlassen, dass man sich um diesen Boten angemessen kümmere, und er sollte mir sofort meinen Bruder herschicken, damit ich auch ihm den Brief vorlegen könnte. Sisenna würde ich später - allein oder zusammen mit Lupus - selbst Bescheid sagen.


    Als Maron das officium verlassen hatte, um meine beiden Aufträge auszuführen, setzte ich mich endlich auf den Stuhl hinter dem Schreibtisch und blickte zufrieden aus dem Fenster. An das Tablett mit der Wasserkaraffe verschwendete ich keinen Gedanken mehr. Stattdessen wartete ich ungeduldig auf meinen Bruder Lupus.

  • Schon lange hatte ich nicht mehr so gut geschlafen, geschweige denn gegessen. Als ich heute morgen erwachte, dachte dich kurz, dass mich meine Mutter gerufen hätte, aber das war nur ein Eindruck, den ich aus dem Traum in die Welt hinüberzog. Mein Bruder erzählte viel beim Frühstück, viele seiner Erlebnisse und viele seiner Gedanken. Ich war mir sehr sicher, dass ich bei dieser Fülle die Meisten, wenn nicht alle, in kurzer Zeit wieder vergessen hatte, auch weil ich von einer Vielzahl von Eindrücken übermannt wurde, welche es zu sortieren galt.
    Nach dem ientaculum zog sich Cotta in sein Officium zurück und ich ging durch das Haus und in den Garten, sah mich ein wenig um und atmete die warme Luft ein. Kühl war es noch, der Tag versprach ,oder drohte vielmehr, ähnlich heiß zu werden wie der gestrige.
    Als ich so für mich saß, kam Cottas Sklave zu mir und richtete mir aus, dass mich mein Bruder sprechen wollte. Ich klopfte an die Tür und wartete kurz bevor ich eintrat.


    „Sag mal Cotta, wann kehren eigentlich Corvinus und die Übrigen zurück. In Kürze sagtest du. Bevor sie eintreffen gibt es aber noch jede Menge Besorgungen zu machen. Es ist kaum noch Wein da und ich könnte mir vorstellen, dass sich der ein oder andere über eine frische Nachtigall oder Moräne auch freuen würde. Mit einem puls wollen wir sie doch nicht begrüßen. Hmm, obwohl.“ :D

  • Trotz der Größe der Räumlichkeiten dauerte es zu meiner Freude gar nicht lange, bis Lupus an die Tür klopfte.


    "Ach, Lupus, du brauchst doch hier nicht zu klopfen! Immer herein!",


    sagte ich lachend zu ihm. Obwohl er doch soviel älter war als ich, hatte er immer noch eine gewisse Scheu an sich, was den Umgang mit den selbstverständlichen Annehmlichkeiten unseres patrizischen Lebens anging, aber auch den Umgang mit mir betreffend. Dies war sicherlich den langen Jahren seiner kynischen Lebensweise geschuldet. Und es war ja auch nicht das Schlechteste, all die angenehmen Dinge, die uns umgaben, nicht als selbstverständlich zu nehmen. Mit solchen Überlegungen wollte ich mich aber gar nicht so lange aufhalten, sondern meinem Bruder schnellstmöglich den Brief vorlegen - dazu aber kam es erst einmal nicht, denn Lupus überschüttete mich mit einem kleinen Redeschwall, der vor Einfällen nur so blitzte. Hatte ihn seine philosophische Lebensweise etwa besonders hellhörig gemacht? Verblüffenderweise sprach Lupus nämlich von sich aus von der Ankunft unserer Verwandten aus Germania hier in Roma. Bevor ich näher auf all seine Einfälle eingehen konnte, wollte ich ihm aber nun doch endlich den Brief zeigen.


    "Du fragst mich, Lupus, wann unsere Verwandten zurückkommen. Nun, sieh mal, was ich hier habe!"


    Mit diesen Worten reichte ich ihm schmunzelnd das Schreiben, und wartete einige Augenblicke, bis er es durchgelesen haben würde.


    "Die größte und angenehmste Überraschung für unsere lieben Verwandten wirst sicherlich du sein. Aber das mit dem puls ... hm, verstehe ich dich richtig, du willst ihnen einen Streich spielen?"


    Ich überlegte einen Moment. Mein Bruder wusste natürlich, dass ich in solchen Dingen immer eher etwas skeptisch und abwartend gewesen war; hier aber konnte auch ich mir spontan ein Grinsen nicht verkneifen.


    "Du meinst, wir lassen ihnen zunächst einmal puls vorsetzen - und dann hinterher natürlich ein richtiges Willkommensmahl, wie es sich gehört? Ja, warum eigentlich nicht?! Um die Speisen und den Wein sollen sich die Sklaven kümmern. Maron?"


    Damit wandte ich mich an meinen servus, der Lupus wieder hierher in das officium begleitet hatte.


    "Maron, du hast gehört, was alles noch fehlt. Sorge dafür, dass alles angeschafft wird!"


    Mich verwunderte ein wenig, dass Lupus sich selbst offenbar in unserer Vorratskammer und im Weinkeller umgesehen hatte - das war doch Arbeit für Sklaven. Oder war etwa er es gewesen, der unsere Weinvorräte dezimiert hatte? :D

  • „Aber das Klopfen machen ich nur, weil ich nicht weiß, mit wem du grade in diesem Raume bist“ ;) warf ich meinem Bruder lächelnd entgegen. In den letzten Jahren brauchte ich an nicht viele Türen zu klopfen und hätte ich es dennoch getan, hätte man mir sicherlich nicht geöffnet.


    Cotta reichte mir einen Brief und ich mühte mich ihn zu lesen, das waren lateinische Buchstaben, eine für mich ungewohnt gewordene Schreibweise. Es dauerte einen Moment aber es gelang dann doch. Beim lese hörte ich seine Worte und schmunzelte


    „Ja, wenn sie mich sehen bekommen sie einen Schlag. Wir erzählen einfach, dass wir keinen Brief erhalten haben und natürlich auch nicht auf die Ankunft vorbereitet sind. Als großer Bruder habe ich einen schlechten Einfluss auf dich ausgeübt und wir leben von nun an auf kynische Lebensweise in der Villa. Außerdem ist der puls ja schließlich das wahre Essen eines Römers, wie Cato sagte. Wer wollte so dreist sein und einem Cato widersprechen. Ich sehe schon die verdutzten Gesichter. Durch eine laaange Reise gibt es ausgehungerte Mägen, welche sich auf ein gutes Mahl freuen und dann bekommen sie einen puls.“


    Ein sehr breites Grinsen zeigte sich auf meinem Gesicht. Entweder regen die sich furchtbar auf und verfluchen die Welt oder sacken leicht genervt in sich zusammen und nehmen was sie bekommen.


    Bevor Maron sich auf den Weg machte sage ich noch zu ihm:


    „Ähm Maron, bitte prüfe doch die Qualität des Weines auf das Genaueste. Der turriculae hatte einen unappetitlichen Nebengeschmack, den wollen wir doch den anderen nicht zumuten.“


    Ja, der musste unbedingt weg. So etwas kann man einem adliger Gaumen nicht zumuten, nur Hunde können so etwas trinken. ;)


    "Das wird ja in Kürze richtig voll hier. Dann ist es aus mit Ruhe. Wo waren sie, ähm, in Verona. Da bleibt ja kaum noch Zeit. Muss denn noch sehr viel erledigt werden?"

  • Derartige Streiche und Neckereien, wie sie mein lieber großer Bruder jetzt mit Hingabe plante, waren eigentlich nie so meine Sache gewesen. Der Originalität der witzigen Ideen, die Lupus hier vor mir ausbreitete, seiner eigenen Faszination, mit der er jetzt im Hintergrund an den Strippen zog, und auch der Komik des ganzen Vorschlages konnte ich mich jedoch nicht entziehen. Außerdem hatten mich schon in meiner Kindheit alle immer damit aufgezogen, wie ernst und langweilig ich sei; ich wollte die Verwandtschaft einfach auch einmal zum Lachen bringen. Daher versagte ich mir jetzt auch selber ein solches Lachen nicht und sagte zu Lupus:


    "Also gut! Mach alles so, wie du es jetzt gesagt hast! Um die Einkäufe und die Zubereitung der Speisen werden sich die Sklaven kümmern - ja, und du hast Recht, das sollte schnell geschehen." ;)


    Ich nickte Maron zu, der sich eilends entfernte.


    "Und da du, Lupus, dir ja dieses spectaculum ausgedacht hast, solltest du auch der Zeremonienmeister sein: Ich schlage vor, dass du von uns beiden der erste bist, der die Verwandten bei ihrer Ankunft begrüßt; dir als Älterem kommt das ja ohnehin zu."


    Und nicht nur als Älterem, sondern offenbar auch als demjenigen, der sich trotz kynischer Schule mit Wein besser auskannte als ich; ich merkte gar nicht so genau, was ich immer so trank. O, hoffentlich würde mich nie jemand vergiften wollen; einen entsprechenden Beigeschmack des Weines würde ich sicher nicht bemerken. :D

  • Verdutzt blickte ich meinen kleinen Bruder an und suchte einige Momente mit geöffnetem Mund nach Worten.


    „So kenn ich dich ja gar nicht. Was ist denn aus dem lieben kleinen Cotta geworden, der immer alles so erst genommen hatte. Ach so, ich weiß.“ Ich stieß ihn leicht, aber breit grinsend, in die Seite


    „Es waren die Hetären in Athen. Ja, ja. Da wird jeder schwach.“ :);)


    Das konnte ich mir allerdings noch schwerer Vorstellen als die Tatsache, dass er grade wirklich zugestimmt hatte. Ach ja, wie die Zeit vergeht. Mein Bruder schien einen gewissen Wandel durchlebt zu haben und ich war nicht dabei, sondern kümmerte mich nur um mich selbst. War das gut oder war das verwerflich? Wie auch immer, es war vorbei und außerdem ist dies nicht der Zeitpunkt für solche Fragen.

  • Dass Studienkameraden in Athen mir morgens - oder besser: mittags, wenn sie sich von ihren Gelagen ausgeschlafen hatten - von ihren abendlichen "Eroberungen" vorschwärmten, mit ihnen prahlten und mich dabei ein wenig verächtlich in die Seite stießen, hatte ich ertragen. Ja, ich hatte mit ihnen gelacht, mich sogar ehrlich für sie gefreut, denn sie schienen wirklich Spaß gehabt zu haben, und ihre leichte Häme konnte ich auch verstehen, denn es musste für sie befremdlich wirken, dass ich nie mittat.


    Dies jetzt aber von meinem eigenen älteren Bruder erfahren zu müssen, versetzte mir einen Stich, der von anderer Qualität war als der leichte Stoß in die Seite, mit dem er mich versehen hatte. Einen Moment lang muss ich betreten geschaut haben, dann aber dachte ich mir: ach was, lachte ihn an und wünschte mir, dass er viel Spaß gehabt haben möge.


    Als wir anschließend gemeinsam das officium verließen, fühlte ich mich ihm gegenüber wieder ein Stückchen unterlegener als schon zuvor, doch ich würde versuchen, bei dem, was ich konnte, mein Bestes zu geben. Und vielleicht würde ja auch bei mir eines Tages - oder eines Nachts - der Knoten mal platzen. =)

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