• "Geredet? GEREDET?"
    Ich war völlig aufgelöst. Nun log er mir auch noch schamlos ins Gesicht. Ruhig stehenbleiben war im Moment unmöglich und so patrouillierte ich zielstrebig von einer Wand zur anderen.
    "Wie lange geht das schon so? Wie lange spielst du mir diese Farce vor?"
    Offensichtlich war sein Beruhigungsversuch auf gänzlich unfruchtbaren Boden gefallen.

  • “Na hör mal! Wo ist der Unterschied? Ob hier im Balneum oder im Lager in meinem Officium, dass bleibt sich doch gleich und ist kein Grund sich so aufzuregen. Farce… was heißt hier Farce? Wir treffen uns ständig, dass ist doch klar. Ich kann mich dem doch nicht verweigern und wieso auch? Diesmal war es zwar eher… na ja… privat, aber ich habe keinen Grund gesehen… also… das ist ein paar Wochen her. Aber seit dem haben wir uns nur noch in Nikopolis gesehen. Doch… das braucht dich überhaupt nicht zu kümmern.“

  • Ungläubig starrte ich meinen Gatten an. Ich konnte es nicht glauben. Nicht glauben, dass es schon die ganze Zeit so gehen sollte, nicht glauben, dass für ihn das ganz normal und keineswegs verwerflich zu sein schien. Ein völlig Fremder saß vor mir.
    "Sogar in Nikopolis...?", wiederholte ich fassungslos.
    Er konnte sich dem nicht verweigern... natürlich, er war ja auch nur ein Mann, wie hatte ich je erwarten können, dass es ihm anders gehen würde als all den anderen?
    "Ich bin deine FRAU und mich hat das nicht zu kümmern? Ja bist du denn verrückt geworden? Wen, wenn denn nicht mich, hat das zu kümmern? Glaubst du, ich werde das weiterhin einfach so tolerieren? Glaubst du tatsächlich ich nehme das so hin und tue, als sei nichts geschehen?"
    Fast noch schlimmer als das Geständnis an sich war in diesem Moment, dass er sich tatsächlich keiner Schuld bewusst zu sein schien. Wie konnte er nur so dasitzen und Detail um Detail berichten, als wäre nichts Falsches daran?

  • Gaius Iulius Caesar hatte einst mit seinen Büchern gezeigt, wie man mit einfachen, klaren Worten unmissverständlich ausdrückt, was man zu sagen beabsichtigt. Entweder hatte Corvus Caesar nie gelesen, oder er hat es nicht ausreichend beherzigt. Dann die Worte, mit denen er seine aufgebrachte Frau zu beschwichtigen versuchte, waren nun leider sehr missverständlich:
    “Ja, natürlich in Nikopolis. Immer wenn ich dort bin, jeden Tag. Mehrfach. Manchmal zu zweit. Manchmal zu dritt. Manchmal auch im halben Duzend. Ständig wollen sie etwas von mir und ich kann sie doch nicht abweisen. Gut, hin und wieder ist das lästig, aber... tja, als kommandierender Offizier muss Mann eben seinen... naja, Mann stehen.“
    Er lächelte zaghaft. Das musste sie doch begreifen!
    Wenn er sich da mal nicht täuschte...

  • Und in der Tat, ich begriff nur, was ich im Grunde nicht einmal begreifen wollte. Mein Blick glich wohl dem der Einheimischen, als Herkules fröhlich verkündete, er habe den Nemeischen Löwen mal eben so erlegt. Und während ich fürchtete, mein Herz würde vor lauter Klopfen gleich aus meinem Brustkorb springen, tastete ich nach einem Stuhl, um mich schließlich matt darauf fallen zu lassen. Noch immer starrte ich ungläubig meinen Mann an. War ihm die aegyptische Sonne zu Kopf gestiegen?
    Ich öffnete und schloss meinen Mund wieder, wusste nicht, was ich dazu noch hätte sagen sollen. Einmal. Einmal hätte ich ihm vielleicht vergeben können. Doch er schien sich ja wahrlich maßlos vergnügt zu haben. Seit langem war ich nicht mehr derart sprachlos gewesen.
    „Aber… aber…“, begann ich zu stammeln, als sich langsam erste Tränen auf den Weg gen Bodenfliesen machten. „Wie konntest du mir das antun? Wie…“
    Nein, das konnte ich nicht länger dulden. Geschweigedenn, dass ich mit dieser Schande weiterleben konnte.
    „Ich gehe zurück nach Rom. Und nur, damit du es weißt, ich verlange die Scheidung!“
    Die Wut kehrte zurück und so sprang ich auf, donnerte mit einer Faust auf seinen Schreibtisch.

  • “Wegen ihr?“, fragte er ebenso fassungslos wie sie und vollkommen perplex. Natürlich meinte er mit 'ihr' die Legion.


    “Aber... wieso? Ich... trage doch schon immer die Uniform, solange wie du mich kennst. Als Soldat muss man das genau so oft machen wie auf dem Übungsplatz stehen. Du weißt doch das ich... es ist normal... wie könnte ich sonst tun, was ich zu tun gelobt habe? Ein Kommandeur muss doch mit seinen Männern... jeder macht das... immer schon... Soll ich etwa nur Briefe schreiben, so wie du?“


    Speziell die letzte Bemerkung war vielleicht ein wenig unglücklich.

  • So oft, wie ich heute mit offenem Mund meinen Mann angestarrt hatte, musste langsam schon meine Kehle austrocknen. Was mich natürlich nicht daran hinderte, es noch einmal mehr zu tun.
    Während eine Faust noch auf dem Tisch ruhte, gesellte sich nun die andere zu ihr. Allerdings weit weniger schwungvoll und keineswegs so laut wie ihre Kollegin. Zittrig stütze ich mich so auf dem Tisch ab, eindringlich Corvus anstarrend. Wie er nicht verstehen konnte, was ich empfand war mir schleierhaft.
    "Ich kenne das? Ich kenne das? Ich habe das Gefühl, ich kenne dich nicht, ebenso wenig wie ich die Pflichten eines Soldaten kenne, wie mir scheint!"
    Nun versuchte er sich auch noch auf eine solch lächerliche Art und Weise herauszureden. Er konnte doch nicht wirklich erwarten, dass ich ihm das glaubte? Dass irgendjemand ihm das glaubte.
    "Verkaufe mich bitte nicht für dumm! Ich bin mir sehr wohl bewusst, dass solche... 'Sondereinsätze' keineswegs zum soldatischen Alltag gehören! Mein Vater hat so etwas nie getan! Meine Brüder auch nicht. Niemand den ich kenne hat so etwas je getan! Wenn du mich schon hintergehst, sei wenigstens so ehrlich und rede es nun nicht noch schön!"
    Bei allen Göttern. Also mit einer Frau, mit "ihr" und mit seinen MÄNNERN hatte er es getan? Mit seinen Männern? Verfluchtes Alexandria, ich war mir sicher, es musste an diesem griechischen Flair liegen. Früher wäre er niemals auch nur auf solche Gedanken gekommen.
    Es machte die ganze Situation nun allerdings wirklich nicht besser, als er wieder einmal auf meine Briefeschreiberei zu sprechen kam. Ein elfenbeinerner kleiner Obelisk, welcher aus welchem Grund auch immer auf dem Tisch stand... gestanden hatte, zerschellte mit lautem Rumms an der Wand.
    "Ja, entschuldige, dass ICH weiß wo mein Platz ist... war. Entschuldige, dass ICH die römischen Tugenden noch hochhalte. Entschuldige, dass ICH es nicht als selbstverständlich ansehe einfach mit jemanden...mit jemandem..."
    Ich schluckte hart und ließ den Satz unvollendet.

  • “Ich weiß ja nicht was dein leiblicher Vater getan hat. Was der überhaupt gemacht hat, weiß ich nicht. Aber deinen Adoptivvater habe ich gekannt. Er war mein Vetter, wie du dich vielleicht noch erinnerst und ich habe unter seinem Kommando gedient.“
    Sein Tonfall war inzwischen sarkastisch.
    “NATÜRLICH hat er es auch getan. Ich war damals noch ein kleines Licht und nicht oft dabei. Aber trotzdem weiß ich, wie oft er seine Offiziere zu sich gerufen hat. Aber was dieser Aufstand überhaupt soll, dass weiß ich nicht! ICH habe einen guten Grund mit meinen Offizieren zu reden. Aber du, du schreibst irgendwelchen Gardeoffizieren! ICH muss mich überhaupt nicht rechtfertigen. Aber was du diesem Balbus hinter meinem Rücken schreibst... kleine Briefchen... jaja... mir Vorwürfe machen... pah! ...wegen nichts...!“

  • War ich gerade im Begriff, den Wutausbruch des Jahrhunderts zu bekommen, der selbst den des Vesuv seinerzeit in den Schatten gestellt hätte, nahmen mir Corvus’ Worte nun den Wind aus den Segeln. Ich hatte schon Luft geholt, um etwas zu erwidern, als langsam seine Worte in meinen Kopf tropften, zäh wie Honig, aber doch eindringlich.
    „Bitte was?“, fragte ich ungläubig. „Mit deinen Offizieren sprechen? Aber… darum geht es doch hier gar nicht…“
    Nun war ich vollends verwirrt. Wieso sollte ich mich wegen so etwas aufregen? Das konnte er wohl kaum ernsthaft annehmen. Oder war das nur ein erneuter Bluff? Mit zusammengekniffenen Augen musterte ich meinen Mann.
    „Du weißt sehr wohl, dass es hier um deine Liebschaft mit einer Iunia geht, die du vor FÜNF MINUTEN noch selbst zugegeben hast, also lenk nun nicht ab! Vorwürfe wegen nichts... HA!“

  • “Wieso Liebschaft? Welche Iunia? Sein Name ist Iunius, Iunius Silanus! Er ist Tribun bei mir in der XXII. Du kennst ihn. Er hat sich dir vorgestellt und wir haben erst vor kurzem von ihm geredet. Ich kenne seine Verwandten gar nicht. Nur die eine... die damals im Theater war... die... ähm...“


    Siedendheiß erinnerte er sich, dass Aelia ihm wegen diesem Mädchen damals auch schon schwere Vorwürfe gemacht hatte. Vollkommen zu Unrecht natürlich! :no:

  • „Du hast… du meinst, du hast eine Affäre mit einem… einem Mann? Und mit einer seiner Verwandten? Ja bist du denn völlig übergeschnappt?“
    Ich kratzte mich verwirrt am Kopf. So etwas hätte ich ihm gar nicht zugetraut… und irgendwie wollte es auch nicht so recht in das Bild passen, das ich mir im Laufe der Jahre von meinem Gatten gemacht hatte.
    Stirnrunzelnd ließ ich mich zurück auf meinen Sitzplatz plumpsen. Ich verstand nur noch Pferdewechselstation. Wer konnte auch ahnen, dass das alles ein einziges großes Missverständnis war?

  • “Neeeeiiiiin, ich habe keine Affäre, weder mit ihm, noch mit einer seiner Verwandten.“, schwor Corvus und hatte dabei das Gefühl, sich ständig zu wiederholen. Warum schenkte sie seinen Beteuerungen nur keinen Glauben?
    “Ich würde doch nie... mit einem Offizier meines Stabes? Wo denkst du hin?“
    Er war doch kein schamloser Grieche, von denen ja allgemein bekannt war, dass sie Männlein und Weiblein nicht so recht unterscheiden konnten.

  • „Aber… du hast es doch vorhin selbst gesagt. Du… du hast ‚wegen ihr’ gesagt. Ihr! Sie! Die Iu… Achso… es ist gar keine Iunia, ja? Wer dann? Sag schon, schlimmer kann es ja ohnehin nicht werden.“
    In der Tat, eine schlimmere Person als eine Iunia konnte er nicht anschleifen, dahingehend war jene Aussage wohl korrekt. Diese ganze Unterhaltung schien ohnehin langsam ins labyrinthartige abzudriften, denn ich verstand immer weniger, warum Corvus nun plötzlich leugnete, worauf er vorhin geradezu stolz gewesen zu sein schien. :hmm:

  • “Sie... die Legion... was denkst du denn...?“
    Auch in Corvus' Gesicht spiegelte sich Verwirrung.
    “Du musst mir glauben, ich bin dir ein treuer Ehemann... wirklich... ganz ehrlich... ich schwöre es... bei den Göttern... mir soll die rechte Hand abfallen, wenn ich lüge.“


    Oh, oh, Corvus! Wusste er denn noch immer nicht, dass man mit solchen Schwüren vorsichtig sein sollte? Wie schnell konnten einem Gliedmaßen abhanden kommen, wenn sie auf so leichtfertige Art und Weise verwettet wurden.

  • „Die Legion? Die LEGION?“
    Mit einem mal kam ich mir unglaublich dämlich vor. Un. Glaub. Lich. Dämlich. Extrem dämlich. Total und… nunja, ziemlich dämlich eben. Nichtsdestotrotz spähte ich zu Corvus’ rechter Hand, halb erwartend, dass sie doch abfallen würde. Sie tat es nicht und so biss ich mir auf die Lippen.
    „Wirklich? Du hast gar nicht… Oh, Decius, es tut mir ja so leid… wie konnte ich nur annehmen… kannst du mir das noch einmal verzeihen? Ich dachte ja… herrje.“
    Ich begann wieder zu schluchzen, wenn auch aus anderen Gründen.



    Sim-Off:

    *den treuen Gatten bei Gelegenheit mal in Richtung seines Cubiculums tret und schubbs*

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!