Einkauf der Virgo Vestalis Maxima

  • Ich war auf den Märkten von Rom unterwegs, um Milch, Honig und Mehl einzukaufen. Lang war es her, dass ich dies das letzte mal getan hatte. Darum irrte ich erst etwas verloren herum und schaute zögerlich in die Menschenmenge.

  • Bei meinem ersten Besuch, den ich den mercatus urbis in eigener Person abstattete, lernte ich sofort die Lektion, dass ich mit Mantua zwar in einer wunderschönen, zugleich aber auch provinziellen Stadt aufgewachsen war, deren Markt in keinster Weise mit dem römischen zu vergleichen war. Natürlich hatte man mich vor dem Gedränge in den Straßen gewarnt, dass die Sklaven mit meiner Sänfte aber solche Schwierigkeiten hatten, so dass die Sänfte ab und zu gefährlich schaukelte, hatte ich nicht erwartet. Und als ich ausgestiegen war und mir Maron mühevoll einen Weg bahnte, hatte ich im Innern schon beschlossen, ohne Not nie mehr selbst die mercatus zu besuchen. Zu all dem kam noch der entsetzliche Lärm der schreienden Händler und solcher Käufer, die sich betrogen fühlten.


    Ich war äußerst gereizt, als mein Blick auf eine junge, auffällige Frau fiel, die unsicher - so schien es mir jedenfalls - um sich schaute und offenbar ganz alleine war. Ich war mir nicht ganz sicher, ob dies nicht gar eine virgo Vestalis war, denn ich konnte ihre Tracht nicht auf Anhieb einordnen; sie war den Vestalinnen schließlich auch nicht vorgeschrieben. In dem Gedränge konnte ich auch nicht genau erkennen, ob sie eine Patrizierin war - wenn aber auch nicht, so etwas wie ein Beschützerinstinkt in mir war geweckt. Ich hieß Maron halten und wandte mich besorgt der Frau zu:


    "Salve! Ich möchte nicht aufdringlich erscheinen, aber kann ich etwas für Dich tun? In diesem Gedränge wirkst Du, wenn ich es offen aussprechen darf, ein wenig verloren. Ich habe ja immerhin diesen Sklaven bei mir; vielleicht kann ich Dir für eine Weile so etwas wie Geleit anbieten."


    Bei den letzten Worten hatte ich lächelnd auf meinen Sklaven gedeutet, sah dann aber wieder gespannt zu der jungen Frau hin. Es war nicht angebracht, aber ich konnte die eine Frage nicht bezwingen, die mich noch beschäftigte:


    "Verzeih' noch eine törichte Frage: Gehörst Du zu den Priesterinnen der Vesta?"

  • Salve, danke für die Hilfe, die du mir anbietest, ich suche den Bäcker, den Imker und jemanden der Milch verkauft. Wüsstest du, wo ich da fündig werden könnte?


    Nach seiner Frage zog ich kurz die Augenbrauen hoch, etwas erstaunt, dass jemand mich gleich auf solche Dinge ansprach, hatte ich ihn doch noch nie zuvor gesehen.


    Ja, ich bin die Virgo Vestalis Maxima.


    Als ich das verdutzte Gesicht meines Gegenübers nach dieser Antwort sah, musste ich beinahe laut lachen. :D

  • Dass meine letzte Frage dumm gewesen war, hatte ich ja selbst schon erwähnt. Nun aber blickte ich offenbar so verblüfft drein, dass die junge Frau vor mir in helles Lachen ausbrach und ich womöglich noch eine Spur verdutzter guckte. Denn dass ich bei meinem ersten Besuch der römischen mercatus gleich der Virgo Vestalis Maxima in die Arme laufen würde, hätte ich im Leben nicht gedacht!


    Der Gedanke an das Amt der jungen Dame brachte mich aber ins Überlegen: Virgo Vestalis Maxima - war das nicht ...


    "Du bist die Virgo Vestalis Maxima? Entschuldige, aber ist Dein Name vielleicht Flavia Agrippina?"


    Noch immer sah ich sie mit großen Augen und ähnlich großer Erwartung an. Da wurde mir schon endlich bewusst, wie unmöglich ich mich ihr gegenüber eigentlich verhielt. Ich musste selbst meinen Kopf darüber schütteln und sagte dann:


    "Bitte verzeihe mir mein ungehobeltes Benehmen! Ich bin nur so überrascht, die oberste Vestalin allein in diesem Gedränge anzutreffen. Hinzu kommt, dass Du, wenn Du die genannte Flavia Agrippina sein solltest, eine enge Freundin der Familie bist: Ich bin nämlich Appius Aurelius Cotta."


    Mit einem Blick auf Maron fügte ich hinzu:


    "Und ich muss Dir gleich sagen, dass ich erst seit kurzer Zeit in Roma und heute überhaupt zum ersten Mal auf den Märkten bin und daher gar nicht weiß, wo man Bäcker und Imker findet und jemanden, der Milch verkauft. Ich bin aber sicher, dass mein findiger Sklave hier bei Deinen Worten seine Augen schon aufgesperrt hat, um nach den Genannten zu suchen."


    Tatsächlich hatte Maron seinen Hals gereckt und nickte mir, uns, auch schon zu. Ich lächelte die Virgo Vestalis Maxima an und machte nun hoffentlich nicht mehr so eine schlechte Figur.

  • Ja, ich bin Flavia Agrippina.


    Nach einer kurzen Überlegungspause, fuhr ich weiter.


    Aurelia Deandra war damals meine beste Freundin. Aber das ist schon lange her. Seither habe ich die Aurelier kaum mehr besucht, bin ihnen aber immer noch stes verbunden.


    Ich sah Cotta an, ihm war das ganze sichtlich peinlich.


    Kein Problem, diene Fragen waren vielleicht etwas direkt, aber ich bin mir Neugierige gewohnt.
    Um den Rat deines Sklaven, wäre ich allerdings sehr froh.

  • Mittlerweile hatte sich mein Sklave Maron schon in Bewegung gesetzt. Er schien uns zunächst gegen den Strom der Marktbesucher führen zu wollen, damit wir uns dann links halten konnten. Ich wandte meine Augen für einen Moment von meiner Gesprächspartnerin, richtete mich zu meiner vollen, für einen Römer gar nicht einmal unerheblichen Körpergröße auf und reckte den Hals. Richtig, ein ganzes Stück weiter links vor uns konnte jetzt auch ich einen Stand erkennen, der von großen, prall gefüllten Mehlsäcken umgeben war. Auf einem Tisch, hinter dem der Händler stand, waren weitere, aber leere Säcke in verschiedenen Größen ausgebreitet. Über die meisten der Marktbesucher hinweg winkte ich einem der anderen Sklaven, die noch bei meiner Sänfte standen, denn ich konnte mir beim Anblick der Säcke denken, dass wir noch jemandem zum Tragen der Waren für die Virgo Vestalis Maxima benötigen könnten. Ihr wandte ich mich nun wieder zu:


    "Es ist mir eine Freude, Flavia Agrippina, Dich persönlich kennenzulernen. Vielleicht habe ich sogar für Dich auch noch eine gute Nachricht: Ich erwarte Claudia Aureliana Deandra, wie sie jetzt heißt, und noch einige Mitglieder der gens Aurelia schon in wenigen Tagen hier in Roma. Sicherlich würden alle sich sehr darüber freuen, Dich wieder in der villa Aurelia begrüßen zu können."

  • Ich schaute mich ebenfalls um und sah die zwei Sklaven, sich in Richtung Mehlstand fortzubewegen. Ich lächelte innerlich, mein Einkauf würde heute bestimmt sehr konfortabel werden.


    Über Cottas Nachricht war ich sehr erfreut.


    Das wäre mir natürlich eine grosse Freude.

  • Glücklich sah ich, dass Flavia Agrippina sich über meine Nachricht augenscheinlich freute. Ihr Blick war auch meinen Sklaven bis hin zum Mehlstand gefolgt, so dass ich mich schon dorthin in Bewegung setzen wollte. Einen Moment lang aber blieb ich ein bisschen unschlüssig stehen. Maron und der andere Sklave - wie hieß er noch gleich? - waren schon so weit zu dem Mehlstand vorgeeilt, dass ich auf dem Weg dorthin höchstselbst den Prellbock für die Vestalin in dem Gedränge hätte abgeben müssen. Maron aber erriet offensichtlich meine Gedanken, kam zu uns zurück und geleitete uns zu dem Mehlstand. Auf dem Weg dorthin wollte ich den Gesprächsfaden mit so einer interessanten Partnerin natürlich nicht abreißen lassen.


    "Wie schon gesagt, bin ich erst vor Kurzem aus Achaia von meinem Studienaufenthalt zurückgekehrt. Deshalb bin ich über die Verhältnisse in Roma gar nicht mehr so im Bilde. Vor einigen Tagen habe ich hier in Roma jedenfalls im Tempel des Mars Ultor geopfert. Dabei hat mir in zuvorkommendster Weise der Priester Flavius Aquilius beigestanden. Dem Namen nach ist er natürlich ein Verwandter von Dir"


    Diesen Satz ließ ich im Raume hängen, in der Hoffnung, Flavia Agrippina damit zu einer Äußerung zu bewegen. Inzwischen waren wir aber auch bei dem Mehlstand angekommen. Ich war gespannt, wie schwer der Sack werden würde, den die Vestalin meinen Sklaven aufbrummen würde. :)

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!