Die Arbeitsräume des neuen Strategen - Amtsantritt.

  • Nikolaos hatte es sich in seinem Arbeitsraum eingerichtet, wobei er im Grunde nur die Möbel seiner Vorgänger anders angeordnet hatte und Schränke mit weiteren Tafeln und Schriftrollen bestückt. Einen Privatsekretär konnte er sich leider nicht leisten, daher war der große Tisch in der Mitte des Raumes, den sein Vorgänger nur zum Zweck der Repräsentation (und der Einnahme von Mahlzeiten) benutzt hatte, nun mit Schreibutensilien bedeckt, während das kleine Pult in der Ecke, an dem der Sekretär gestanden hatte, nun verweist war und von Nikolaos nur noch zum Lesen verwendet wurde. In Nikolaos Arbeitszimmer sah es, kaum dass er einige Tage im Amt war, schon chaotisch aus. Der große Tisch war mit erwähnten Schreibutensilien bedeckt und mit einer Vielzahl an Büchern, manche aufgeschlagen und frischen, jungfräulichen Papyri bedeckt, dazwischen einige Statuetten und Andenken aus Archaeia. Hier ist der Strategos zu finden, hier kann Post an den den Strategos abgegeben werden.
    Es klopfte. Der Hauptmann der Stadtwache erschien zum Rapport, zu den ihn der neue Strategos gerufen hatte. Der Hauptmann war ein vierschrötiger, älterer Mann mit einem strengen Gesichtsausdruck, der sich anscheinend in sein Gesicht gefressen hatte und nun nicht mehr daraus zu entfernen war. Er lächelte nicht, zeigte gar keine Regung der Freundlichkeit. Das ließ Nikolaos bereits beim Eintreten des Hauptmannes die Entscheidung treffen, wie er mit ihm umgehen würde. "Chaire, Strategos. Du ließt mich rufen?" "In der Tat. Berichte mir, wie es um die Lage der Stadtwache steht. Aber berichte schnell und halte dich nicht mit Dingen auf, die ich bereits weiß. Und sage alles bitte ohne Umschweife und direkt, ich habe nicht viel Zeit für Ausschmückungen und Höflichkeiten. Und sei ehrlich." Der Hauptmann zögerte. Offenbar lag ihm etwas auf der Seele, was ihm sehr unangenehm war. "Na los!", sagte der Strategos. "Die Stadtwache ist, mit Verlaub, schlecht ausgerüstet und hatte bisher, mit Verlaub, kaum eine Funktion als die, die Polis mit einer eigenen Stadtwache zu schützen." "Das wusste ich bereits. Ohne die römische Legion würde trotz Stadtwache das Unordnung und Unruhe ausbrechen. Nun aber nenne mir Genauerers. Wieviele Männer hat die Stadtwache? Was sind das für Leute? Zu welchen Gelegenheiten musste sie in letzter Zeit eingreifen?" Der Hauptmann war offenbar überfordert mit so vielen Fragen. Nikolaos wurde ungeduldig. "Es sind etwa zweihundert Mann, meist ehrenhafte aber arme Bürger -"[COLOR=silver] Der Strategos unterbrach den Hauptmann. "Sind alle Männer der Stadtwache Bürger dieser Polis?" "Ja, Strategos. Sie gehen alle irgendeinem Beruf nach, die meisten sind Handwerker oder kleinere Händler, es gibt zuweilen aber auch Söhne von reicheren Händlern." "Es ist niemand in der Stadtwache, der neben der Stadtwache keinen anderen Beruf hat?" "Nein." "Auch du nicht?" "Ich bin Möbeltischler." "Wo hast du deine Werkstatt?" "Im Haus des Solon im Broucheion." "Solon", murmelte der Strategos. "Solon, einen berühmten Namen hat dieser Solon. Ist er Athener?" "Nein. Er wurde in Alexandria geboren, von einer Mutter, die in Alexandria geboren wurde." "Nun zu den Einsätzen der Stadtwache... ." Der Strategos öffnete ein Kästchen, das auf dem Tisch stand und holte eine winzige (etwa erbsengroße) Kugel Opium hervor, die er sich in den Mund steckte. "Die Stadtwache mußte vor einigen Wochen ein Feuer löschen, das offenbar gelegt worden ist-" "Hat sie herausgefunden, wer es gelegt hat?" "Ja, ein ägyptischer Gemüsehändler. Er wollte seinen Nachbarn ,der auch Gemüsehändler ist, das Geschäft vernichten, dabei ist ein ganzer Teil der Rhakotis abgebrannt, ein ganzer Block... ." "Gut", murmelte Nikolaos. "Hmm?" "Ich sprach nicht mit dir. Nun aber sage mir, wer das Feuer wirklich gelegt hat." Der Hauptmann begann unruhig zu werden. "Sprich." "Es waren Männer von der Stadtwache-" "Auch du?" Eine Pause trat ein. "Nein." "Aber du wusstest davon?" "Ja." "Abfallhaufen, es wird Zeit, dass die Stadtwache aufgeräumt wird... . Fahre fort." "Fast jeden Tag verfolgen wir Taschendiebe." "Mit Erfolg?" "Meistens nicht." "Gut." Nikoalaos ritzte etwas in ein Wachstäfelchen. "Wir werden auch zu Einbrüchen gerufen und zu anderen Verbrechen." "Das dürfte klar sein." "Wir übernehmen die Wache an den Stadttoren." "Der Form willen. Ich glaube kaum, dass ihr die Stadt wirklich bewacht. Zuviel seltsames Volk kommt jeden Tag hinein." "Ja." "Fahre fort." "Das ist alles." "Das ist nicht viel. Wie würdest du die Lage der Stadtwache einschätzen. Reicht das Personal? Reicht die Ausrüstung? Oder seid ihr zuweilen überfordert?" "Nichts reicht. Es gibt soviel Unruhe und Verbrechen in Alexandria. Ohne die römische Legion-" "Ja, ich weiß. Doch das wird sich ändern. Ist die Zahl an Verbrechen bemerkenswert hoch, im Vergleich zu anderen Poleis des Hellenentums und im Vergleich zu den übrigen Städten der Rhomäer?" "Ja." "Überaus hoch?" "Ja." "In welche Richtung entwickelt es sich?" "Zum Schlimmeren." "Aus welchem Teil der Bevölkerung kommen die meisten Verbrecher?" Der Hauptmann dachte nach. "Aus dem der Ägypter", antwortete er schließlich. "Und anteilig?" "Auch daher." "Gut, gut.", murmelte Nikolaos. "Ich werde morgen einen Rundgang mit dir durch die Teile der Stadt machen, in denen das Verbrechen am heftigsten blüht. Sei einige Stunden nach Sonnenaufgang wieder hier, doch erscheine nicht zu früh." "Bin ich entlassen?" "Sagte ich das?" "Nein." "Nun also bleibe noch." Nikolaos kratzte sich an der Stirn. "Nimmst du mich ernst?" "Ja, selbstverständlich, Strategos." "Ich glaube dir nicht. Doch ich rate dir, mich in Zukunft ernst zu nehmen." "Ja, Strategos." "Du sprachst von den Ägyptern, als seien sie die einzige Ursache für das Verbrechen in Alexandria. Ist dies deine Meinung?" "Nein." "Gut. Dann scheinst du es begriffen zu haben." "Was?" "Dass in jedem Volk und gar in jedem Menschen das Verbrechen wohnt. Auch in dir, Hauptmann der Stadtwache. Würden dich Gesetzte nicht daran hindern, du würdest dir alles nehmen, was du begehrst, würdest alles tun, wonach dir verlangt." "Aber die Moral-" " ´Moral`, dass ich nicht lache. Glaubst du an eine natürliche Moral, die in jedem Menschen steckt?" "Nein." "Bitte unterlasse es, mir nach dem Mund zu reden." "Doch." "Ich glaube, Moral ist etwas unnatürliches. Sie ist doch immer die Moral derer, die die Gesetze machen. Deshalb ist sie von Volk zu Volk, von Stadt zu Stadt verschieden. Kannst du mir folgen?" "Ja." "Ach, es ist unerquickend, mit dir darüber zu sprechen. Du bist einfältig. Doch ich vertraue darauf, dass du die Aufgabe, die du hast, gut erfühllst." "Ja, Strategos." "Gut. Du darfst gehen. Vergiss unsere Verabredung nicht." Eilig verschwand der Hauptmann. Nikolaos schob sich einen weiteren erbsengroßen Krümel Opiums in den Mund. Er würde bald den römischen Präfekten aufsuchen.

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