• Helvetia. Im Land der Banken und des Käses geschah es, dass ein junger Italiker mit einem Wanderstock und einem jungen Hund auf den Wegen dahinging. Es gab hier Berge. Viele Berge. Das betonte auch immer wieder sein Gebirgsführer mit dem seltsamen Hut mit dem Pinsel daran. "Isch echcht bergig hier, odrr?", fragte er ihn ständig. Wie er das 'ch' betonte! Dass Hannibal über die Alpen kommen konnte, versetzte den jungen Streicher immer mehr in Erstaunen. Dass sie die Verpflegung der Einheimischen überstanden, noch mehr. "Ragglätt" nannte der Mann seinen Eintopf aus geschmolzenem Käse, der so furchtbar stank, dass er damit problemlos die eine oder andere Legion hätte außer Gefecht setzen können. Und der aß es auch noch mit Genuß. Im letzten Dorf war jemand, der ständig hin- und herhüpfte und ihn fragte, wer es erfunden hätte. Auf die Frage, wer was erfunden hätte - starrte er ihn nur verwirrt an. Langsam verstand er, was man unter "Barbaren" verstand.


    Sulla, sein junger Hund, sah ihn neugierig an, wie er sich den lieben langen Weg durch Helvetien hindurch an dem Wort "Chuchichaeschtli" versuchte. Was für eine Sprache. Was für ein Reiseweg. Niemals hätte er sich gedacht, dass ein Mädchen ihn so fesseln könnte, dass er für sie Strapazen auf sich nehmen würde, die ihn - wie gerade eben - durch die Hälfte der ihm bekannten Welt führen würden. Warum seine Narcissa wohl so lange von ihm fortblieb? Was hielt sie so lange hier im harten Norden? Sie, die zerbrechliche Blume? Vielleicht hatte sie sich aber auch einem anderen an den Hals geworfen? Für den Gedanken schalt er sich einen Narren, aber irgendwo im Hinterkopf verblieb er. Oder war sie gar hier umgekommen? Bei dem Essen würde es ihn nicht wundern.
    "Läckerli?", fragte der Bergführer und hielt ihm einen Beutel mit undefinierbaren Sachen hin, von denen sich Scato etwas nahm und gut 20 römische Meilen lang darauf herumkauen konnte. Kein Wunder, dass die Helvetier ein so abgehärtetes Volk waren. Lange konnte es nicht mehr dauern, bis er die Grenze zu Raetien erreicht hatte. Und irgendwie hatte er einen undefinierbaren Appetit auf "Schoggi".

  • Raetia. Endlich Raetia. Er verabschiedete sich von seinem Bergführer, der ihn noch auf ein Kchäsefonndü einladen wollte, was der junge Landstreicher aber dankend und mit freundlich verzogenem Gesicht ablehnte. Es gab Dinge, die man nicht probieren wollte. So gingen sie am Grenzfluss ihrer Wege und Scato hatte sich noch ein paar 'Läckerlis' geholt, um für die nächsten Meilen versorgt zu sein. Es war ein wundervolles Gefühl. Er strich durch die grünen, saftigen Wiesen, durch weitreichende Wälder, trank das Wasser aus den Bächen und nährte sich von den Früchten, die der Wald und das Land ihm gab. Er fühlte sich zum ersten Mal frei. Und immer wieder glitten seine Gedanken zu Narcissa. Teils machte er sich die größten Sorgen, teils Vorwürfe und teils freute er sich darauf, sie zu sehen. Warum waren hier eigentlich keine Wegweiser nach Mogontiacum?


    Doch es war lehrreich für ihn. Er lernte viele neue Wörter der germanischen Stämme und der gallischen Stämme. Er kam sich ein wenig wie Tacitus vor, von dem er auch schon einiges gehört hatte. Vielleicht sollte er sich ja bei ihm als Forschungsreisender bewerben. Damit könnte er sicher Eindruck schinden bei Narcissa. Mit einem seltsamen Hut auf dem Kopf durch die barbarischen Länder reisen und die seltsamen Kulte der fremden Völker schriftlich festhalten. Wie zum Beispiel dieser seltsame Tanz, den er gestern in einem Dorf gesehen hat. Jauchzend und hopsend klatschten sie an ihre Schuhsohlen und hüpften geschlagene Baumstämme entlang. Das war sicher ein Ritual, um den Waldgott zu ehren.


    Wo bitte gehts hier nach Mogontiacum? Nachdem er tagelang auf Trampelpfaden umhergeirrt war, fand er endlich eine schöne römische Straße und begab sich auf ihr Richtung Nordwesten. Eine Karriere als Straßenkartenmaler wäre sicher auch nicht verkehrt, aber erst einmal sollte er den langen Weg hinter sich bringen. Immerhin sah er mit seinem gewachsenen Bart und den etwas längeren Haaren auch schon immer wilder aus, auf seiner kleinen Odysee.

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