Der Vorraum mit den Schreibern

  • http://www.kulueke.net/pics/ir…pezielle/valahelfer05.png "Jaja, jaja, ist ja schon gut...", murrte Sirius mit unterdrückter Stimme, "Ich bin mir sicher, wir finden da eine Lösung."


    Sprach's, und wandte sich kurz, um mit seinem Herrn ein paar geflüsterte Worte auszutauschen, wobei beiderlei Männer Blicke immer wieder auf den Schreiber fielen, der des Sklaven unbekümmert, der des Herrn mit kaum verhohlenem Groll. Es wurde noch eine ganze Weile weitergetuschelt und in einem gewissen Geldsäckel rumgefriemelt.
    Als Sirius sich schließlich wieder dem Schreiber zuwandte, folgten eine gewisse Anzahl weiterer Münzen, die so unauffällig wie möglich ihren Weg auf den Tisch des Schreibers fanden.


    "Ich hoffe, wir verstehen uns nun...", raunte Sirius.



    SKLAVE - TITUS DUCCIUS VALA

  • http://img130.imageshack.us/img130/7191/cleonjung.jpg Iullus Quintilius Sermo war ein wissbegieriger Mensch. Zwar war er nur ein Rhomäer und damit in den Augen der Hellenen ein widerlicher Barbaros, aber wissbegierig war er dennoch. Und deshalb hatte er heute auch vor, sich adäquat im Museion anzumelden, um das Studienangebot nutzen zu können. Selbstredend tat er das, bevor ein gewisser Kurs über den Peloponnesischen Krieg stattfinden würde. Cleon meldete seinen Herrn bei einem der Schreiber an. "Chaire. Mein Herr, Eques Imperii Iullus Quintilius Sermo, wünscht als Akroates dieser altehrwürdigen Instution aufgenommen zu werden." Hinter dem Sklaven war dessen genannter Herr soeben eingetreten und musterte den großen Raum mit den vielen Demosioi. Sein Blick blieb an einem der Sklaven hängen, der vorsichtig auf einer Leitersprosse balancierte, um ein Schriftstück aus dem einige Armlängen hohen Regal hervorzufingern. Den Sklaven, den Cleon soeben angesprochen hatte, würdigte der Quintilier nicht eines lahmen Blickes.

  • Einer der Schreiberlinge schaute von seinen Listen auf, als der Sklave sich zu Wort meldete, und sah dann an ihm vorbei zu dem Herren, den er ganz kurz musterte. Nach dem letzten irren Rhomäer, der hier hereinspaziert war, waren die Schreiberlinge etwas aufmerksamer, was neue Schüler anging. Vielleicht gab es ja wieder was zu lachen?
    "Ist dein Herr einer zivilisierten Sprache mächtig?" Das damit Koine oder Attisch gemeint war, verstand sich für den Schreiberling von selbst. "Wenn ja, kann er einen Moment warten, bis der stellvertretende Epistates Sosimos von Korinth Zeit für ihn findet. Er kann sich dort drüben setzen, wenn er will. Ich werde ihn dann anmelden."

  • http://img130.imageshack.us/img130/7191/cleonjung.jpg "Er spricht Attisch", erwiderte Cleon, der sich ein Schmunzeln verkneifen musste. Diese Griechen waren ja schon ziemlich arrogant. Er hatte sich sogar verkniffen, Latein in einem Satz mit dem Attischen zu nennen, um nicht schief angeschaut oder gar rausgeschmissen zu werden. Die waren hier sicherlich ziemlich empfindlich, was das anging. "Danke, wir warten dann."


    Cleon sprach daraufhin seinen Herrn an, der den Schreibern interessiert bei der Arbeit zusah. "Dominus, wir müssen einen Augenblick warten, bis der stellvertretende Epistates Zeit für dich hat. Hier drüben kannst du dich setzen..."
    Cleon wies auf die entsprechenden Sitzgelegenheiten. Sermo nickte verstehend und begab sich dort hin, ließ sich nieder und wies auch seinen Sklaven an sich zu setzen. Sie betrachteten eine Weile schweigend die vielen Demosioi. Sermo brach das Schweigen.
    "Ich wünschte, ich hätte mehr Zeit."
    "Bitte?" Cleon wandte sich überrasscht zu seinem Herrn um. Er verstand nicht, was dieser ihm mitteilen wollte.
    "Mehr Zeit, Cleon. Ich würde am liebsten sofort einige Wochen nur in diesen Hallen verbringen. So viel jahrtausendealtes Wissen, gesammelt in dieser prächtigen Institution. Ich kann's gar nicht erwarten..."
    Cleon nickte abwesend. Er hatte nicht ganz so viel für diese vielen verstaubten Schriften übrig wie sein Herr.

  • Der Schreiberling verschwand und kam nach einer kurzen Zeit wieder, ohne den Quintilier jedoch gleich hinein zu bitten. Es dauerte eine Weile, vielleicht eine halbe Stunde, ehe die Tür erneut aufging und ein paar leise geflüsterte Worte gewechselt wurden, ehe der Schreiberling aufstand und zu dem Rhomäer hinüberwinkte. “Du kannst hineingehen, Sosimos von Korinth erwartet dich.“

  • "Danke", sprach Sermo sein erstes und einziges Wort gegenüber dem Schreiberling und marschierte dann wortlos durch die gewiesene Tür.

  • Ich war nun bereits seit einigen Tagen in Alexandria und hatte meine Zeit damit verbracht mir die Stadt anzusehen und das wenige Geld, dass ich mein eigen nannte, zaghaft und sparsam für die Erfüllung der rudimentärsten biologischen Notwendigkeiten des einfachen Lebens durch zubringen.
    Da sich jener sehr erschöpfliche pekuniäre Vorrat nun dem Ende zuneigte, wurde es Zeit mein Augenmerk auf die Beschaffung neuer Geldmittel zu lenken. Idealerweise sollte dies natürlich durch ehrliche Arbeit geschehen und am besten auch noch durch eine Form der Arbeit, die mich erfreute und die meinem ursprünglichen Ansinnen für die Reise nach Alexandria - der Labung meiner Seele durch intellektuelle und kulturelle Herausforderung - entgegenkam.
    Zu diesem Zweck hatte ich mich an diesem Tag zu jenem Ort begeben, der in der ganzen Welt als Hort des Wissens und Quell der Gelehrsamkeit galt (zumindest war es so gewesen, ehe die 'Herren der Welt' in Ägypten eingefallen waren). Ich hatte das Museion schon während meiner Erkundungsgänge entdeckt und von außen ein wenig betrachtet, doch bisher hatte ich mich von seinem Eingang noch ferngehalten. Dieses Mal jedoch, betrat ich das Museion und fragte mich dort durch.
    Ein Sklave des Museions führte mich zu einem Arbeitsraum, in dem sich offenbar so etwas wie eine Registratur befand und hinter dem der Bibliothekar in seiner Festung der Einsamkeit verweilte. An die Tür des Arbeitsraumes klopfte ich leicht an, ehe ich eintrat und im Inneren auf jemanden zu ging, der aussah, als ob er hier arbeitete.
    "Chaire. Verzeihung, ich bin auf der Suche nach einer Anstellung und man gab mir die Empfehlung, dass ich es hier versuchen solle.
    "
    sagte ich freundlich und wartete dann brav auf eine Reaktion.

  • Wie immer herrschte in den Schreibstuben des Museions geordnetes Chaos. Hier sortierten ein paar Schreiber ein paar Liste, dortwurden Schriften nachgelesen oder kopiert. An einer Stelle waren gleich zwei Schreiber zusammen mit vier Sklaven damit beschäftigt, einen besonders dicken Wälzer zu kopieren, wobei das mit dem Wälzer sehr wörtlich zu sehen war. Die zu kopierende Schriftrolle war so gewaltig, dass zwei Sklaven die Rolle hielten, die abgerollt wurde, und die zwei anderen die andere Stange, auf der sie die Rolle wieder aufwickelten, während die beiden Schreiber den Text dazwischen auf kleinere Rollen übertrugen und so das riesige Werk in handlichere Passagen teilten.
    Der angesprochene Schreiberling hingegen war gerade in seine Listen vertieft und wies nur ungenau mit seiner tintenverkrusteten Hand in die hintere Region der großen Stege zum ältesten der anwesenden Schreiber.


    Jener war auch gerade in ein Gespräch mit einigen jüngeren Kollegen verwickelt, bemerkte aber wohl das Winken des Kopisten und sah zu dem Neuankömmling. Mit ein paar leisen Worten entließ er seine Gesprächspartner, die sich mit Unmengen von Schreibtafeln bewaffnet auch davon machten. Danach ging er gemütlich in Richtung von Perseus. “Chaire. Mein Name ist Kapaneos, ich habe hier die Aufsicht über die anderen Schreiber. Du suchst eine Anstellung? Was kannst du denn? Und: Bist du Polites?“ Wichtige Dinge, die es bei einer Einstellung zu beachten gab. Jemandem, der schreiben konnte, konnte man natürlich ganz andere Aufgaben zuweisen als einem ungebildeten Mann, ebenso wie man einen schwachen Mann nicht mit den schweren Schriftrollen hantieren lassen konnte – wobei Perseus jetzt nicht unbedingt schwächlich wirkte. Und einen Bürger musste man auch anders behandeln als einen Fremdling.

  • Ich lenkte meinen Blick in die Richtung, die der Schreiberling mir wies und erblickte dort den älteren Mann. Da dieser bereits eine Reaktion auf mich zeigte, blieb ich an Ort und stelle stehen und wartete ab, während ich erst jetzt die Geschäftigkeit um mich herum richtig wahrnahm. Ich beobachtete die Schreiber bei der Arbeit und war begeistert.
    Als Kapaneos dann an mich herantrat, beantwortete ich seine Fragen freundlich und mit einem leichten Lächeln.
    "Ich bin Perseus, Sohn des Periandros aus Olympia." stellte ich mich erstmal vor, denn schliesslich hatte mir mein Gegenüber ja auch seinen Namen genannt. "Ich bin kein Polites von Alexandria, aber ich bin Bürger der Polis Elis. Mein Vater war ein Philosophos und legte wert darauf, dass ich Lesen und Schreiben lerne, wobei er mir ausser dem Griechischen auch Latein beibrachte." gab ich noch von mir preis. Das ich außerdem ein (leider eher erfolgloser) Athlet war, tat hier ja nicht viel zur Sache.
    Nun wartete ich erneut ab, wie mein Gegenüber reagieren würde und ob ich unter Umständen wirklich eine Anstellung hier finden konnte.

  • “Elis also?“ wiederholte der Mann das gesagte und besah sich den Mann nochmal genauer. Immerhin war er wenigstens schon einmal Grieche! Wenn auch kein ehrenwerter Sohn dieser Stadt. “Dann solltest du dich noch an den Gymnasiarchos wenden, um hier in der Stadt das Stimmrecht zu erhalten“, gab er noch einen väterlichen Rat mit.
    Der Vater sagte Kapaneos gar nichts. Ein besonders berühmter Philosoph konnte der Mann also nicht gewesen sein. Andernfalls hätte er sicher schon Schriften von ihm in der Hand gehalten.
    “Ach, die Sprache der Rhomäer“, fuchtelte der alte Mann dann aber aufgebracht mit einer Hand in der Luft. “Ungewaschene Barbaren, noch schlimmer als die Ägypter. Keinen Sinn für die Künste, keinen Sinn für Musik oder Philosophie, nur ihr Schwertergeklirr. Im Moment besonders! Da requirieren sie die stolzen Söhne der freien Poleis Ägyptens für ihre internen Streitigkeiten...
    Punische Schrift, das bräuchte ich, oder auch jemand, der alte phönizische Schriften lesen und übersetzen kann! Oder Parthisch! Oder dieses ganz alte Gekritzel, das die Ägypter und die Hethiter benutzt haben. Wir haben einige Schriften, die wir pflichtschuldig seit den Tagen Alexanders kopieren und die nicht dem großen Brand zum Opfer fielen, die aber kein Mensch lesen kann.“
    Ein leises Seufzen, ein Kopfschütteln, dann wieder ein Blick auf den Mann vor ihm. “Ich kann dich als Grammateus dem stellvertretenden Epistates vorschlagen. Die Philosophoi und Philologoi suchen sich ihre Gehilfen selbst aus. Vielleicht bietet sich dir im Rahmen deiner Tätigkeiten die Möglichkeit, einem von ihnen zu Diensten zu sein und so deinen Horizont noch ein wenig zu erweitern. Aber erstmal heißt das, Listen pflegen, kopieren und helfen, wo man dich einweist. Ist das die Art Arbeit, die du dir vorgestellt hast?“

  • Ich nickte auf den Rat des Alten hin und bestätigte: "Das steht ganz oben auf der Liste der Dinge, die ich tun werde, sobald ich ein produktives Mitglied der alexandrinischen Gesellschaft bin."
    Dann hörte ich aufmerksam und auch geduldig den Ausführungen meines Gegenübers zu und nickte hier und dort. ´"Leider kann ich mit diesen exotischeren Sprachen nicht dienen, auch wenn es sicherlich eine interessante Herausforderung wäre sie zu erlernen." sagte ich ehrlich und nickte dann. "Aber die Arbeit als Grammateus wäre genau das, was ich mir vorstellen kann, für den Anfang." sagte ich und gab damit direkt zu erkennen, dass ich durchaus vorhatte, bei Zeiten vielleicht sogar in die Reihen der Musenpriester aufgenommen zu werden.
    "Ich wäre froh, wenn ich die Gelegenheit bekäme mich mit einer solchen Anstellung zu beweisen."

  • “Wenn du einen Lehrer dafür findest, schlepp ihn zum Museion! Man kann nie genug Schriftgelehrte haben“, meinte der alte Schreiber äußerst ernst. Er wartete schon seit Jahren auf einen Gelehrten, der wenigstens eine der Sprachen beherrschte und bei ein paar Schriftrollen sagen konnte, ob es wichtige philosophische Erkenntnisse oder nur Inventurlisten waren.
    “Gut, ich werde dem stellvertretenden Epistatos, dem ehrenwerten Sosimos von Korinth, deine Ernennung heute nachmittag vorschlagen. Im Moment schläft er. Du musst wissen, der Mann hat in diesem Jahr seine achtzigste Nilflut erlebt! Achtzig! Aber wegen diesem närrischen Gezänk der Rhomäer kann er sein Amt nicht abgeben, da es keinen Basileos gibt, der einen neuen einsetzen könnte. Und das Museion gehört schließlich dem wiedergeborenen Alexander.“ Kapaneos machte ein sehr säuerliches Gesicht. Er war zwar noch keine achtzig, aber an dieser Zahl weit näher dran als an der zwanzig, und er hatte nicht vor, so lange hier junge Schreiberlinge zu beaufsichtigen, bis er so alt wurde.
    “Wenn du morgen früh wiederkommst, habe ich Arbeit für dich. Brauchst du dann auch eine Schlafkammer und Essen? Das wird dir dann natürlich vom Lohn abgezogen, aber die Schlafkammern der Grammatei sind trocken und sauber, und das Essen ist anständig und ausreichend.“ Wenn der Mann aus Elis stammte, hatte er vielleicht kein Haus hier in Alexandria, aber das Museion war nicht nur Unterrichtsstätte, sondern auch Wohnraum für mehrere hundert Menschen, vom Gelehrten bis zum Sklaven.

  • Ich nickte eifrig. "sollte mir jemand über den Weg laufen, der einer solch exotische Sprache mächtig ist und sie gar noch lehren könnte, dann werde ich ihn unverzüglich davon überzeugen, dass sein Platz hier ist."
    Das Alter des stellvertretenden Epstatos war dann in der Tat beachtlich und ich hoffte, dass mein Gesicht ausreichend wiedergab, wie beeindruckt ich davon war. Mein Vater und auch meine Grossväter waren im Vergleich dazu recht jung verstorben und ich hatte bisher noch nie jemanden kennengelernt, den die Götter so lange über die Erde hatten wandeln lassen.
    "Eine kleine Unterkunft und eine regelmässigen einfache Mahlzeit wären in der Tat wünschenswert, wenn das Museion sie zur Verfügung stellt. Die akzeptablen Gasthäuser der Stadt sind ja leider nicht unbedingt für jene gemacht, die nur über wenige Mittel verfügen." sagte ich dankbar und freute mich schon darauf in einer sicheren und angenehmen Umgebung, wie dem Museion, eine Wohnstätte zu finden.
    "Wenn das dann alles war, möchte ich dir auch nicht mehr von deiner Zeit stehlen, werter Kapaneos. Ich werde morgen früh wiederkommen und freue mich schon darauf mit der Arbeit zu beginnen." Und das tat ich wirklich, denn meiner Meinung nach gab es nur wenige Arbeitsplätze, die wünschenswerter sein konnten als das Museion.

  • Das war ja alles noch viel beeindruckender, als er es sich ausgemalt hatte, dieses Alexandria. - Je länger Quintus hier zubrachte, desto größer wurden seine Augen und seine Bewunderung. Zu schade, dass es diesen Latinern gelungen war, sich auch dieses herrliche Fleckchen Erde unter den Nagel zu reißen: Die Ptolemäer hatten doch alles so schön gemacht - ob das unter römischer Herrschaft dauerhaft so bleiben würde?


    Solche Gedanken beschäftigten den Verginier auf seinem Weg zum Museion Alexandrias. Als er sich allerdings endlich bis zum Vorraum mit den Schreibern durchgefragt hatte und noch einen Moment lang zögernd vor der Türe stand, war er schon wieder damit beschäftigt, sich die Sätzchen in Erinnerung zu rufen, die er sich zurecht gelegt hatte. Nachdem ihm das mehr schlecht als recht gelungen war, trat er schließlich ein.


    "Chairete allerseits! Mein Name ist Quintus Verginius Mamercus, und ich bin aus Italia hierher gekommen, um mich bei den berühmten griechischen Ingenieuren in ihrer Kunst ausbilden zu lassen. Kann mir hier jemand weiterhelfen?"


    Erwartungsvoll blickte er in die Runde.

  • Ich arbeitete mittlerweile schon seit einigen Tagen im Museion, wobei ich die meiste Zeit hier in der Schreibstube vor dem Bibliothekar verbrachte. So auch an diesem Tag, an dem ich mit der Durchsicht und Aktualisierung des Schülerverzeichnisses beschäftigt war.
    Als der Rhomäer eintrat und die versammelte Mannschaft ansprach, reagierte ich im ersten Moment erstmal gar nicht, da ich gerade versuchte einen besonders unleserlich geschriebenen Namen zu entziffern. Als ich den Namen dann endlich dechiffriert hatte und noch immer niemand wirklich auf den Fremdling reagiert hatte, sprach ich ihn an.
    "Chaire Philos. Dies ist der Tempel der Musen und wir befinden uns hier im Herzen seiner Verwaltung, da werden wir dir sicherlich weiterhelfen können." sagte ich laut in den Raum und winkte ihn herüber zu meinem Tisch.
    "Du interessierst dich also für ein Studium hier bei uns?" fragte ich dann in normalerer Lautstärke um das Gespräch in Fahrt zu bringen.

  • Es gab so gewisse Momente, in denen merkte der in dieser Hinsicht durchaus begriffsstutzige Verginier selbst, dass er sich mit seiner raubeinigen Art nicht nur Freunde machte. Sein Auftritt bei den Schreibern im Museion war einer dieser Momente. Keine Hand rührte sich zunaechst, als er sein Anliegen in Kommando-Ton vorgetragen hatte, und Quintus kam nicht umhin sich einzugestehen, dass dieselben Methoden, die ihm in der Welt heruntergekommener römischer Kneipen so viele falsche Freunde beschert hatten, in der hochzivilisierten Atmosphäre des alexandrinischen Museions womöglich Abscheu erregten. Dies alles hätte sich Verginius auch vorher schon sagen können. Hatte er aber nicht.


    Endlich erbarmte sich doch einer der Schreiber und redete Quintus sogar sehr freundlich an. Erleichtert und ein ganzes Stück bescheidener als zuvor näherte sich Quintus auf den Wink des Schreibers hin dessen Tisch, auf dem sich Papiere und Listen befanden.


    "Chaire und danke, dass du dich meines Anliegens annimmst", fing der Verginier in geläufigem Griechisch an. "Ich wollte eben nicht so flapsig rüberkommen, wirklich nicht. Ich bin mir nur nicht ganz sicher, ob ich hier an der richtigen Stelle bin. Denn du hast Recht: Ich interessiere mich wirklich für ein Studium am ehrwürdigen Museion, allerdings in der technischen Richtung. Dafür habe ich mich schon immer sehr interessiert, aber alles, was ich so kann, ist ja doch nicht mehr als Flickschusterei. Ich brauche mehr Hintergrund und Überblick und hoffe, von den großen Leistungen hellenischer Techniker und Mathematiker profitieren zu können. Deshalb bin ich hier", bekräftigte Quintus noch einmal, um dann noch ein Wort anzufügen, das er irgendwo mal aufgeschnappt hatte und das er für besonders gebildet und daher für hier am Platze hielt: "Es geht um Systematik. Ich brauche mehr System."

  • Würde ich mich nicht seines Anliegens annehmen, hätte ich vermutlich die längste Zeit hier gearbeitet und würde mich schon bald auf der Strasse wiederfinden. Das sagte ich natürlich nicht, sondern nichte nur lediglich freundlich und hörte mir dann aufmerksam an, was er zu sagen hatte. Die unterschwellige Entschuldigung für seinen Auftritt quittierte ich lediglich mit einem weiteren Nicken, denn ich wusste, dass hier schon ganz andere ganz anders reingestürmt waren.
    Als er sein Anliegen vorgetragen hatte, schaute ich ihn kurz an, ehe ich etwas erwiderte, denn da ich diese Arbeit ja noch nicht lange machte, musste ich mir erst noch schnell darüber klar werden, was genau ich eigentlich zu sagen hatte.
    "Für das Gebiet, an dem du interessiert bist, bist du hier auf jeden Fall am richtigen Ort. Die alles entscheidende Frage an dieser Stelle ist allerdings erst einmal, was genau du dir vorstellst. Willst du in die Liste der Schüler aufgenommen werden und so ein wahrhaftiger Student der Wissenschaften und Künste werden, oder willst du dir nur einige interessante Vorlesungen anhören und in der Bibliothek lesen?"
    Von seiner Antwort würde nun abhängen, wie das Gespräch weiter verlaufen würde.

  • Aufmerksam hörte Quintus den Erklärungen des Schreibers zu. Er war froh, dass nach seinem verpatzten Start jetzt zu den sachlichen Erwägungen übergegangen wurde, denn diese waren ein Terrain, auf dem er sich eigentlich ganz wohl fühlte.


    "Was würde es denn bedeuten, wenn ich mich in die Liste der Schüler aufnehmen lassen würde? Und welche Voraussetzungen bräuchte ich? - Ich meine, griechisch kann ich ganz gut, aber ich bin römischer Bürger und habe kein alexandrinisches oder sonstwie hellenisches Bürgerrecht."


    Außerdem hatte Quintus auch kaum Geld, aber das wollte er denn doch nicht so offen sagen. Er hoffte, dass der Schreiber von sich aus auf das Thema Kosten zu sprechen kommen würde.

  • Mein Blick wanderte unwillkürlich auf meinen Tisch, wo noch immer das Schülerverzeichnis auf die weitere Bearbeitung wartete und innerlich grinste ich es an, denn es musste noch etwas warten, ehe ich mich wieder darum kümmern konnte.
    "In erster Linie würde es bedeuten, dass ich deinen Namen in die Liste schreiben würde und dass du dich dann einen Akroates des Museions nennen darfst. Darüber hinaus gehen damit natürlich auch Rechte und Pflichten einher. Unter anderem steht dir dann ein Schlafplatz in der Unterkunft der Akroatai zur Verfügung und du hast vollen Zugang zu allen Einrichtung des Museions. Und im Gegensatz zu einfachen Gasthörern müssen die Akroatai natürlich im Zuge ihrer Studien auch Leistungen erbringen." sage ich.
    "Die Voraussetzungen sind recht simpel. Du solltest eine zivilisierte Sprache sicher sprechen, verstehen und auch schreiben können." Damit meinte ich natürlich Koine oder besser noch das Attische und nicht die Sprache der Rhomäer.
    "Die Bedingung des Bürgerrechts kannst du ganz einfach erfüllen, wenn du, wie du sagst, ein Bürger der Polis Rom bist, denn dann steht es dir zu, dich als Proxenios in die Bürgerliste eintragen zu lassen. Dafür müsstest du allerdings den ehrenwerten Gymnasiarchos aufsuchen." Über das Thema Geld sprach ich nicht, denn dafür war ich noch viel zu weit unten in der Hierarchie des Museions.

  • Aufmerksam hatte Quintus den Antworten des Schreibers auf seine Fragen zugehört, und er musste sich sagen: Dieser Schreiber da vor ihm hatte wirklich Ahnung! Der Verginier kam mit dem Tempo kaum mit, um all die neuen Informationen in seinem Kopf erst einmal auszuwerten. Schließlich hatte er sich aber doch einigermaßen besonnen: "Danke für Info mit der Proxenie! Da werde ich mich bald mal an den Gymnasiarchos wenden." Immerhin wusste Quintus in seiner neuen Heimat schon so ungefähr, was ein Gymnasiarchos war und was unter seine Zuständigkeit fiel.


    Damit war das Thema des Bürgerrechts erledigt. Aber es blieben noch eine ganze Reihe von anderen Punkten zu klären. Die "Rechte" eines Akroates, die der Schreiber dem Verginier gerade genannt hatte, nämlich Schlafplatz und Unterkunft, klangen natürlich verlockend, wenn man wie Quintus kaum Geld hatte. Aber was war mit den "Pflichten"? "Griechisch kann ich, wie gesagt, ziemlich gut" - sicher noch ausbaufähig, aber für den Anfang würde es mehr als reichen. "Du sprachst aber auch von Leistungen, die die Akroatai erbringen müssen. Welche wären das denn? Und gibt es eine bestimmte verpflichtende Studiendauer?" Der Verginius hatte zwar aufgeschnappt, dass die Schüler des Museions ein mehr oder weniger gemeinsames Leben führten, zu dem sicher auch bestimmte Regeln des Zusammenlebens gehörten. Seine Frage zielte allerdings mehr darauf ab, ob er hier bestimmte Studienleistungen würde erbringen müssen, also z.B. Kompilationen anfertigen. Dazu hätte Quintus durchaus Lust gehabt; ihn beschäftigten aber vorher noch zwei andere Dinge: "Weißt du, die Studiendauer ist für mich auch deshalb so wichtig, weil ich wissen muss, wieviel mich so ein Studium hier kosten würde. Und kann ich denn beim Studium auch eine mathematisch-technische Richtung einschlagen?" Der Verginius befürchtete nämlich, hinterher doch nur wieder Homer und Hesiod lesen zu müssen, wie als Knabe.


    Das waren jetzt ganz viele Fragen auf einmal; Quintus merkte es selbst: "Du, entschuldige, dass ich dich hier Löcher in den Bauch frage, aber ich bin halt neu hier in Alexandria und gerade erst noch dabei hier Fuß zu fassen und - aber ich will dich jetzt nicht mit meiner Lebensgeschichte langweilen. Also, wenn du willst, würde ich dich gerne einmal auf etwas zu trinken einladen. Hast du Lust?"


    Aber erst hoffte Quintus natürlich noch auf eine weitere kompetente Beantwortung seiner Fragen. :D

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