Die Schlafräume der Akroatai


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    In verschiedenen Häusern rund um das große Museiongebäude angeordnet, liegen die Schlafräume der Studenten. Es ist meist ein schmuckloser, dennoch farbenprächtig bemalter Raum mit großen Fenstern, die mit hohen Fensterläden des Nachts oder mehr am Tage verschlossen werden können. Zahlreiche Lager, ein Dutzend für jeden Raum, sind hier eingerichtet. Der Boden besteht aus Stein, verschiedenster Farben, der doch so zahlreich in dieser Provinz abgebaut wird. Doch hier nächtigen meistens nur die Schüler, die nicht aus den reichen und prominenten Familien Alexandrias oder der hellenisch-römischen Welt entstammen, denn diese bewohnen meistens deutlich komfortablere Räume. Doch auch diese Schlafräume sind von der Wohnlichkeit weit über den eines normal verdienenden Bürger der Stadt, was den Komfort und die Sauberkeit angeht. Selten, und meist nur in der tiefen Nacht, kehrt hier wirklich Ruhe ein, denn unter den lebhaften Studenten, derer es doch zahlreich im Museion gibt, pulsiert das Leben und sie stellen das schlagende Herz der Schule dar.


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    ~~Tychios von Chalkis~~


    Ein leises Raunen drang von dem Saal als der Bibliothekar mit seinem jungen Schützling durch den Flur des Nebengebäudes marschierte. Seine ledernen Schuhe pochten leise auf dem Stein, der Stoff seines Gewandes raschelte dezent, doch wurde dies von dem Knurren eines bedrohlich klingenden Ungetier von der Nähe eines Fensters übertönt. „Der Garten von Aristias liegt hinter dem Gebäude. Du musst wissen, er widmet sich der Chimärenforschung. Sehr interessant, aber bis jetzt leider noch unnütz.“ Tychios zuckte bedauernd mit der Schulter und trat in den Schlafsaal hinein. Einige Schüler saßen auf einem der Nachtlager und starrten gebannt auf ein Papyrus in ihrer Hand. „Das ist der Wahnsinn.“, raunte einer. „Psst!“, flüsterte ein Andere schnell und stupste dem, der das Papyrus in der Hand hielt, heftig mit dem Ellbogen in die Seite. Schnell sahen die jungen Männer von ihrer Beschäftigung auf. „Epistates, Chaire!“, grüßte einer der jungen Männer, der wirre braune Locken hatte, die ihm tief in die Stirn hingen, geistesgegenwärtig den Bibliothekar und stand dabei sogar auf.


    Hastig folgten die Anderem dem Beispiel. Dabei stolperte der mit dem Papyrus in der Hand und es entglitt ihm. Sanft flog das Stückchen Pflanze, was zu einem beschreibaren Stück Papyrus geschaffen worden war, bis vor die Füße des Bibliothekars. Entsetzen zeichnete sich auf dem Gesicht der Akroatai ab. Die Augen des Bibliothekar wanderten nach unten und seine Fußspitze setzte sich auf das Papyrus. „Studien von euch?“ Der Bibliothekar widmete dem Stück 'Papier' jedoch keine weitere Aufmerksamkeit. Doch wer genau darauf sah, denn die bemalte Oberfläche starrte nach oben, würde sofort eine akribisch und womöglich künstlerisch nicht sehr wertvolle, aber umso detailreichere nackte Frau auf dem Papyrus gemalt sehen. „Hebe das doch bitte auf, Nikolaos.“, meinte er zu dem neuen Akroates. „Meine Herren, ein neuer Student. Ich erwarte, dass ihr ihn angemessen aufnehmt.“ Der Bibliothekar sah zu Nikolaos. „Ihr könnt euch sicherlich noch selber bekannt machen. Was ist auf dem Papyrus?“, fragte der Bibliothekar ohne darauf zu achten, ob Nikolaos dieses wirklich aufgehoben hatte.





  • Mit einem etwas mulmigen Gefühl trat Nikolaos hinter dem Epistates in den Schlafraum ein. Er sah sich um und versuchte, zu einzelnen seiner zukünftigen Mitschüler Blickkontakt aufzunehmen, doch sie blieben abweisend. Alle schienen älter zu sein als er selbst. "Chaire", sagte er tonlos und versuchte, seine Aufregung zu unterdrücken. Er fühlte sich angestarrt und misstrauisch beäugt. Er fürchtete, als eine Art Protegé des Epistates und zudem als jemand, der einige Jahre jünger war könnte er es schwer haben, das Zutrauen seiner Mitschüler zu gewinnen. Was ihm in diesen Moment davor bewahrte, starr stehen zu bleiben und kein Wort mehr herauszubringen war gewiss die Tatsache, dass er für sein Alter bisher viel erlebt hatte, wahrscheinlich viel mehr als alle seine zukünftigen Mitschüler zusammen. Etwas kurios kam ihm vor, dass er jünger war als sie, aber zugleich bereits ein Amt in der Polis inne hatte. Er hoffte, er würde nicht gleich darauf angesprochen werden. Als der Epistates ihn anwies, das Papyrus aufzuheben, sah er zum Boden hinab, regte sich jedoch nicht, als hätte er die Worte des Epistates nicht verstanden. Auf die Frage hin, was die Zeichnung darstellte, meinte er ohne Ironie und mit ernsthaftem Gesichtsausdruck: "Es scheint sich dabei um eine Studie zur Anatomie des Menschens zu handeln." Natürlich wusste Nikolaos, dass es wohl eher eine Wichsvorlage war, doch aufgrund seines unschuldigen Gesichts und seiner zarten Erscheinung fiel es ihm nicht schwer, den Unbedarften zu spielen.

  • Nun wanderte doch der Blick des Bibliothekars zu Nikolaos. Ein starres Verblüffen zeichnete sich auf den Gesichtszügen des älteren Mannes ab, als er erblickte, dass der junge Mann nicht seiner Anweisung nachgekommen war. Schlagartig war jegliche, und tatsächlich vorgetäuschte, lehrerhafte Güte von ihm abgefallen. Eine durchdringende Kälte trat in seine Augen und sie schienen Nikolaos zu durchbohren mit einer unaussprechlichen Wut, die jedoch sich nur in seinen Augen manifestierte. Einen Augenblick lang war der Bibliothekar wie erstarrt. Die anderen jungen Männer scharrten mit den Füßen und warfen Nikolaos feindselige Blicke zu. Der unschuldige Ausdruck half Nikolaos in dem Moment auch nicht weiter.


    Mit einem Fingerschnippen winkte der Bibliothekar einen besonders jungen Schüler heran, der hastig heran trat. „Hebe Du es auf. Mir scheint, Nikolaos ist sich zu fein, meinen Anweisungen zu folgen.“ Starr und ohne den Blick von Nikolaos abzuwenden sprach der Bibliothekar die Worte. Der junge Mann sah von Nikolaos, dann zu dem Bibliothekar und zu den anderen Schülern. Langsam bückte er sich und hob mit zittrigen Händen das Papyrus auf und reichte es dem Bibliothekar. Dieser warf nur einen kurzen Blick auf die 'Studie' und zerriss es mit einer heftigen Bewegung. Verächtlichen Blickes warf er das Papyrus zur Seite. „Räumt diesen Schund weg. Über eine angemessene Strafe werde ich noch nachdenken.“, sprach der Bibliothekar an die Schüler gewandt. Er warf Nikolaos noch einen kühlen Blick zu, welcher wenig Wohlwollen zeigte und drehte sich um.


    Wie eine beleidigte Majestät rauschte der Bibliothekar hinaus. Erst als die Schritte verhallt waren, rührten sich die anderen Schüler. Der scheinbar Älteste von ihnen löste sich aus der Gruppe. Mit weiterhin feindseliger Miene ging er auf Nikolaos zu. Seine dunkelbraunen Augen, die von dunklen schwarzen Locken umrahmt wurden sahen Nikolaos abweisend an. „Ein Neuer also? Wir haben hier einige Regeln und alle Neuen haben sich daran zu halten. Oder sie müssen ein sehr, sehr schwieriges Leben hier ertragen.“ Nur eine Hand breit blieb der junge Mann vor Nikolaos stehen. „Erste Regel: Du befolgst alles, was wir Dir sagen. Besonders bei mir, weil ich hier der Älteste bin. Verstanden?“

  • Nikolaos fand sich in seinen Befürchtungen bestätigt. Nette Kameraden, dachte er mit innerlichen Ärger. Er war froh, aufgrund seiner Tätigkeit als Archont einen Vorwand zu haben, sich nicht ständig hier aufhalten zu müssen. Doch was sollte er nun antworten? Im ersten Moment wollte er den unfreundlichen Schüler mit Spott gewissermaßen überschütten, doch er wußte, daß das nicht gut für ihn sein würde. Dennoch verspürte er kein besonderes Bestreben, sich unterwürfig zu zeigen. Nun da er sich auch das Wohlwollen des Bibliothekars offenbar verspielt hatte, übrigens unbeabsichtigt, er war einfach nicht in der Lage gewesen, das Papier aufzuheben, da er in diesem Moment wie gelähmt gewesen war, (was natürlich der Bibliothekar nicht wissen konnte), hatte er nicht viel zu verlieren. "Es kommt natürlich darauf an, wie sinnvoll es ist, worum du mich bittest. Wenn es in meinen Augen sinnvoll ist, werde ich selbstverständlich deinen Bitten nachkommen." Er hatte das Wort Bitten stark betont. Um seinen Mund zeichnete sich ein Lächeln ab, das zwar spöttisch war jedoch nicht unfreundlich, doch sein Blick war eisig. "Ich glaube schon, daß ich verstanden habe, was du meinst. Allzu undeutlich hast du dich ja nicht ausgedrückt." Oh, da hatte sich Nikolaos wohl in seiner Unverschämtheit zu weit hinausgelehnt. Er betrachtete seinen neuen Mitschüler prüfend und erwartete, jeden Moment eine Ohrfeige zu erhalten. "Verzeihe mir, wenn meine Worte unverschämt klingen, natürlich weiß ich deinen Status als Ältester zu achten." Diesmal hatte Nikolaos sich bemüht, jeden Spott aus seiner Stimme fernzuhalten, doch ein wenig Rest-Spott war übrig geblieben.

  • Braune, ja fast schwarze Augen wollten sich schier in Nikolaos hinein bohren. Die Mundwinkel des älteren, jungen Mannes verzogen sich spöttisch nach unten und ein Schnauben löste sich aus seiner Kehle. „Hört, hört, Jungs. Meinen 'Bitten' kommt er selbstverständlich nach. Ha, das will ich doch meinen.“ Der Ältere runzelte die Stirn und stierte weiterhin Nikolaos an. Nach einer Weile des unangenehmen Schweigens, in der die Musterung fortgesetzt wurde, zuckte der junge Mann mit den Schultern und wandte sich mit einem abfälligen Gesichtsausdruck ab. Seine Hand klopfte kräftig auf den Rücken jenes schlaksigen Jungen, der von dem Bibliothekar verdammt worden war, das Papyrus aufzuheben. „Na, Xenokles, es scheint, dass Du das Los der Nieten und Versager im Museion nicht mehr teilen musst. Wir haben ja jemand anderes Neues...obwohl...? Na, egal...“ Wie ein Hahn stolzierte der 'Älteste' aus dem Schlafsaal, im Schlepptau seine 'Gefolgschaft'. Nur Xenokles blieb zurück, der mit einem finsteren Blick auf die anderen Schüler auf eines der Betten herunter sank. Erst als die Anderen draußen waren, sackten seine Schultern etwas nach unten, doch unverhohlene Feindseligkeit stand in seine Augen geschrieben, was jedoch schwand als er den Blick auf Nikolaos richtete. „Cha-...Cha-....Chhhai-..re!“ Xenokles biss sich kurz auf die Lippen ehe er sich weiter abmühte. „Ich...b-..b-...bin...Xe-...Xenokles.“ Sein Stottern war unüberhörbar. „Und D-...D-...Du?“





    AKROATES - MUSEION

  • "Chaire", antwortete Nikolaos freundlich. "Ich bin Nikolaos." Er lächelte seinem Mitschüler Xenokles zu. Xenoklles, dieser Name beinhaltete das Wort fremd, und so kam ihm dieser Mensch unter den anderen auch vor. Nikolaos schien nicht allein zu sein. "Es freut mich, dich kennenzulernen. Bei deinen Kameraden war das eher nicht der Fall." Er lächelte aufmunternd. "Kannst du mir einen Platz zeigen, der hier noch frei ist, ich würde gerne meine Sachen ablegen." Er deutete auf den ausgebeulten Lederbeutel, den er immer noch über der Schulter trug. "Ist der, der sich für den Ältesten hält, immer derartig widerlich in seinem Verhalten? Und die anderen, laufen sie dem "Ältesten" einfach hinterher oder haben sie zumindest teilweise soetwas wie eine eigene Meinung?" Diese Fragen war beinahe rhetorisch, Nikolaos konnte sich nicht vorstellen, dass der "Älteste" je anders sein konnte und dass die anderen je seine "Autorität" infrage stellten.

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    ~~ Xenokles ~~


    Nervös verschränkten sich die langen Finger des schlaksigen jungen Mannes ineinander. An den Rändern seiner Fingernägel konnte man deutlich die Spuren von unentwegtem Nagen erkennen, die Fingernägel erschienen abgebissen, etwas rissig und auch stumpf. Am Handgelenk offenbarten sich einige Kratzspuren, die wenigen 'Makel', die der junge Mann von seinem Äußeren offenbarte, übersah man erst mal sein Stottern. „E-...ein...P-...P-...Pla-“ Er atmete tief ein und brachte schnell hervor: „Platz...ja!“ Er stand fahrig von dem Lager auf und zupfte unbehaglich an seinem Gewand herum, sah dabei in der Unterkunft herum bis er schließlich auf ein Nachtlager zwei Betten von einem großen Fenster entfernt deutete. „Da...da ist...fr-...frei!“ Einen Moment lang musterte Xenokles schweigend den Lederbeutel auf der Schulter von Nikolaos, sah dabei an Nikolaos vorbei. Stumm und mit verschlossenem Gesicht nickte er, nach einigen Sekunden nickte er noch mal und holte Luft, als ob er etwas gewichtiges von sich geben wollte. Doch nur ein Flüstern kam aus seinem Mund. „Ja..im-..im-...immer. D-...d-...die And- Anderen find-...finden ihn wohl toll. Ab-...aber d-...das wird er bereuen.“ Seine dunklen Augen fixierten grimmig einige Kacheln am Boden ehe er aufsah und schnell ein entschuldigendes Lächeln auf sein Gesicht holte. „B-...b-...bist D-...D-...Du...d-...d-der neue Lieb-...Liebling vom Alten?“





    AKROATES - MUSEION

  • Nachdem ihm der Junge den freien Schlafplatz gezeigt hatte und Nikolaos dort seine Sachen deponiert hatte, bedankte er sich. Dabei bemühte er sich, das Stottern des Jungen einfach zu überhören. Doch nicht nur das Stottern, auch das übrigen Verhalten von Xenokles kam ihm sehr eigenartig vor. Offenbar hatte der arme Kerl sehr unter den anderen, insbesondere unter dem "Alten", zu leiden. Nikolaos hoffte inständig, dass es ihm selbst nicht so schlimm ergehen würde. Er sah Xenokles tief in die Augen. "Wie meinst du das, dass er es bereuen wird?", fragte er freundlich, fast sanft und legte Xenokles vorsichtig die Hand auf die Schulter. Auf Frage bezüglich des Epistates schüttelte Nikolaos den Kopf und lachte, leise und tief. "Vielleicht war ich sein Liebling, doch jetzt scheint er mich nicht mehr zu mögen." Er lächelte.

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    ~~ Xenokles ~~


    Nicht lange vermochte Xenokles den Blick von Nikolaos stand zu halten. Dann wandte er die Augen von Nikolaos ab und musterte mit scheinbar größtem Interesse einen dunklen Fleck auf der weißen Wand des Schlafsaales, die an manchen Stellen mit Graffitis ehemaliger Schüler 'verschönert' war, selbst wenn so manch eine scheinbar vor kurzem abgewaschen worden war und nur noch sachte auf dem weißen Hintergrund schimmerte. „Die Götter werden sie schon strafen. All jene Menschen die Böses tun. Da bin ich sicher.“ Seine Augen verschmälerten sich einen Augenblick, dann sah er zu Nikolaos und lauschte seinen Worten. „Wegen dem eben?“, fragte Xenokles. „Ach, nein. Wenn er Gefallen an Dir gefunden hat, dann wird so was kleines das nicht trüben können. Der Bibliothekar ärgert sich sehr schnell, aber das darfst Du nicht allzu ernst nehmen. Er mag gegenüber den Gelehrten und vielen Schülern unverzeihlich vorkommen, aber bei einem wie Dir...“ Xenokles verstummte schnell. „Aber das ist eigentlich egal. Trotzdem solltest Du Dich auch vor dem Bibliothekar in Acht nehmen.“ Xenokles nickte ernsthaft und seine dunklen Augen glommen kurz wieder vor einem tief in ihm verwurzelten Ingrimm.





    AKROATES - MUSEION

  • "Ich danke dir für deinen Rat.", meinte Nikolaos und suchte den Blick seines Gegenübers, der offenbar vor ihm geflohen war. Schließlich gab Nikolaos es auf. Er wollte den schüchternen Mitschüler nicht bedrängen. Ihm fiel auf, dass der Junge das Stottern abgelegt hatte. "Wielange bist du hier schon Schüler, Xenokles?", fragte Nikolaos sanft, um das Gesprächsthema zu wechseln, denn offenbar war es Xenokles unangenehm, über seine Mitschüler und den Bibliothekar zu reden.

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    ~~ Xenokles ~~


    Etwas verdutzt sah Xenokles auf und zu dem neuen Schüler am Museion. Hatte er sich gar grade bei Xenokles bedankt? Das war der junge Mann nicht gewohnt und war deswegen durchaus verblüfft. Aber überhaupt, neben der Tatsache dieser Geste, war Xenokles erstaunt, dass der Schüler so lange mit ihm sprach und sich nicht bereits über sein Stottern lustig gemacht hatte. Xenokles ließ es sich noch nicht anmerken, aber Nikolaos stieg auf seiner Rangliste nach oben. „Seit-..-t...d-...d-...d-...drei Jahren.“, brachte er hervor. Zu gerne hätte Nikolaos noch einige andere Dinge erzählt, wie er hier her kam, warum sein Vater ihn ins Museion abgeschoben hatte, doch es war einfach zu anstrengend für den jungen Mann zu lange zu sprechen. „W...w-...was w-....w-...willst D-...Du gerne lernen? B-...b-...bist D-...Du frei-...freiwillig hier?“





    AKROATES - MUSEION

  • Freiwillig hier? Zuerst überraschte Nikolaos die Frage. Dann aber fiel ihm ein, dass es eher die Ausnahme als die Regel war, wie er keinen Vater zu haben, der einen zum Aufenthalt in solchen Institutionen wie dem Museion zwingen konnte. Auch eher eie Ausnahme war wohl Nikolaos Wissbegierigkeit, für die er sich freiwillig ins Museion gegeben hatte, trotzdem er schon von Anfang an wusste, dass sein Leben hier nicht angenehm sein würde. Doch mangels anderer Zukunftsperspektive (zumindest in diesem Moment) hatte er beschlossen, Gelehrter zu werden. Und auch wenn er selbst um seine eigene Unstetigkeit wusste, war er davon überzeugt, dass er dieses Unternehmen weiterführen würde. Schon beim ersten Betreten des Museions hatte er eine eigenartige Faszination gespürt, die ihn ergriffen hatte.
    "Ich habe vor, eine tiefere Kenntnis meiner eigenen Sprachen, dem Attischen und der Koiné, sowie der Sprache Homers zu erlangen. Außerdem bin ich hier, um Kosmologie, Musik, Rhetorik, Arithmetrik und Geometrie zu lernen." Er machte eine kurze Pause und versuchte Xenokles Gedanken dazu zu erraten. "Ich bin freiwillig hier. Du etwa nicht?" Er sah Xenokles vorsichtig in die Augen. Er hatte diese Frage mit Bedacht und behutsam gestellt, da er der Meinung war, dass Xenokles sehr schüchtern und sehr schreckhaft war. Trotzdem (oder gerade deshalb) begann Nikolaos seinen Mitschüler über die Solidarität durch den gemeinsamen Gegner (die anderen Mitschüler, insbesondere deren "Anführer") hinaus zu mögen.

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    ~~ Xenokles ~~


    Die Verwunderung in Xenokles war nur noch minder groß. Zwar verstand er diese Wissbegierde nicht, konnte sie noch nie nachvollziehen, aber er hatte sie bei manchen der Schüler beobachten können. Seine Finger falteten sich ineinander und ständig, fast nervös tickhaft drehten sich seine Daumen umeinander. Erst nach vorne, dann nach hinten, wieder nach vorne und zurück. „Frei-...Freiwill-...willig?“ Xenokles schüttelte bestimmt den Kopf. „Mein...Va-...Vat-...Vater hat mich her-...her-...geschickt.“ Dass sein Vater sogar ein Politiker der Stadt war, ein begnadeter Redner, ein großer Demagoge und ein einflussreicher Mann, das vermochte Xenokles nicht in Worte zu fassen. Denn von seinem Vater trug er davon nichts in sich. „Er will d-...d-.....d-.....d-....das ich, d-...d-...die Rheto-...to-....to-...rik lerne.“ Wie hoffnungslos das war, musste Xenokles wohl kaum erklären. „Und...and-...de-....deres.“ Xenokles seufzte leise auf. Es war aber auch besonders schlimm für ihn, weil er sich kaum ausdrücken konnte und lange brauchte. Wenn er stotterte, lachten zudem die anderen Schüler und Xenokles konnte kein weiteres Wort mehr formulieren. Somit auch kein einziges Mal den Anforderungen der Lehrer gerecht werden. Doch sein Vater gab nicht auf. Wenn Xenokles das mit einem Blick hätte ausdrücken könne, er hätte all das seinem neuen Mitschüler erklärt. Doch so zog er nur eine frustrierte und deprimierte Miene. „Möcht-...te-...te-...st D-....D-...Du d-...d-...d-...das Museion sehen?“





    AKROATES - MUSEION

  • Rhetorik? Dieser Junge sollte Redner werden? Nikolaos fragte sich innerlich, was für einen vom Ehrgeiz verblendeten Vater der arme Xenokles haben mochte. "Darf ich dich fragen, wer dein Vater ist? Vielleicht habe ich schon einmal von ihm gehört?" Diese Frage war natürlich nicht ganz ohne Hintergedanken, doch das ließ Nikolaos den Jungen nicht merken. Auf die Frage Xenokles, ob Nikolaos das Museion sehen wolle, meinte Nikolaos: "Sehr gerne. Dabei können wir unser Gespräch fortsetzen." Nikolaos vermutete, dass beim Umgang mit Xenokles das Beste wäre, ihm zuzuhören ohne sich an seinem Stottern zu stören. Trotz Xenokles Unsicherheit, die sicher viele abschreckte, mochte Nikolaos seinen Mitschüler.

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    ~~ Xenokles ~~



    Einer Trauerpflanze gleichend saß der junge Hellen auf dem Bett und ließ die Schultern hängen. Mit ebenso nach unten gezeigten Mundwinkeln hob er den Kopf und sah Nikolaos nicht sonderlich erstaunt bei der Frage an. „D-...D-....Damophon Ask-...Ask-...Asklios. So...ist sein Name. K-...K-...Kennst D-...D-...Du ihn?“ Die Familie Asklios war nicht unbedeutend, aber auch nicht von sehr hohem Rang in der Welt der Politik. Aber aufstrebend und ehrgezeizig wie man behauptete. Doch schon erhob sich Xenokles. „G-...G-...Gut. Ich zeig-...g-...ge es D-...D-...Dir.“ Eilends verließ Xenokles den Raum. Seine Sandalen schabten stets ein wenig über den Boden und verursachten ein schlurfendes Geräusch. Ebenso schludrig war die Haltung des jungen Mannes. Doch eifrig war Xenokles dabei seinem Mitschüler Nikolaos durch das Museion zu führen. Von der Parkanlage zu den zahlreichen Nebengebäuden. Die 'geheime' Pforte, wo selbst des Nachts sich noch die Schüler des Museion hinein schleichen konnten, sollte sie mal ein wenig länger gefeiert haben. Auch so manch ein Gelehrte nutzte wohl den Weg. Denn, wie Xenokles mit zahlreichem Stottern erläuterte, der Bibliothekar hasste die Trunkenheit und den Wein bei seinen Gelehrten, aber genauso bei den Schülern. Ansonsten redete Xenokles nicht viel über den Bibliothekar und die anderen Schüler, sondern zeigte lieber all die zahlreichen Pflanzen, deren griechische, aber auch deren ursprüngliche Namen er alle auswendig wusste. Erst am Abend als sie zu dem großen Speiseraum gingen, musste sich Xenokles wegen einer anderen Aufgabe verabschieden.





    AKROATES - MUSEION

  • Nachdem sich Antigonos des öfteren durchfragen musste, erreichte er endlich die Schlafräume der Studenten. Auch fand er jenen Raum, der ihm zugeteilt wurde. Er öffnete die Porta und trat mit hinkenden Schritt ein. „Chaire!“ Gab er zaghaft von sich und suchte zugleich ein freies Bett. Nachdem er seine wenigen Habseeligkeiten verstaut hatte, drehte er sich zu einer Gruppe von Mitbewohnern, welche ihm schon neugierig betrachteten. „Freut mich euch kennen zu lernen. Man nennt mich Antigonos Athenaois.“

  • Auf seinem Bett hockte Nikolaos. Er war offenbar in einen Stapel loser Papyri vertieft, die vor ihm lagen und auf die er ab und an etwas mit einer Schreibfeder schrieb oder ausstrich. Als Antigonos eintrat, bemerkte er ihn zuerst nicht.
    Die Gruppe Mitschüler formierten sich hingegen zu einer Art Phalanx, als sei der Neuankömmling ein gefährlicher Feind, den es zu unterwerfen galt. Der wahrscheinlich älteste Schüler trat aus der Phalanx heraus und ging mit künstlich lässigen Schritten auf Antigonos zu. "Sieh an. Ein Neuer. Ich hoffe du bist nicht so aufrührerisch wie der kleine Nikolaos, der meint, hier den gewählten Beamten raushängen lassen zu müssen und sich einfach nicht an die Gesetze, die hier herrschen, hält. Also, mein kleiner hübscher, es gibt eigentlich nur zwei Gesetze. Ich bin der Älteste, also habe ich am Meisten zu sagen. Du gehörst zu den Jüngsten also hast du - na, kommst du darauf? Der Junge grinste. "Ich hoffe, es hat dir nicht die Sprache verschlagen, so wie dem treudummen Xenokles. Oder bist du einfach nur ungehorsam? Dann gesell dich zu Nikolaos und lasse dir sagen: Dein Leben hier wird bitter werden. Nicht wahr, meine Freunde? Wir werden schon für Zucht und Ordnung sorgen!"
    Durch die Worte des Mitschülers, den er am wenigsten mochte, war er auf den Neuankömmling aufmerksam geworden. Er legte seine Notizen beiseite und ging auf ihn zu. "Chaire. Ich bin Nikolaos. Es freut mich, dich kennenzulernen. Und lass dir von denen- " Er warf der Phalanx und auch und vor allem dem Ältesten vernichtende Blicke zu. "-nicht allzu viel sagen."

  • Antigonos lernte schon bald das Heilige Bataillon der Phalanx kennen und grinste. Er hinkte zu deren Anführer und musterte ihn unverhohlen. „Die zehn goldenen Regeln des Museion kenne ich bereits… und in keiner davon steht, dass du mir in irgendeiner Form Weisungsberechtigt wärst…“ Er schüttelt seinen Kopf langsam und lachte dabei laut los. „Das dort ist Nikolaos? Das trifft sich gut! Mein Onkel, Theodoros Alexandreus, hat ihn zu meinen Tutor bestimmt. Nikolaos Feinde sind meine Feinde und meine Feinde sind die Feinde meines Onkels… na, kommst du drauf?“ Meinte er nachäffend und gab seinem Gegenüber einen kleinen schupps. So, der Anfang wäre getan. Jetzt gab es nur noch zwei Optionen. Entweder würden sie weichen oder die List durchschauen und Antigonos ins Verderben reißen. Mögen die Götter ihre schützenden Hände über den Griechen halten. „Chaire! Mich freut es umso mehr, Nikolaos. Theodoros meinte, du sollst mein Tutor sein. Ich hoffe du hast nichts dagegen?“ Er grinste und schielte zur Phalanx.

  • Schon der zweite respektlose Neuling in so kurzer Zeit! Der Älteste der Schüler warf Antigonos einen vernichtenden Blick zu. Doch durch den Namen des Übergangs-Epistates ließ er sich leicht einschüchtern. Er machte kehrt und seine Vasallen folgten ihm ohne den Neuen nur noch eines weiteren Wortes oder Blickes zu würdigen.
    Nikolaos blieb bei Antigonos. "Natürlich nicht. Ich fühle mich vielmehr geehrt." Nikolaos lächelte, etwas verlegen vielleicht, doch er fasste sich schnell wieder. Den verkrüppelten Fuß des Antigonos hatte er erst bemerkt, als dieser auf den Affen, wie Nikolaos den Ältesten für sich nannte, zugehinkt war. Dieser Fuß störte jedoch Nikolaos nicht. Besser schien es ihm am Körper verkrüppelt zu sein als am Geist, und er meinte damit nicht arme Seelen, die die Tollheit gepackt hatte, sondern solche Leute wie den Affen, die so intelligent noch waren, um sich für intelligent halten zu können, im Grunde doch aber Seelenkrüppel waren.
    Er blickte Antigonos tief in die Augen. "Ist Theodoros wirklich dein Onkel?", fragte er sanft lächelnd.

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