Erste Erkundungen nach dem "Hund"

  • Da Nikolaos keinen anderen Anhaltspunkt hatte als den Decknamen des geheimnisvollen Mannes, blieb ihm nichts anderes übrig, als sich schlicht bei verschiedenen Menschen nach einem Canis zu erkunden. Den wenigen Männern der Stadtwache, die er für ersten Nachforschungen als Werkzeug gebrauchte (oder besser missbrauchte), hatte er erklärt, bei diesem "Canis" handle es sich vermutlich um einen Trickbetrüger, von dem ihm vertrauenswürdig scheinende Zeugen und Opfer in Rhakotis erzählt hätten. Natürlich konnte Nikolaos nicht mit großen Mannschaften der Stadtwache durch Rhakotis laufen, um nach Canis zu suchen. Daher fragte er einen Mann der Stadtwache, der sich anscheinend in den finsteren Ecken der Stadt gut auskannte, wo er auf Leute träfe, die ihrerseits viele Leute kannten. Er wurde in ein kleines schäbiges Wirtshaus verwiesen, was am westlichen Rande des Rhakotis -Viertels lag. Er plante seinen Besuch ähnlich wie den in der schäbigen Baracke, von deren Sorte es soviele in Rhakotis gab, dass sich keiner der wenigen Wachen an sie erinnern konnte.


    Nun stand er, in gewohnter Verkleidung, allerdings etwas variert, er trug jetzt zu dem noch einen fleckigen Turban, vor dem Eingang des Wirtshauses. Er atmete tief durch und begab sich dann gewissermaßen in die Höhle des Löwens. Beim Eintreten empfing ihn dämmriges Licht und ein moderiger Geruch, vermischt mit dem sauren Gestank von Wein, der sich auf dem Weg zum Essig befand, vermischt mit dem sauren Gestank des Schweißes, der aus den Poren der nackten Rücken der schmutzigen Männer kroch, die hier saßen und ihr Elend in Wein ertranken. Auf manchem der Schöße dieser Männer kauerte ein abgemagertes, wohl viel zu junges Mädchen, das jetzt schon erschöpft und abgestumpft wirkte, oder ein dickes altes Weib, mit tiefen Ringen unter den Augen. Eine der jüngeren Huren, die gerade unbemannt in einer Ecke kauerte, kam Nikolaos wie die Verkörperung der Fames vor. Sie war mager, ihre Wangenknochen traten hart hervor. Ihr Blick war der eines Kindes, doch er war gleichzeitig wie der einer Toten. Sie grinste Nikolaos an. Ihr fehlten zwei Schneidezähne, der Rest ihres Gebisses war zerfallen, und Nikolaos bemerkte einen bestialischen Gestank, der ihrem Mund entflog. Angewidert wandte er sich ab. Ein bärtiger, alter Ägypter, offenbar der Wirt, kam auf Nikolaos zu. "Was kann ich für dich tun?", fragte der Wirt, in einem Ton, der unangenehm glatt und von aufgesetzter Freundlichkeit war. "Ich suche einen Mann, den man Canis nannt.", antwortete Nikolaos.

  • "Kenn ich nicht", antwortete der Wirt und zog deutlich zu hören Rotze in der Nase hoch. "Sollte ich das?", fragte der Wirt und sah Nikolaos feindselig an. Jegliche gespielte Freundlichkeit schien vom Wirt gewichen. "Ich dachte, du könntest ihn vielleicht kennen." Nikolaos machte Anstalten, zu verschwinden. "Doch du scheinst ihn ja nicht zu kenne, ansonsten hättest du mir sicher geholfen." Diesen Satz hatte Nikolaos besonders betont, da er aus einer unbestimmten Ahnung heraus vom Gegenteil ausging. Der Wirt schnäuzte sich und spieh Schleim auf den schmutzigen Lehmboden, nur einen Fuß von Nikolaos Füßen entfernt. Nikolaos wandte sich zum Gehen. "Wart, wart.", nuschelte der Wirt, jetzt wieder in einem kriecherischen Tonfall. "Ich kann dir nicht helfen, aber Nofrin kann dir helfen, wahrscheinlich." "Wer ist Nofrin?", frage Nikolaos misstrauisch. Er vermutete aufgrund des vorigen Verhaltens des Wirtes, dass dieser ihn zu jemanden schicken würde, der sicher nie etwas von einem Canis gehört hätte." "Nofrin macht`s dir für fünf Drachmen.", sagte der Wirt. Nikolaos verstand. "Ich bring dich hin, zu Nofrin. Wohnt gleich über dem Laden hier." Der Wirt nahm, was Nikolaos sehr unangenehm war, den verkleideten Strategos bei der Hand und zog ihn fast gewaltsam zu einer Türöffnung hinter dem Tresen des Gasthauses, hinter der, im Halbdunkel, eine steile Treppe aus brüchigem Lehm lag.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!