• Auf einem typischen Handelsschiff, das auch Passagiere mitnimmt - teuer aber mäßig im Konfort, mit dreckigen Hängematten zwischen der Fracht im Laderaum, laut schreienden Matrosen und schlechtem Essen wie es eben Allgemein üblich ist, wacht Theodorus eines Morgens auf. Er hat einen schalen Geschmack im Mund, Kopfweh und schmerzende Gliedmaßen vom wenigen Schlaf in unbequemer Haltung und ist über und über mit Dreck, Schweiß und dem unvermeidlichen Salz des Meeres verklebt, was in der brütenden Hitze des Tages mehr als unangenehm zu werden pflegt, jetzt, in der lauen Brise des Morgens allerdings kaum stört.


    Verschlafen denkt er kurz nach, was ihn eigentlich aufgeweckt hat. Die Schiffsratten? Eine Mücke, die ihre Larven im Wasservorrat füttert? Der immerzu lautstark onanierende Kerl in der Hängematte gegenüber? Nein, eine Stimme war es, ein lautes Geschrei. Aber warum? Hat er etwa nur geträumt?


    Die Stimme erklingt noch einmal und beantwortet Theodorus' Frage:

    "Laaaand in Sicht"


    Ach ja, Richtig! Sofort springt Theodorus aus seiner Hängematte, haut sich erst einmal schmerzhaft seinen großen Zeh an, schreit kurz auf und hüpft rum, sprintet an Deck und eilt über die Planken so schnell wie möglich hin zum Bug.

    gelehrter aus alexandria- gebildet, intellektuell, tolpatschig und zerstreut

  • Vorne am Schiff stehen bereits einige Leute, aber allzu viele Passagiere sind nicht am Board, deshalb fällt es Theodorus nicht schwer, sich vorzukämpfen, wo er einen Platz gleich neben Epedemais, den dicken, geschäftstüchtigen und immerzu freundlich lächelnden phönizischen Kapitän des Schiffes findet - sehr zu Theodorus Ärger, denn eigentlich wollte er sich ganz auf das Auftauchen der Heimatstadt konzentrieren. Jetzt hatte er den stets geschwätzigen Phönizier an der Backe, der ihn auch gleich begrüßt.


    "Ah, der Herr Gelehrte! Hast du gut geschlafen?"
    "Hmm... Es geht so..."
    "Ich hoffe doch, es lag etwa nicht daran, dass die Unterkunft schlecht ist oder? Epidemais weiß doch, was er seinen Kunden schuldig ist. Nur das Beste für den Preis, kein Schwindel, keine falschen Versprechen."
    "Naja, wie soll ich sagen..."
    "Oh, jetzt mach mich aber nicht traurig, Epidemais liefert die beste Reisequalität des ganzen Mittelmeeres. Und für einen kleinen Aufpreis..."
    "Jaja, schon gut."
    "Wir erreichen übrigens bald Alexandria, in wenigen Minuten dürfte das Land auch von hier aus hervorragend sichtbar sein. Wenn du willst, kannst du es auch jetzt schon vom Masten aus beobachten, kostet nur 3 Sesterzen extra..."
    "Ich kann mich gedulden."
    "Na gut, jeder ist seines eigenen Glückes Schmied. Aber ich sage dir, die Einfahrt nach Alexandria ist stets eines der aufregendsten und imposantesten Ereignisse einer Seereise - "
    "Ich weiß, ich komme von dort."
    "Interessant. Wenn du dort einen Reiseführer brauchst, nimm Demonstratos oder Schraubzieris, das sind die besten Reiseführer der Stadt..."
    "Wie gesagt, ich wohne dort."
    "Na gut, ich sehs ja ein. Aber willst du nicht vielleicht doch noch ein paar Tage mit uns weiterfahren? Epidemais hält auch noch in Herakleion, Pelusium, Caesarea, Haifa, Seleukeia -"
    "Nein danke, das ist lieb, aber ich würde gerne wirklich..."
    "Ich verstehe. Heimweh oder?"
    "Hmmmja."
    "Oh, das kann ich gut verstehen. Dann will ich dich mal alleine lassen.
    Epidemais geht, dreht sich dann aber doch noch mal um. "Und wenn du doch noch etwas Reiselust verspürst, ich biete - "
    "Epidemais, bitte..."
    "Schon gut. Ich scheuch dann mal meine Leute herum. Viel Spaß noch."
    "Dir auch."


    Und langsam taucht am Horizont über den Wogen eine Landzunge auf...

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    Einmal editiert, zuletzt von Theodoros Alexandreus ()

  • ... Und Theodorus steht alleine am Deck und der sanfte Wind kommt von der Küste her und trägt den Duft des Landes Aigyptos mit sich. Das Hafenwasser, die Schilfstauden, der dampfende Sumpf im Morgennebel. Von Weitem bildet er sich ein, schon die Vogelschwärme über dem Mareotis aufsteigen sehen zu können und über das Schiff fliegt nach langer Zeit zum ersten Mal eine Möwe.
    Dann, langsam aber sicher, verdichten sich die Konturen der Landschaft vor ihm, die bereits den ganzen Horizont bedeckt: Dort liegen Kanopus und Heraklion, dort Menuthis und das ist Taposirtis Magna und das Taposirtis Minor. Und der große Streifen dort, das muss Alexandria sein, die strahlende Perle des Mittelmeeres, die Stadt, die niemals schläft. Seine Heimat. Und die kleine Nadel, deren Hohlspiegel soweit über das Meer hinaus blitzen, der Stern, der auch am Tage nicht erlischt, das ist der Pharos.


    Die Konturen werden immer größer und schneller als man glaubt, aber dann doch nicht schnell genug, wird das Hafenbecken sichtbar und der alte marmorne Turm steht vertraut wie eh und jeh. Die Statuen großer Könige der Vergangenheit begrüßen den Heimkehrenden und das Schiff bahnt sich seinen Weg, vorbei an den Gärten und Palästen hin zum Kai. Es ist, als habe sich nichts verändert, so nahe und vertraut ist die Stadt doch geblieben. Theodorus kostet die Szene bis zum letzten Augenblick aus.


    "So, pack deine Sachen, wir legen an." meint Epidemais, der sich unbemerkt wieder neben Theodorus gesellt hat und genauso berührt scheint wie der Alexandriner. "Man muss schon sagen, Baal muss dich lieben, dass er dir diese Stadt zur Heimat gegeben hat. Viel Glück noch weiterhin." Freundschaftlich klopft er Theodorus auf die Schulter.


    Nachdem sich Theodorus ausgiebig bei Epedemais bedankt, ihm versprochen, ihn weiterzuempfehlen und seine Souvenirangebote dankend abgelehnt hat, geht er wieder nach unten um seine Sachen zu packen. In wenigen Minuten wird er wieder den Stein unter den Füßen spüren, über den er die meiste Zeit seines Lebens gewandert ist...

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