[Zwischen Alexandria und Nikopolis] Villa Okeanos


  • Einige Minuten von der Küstenstrasse, die von Alexandria nach Nikopolis führt, liegt die Villa Okeanos. Über einen Weg gesäumt von runden Kalksteinen erreicht man die Villa, die direkt auf den Klippen und hoch über dem Meer auf einem Kalkplateau gelegen ist. Hohe Zedernbäume umsäumen die Villa und ein großer Garten verdeckt für den Reisenden in der Ferne das Haus und Anwesen.

  • Die Sonne glühte warm und mit all ihrem goldenen Schein auf das ägyptische Land herunter, wärmte die Kalksteine am Rande des Weges. Eine Walzenspinne saß auf dem hellen Stein. Ihr beigbrauner Körper zeichnete sich filigran, vielgliedrig und wie ein Bild auf dem fast knöcherfarbenem Untergrund ab. Ein Schatten fiel auf ihren Leib und schnell huschte sie unter den Stein, verkroch sich im Schutze einer Höhlung. Doch es war nicht notwendig. Nur eine Sänfte aus dunklem Zedernholz wurde an den Steinen vorbei getragenen. Die dunkelgebrannten Männer traten achtlos an dem kleinen Wesen vorbei und strebten auf das Anwesen zu. Neben der Sänfte ritt ein Mann auf einem braunweißen Maulesel, die Beine weit von dem Sattel davon gestreckt und sich immer wieder mit einem feinen Tüchlein über die fleckige Stirn wischend und die Kopfbeckung wieder zurecht rückend, die seine Glatze vor der Sonne schützen sollte. Seine Schminke war mittlerweile völlig von der Hitze zerlaufen und er seufzte leise und gequält auf. Seinen neidvollen Blicken war zu entnehmen, dass er ebenso danach scheelte in einer schattigen Sänfte getragen zu werden. Doch er ergab sich seinem Schicksal, denn das Haus kam bereits in Sicht.


    Die Hufen klapperten noch die letzten Schritte bis vor den Eingang, die Sandalen der Sklaven traten fest auf den steinigen Untergrund und das leise Rauschen des Meeres grüßte die Menschen, die die ersten ihrer Art waren, die dieses Grundstück seit langer Zeit betraten. Der Ägypter rutschte von seinem Maulesel, der garstiger Art nach dem Mann zu beißen versuchte. Demütiger Haltung näherte sich der Mann der Sänfte. „Despótis*, wir haben das Anwesen erreicht.“ Ein Sklave schlug den beigegoldenen Schutz der Sänfte zur Seite und Medeia erhob sich aus dem komfortabel ausgestatteten Gefährt. Ihr Blick huschte über das saphirblaue Meer, was sich zu den Füßen von hohen Kalksteinklippen ausbreitete und in einem kessen Spiel gegen die Wände schlug, dabei weiß aufschäumte und wieder sich ins Meer zurück zog.


    Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, denn von Lande aus betrachtete sie ganz gerne die blaue, weite See. Schließlich drehte sie sich zu der Villa um, die von einem edlen Stil war, dennoch schon seit Jahren keine pflegende Hand mehr gesehen hatte. Der Putz bröckelte an vielen Stellen herunter, der Brunnen zu den Füßen des Eingangstreppe war versandet, die marmornen Steinverzierungen verwittert und teilweise kaum erkenntlich. Ebenso wie der Wind und das Wetter mit dem Haus gespielt hatten, so suchte die Natur mit ihren Ränken, ihren Büschen und zahlreichem Unkraut danach, wieder die Oberhoheit über das Land zu gewinnen und sich die Villa einzuverleiben. Medeia betrachtete die Fassade des Einganges und sah den Ägypter fragend an. „Nun, wie schon gesagt, es wurde vor vielen Jahren leider aufgegeben, Despótis, aber es ist eine höchst stilvolle Villa, wenn ihr sie erst mal wieder renoviert habt. Und ihr wolltet doch unbedingt ein Haus außerhalb von Alexandria.“ Medeia neigte kurz den Kopf. „So ist es. Dann zeige mir doch bitte die Villa.“



    *Herrin, laut eines Lexikons. Keine Gewährleistung.

  • Feine Sandkörner waren bis in das Haus vorgedrungen. Rissige Fresken starrten Medeia entgegen als sie leichten Schrittes in den Andronitis hineintrat. Schlanke korinthische Säulen umrahmten das Rhodiacum, steinerne Efeuranken bildeten das Kapitel, doch einer der Säulen wies ebenfalls einen großen Riss auf. Eine riesige Gestalt aus tausenden kleinen bunten Steinchen sah von der Wand und einem Teil der Decke auf Medeia hinab, die Darstellung von Uranos, der sich am Boden mit Gaia aus Stein vereinte. Doch auch hier fehlten viele der Steine, die Farbe hatte an Glanz verloren und an manchen Stellen wuchsen trockene Flechten hinauf. Interessiert betrachtete Medeia die Bilder und wandte sich dann dem Ägypter an ihrer Seite zu. „Wie lange steht das Haus schon leer?“ Der Ägypter, der sich ein kleines Döschen aus einer Tasche hervor kramte, spähte auf. „Ähm, lasst mich nachdenken...ich glaub, es sind jetzt zehn Jahre, in einigen Wochen sind es genau zehn Jahre, ja!“ Medeia registrierte seine Antwort mit einem leichten Neigen ihres Kopfes. „Ein schönes Anwesen! Warum wurde es bis jetzt noch nicht verkauft.“ Langsam ging Medeia weiter und sah in die leeren verlassenen Räume um den großen Innenhof, betrachtet das Mesaulos, ein Andron, spähte zum Gegenüberliegenden Triklinium Cyzigenum und Pinacotheca. Das verlegene Hüsteln von dem Mann bemerkte Medeia dennoch. „Also, den Meisten lag es zu weit außerhalb.“ Ein Blick in das besorgte Gesicht des Ägypters genügte für Medeia um zu ahnen, dass er log.


    Doch es war Medeia egal. Sie ging weiter durch das Haus und trat durch ein großes und lichtes Thalamos. Große Flügeltüren standen offen und Medeia trat hinaus auf eine großzügige Terrasse. Zu den Füßen der Terrasse breitete sich das weite blaue Meer aus. Auf der steinernen Mauer, neben der eine Treppe die Klippen hinab führte, saß ein roter Ibis. Seinen Kopf hatte er eingezogen, den langen und gebogenen Schnabel unter einen Flügel gesteckt und schien friedlich dort zu schlafen. Der Ägypter trat mit hinaus und spähte verblüfft auf den Ibis. „Oh, ein gutes Omen, ein Ibis!“, flüsterte er, scheinbar wollte er das Tier nicht stören. Medeia, die näher heran treten wollte, wurde von seiner Hand fest gehalten. „Nicht, es ist ein heiliges Tier.“ Medeia sah kühl auf die Hand des Ägypters hinab, der ihren Arm umgriffen hielt. Schnell ließ dieser seine Hand sinken. Doch Medeia blieb stehen und sah auf den prachtvollen Ausblick. Ein feines Lächeln umspielte ihre Lippen.

  • Melodisch zirpte eine Grille am Rande eines trockenen Busches, der schon seit Jahren nicht mehr gepflegt worden war, nachdem er aus Griechenland nach Ägypten gebracht wurde und nun in fremden Boden gepflanzt elendig zu Grunde gegangen war. Direkt neben dem Busch stand der dickliche Ägypter und strahlte über beide Ohren, denn scheinbar hatte er endlich einen Dummen, mehr eine Dumme, für das Anwesen gefunden. Natürlich äußerte er das nicht laut, tupfte sich nur noch mal die Stirn mit seinem Tüchlein ab. „Ich beglückwünsche euch zu dieser Entscheidung, werte Dame. So ein schönes Haus und so günstig werdet ihr in ganz Ägypten nicht finden.“, schwindelte der Mann gekonnt. Medeia betrachtete den Garten hinter dem Haus und wandte sich zu dem Ägypter. „Und was genau soll es kosten?“ Der Ägypter lachte verlegen und winkte ab. „Ah, der schnöde Mammon...“ Nach ein wenig Geziere nannte er schließlich die Summe, die nicht gering war. Medeia sah über die Dattelpalmen, die verwilderten Zierbüsche und das Land hinter dem Haus hinweg und meinte schließlich nach einem langen Schweigen. „Gut, ich nehme es.“ Plautius würde es zahlen müssen, aber wozu hatte sie schließlich geheiratet? Nur, um endlich mal einen Mann zu haben, der ihr auch den Komfort bot, den sie glaubte auch verdient zu haben. Die kleine und unbedeutende Nebensache: Weil sie Plautius auch schon ins Herz geschlossen hatte, schien in dem Moment recht unbedeutend. Der Ägypter strahlte auf und beteuerte etliche Male, was für eine gute Entscheidung Medeia traf. Mit jedem Wort kam jedoch ein ungutes Gefühl in Medeia auf. Dennoch, ihr gefiel die Villa und hier wollte sie wohnen. Fern von der Stadt und an guter Meerluft.


    Etwas später verließ ein Maulesel und eine Sänfte wieder das Anwesen. Stattdessen tauchten Tage später die ersten Handwerker und ein Baumeister auf, die sich um das Anwesen kümmern sollten und die Risse, die verblassen Farben und den Wildwuchs beseitigen sollten.

  • ~ ...einige Wochen später.


    Medeia hatte keine Kosten und Mühen gescheut, das Anwesen wieder her zu richten (genau genommen hatte sie zwar nicht verschwenderisch alles restaurieren lassen, aber natürlich das Geld ihres Mannes dafür großzügig verwandt). Und so erstrahlte nun das Haus in alten, glanzvollen Farben, neuen Mosaiken, einem Brunnen vor dem Haus und einen gebändigten Garten.


    ~ Auf der Viridia ~


    Sanft bauschten sich die pastellfarbenen Vorhänge vor dem Fenster zum Triklinium Cyzigenum. Im Schatten eines Sonnendaches und mit dem Blick auf das blau schäumende Meer zu ihren Füßen lag Medeia auf einer smaragdgrünen Kline, deren Rand mit Silber verziert war. Ihre rechte Hand ruhte in der eines Mannes, der seine von Leberflecken übersäte Hand um Medeias geschwollenes Handgelenk gelegt hatte. Stumm schien dieser etwas zu erlauschen. Medeia kümmerte sich nicht darum und hielt mit der anderen Hand einen silbernen Becher umgriffen, der kühles Wasser enthielt, was in den Tiefen ihres Keller gelagert wurde. Selbst für den Brunnen mussten sie Fässer aus der Stadt heran bringen, um ihn mit dem klaren Nass zu füllen. Weiße Wolken zogen in der Ferne über den tiefblauen Himmel, die salzige Brise vom Meer verschaffte Medeia zusätzlich Kühlung und doch ging es ihr wieder sehr schlecht an diesem Tag. Kaum bewegen wollte sie sich, geschweige denn für die Schola in die Stadt reisen und sich abermals mit den lästigen Gelehrten des Museion auseinander setzen. Zäh war das voran kommen im Museion und genauso machte ihr die schwache Gesundheit zu schaffen. Medeia wandte ihren Kopf zu den Gelehrten, der sie nicht mit dem arroganten Snobismus eines Griechen behandelte und sich, als Medicus, ihres Leidens angenommen hatte. „Ihr hättet schon vor Jahren zu einem Medicus deswegen gehen sollen und dann noch mit eurem Zustand schon vor Wochen insbesondere.“


    Ungnädig seufzte Medeia, denn der Medicus kam immer wieder auf ihr Versäumnis zu sprechen. „Ich weiß es nun, werter Andokines.“ Der Medicus Andokines legte ihr Hand zurück auf die Kline. „Haltet ihr die Diät ein?“ Medeia nickte stumm und mit leid geplagter Miene, denn sie hasste den Plan, der ihr aufgezwungen worden war. „Wie lange noch?“ Der Medicus, der sich einige Notizen auf einer Wachstafel machte, sah auf und runzelte seine buschigen Augenbrauen. „Die nächsten drei Monate auf jeden Fall und ich kann nicht versprechen, dass es danach besser sein wird. Wie gesagt...“ Medeia winkte ab. „Ja, ich weiß.“ Der Medicus erhob sich und steckte die Tafel weg. „Ich schicke meinen Jungen nächste Woche mit den anderen Kräutern. Ansonsten bleibt hier am Meer und weit weg von den Chiasmen der Stadt. Das wird euch hier gut tun. Und die Arbeit muss ruhen in den nächsten Wochen. Wehe, ich sehe euch am Museion.“ Medeia nickte abermals gehorsam, wenn sie auch nicht vor hatte, dem nachzukommen. Denn sie hasste die Untätigkeit ungemein. Noch nie in ihrem Leben hatte sie so lange nicht gearbeitet. Die Schritte des Medicus verhallten und Medeia lehnte sich wieder auf der Kline zurück. Ihre grünen Augen sahen matt über das Meer hinweg, was sie einzulullen schien.

  • Schritrollen knisterten, das Meer brandete an die Felsen, stetig und ständig in all den Tagen, die Medeia bereits in der Villa verbracht hatte. Die Luft tat ihr tatsächlich sehr gut und vermochte ein wenig von der Schwäche zu vertreiben, wenn sie auch jeden Tag weiterhin von einer Mattigkeit befallen war. Doch heute ging es ihr so gut, dass sie selber aus einigen Schriftrollen studieren konnte, die sie aus der großen Bibliothek des Museion hatte. Ihre Augen wanderten über die säuberliche Handschrift des Kopisten und sie war völlig in die Schrift vertieft als ihre Sklavin Olympia mit leisen Schritten auf die große Terrasse trat, auf der Medeia oft ihre Tage verbrachte, unter dem lindernden und schattenspendenen Sonnensegel. „Domina! Ein Bote aus der Taberna zum Goldenen Isis hat einige Briefe gebracht.“ Medeia sah überrascht auf und dann auf die Schriftrollen in der Hand von Olympia. „Briefe? Oh, wie schön. Gib sie mir.“ Medeia nahm die Rollen entgegen und betrachtete zuerst ihre Siegel. Ein leuchtendes Lächlen glitt über ihre Züge. Vorsichtig legte sie die Schriftrolle zur Seite. Sie würde diese ganz am Schluss lesen. Zuerst öffnete sie die kleine Rolle und sah über die Zeilen hinweg. „Oh.“, murmelte sie leise. Medeia hob den Kopf an und sah zu Olympia. „Nehme einen der neuen Sklaven mit und begebe Dich in die Stadt. Aber erst, wenn ich die anderen Briefe gelesen habe. Du hast einige Dinge für mich zu besorgen. Ich werde Dir eine Liste anfertigen.“ Olympia nickte eifrig. Sie liebte es in die Stadt zu gehen.


    Medeia öffnete derweil den anderen Brief und ließ erneut ihre Augen über die Zeilen hinweg gleiten. Sie freute sich sehr, die Worte von ihrem Neffen (wenn auch eingeheiratet) zu lesen. Doch verwundert sah sie auf die schwarzen Zeilen, weswegen sie prüfend das Papyrus in die Sonne hoch hob. Fein schimmerten andere Buchstaben hervor, aber nicht deutlich genug, um es noch lesen zu können. „Seltsam.“, murmelte Medeia. Sie las den Brief erneut und lächelte erleichtert. Immerhin einige gute Nachrichten. Dann griff sie zu dem anderen Brief und entrollte ihn. Ein fiebriger Glanz trat auf ihre Augen. Schnell las sie die Zeilen und seufzte erleichtert auf. Dann fing sie noch mal von vorne an und las den Brief gleich ein drittes Mal. Doch auch hier waren große Blöcke nicht mehr lesbar. Medeia hielt erneut den Brief hoch und versuchte das darunter zu entziffern. Dass jene Schwärzug gleich bei zwei Briefen auftrat, war ihr dann doch etwas suspekt. Medeias Lippen pressten sich fest aufeinander. Aber dann musste sie den Brief nocheinmal lesen und sah zu ihre Sklavin. „Mein Schreibzeug. Und warte bitte noch. Ich möchte, dass Du die Briefe mit nach Alexandria nimmst. Wenn ich geantwortet habe.“ Olympia nickt erneut. Medeia sah lächelnd über das blaue Meer hinweg und dachte nach, was sie antworten wollte.

  • Ein Bote aus Alexandria kam zur Villa Okeanos. Er war den Weg von der Stadt hierher zu Fuß gegangen und nun tupfte er sich mit dem Ärmel seiner Tunika die erhitzten Wangen ab, bevor er an das Tor klopfte...



    *poch poch*

  • Munter plätscherte der Brunnen vor dem Haus vor sich hin, die Bäume waren zurück geschnitten, der Weg von dem Sand befreit worden und das Haus erstrahlte in einem satten Dunkelrot, an den Rändern mit goldenen Verzierungen bemalt. Die Villa war eindeutig renoviert worden und hatte die Jahre der Leblosigkeit von sich abgestrichen. So glänzte auch die hölzerne Tür noch mattbraun als ob sie erst kürzlich frisch gestrichen worden war. Ein silberner Schlangenkopf diente als Türklopfer. Und schon nachdem das Klopfen ertönte, waren Schritte zu hören, eilige und recht leichte. Die Tür ging auf und eine junge Frau mit goldblonden Haaren spähte hervor. „Sal...oh...Chaire.“, grüßte sie freundlich und öffnete die Tür. Abgekämpft sah der Bote aus. Die junge Sklavin wollte ihn schon herein bitten, aber sie zögerte einen Moment. Schließlich wäre ihre Herrin erbost, sollte das jemand sein, den sie nicht im Haus haben wollte. Aber Olympia war vertrauensselig. „Was kann ich für Dich tun?“, fragte sie. „Möchtest Du etwas Wasser haben?“

  • Eine junge Frau öffnete Lyros das Tor. Sie hatte sehr auffallendes, weil blondes Haar. Solches Haar sah man in Aegyptus wirklich sehr selten und wenn, dann gewöhnlich nur in Form von blonden Perücken, wie sie nach römischem Vorbild bei den exzentrischsten und reichsten Damen der alexandrinischen Gesellschaft Mode waren. Das waren auch die geschmacklosesten Weibsbilder, wie einige, weniger exzentrische und reiche Damen gerne behaupteten.
    Aber von solchen Dingen verstand der fantasielose und dienstbeflissene Beamte natürlich nichts.


    “Chaire!“ …grüßte er steif und… “..ich…ähm, nein, danke.“ …lehnte das Angebot dankend ab.
    “Wohnt die rhomäische Matrone Artoria Medeia in diesem Haus?“

  • Ein munteres Lächeln trat auf das Gesicht von Olympia. Matrone? Wenn das ihre Herrin hörte, die sich seit einem Jahr mit ihrem Alter abplagte und darüber im stillen Kämmerlein klagte. Doch Olympia verzog kein Gesicht, denn der Bote sprach schließlich nur die Wahrheit aus. „Ja, Artoria Medeia wohnt hier. Kommt doch herein. Ich führe Dich zu ihr!“ Olympia lächelte freundlich und ließ den Boten eintreten. Erst hinter ihm schloss sie die Tür und ging voran und durch ein großes Atrium. Rote und blaue Mosaikböden lagen zu ihren Füßen, sauber geschrubt. Olympia führte ihn durch die Eingangshalle und dann in das Rhodiacum. Sie wandte sich zu dem Mann um. „Wenn Du bitte kurz hier wartest?“ Schon huschte die Sklavin davon und auf die Terasse hinaus. Einige Minuten später ertönte das leise Rascheln von Gewänder und Medeia trat in das Rhodiacum. Blass und abgezehrt wirkte die Frau und wenig (scheinbar) angetan von fremdem Besuch in ihrem Haus. „Chaire.“ Grüßte sie und fuhr auch auf Griechisch fort. „Ich bin Artoria Medeia. Was kann ich für Dich tun?“

  • Lyros wurde sehr zuvorkommend empfangen. Das war nicht immer so und als die Dame des Hauses auch noch anfing Griechisch zu sprechen erfreute es ihn umso mehr. Nicht das es wirklich eine Rolle gespielt hätte was er dachte, denn er war schließlich nur ein einfacher Palastbeamter.


    “Chaire, ehrenwerte Artoria Medeia. Mein Name ist Lyros und komme im Auftrag des Eparchos Decius Germanicus Corvus.“, stellte er sich freundlich vor.
    “Er schickt mich um dich zu bitten, ihn in den nächsten Tagen in seinem Palast in Alexandria aufzusuchen.“

  • Die Botschaft überraschte Medeia außerordentlich. Der Eparchos lud sie zu einer Audienz? Aber warum tat er das? Von der Hochzeit war keine nähere Bekanntschaft entstanden, zudem lud man solche ebenfalls nicht zu einer Audienz. Ein Amt besaß Medeia nicht, war doch sicherlich das der Schola nicht wirklich von Bedeutung hier in Alexandria und wegen des Mordes, von dem Medeia natürlich gehört hatte, konnte es auch nicht sein. Sicherlich würde der Praefectus jemand vom Museion zu sich diktieren. Nachdenklich betrachtete Medeia den Boten und suchte nach dem Grund in seinem Gesicht. Doch weder ob es eine gute oder eine schlechte Nachricht konnte Medeia von ihm ablesen. Womöglich wußte er es auch gar nicht. Medeia nickte langsam. „Eine Audienz?“


    Und dann fiel es Medeia blitzartig ein. Die Acta! War da nicht neulich ein Artikel heraus gekommen über die Ludi? Und hatte nicht der Praefectus höchst persönlich einige Fragen beantwortet? Medeia hatte den Artikel jedoch nur flüchtig gelesen und ihn nicht geprüft, ehe er an die Zeitung ging. Nur selten kam das vor und meist, wenn es ihr nicht gut ging oder sie zu viel sonstige Arbeit hatte. Dabei kam ihr der Autor der hiesigen Actaschreiberlinge durchaus etwas suspekt vor. Und am Ende hatte er niemals den Praefectus persönlich befragt, sondern sich einfach die Antworten ausgedacht. Medeia wurde blass bei dem Gedanken. Was bei ihrem krankhaften Aussehen nicht mehr sonderlich ins Gewicht fiel. Aber war nicht die Auctrix verantwortlich? Stand das nicht sogar in der Acta? Medeia nickte ein zweites Mal. „Natürlich. Ich werde morgen schon in die Stadt kommen und die Basileia aufsuchen. Ich danke Dir für deinen Botendienst. Möchtest Du Dich noch etwas stärken ehe Du zurück kehrst?“

  • Mit den Gedanken bereits woanders (nämlich bei dem folgenden Tag und dem Grund der Audienz) nickte Medeia etwas abwesend bei der Antwort des Scriba. „Dann noch einmal vielen Dank und einen guten Heimweg.“ Medeia verabschiedete sich höflich von ihm und verließ den Säulenhof. Olympia lächelte freundlich und führte den Boten noch bis zur Tür.

  • Es gab Tage, da war Pumilus das, womit er tatsächlich in der Casa Artoria angefangen hatte. Der Ianitor. Es war jedoch eine kleine Erfolgsgeschichte hinter Pumilus, der seiner Größe und Kuriosität wegen einen enormen Aufstieg in der Hierarchie der Sklaven geschafft hatte, denn mittlerweile war er so etwas wie ein Verwalter unter ihnen. Alles nur mit seinem Witz und seiner vorlauten Art hatte er das erreicht. An jenem Tage stand Pumilus im ersten Innenhof der Villa. In seinen Händen hielt er einen Stock und einen Topfdeckel. Über dem Kopf war der dazu passende Topf gestülpt. Vor einem unsichtbaren Publikum verbeugte sich der Zwerg. Er hörte das Jubeln, sah die Blumen, die zu ihm herunter geworfen wurden. Auf der Loge saß der Kaiser und winkte ihm, Pumilus, freundlich herunter. Denn in seiner Fantasie war Pumilus dem Kaiser schon einige Male begegnet. Der Kaiser hatte schließlich gerade vor zwanzig Kämpfen dem Zwergen die Freiheit geschenkt. Imaginäre Gerüchte waren an Pumilus Ohren gedrungen, dass dieser wohl plante, den kleinen Pumilus zu adoptieren. „Römer, Kinder und all ihr schönen Frauen. Seht, Pumilus Maximus, Held der Arena, Bezwinger von Elefanten und Löwen, Sieger in 78 Kämpfen. Hah!“ Mit dem Stock stieß er durch die Luft, wedelte mit dem Topfdeckel hin und her. „Ahhh..“ Der Topfdeckel fiel auf den Boden, das Klopfen hatte Pumilus erschreckt. Verwundert drehte sich der kleine Sklave zu dem Durchgang um. „Hm.“ , grummelte er leise. Dann stapfte er zur Tür. Mit Topf auf dem Kopf und Stock in der Hand riß er die Tür auf. „Jaa? Was gibt es?“ Er starrte nach oben zu dem Mann hoch, dem er gerade mal bis zur Hüfte ging.

  • Herbst war es auch in Ägypten und doch fielen keine Blätter herunter, der Tag war warm und die Sonne ging jeden Abend immer noch fast zur selben Zeit unter, verschwand im Meer ohne das Wasser zu verdampfen, rot, prachtvoll und in einem einzigartigen Schauspiel. Und auch am nächsten Tag ging sie genauso friedlich, lieblich mild wieder auf. Und an einem solchen Morgen wurde eine Sänfte bereit gemacht, Gepäck verpackt und Mann und Maus, nein, Sklaven und Herrin verließen die Villa. Einige der männlichen Sklaven blieben zurück, um auf das Haus und die neu erworbenen luxeriösen Möbel aufzupassen. Doch Medeia würde noch am selbigen Morgen ein Schiff besteigen und nach Italia reisen. Nur für eine Hochzeit, DIE Hochzeit des Jahres, zumindest aus der Sicht von Medeia. Und so machte sich die Sänfte schon bald auf den Weg, drei aufgeregte Menschen im Gepäck (Medeia, die sich auf die Hochzeit freute, Pumilus, der sich nach heimatlichen Boden sehnte und Olympia, die einfach gerne reiste). Die Villa blieb still zurück, die Sonne ging auf und tauchte das Meer in ihre lieblichen Strahlen.

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    ~ Konstantin von Hammonia, genannt Costa ~


    Costa schaut den Kerl ziemlich schief an. Fast wäre ihm ein bist du schwul, oda was? rausgerutscht, aber er kann es sich gerade noch verkneifen und meint statt dessen, etwas lustlos: "Ey, ist deine Herrin da? Der Epistates des Museions will ihr etwas ausrichten."


    Natürlich hätte er die Einladung auch Pumulus gleich überreichen können, aber neugierig wie er ist, will er sich erst einmal die Frau anschauen, die hier wohnt. Vielleicht geht sich da was... 8)





    gelehrter aus alexandria- gebildet, intellektuell, tolpatschig und zerstreut

  • Es war ein Tag in Ägypten wie jeder Andere. Ein Tag, mit viel Sonne, dem ewigen Rauschen von Meer und Medeia, die nun schon seit einigen Tagen aus Roma zurück gekehrt war, saß in ihrem Stuhl auf der Terasse. Blass, kränker denn je und nicht gut gelaunt. Melancholisch war sie, düster gestimmt und sie sah sehnsuchtsvoll über das Meer hinweg. Was wohl ihr Mann machte? Was wohl ihre Verwandten taten? Ob es ihnen gut ging? Immer wieder kam ein Husten dazwischen. Die Schwäche und Schwindel. Schließlich rief Medeia leise. "Olympia...komm her." Leichtes Fußgetrappel, kurze Zeit später war Olympia auf der Terasse. "Hole Papyrus und Tinte." Besorgt musterte Olympia ihre Herrin und nickte. Sie tat wie geheißen wurde und kam mit dem Gewünschten zurück. Medeia ergriff es und nahm die Papyri. Schwungvoll setzte sie die Feder. Einst war das ihre stärkste Waffe, neben der Möglichkeit ihren Charme zu nutzen. Sie hätte viel bewegen können, doch letztendlich war sie auch an zu vielen engstirnigen Geistern gescheitert, womöglich auch an sich selber. Mit der Hand schrieb sie einige Zeilen. "Hole die Besitzurkunden für meine Grundstücke." Auch das tat Olympia, wenn auch deutlich mulmiger. "Und den Schaber vom Tisch.", rief Medeia hinter her. Auch das kam schließlich zu Medeia. Medeia schabte sorgfältig ihren Namen von allen Listen und schriebe auf jeder Rolle einen Anderen. Dann reichte sie alles Olympia. "Nimm den Kasten von meinem Schreibtisch. Die Urkunden wirst Du an den schicken, der auf dem Dokument erwähnt wirst. Und das Geld reichst Du auch an ihn weiter. Verstanden? Pumilus wird Dich begleiten. Sage ihnen, sie sollen sich keine Sorgen machen. Ich will mir nur keine über sie machen. Dann kommt ihr wieder zurück. Verstanden?" Olympia nickte. "Aber wir können Dich doch nicht alleine lassen, Domina?" Medeia winkte ab und schickte die Sklavin fort, die Dinge zu überbringen.


    Dann lehnte sich Medeia zurück und sah auf das Meer hinaus. Lange Zeit, während ihre Gedanken bei den Menschen weilte, die ihr so sehr ans Herz gewachsen waren. "Siehst Du es ein, Medeia? Du bist dafür bestimmt, alleine zu bleiben. Mit mir." Medeia nickte langsam und spähte auf den blauen Horizont. "Ja, Quintus, Du hast Recht. Aber Du weißt, ich liebe ihn. Und nur ihn." Quintus trat in ihr Gesichtsbereich. "Ich weiß. Aber mein Geist begleitet Dich immer." Medeia nickte. "Ja, es muss wohl eine Strafe sein, Quintus. Für Dich und für mich."


    Geist und Medeia, beide schwiegen. Und auch wir, werte Leser, wollen uns anderen Geschichten widmen. Medeia wird weiterhin hier leben, etwas leiden, womöglich eines Tages ihren geliebten Gatten in die Arme schließen dürfen. Bis dahin heißt es: Leben und Liebe in Alexandria oder Rom. Viel Vergnügen dabei, werter Leser und ich bedanke mich für all die Aufmerksamkeit, die der Geschichte der etwas eigenen Medeia zuteil geworden ist.

  • [Blockierte Grafik: http://img144.imageshack.us/img144/4440/wappenartoriaiids6.png]


    An Artoria Medeia
    Chora tes Alexandreias
    Alexandria
    Villa Okeanos


    ~~~


    Salve, Tante Medeia.


    Ich hoffe du verzeihst mir, dass ich dir auf deinen ersten Brief noch nicht geantwortet habe. Doch es gab sehr viel zu tun hier und ich fand leider noch keine Zeit dafür. Es freut mich aber, das Avitus dir von mit erzählt hat bzw. du von meiner Beförderung aus der Acta erfahren hast.


    Das unser Domus abgebrannt ist, habe ich damals mit wehmut über die Acta erfahren, doch wollte ich nicht so recht den Zeilen glauben schenken, da keiner aus unserer Familie dies bestätigt hatte per Brief. Doch nun ist es ja traurige Gewissenheit. Sicherlich wirst du alles in deiner Macht stehehende tun, damit wir wieder ein Heim bekommen und es auch geschmackvoll einrichten, wie ich dich kenne.


    In deinem ersten Brief batest du mich, auf Camilius und Avitus acht zu geben, dies ist nicht gerade leicht, da sie ja beide Ranghöher sind, doch ich werde mein bestes tun. Ich freue mich für dich, dass du dich gut in Alexandria eingelebt hast und dass es dir dort nicht langweilig ist, dass lenkt dich wenigstens ein wenig von den Sorgen ab, die du wegen uns hast.


    Fortuna und Mars meinen es gut mit uns, nicht zuletzt, da du für uns betest und Opferungen dabringst. Dafür danke ich dir... Leider ruft mich meine Pflicht wieder, so dass ich meinen Brief nun beenden muss, auch wenn ich dir soviel am liebsten noch schreiben würde. Doch dies wird wohl noch warten müssen...


    Mögen die Götter ihre schützenden Händen über dich halten, damit wir uns bald wieder sehen können.


    Vale

    ~~~


    Tiberius Artorius Imperiosus






     [Blockierte Grafik: http://img116.imageshack.us/img116/6895/klacksaa7.png]
    ad
    ARTORIA MEDEIA
    VILLA OKEANOS
    CHORA TES ALEXANDREIAS


    ~~~

    Wie sehr ich mich gefreut habe, deinen Brief zu bekommen, ahnst du nicht. Hier, am Ende der Welt, so scheint es, sind Briefe ein Wunder und einer wärmenden Flamme in einer dunklen, kalten Nacht gleich.


    ~

    Das folgende schreibe ich nieder, auf die Gefahr hin, dass diese Zeilen zensiert werden. Unser Feldzug verläuft erfolgreich. Du wirst sicher mitbekommen haben, dass wir in einer Schlacht bei Edessa gegen die Parther gefochten haben und siegreich waren. Pluto muss alle Hände voll zu tun gehabt haben, nachdem unsere tapferen Legionäre ihr Werk verrichtet und die Parther, diese ehrlosen Agressoren, das Fürchten gelehrt haben. Du kannst dir sicher vorstellen, dass ich diese Zeilen voller Stolz auf meine Milites schreibe, denn bei Mars, Medeia, sie haben sich gut geschlagen, sehr gut. Auf sie ist Verlass und sollte ein Parther den Boten, der dieses Schreiben überbringt, abgefangen haben und diese Zeilen lesen, wird ihm das Blut in den Adern gefrieren, den ich sage dir, wir schlagen sie. Wir haben sie einmal geschlagen, wir werden sie wieder schlagen. Lass, und dies bitte ich dich als diejenige, welche bei der Acta Diurna tätig ist, lass Rom wissen, welch große Anstrengungen und Opfer seine Bürger hier auf sich nehmen und welch Taten sie hier vollbringen.


    ~

    Die Geschehnisse in Rom sind beunruhigend. Dass Abschaum und Gesindel, elende Verbrecher es wagen, die Domus einer Familie abzubrennen, deren Vertreter hier in diesem Krieg für Rom bluten, empört mich. Meine Hände zittern vor Wut und vor Zorn und der Ohnmacht, denn mir ist bewusst, dass wir diese Halunken wohl nie werden finden können. Oder ist gar bekannt, wer diese schändliche Tat begannen hat? Eine Anfrage bei den Cohortes Urbanae könnte aufschlussreich sein, wenngleich ich wenig Hoffnung hege. Für deine Bemühungen um den Neu- bzw. Wiederaufbau der Domus gebührt dir Dank und an Geld soll es nicht scheitern. Auch, wenn ich weit weg bin, kannst du dich jederzeit an den Verwalter meines kleinen Landguts bei Mantua wenden. Er wird dir jede Hilfe zukommen lassen, die du benötigst.

    ~

    Mir selbst geht es den Umständen entsprechend gut. Der Krieg verlangt einem einiges ab, aber so lange ich atmen kann, solange ich ein Schwert zu führen in der Lage bin, diene ich Rom und setze seine Interessen durch, wie Tausene meiner Waffenbrüder es an meiner Seite tun. Ich bin verwundet worden, gleich zu Beginn der Schlacht und dann gegen Ende dieser, im Kampfe mit einem parthishen Hauptmann, der seine gepanzerten Reiter gegen uns ins Feld geführt hat und für den Tod zahlreicher Waffenbrüder verantwortlich ist, die so tarpfer und todesverachtend unseren Adler verteidigt hatten, auf den die Parther es abgesehen hatten. Aber die Verletzungen sind nicht weiter schlimm. Die Wunden sind genäht und ich bin aufdem Wege der Heilung, werde innerhalb der nächsten Tage wieder der Alte sein.

    ~

    Wünsch mir Glück und Erfolg, Medeia. Ich nähere mich dem Ende dieses Schreibens. Mögen die Götter dich wohlwollend betrachten. Vale bene.


    ~~~

    PARTHIA
    ID NOV DCCCLVII A.U.C. (13.11.2007/104 n.Chr.)

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