Auf meinem Grabe
Auf meinem Grabe
sollen rote Rosen stehn,
die roten Rosen,
die sind schön.
- Hermann Löns
Leicht wie eine Feder fühlt sich Callista. Der Wind könnte sie erfassen und mit sich tragen. Fröhlich lächelnd spaziert sie auf der Mauer vor dem großen Mausoleum entlang. Ihre granatrote Stola flattert in der nocturnen Brise. Der schwarze Äther der Nacht spannt sich über ihren Kopf. Ein schmaler Fuß setzt sich auf einen Löwenkopf. Grimmig starrt das Raubtier aus Stein auf die Straße vor dem Mausoleum, die wie ausgestorben wirkt.
"Ein' Hampfel Gerste gebt der Kräh' in Gnaden,
Apolls Kind, aber einen Weizenfladen,
Ein Brot, ein Geldstück! Was man brauchen kann,
Wie's just zur Hand ist, nimmt's die Krähe an."
Euphonisch erklingt die helle Stimme von Callista durch die Nacht und wird von den Wänden der Häuser in einem schwachen Echo zurück getragen.
Es ist seltsam, aber womöglich liegt es an Italien. Denn schon lange hat sich Callista nicht mehr an das Lied erinnert. Ihre Mutter sang es früher oft. Früher. Die Arme ausgebreitet, um die Balance zu halten, sieht Callista zu dem düsteren, mächtigen Bau des ersten Kaiser.
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Im Schatten der Mauer wartet Benohé und sieht besorgt zu ihrer Herrin hinauf. Es war wieder mal einer ihrer unausgegorenen Ideen, mitten in der Nacht zu diesem Mausoleum zu kommen. Die spontanen Launen der Patrizierin kann Benohé schwer einschätzen. Obwohl sie schon seit Jahren der Claudierin dient. Hinter ihr warten zwei Leibwächter, stumm wie immer.
"Herrin, sollen wir nicht lieber morgen früh noch mal hier her kommen? Es ist verschlossen, wie Du siehst."
Benohé zeigt auf die mächtige Eingangstüre, die mit einem Schloss behängt niemandem Einlass gewährt.
Callista lacht fröhlich auf.
"Seit wann hindert eine Claudierin ein verschlossenes Tor? Es ist mein Recht, diesen Bau betreten zu dürfen. Er ist auf das Wort meiner Familie hin erbaut worden."
Thronend wie eine Kaiserin bleibt Callista auf der Mauer stehen.
"Außerdem würde Nero mich tadeln, wenn ich sein Grab nicht besuche. Schließlich komme ich nicht oft nach Rom."
Benohé seufzt ergeben. Sie sieht, dass es keinen Sinn macht. Ihre Herrin wird sich den nächtlichen Plan nicht aus den Kopf schlagen.
"Herrin, ich hörte, dass Nero hier nicht begraben liegt."
Ungnädig schiebt Callista den berechtigten Einwand zur Seite.
"Palaver des einfachen Volkes. Nero ist der Größte aller Kaiser. Natürlich liegt er dort, wo er hingehört. Er hat es mir selber gesagt."
An dieser Stelle weiß Benohé, dass sie nicht widersprechen darf.
"Gebt, gute Leut'. Auch körnig Steinsalz weist
Nicht ab die Krähe, weil sie's gern verspeist.
Wer Salz heut bringt, wird morgen Honig bringen.
Die Tür auf! Plutus hört auf unser Singen!"
Ungetrübt und geschult ist die Stimme von Callista. Enthusiastisch, schon euphorisch erklettert sie den Löwenkopf. Sie breitet ihre Arme aus, damit der Wind sie umfängt. Vielleicht trägt er sie zu den Ufern des Nils zurück.
"Rom, Quirites, hört mich an! Der größte Kaiser aller Zeiten liegt hier...aaaaahhh!"
Und schon fällt Callista mit einem erschrockenen Laut. Die Sklaven reißen erschrocken ihre Augen auf. Ungelegen fällt Callista in Richtung der Straße, weg von den Sklaven.
Es wurde nun doch schon reserviert.