{Das Mausoleum Augusti, Marsfeld} – Sieht Fürstengräber, sieht die Flur bedeckt

  • Auf meinem Grabe
    Auf meinem Grabe
    sollen rote Rosen stehn,
    die roten Rosen,
    die sind schön.
    - Hermann Löns




    Leicht wie eine Feder fühlt sich Callista. Der Wind könnte sie erfassen und mit sich tragen. Fröhlich lächelnd spaziert sie auf der Mauer vor dem großen Mausoleum entlang. Ihre granatrote Stola flattert in der nocturnen Brise. Der schwarze Äther der Nacht spannt sich über ihren Kopf. Ein schmaler Fuß setzt sich auf einen Löwenkopf. Grimmig starrt das Raubtier aus Stein auf die Straße vor dem Mausoleum, die wie ausgestorben wirkt.
    "Ein' Hampfel Gerste gebt der Kräh' in Gnaden,
    Apolls Kind, aber einen Weizenfladen,
    Ein Brot, ein Geldstück! Was man brauchen kann,
    Wie's just zur Hand ist, nimmt's die Krähe an."

    Euphonisch erklingt die helle Stimme von Callista durch die Nacht und wird von den Wänden der Häuser in einem schwachen Echo zurück getragen.
    Es ist seltsam, aber womöglich liegt es an Italien. Denn schon lange hat sich Callista nicht mehr an das Lied erinnert. Ihre Mutter sang es früher oft. Früher. Die Arme ausgebreitet, um die Balance zu halten, sieht Callista zu dem düsteren, mächtigen Bau des ersten Kaiser.


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    Im Schatten der Mauer wartet Benohé und sieht besorgt zu ihrer Herrin hinauf. Es war wieder mal einer ihrer unausgegorenen Ideen, mitten in der Nacht zu diesem Mausoleum zu kommen. Die spontanen Launen der Patrizierin kann Benohé schwer einschätzen. Obwohl sie schon seit Jahren der Claudierin dient. Hinter ihr warten zwei Leibwächter, stumm wie immer.
    "Herrin, sollen wir nicht lieber morgen früh noch mal hier her kommen? Es ist verschlossen, wie Du siehst."
    Benohé zeigt auf die mächtige Eingangstüre, die mit einem Schloss behängt niemandem Einlass gewährt.


    Callista lacht fröhlich auf.
    "Seit wann hindert eine Claudierin ein verschlossenes Tor? Es ist mein Recht, diesen Bau betreten zu dürfen. Er ist auf das Wort meiner Familie hin erbaut worden."
    Thronend wie eine Kaiserin bleibt Callista auf der Mauer stehen.
    "Außerdem würde Nero mich tadeln, wenn ich sein Grab nicht besuche. Schließlich komme ich nicht oft nach Rom."
    Benohé seufzt ergeben. Sie sieht, dass es keinen Sinn macht. Ihre Herrin wird sich den nächtlichen Plan nicht aus den Kopf schlagen.
    "Herrin, ich hörte, dass Nero hier nicht begraben liegt."
    Ungnädig schiebt Callista den berechtigten Einwand zur Seite.
    "Palaver des einfachen Volkes. Nero ist der Größte aller Kaiser. Natürlich liegt er dort, wo er hingehört. Er hat es mir selber gesagt."
    An dieser Stelle weiß Benohé, dass sie nicht widersprechen darf.
    "Gebt, gute Leut'. Auch körnig Steinsalz weist
    Nicht ab die Krähe, weil sie's gern verspeist.
    Wer Salz heut bringt, wird morgen Honig bringen.
    Die Tür auf! Plutus hört auf unser Singen!"

    Ungetrübt und geschult ist die Stimme von Callista. Enthusiastisch, schon euphorisch erklettert sie den Löwenkopf. Sie breitet ihre Arme aus, damit der Wind sie umfängt. Vielleicht trägt er sie zu den Ufern des Nils zurück.
    "Rom, Quirites, hört mich an! Der größte Kaiser aller Zeiten liegt hier...aaaaahhh!"
    Und schon fällt Callista mit einem erschrockenen Laut. Die Sklaven reißen erschrocken ihre Augen auf. Ungelegen fällt Callista in Richtung der Straße, weg von den Sklaven.





    Sim-Off:

    Es wurde nun doch schon reserviert.

  • Was auch immer normale Menschen des Nachts aus dem Haus trieb, es war nicht mit dem vergleichbar, was mich heute nacht nicht hatte verweilen lassen. Es war eine Erinnerung gewesen, keine gute, eine haarsträubende sogar, und sie hatte meine Träume so beunruhigend direkt erfüllt, dass ich keine Ruhe mehr gefunden hatte. Es war mir eng in meinem cubiculum geworden, so eng, dass ich geglaubt hatte, inmitten der luxuriösen Villa Flavia Felix an ihrer Enge ersticken zu müssen, die Enge der Gedanken, Werte und Vorstellungen hatte mich schließlich in die Flucht getrieben.


    Severus hatte ich indes in dieser Nacht schlafen lassen, seit er sein Training in der Gladiatorenschule aufgenommen hatte, brauchte er seinen Schlaf umso notwendiger, einer der baumlangen Nubier, die ihre normalen Wächterdienste für die gens Flavia verrichteten, mochten für mich heute als Begleitschutz genug sein. Weit und weiter waren wir geschritten, ich lief ziellos, einfach voran, getrieben von meinen Erinnerungen, den so klaren Bildern des Traums, den ich besser vergessen würde, um ihn niemals aussprechen zu müssen, und so hatte ich die Gelegenheit, die dreckige Hure Rom bei Nacht zu besichtigen, mit gespreizten Schenkeln für jeden bereitliegend, der bare Münze springen lassen konnte.


    Liebte ich diese Stadt? Sicherlich nicht, und ich würde sie niemals schätzen, war sie doch nichts als ein Zerrbild menschlichen Seins, verkommen und verlottert bis ins tiefste Innerste, jenes hervorkehrend, das die Menschen sonst zu verbergen suchten. Im Antlitz jeder schlecht und grell geschminkten lupa begegnete mir der Schmutz menschlicher Seelen, in jedem besoffenen Verlierer offenbarte sich, zu was Menschen werden konnten, wenn sie sich selbst verloren. Hasste ich diese Stadt? Nein, denn um sie zu hassen hätte ich irgend ein tieferes Gefühl für sie hegen müssen, mich mit ihr beschäftigen - so verband mich nur ein dumpfes Gefühl des Abscheus mit Rom, gleichgültig abstumpfendes Interesse, solange mich diese Stadt in Frieden ließ.


    Mit einigem Erstaunen bemerkte ich, als ich mir der Umgebung wieder bewusst wurde, wo ich mich befand - das mausoleum Augusti auf dem Marsfeld. Der dumme Narr von einem Sklaven hatte mich nicht gehindert, so weit zu gehen, und gerade des Nachts mochte sich hier einiges an Gesindel herumtreiben. Mit noch mehr Erstaunen hörte ich das erstaunlich klare Rezitativ einer weiblichen Stimme, und sah die Gestalt, wie sie sich auf dem Löwenkopf emporreckte, als wolle sie die Welt beherrschen - nur um dann, wie alle Herrscher vor ihr, zu fallen. Dieses Mal aber - und ich begann langsam, solche Entwicklungen als interessante Anreihung von Zufällen zu betrachten - wurde ihr Fall gebremst, die zum Herrschen bestimmte fiel weich in kräftige Arme, meine Arme, und ich gab einen überraschten Keuchlaut von mir, denn wann fielen einem schon mitten in der Nacht vom Himmel herab Frauen in die Arme?
    "Ich glaube, Rom weiss sehr gut, wer hier liegt - und die Götter scheinen Dir gnädig zu sein, dass Du nicht ebenso geschlagen neben ihm liegen musst," bemerkte ich trocken und versuchte im milchigen Mondlicht zu erkennen, was ich mir da eingefangen hatte.

  • Der Tod lacht ihr ins Gesicht. Und Callista ist zutiefst erschrocken. Schon glaubt sie, ihr letztes Stündlein hat geschlagen. Ihr schöner Körper wird bald zerschmettert auf den Pflastersteinen Roms liegen. Ihr Blut wird die römische Erde tränken wie bereits der rote Saft ihrer Vorfahren. Dramatisch wie jedes Mal übertreibt Callista natürlich in ihrer trunkenen Gemütslage durch die Tränen des Mondes. Denn natürlich wäre der Sturz von der Mauer nicht tragischer gewesen als vom Baum ihres Elternhauses. Und dort war sie oft herunter gepurzelt.
    "Nero?"
    Die edle Gestalt eines Mannes beugt sich über sie. Und es muss Nero sein. Doch die Worte aus seinem Munde klingen nicht wie von ihrem geliebten Nero.
    "Oh."
    Langsam begreift Callista. Sie ist doch nicht tot. Was für ein Glück. Und all das verdankt sie dem Fremden. Verbunden über ihre Rettung lächelt Callista frohgemut. Der Trabant offeriert Callista wenig Aussicht auf ihren Beistand. Doch der Geruch des Mannes verrät ihr. Es ist kein Abschaum der Gosse, der die Gunst der Stunde nutzen will. Und auch die Betonung des Lateinischen zeigt ihr das. So sieht sich Callista erst mal nicht bemüßigt, sich den Armen des Mannes zu entwinden. Sie fühlt sich sodann noch ganz zittrig. Auch eine Wirkung des Traumsaftes, der sie in seltsame Stimmungen wirft. Jede Nacht aufs Neue.
    "Du hast mich den Klauen des Todes entrissen, mein Aineías."
    Um genau zu sein fühlt sich der Mann sogar recht vorzüglich an. Callistas dunkle Augen lodern verzückt auf.


    Das Lärmen von Füßen nähert sich. Das Geräusch von Waffen, die gezogen werden.
    "Herrin?"
    Die Stimme ihrer Sklavin ertönt zu Nahe an Callistas Ohren. Sie seufzt pathetisch.
    Nicht ein Mal kann man so einen Moment in Ruhe genießen.
    Gemach, Callista, gemach.
    Nebem ihrem Gesicht schwebend erkennt die junge Frau die bulligen Gestalten ihrer ägyptischen Leibwächter. Hatte sie ihnen nicht verboten, Waffen mitzunehmen? Das war doch verboten. Ein seltsamer Gedanke, nachdem sie in das Grab des Augustus einbrechen wollte. Nun fühlt sich Callista doch genötigt aufzustehen.
    "Steckt die Waffen weg und wehe ihr krümmt meinem Retter auch nur ein Haar. Ich peitsche euch sonst das Fleisch vom Körper bis ich eure blanken Knochen sehe."
    So lieblich die Worte an Aquilius gerichtet waren, so schneidend sind sie bei ihren Sklaven. Hastig gehorchen diese. Callista kann sich nicht zügeln, sie betrachtet ihren Retter genauer. Wofern es ihr Nox erlaubt.
    "Mein Name ist Claudia Callista. Sprich einen Wunsch aus, mein Held, und er soll Dir gewährt sein für die Rettung meines Lebens."


    Benohé seufzt erleichtert auf. Womöglich vermag es der Fremde ihre Herrin von dem törichten Unterfangen abzulenken. Ungeachtet beäugt sie den Fremden bedenklich. Denn ihre Herrin ist nicht als naiv zu bezeichnen. Aber einem schönem Mann gegenüber ist Callista zu leicht empfänglich. Überhaupt bei allem Schönem. Im selben Maß wie sie das Hässliche verabscheut. Angespannt wartet Benohé ab und hält in ihren Fingern den schmalen Dolch bereit, sollte sie ihre Herrin beschützen müssen. Auch muss sie es unterdrücken, die Kleider ihrer Herrin zu richten. Beim Fallen waren sie verrutscht. So scheint es Callista nicht bemerkt zu haben. Benohé weiß es unzweideutig. Callista hasst es, bemuttert zu werden.

  • Mein Leben schien mit den Göttern einen geheimen Pakt eingegangen zu sein - oder waren es die Parzen, welche auf Iuppiters Befehl hin Irrungen und Wirrungen in mein tägliches Ach und Weh einbauten, auf dass es mir nicht langweilig werden sollte? - mir immer wieder reizvolle Dinge vor meine aristokratische Nase zu halten, ein wenig damit davor herumzuwedeln und sie mir dann wieder zu nehmen, kaum dass ich auf den Geschmack gekommen war. So musste ich wieder einmal eine interessante Parallele zu vorherigen Begegnungen mit reizvollen Frauen ziehen, sie waren stets zufällig erfolgt, meist sogar mit einem eher beiläufigen Anrempeln, oder aber eine Frau fiel aus mannigfachen Gründen in Ohnmacht und mir kam, ganz heldenhafter Priester des Mars, die Aufgabe zu, sie aufzufangen, bevor Körperteile eine unangenehme Bekanntschaft mit dem meist steinernen Boden machten. So auch dieses Mal, und ich gebe zu, einige Augenblicke lang wusste ich die Nähe einer Unbekannten mit duftigem Geruch, zarter Kleidung und anscheinend noch zarterer Haut sehr zu schätzen, ich hielt sie länger im Arm, als es unbedingt notwendig gewesen wäre, ohne es zu auffällig zu gestalten.
    "Solange Du mir nicht zur rachsüchtigen Dido wirst," konterte ich schmunzelnd, "will ich mich gern einige Augenblicke im Schatten einer höchst angenehmen Tat ausruhen."


    Und wie es in den meisten Komödien war, musste spätestens jetzt der störende Sklave auftreten, sich Sorgen machen oder vermuten, ich sei ein Strauchdieb, der die edle Dame entführen wollte - wie auf das passende Stichwort hin näherten sich auch gleich Wachsklaven, die zudem bewaffnet waren. Eindeutig, meine schöne Unbekannte kam aus einem nicht unvermögenden Haus, hätte mir nicht ihr blumiges Parfum schon genug gesagt, spätestens jetzt wusste ich Bescheid. Auch mein Wächter trat näher und nahm die anderen in seinen Blick, aber ich nickte nur, ging ich doch davon aus, zumindest noch ein Weilchen die Freuden meiner Existenz genießen zu dürfen. Sanft half ich ihr, sich aufzurichten, und gönnte mir dann diskret und mit einiger Übung ihren gesamten Anblick in mich aufzunehmen.
    "So sei mir gegrüßt, Claudia Callista, ich bin Caius Flavius Aquilius, sacerdos Martialis - und wie Du anscheinend doch ein großer Freund nächtlicher Spaziergänge. Indes, dies hier ist sicher keine gute Gegend für eine schöne Frau, zu leicht hätte Dir Schlimmeres geschehen können als ein unfreiwilliger Absturz." Ich versuchte, nicht allzu tadelnd zu klingen - die meisten Frauen hörten ohnehin nicht auf die sorgenvollen Worte ihrer Verwandten oder Freunde, hatten sie sich etwas in den Kopf gesetzt. Zudem, dieses kleine amüsante Abenteuer hatte etwas für sich.


    "Mein einziger Wunsch ist, Dich sicher bis zu Deinem Heim geleiten zu dürfen, denn die Schrecken Roms sind vielfältig bei Nacht, vielleicht hattest Du bisher das Glück, sie nicht allzu genau kennenzulernen - und ich hoffe sehr für Dich, dass es so bleibt," fügte ich meiner Vorstellung lächelnd an, denn ein kleiner Spaziergang mit dieser augenscheinlich nicht gewöhnlichen Frau mochte mir die Erinnerung an meine unangenehmen Träume schneller austreiben, als es etwas anderes gekonnt hätte. Eine Claudierin ... zudem eine, deren Namen ich nie zuvor gehört hatte. Wenn mich nicht alles täuschte, würde sich in naher Zukunft der eingefahrene patrizische Heiratsmarkt enorm bewegen, eine Exzentrikerin versprach interessante Wirrungen.

  • Eine phönizische Prinzessin. Eine Heldin eines alten Zeitalters. Traun, dieser Gedanke gefällt Callista. Amüsiert denkt sie darüber nach. Sie befindet, dass der Vergleich äußerst treffend gewählt ist. Im Grunde fühlt sich Callista bereits als eine Prinzessin. Ihr gebührt Respekt, Lobpreisung und schöne Worte. Tragischerweise für Callista sind die meisten Menschen in ihrer Umgebung nicht dieser Meinung. Dabei erlabt sich Callista an Komplimenten wie andere an Wein. Schmeicheleien sind ihr Aqua Vitae und die Aufmerksamkeit für ihre Person ihr Pneuma. Auch davon kann sie nicht genug bekommen.
    "Ist Dido nicht eine betörend erschütternde Heldin? Ihr Tod ist weidlich romantisch. Durch die eigene Hand gestorben."
    Callista sieht verträumt zu dem Mausoleum. Nero war auch durch sein Tun gestorben. Und Callista bewundert ihn dafür abgöttisch. Einige Male hat sie es selber in ihrer Vergangenheit versucht. Meist jedoch um Aufmerksamkeit zu erringen. Natürlich war das auch jedes Mal gelungen. Der Tod war ihr verweigert worden. Im Grunde will Callista dazuhin nicht sterben.
    Einmal hatte sie versucht sich zu ertränken. Abermalig würde sie hinwieder jenes Instrumentarium des Todes nicht votieren. Denn eine Wasserleiche ist partout ungestalt.
    Das nächste Mal war es der Mohn, der sie zu Dis Pater tragen sollte. Das dritte Mal war vor wenigen Monaten gewesen. Sie hatte versucht sich zu vergiften. Ein Schlangenbiss. Der letzten Pharaonin wollte sie nacheifern. Denn der Schmerz, dass sie verlassen wurde, war zu schlimm gewesen. Doch es scheiterte an der Tatsache, dass die Schlange nicht in Laune für ihre Pläne war. Sie entfleuchte einfach hinter ihr Bett und aalte sich im Sonnenlicht.
    Eine tiefe Sympathie ruht darum in Callista für alle Selbstmörder.
    Ein weiterer Aspekt macht den Vergleich treffend. Leider liegt in Callista ein tiefer Brunn großer Rachsucht. Hasserfüllt schmiedet sie Ränke gegen jene, die sie diffamiert oder einfach geschmäht haben. Natürlich gesteht Callista sich derart nicht ein.


    Ein Flavier. Durchaus nobel die Familie. Callista hat auch gleich gesehen, dass es ein Patrizier sein muss. So glaubt sie. Denn im Grunde ist ihr nur seine Schönheit aufgefallen. Und gerne vermengt Callista Schönheit mit der Aristokratie.
    Die Flavier sind auch nur Emporkömmlinge.
    Immerhin mit Kaisern in ihrer Familie.
    In effectu, mehr als die Fabier, Aurelier oder Tiberier behaupten dürfen.
    Edles Geblüt.
    Trotzdem. Parvenues.
    Ein liebliches Lächeln ziert Callista.
    "Mit Pläsier mache ich Deine Bekanntschaft, Flavius Aquilius, Priester des Mars."
    Ein Priester? Die Götter müssen Callista lieben. Kein Zweifel. Zuerst wird sie vor einem tragischen Tod gerettet. Denn ohne einen Abschiedsbrief und tragisch romantischen Zeilen möchte sie nicht dahin scheiden. Überhaupt. Sie möchte allgemein nicht dem Leben entrissen werden. Und anschließend offerieren ihr die Götter einen vortrefflichen Plan für die Nacht.
    Fidel und vergnügt ergreift sie die Hände von Aquilius.
    "Das ist ein Zeichen, Flavius Aquilius. Siehst Du das auch?"
    Wie sollte er? Doch Callista ist überzeugt, dass er gleich weiß, wovon sie spricht.
    "Wir müssen das Grab gemeinsam suchen, damit ich unter Deiner Anleitung meinem Ahnen huldigen kann."
    Callistas Augen leuchten glückselig. Dass sie eben noch leichthin ein Versprechen gemacht hat ist vergessen. Nach Hause will sie auch nicht. Nicht in das kalte Heim der Villa. Dort fühlt sie sich nicht willkommen. Wie ein Störenfried. Womöglich weil sie dort nicht umsorgt wird wie am Nil. In ihrer eigenen Villa.


    "Unser aller Vater wird von Deinen Worten gerufen und meine Gaben werden Nero zu Ehren gereichen."
    Mit einem Mal fällt Callista auf. Sie hat keine Opfergaben. Erstaunt sieht sie an sich herunter. Nein, keine Dedikation. Auch bei Benohé sieht Callista keine.
    "Benohé! Wie konntest Du nur?"
    Tadelnd sind die Worte an Benohé gerichtet.
    "Du hast die Rosen vergessen."
    Aufgekratzt wie Callista ist, entströmen ihr die Worte wie ein lieblicher Wasserfall.
    "Natürlich müssen wir dem abhelfen. Ohne die Rosen gehe ich nicht an das Grab von Nero."
    Ob ein Garten in der Nähe ist, aus dem man die Rosen stibitzen kann? Ob Aquilius ihr helfen würde? Aber seine Worte sagen Callista. Er ist ein wahrhaftiger Ehrenmann. Er wird sie sicherlich nicht alleine den Diebstahl vollführen lassen.

  • "Dido mag eine wunderschöne Frau gewesen sein, doch welches Schicksal traf sie? Der reisende Aeneas verließ sie, und der Schmerz, den sie dadurch erfuhr, sollte Dir erspart bleiben. Zudem, wärest Du Dido, und wäre ich Aeneas, so wäre ich sicherlich in Carthago geblieben, und dem römischen Volke wäre eine viele Jahrhunderte dauernde Feindschaft erspart geblieben, falls es überhaupt existiert hätte," gab ich schmunzelnd zu bedenken, denn mir diese reizvolle Frau als Selbstmörderin vorzustellen war ein abwegiger Gedanke, sie schien so vom Leben erfüllt zu sein. Vielleicht war sie wie die meisten Patrizierinnen ein wenig überspannt, vielleicht tändelte sie ja auch wie so manche junge Frau mit der Vorstellung eines romantischen Todes aus Liebe, aber das war nichts, womit ich mich würde jemals anfreunden können. Die Liebe war schlimm genug, man sollte sich deswegen nicht auch noch etwas antun - wohl wissend, dass ich selbst schon aus reiner Verzweiflung über eine unerfüllbare Sehnsucht auf dem tarpeischen Felsen gestanden hatte.


    Vielleicht hätte ich nicht erwähnen sollen, dass ich Priester war, denn es brachte sie auf den denkbar unpraktischsten Gedanken, den man des Nachts haben konnte - 'lass uns einfach noch ein bisschen hier herumlaufen, damit die restlichen herumlungernden Schurken uns auch bemerken, und dann spielen wir noch ein bisschen mehr mit unserem Leben' - aber gesagt war gesagt. "Die Freude liegt ganz auf meiner Seite, Claudia Callista, es ist sehr erstaunlich, wen man des nachts doch bisweilen treffen kann. Zudem dies eine der angenehmen Überraschungen ist, die, wie Du sicher weisst, leider nur sehr selten geschehen. Allerdings, wenn dies ein Zeichen der Götter ist, meinst Du nicht, dass wir unsere Suche auch tagsüber fortsetzen könnten? Denn es dürfte wenig Sinn tragen, wenn wir glücklich genug sind, das Mausoleum zu finden, um dann von irgendwelchen Straßenräubern niedergestochen zu werden." Aber irgendwie hatte ich das vage Gefühl, dass meine Worte - wie sie es bei eigensinnigen Frauen so gern taten - überhört werden würden, denn sie schien mir doch einen sehr starken eigenen Willen zu besitzen. Wider Willens musste ich zugeben, dass mir das gefiel, denn eine Frau, die 'nur' schön war, aber ansonsten nichts an sich hatte, das einen zu fesseln vermochte, verströmte in etwa den Charme einer vollendet gehauenen Marmorbüste, doch nicht mehr.


    Die Opfergaben hatte sie auch noch vergessen - es war doch ein Kreuz mit diesen jungen patrizischen Damen, die in ihrer Gedankenwelt bei Sagenheldinnen schwebten, aber das Wesentliche vergaßen. ich zwinkerte ihrer sicherlich leidgeprüften Sklavin aufmunternd zu, bevor ich mit all meiner mühsam zusammengerafften gravitas verkündete:
    "Nachdem ich das Gefühl gewonnen habe, Dich ohnehin nur dadurch von Deinem Vorhaben abbringen könnte, indem ich Dich mir kurzerhand über die Schulter würfe - und ich fürchte, das würde ich nicht überleben - werde ich Dir zur Seite stehen, auf das Schlimmeres verhindert werden möge. Würden es wilde Rosen auch tun oder bestehst Du auf einheitlichem, geradem Wuchs?"
    Frauen würden irgendwann noch mein Verderben sein. Ein vergnügliches Verderben sicherlich, aber ohne Zweifel, ein Verderben.

  • Ein Stich geht durch Callistas Herz. Sie fühlt sich bis anhin bereits als eine verhängnisvolle Protagonistin in der Tragödie ihres Lebens. Wurde sie nicht auch verlassen? Geschmäht, missachtet und mutterseelenallein ist sie seitdem gewesen? Verdient sie das? Callista weiß darauf die Antwort. Nein. Infolgedessen ist sie von der vermeintlich versprochenen Treue des Aquilius angetan.
    "Fraglos. Wärst Du Aineías gewesen, hätte Dido keine Sehnsucht nach dem Tod verspürt, Flavius Aquilius."
    Aquilius als Aeneas und sie als Dido. Der Gedanke gefällt Callista. Aber noch sehr viel mehr das hervor beschworene Bild von ihr selber. Eisern würde sie über die Stadt herrschen. Und alles Hässliche würde von der Oberfläche verschwinden. Menschen, Tiere, Bauten. Sie würde keine Gnade zeigen. Alles würde in Flammen aufgehen. Nur um nicht mehr ihr Auge zu verärgern. Und sie würde freudestrahlend im Tempel von Eschmun tanzen. Behängt mit goldenen Ketten und leuchtenden Rubinen. Diese Vorstellung konveniert Callista zuinnerst.
    Die Rührung darüber währt jedoch nicht lange.
    Voller Bewunderung bemerkt Callista die hochgewachsene und stattliche Gestalt des Flaviers. Das ist die einzige Unzulänglichkeit, die Callista bei sich sieht. Sie ist zu klein. Was hat sie nicht schon alles versucht? Sie hat qualvolle Prozeduren erlitten. Callista wurde gestreckt. Wie hatte sie geschrien dabei. Sie wurde mit widerlichen Ingredienzien gefüttert. Und keinen Zoll mehr hat sie dadurch gewonnen. Ein entrücktes Aufseufzen entflieht ihr.


    Callista ist fern jeder Vernunft. Das Delirium des roten Goldes hält sie umfangen. Der Einsamkeit wegen hat sie heute Nacht besonders viel davon genommen. Und es hilft ihr. So glücklich hat sie sich schon seit Monaten nicht mehr gefühlt. Seit jener verwünschenswerten Nacht.
    Arbeit haben die Hände von Aquilius gezeichnet. Callista meint das zu spüren. Immer noch hält sie die beiden Hände jenes Mannes. Ein wohliges Schaudern rieselt über ihren Rücken.
    "Am Tage? Sind die Schleier zu der Unterwelt nicht am Tage besonders undurchdringlich?"
    Tagsüber hat Callista noch nie eine Vision ereilt. Nur Nachts suchen diese Träume sie heim.
    "Nero liebt die Nacht. Außerdem ist Rom eine Lichtgestalt in der Welt der Gefahr. Alexandria ist deutlich gefährlicher. Aber, Flavius Aquilius, ich habe einen starken und mutigen Mann an meiner Seite."
    Womit sie alle Vorsichtsmaßnahmen in den Wind schlägt. Außerdem liebt Callista die Gefahr. Ihre schwarz glimmenden Augen sehen schmeichlerisch zu Aquilius hoch. Die Sklaven hinter ihr sind dagegen natürlich bedeutungslos.


    Munter lacht Callista auf als sie seine Zustimmung erfährt. Sie weiß, dass sie sich nicht in dem Patrizier getäuscht hat. Auch ihn umgibt der Hauch von Wagemut. Die Lust das Außergewöhnliche zu erleben. Nun lässt sie doch seine Hände los. Nur um daraufhin enthusiastisch in ihre Eigenen zu klatschen.
    "Nero weiß die natürliche Schönheit zu schätzen. Er wird auch die wilden Rosen in ihrer Grazie erkennen. Da bin ich mir sicher. Er ist ein außergewöhnlicher Mann."
    Es war nicht ohne Grund, warum sie ihren Sohn nach dem Kaiser benannt hatte.
    "Was für ein wundervolles Abenteuer."
    Callista sieht sich erneut um. Irgendwo wird doch ein schöner Garten sein. Unbedarft greift sie ein zweites Mal nach der Hand von Aquilius.
    "Dann suchen wir nach den Gaben, Flavius Aquilius."
    Zierlich und nicht sonderlich stark ist Callista. Aber bestimmt. Darum zieht sie Aquilius einfach mit sich. Schon in der nächsten Straße entdeckt sie eine weiße Mauer, über die sich einige Büsche ranken. Ein Garten.
    "Dort. Leider haben die Götter uns die wundervollen Flügel der Vögel verwehrt. So müssen wir wohl klettern."
    Heischend sucht sie danach, ob ihr Plan auf Wohlgefallen stößt.



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    Die Hoffnung hat sich zerschlagen. Callista hat einen Komplizen gefunden. Benohé seufzt unhörbar in sich hinein. Jetzt gilt es ihre Herrin mit allen Mitteln zu unterstützen. Auf keinen Fall darf ihre Herrin erneut zu der Garde der Stadt gezerrt werden. Wie so oft in Alexandria. Es ist mitunter sogar Benohé peinlich. Benohé bemerkt durchaus den Blick des edlen Herrn. Doch sie sieht ihn nicht an. Denn nur ihre Herrin will das strahlende Licht sein. Alle Aufmerksamkeit für sich beanspruchen. Niemals würde Benohé wagen in ihrem Rücken diese für sich zu beanspruchen. Stumm und geschmeidig ist sie. Leise und still folgt Benohé den Beiden. Auch die Leibwächter lassen das Gespann nicht aus den Augen. Denn auch sie sind besorgt um das Wohl ihrer Herrin. Mehr aus Eigennutz.

  • Das weiche Beben ihrer Stimme ließ eine Saite in meinem Inneren anklingen, die lange hatte schweigen müssen - wie oft kam es vor, dass ich Komplimente machte, mich darum mühte, ein guter Freund zu sein, der nicht zuviel forderte, ein standhafter Mann zu sein, wenn es um irgendwelche familiären oder geschäftlichen Missliebigkeiten ging, aber wie oft hatte ich die Gelegenheit, Gleiches mit Gleichem vergolten zu erhalten? Dieses sicherlich schmeichelhafte Kompliment wärmte mir im ersten Augenblick das Hezr, ohne dass ich mit dem üblichen patrizischen Argwohn gefragt hätte, ob es denn auch ernst gemeint war. Man musste ihr nur in die Augen blicken, die mir reichlich umwölkt erschienen, um zu erkennen, dass sie wohl nicht mehr vollständig Herrin ihrer Sinne war, und vielleicht war es in der heutigen Zeit das Beste, sich nicht alle Facetten der Realität anzutun. Meine Zeit des Rausches allerdings war längst vorbei, die dauernde Betäubung meiner Sinne, um den Realitäten meines Daseins zu entfliehen, lag weit fort in Achaia, und seitdem war es immer irgendwie voran gegangen.
    Was hielt ich hier für einen Menschen in meinen Armen? Indes, es war mir nicht unangenehm, aber wie es mit allen schönen Momenten war, sie hatten die dumme Angewohnheit, irgendwann zu enden.


    "Die Götter sind doch zu jedem Augenblick aufmerksam, werte Claudia Callista, und alle Worte, die uns zur Nachtzeit erreichen könnten, sind ebenso am Tage zu hören, wenn man denn hören will. Vielleicht ist es gerade dies, was für jeden Menschen tröstlich sein dürfte - dass er jederzeit gehört werden kann, wenn er nur bereit ist, dem Wunsch der Götter entsprechend sein Dasein zu fristen," entgegnete ich mit der Geduld eines Priesters, der oft genug solcherlei Fragen beantworten musste, ohne zu verstehen, warum sich so viele Menschen an Zeiten und Augenblicke klammerten. Aber nicht jeder konnte das Glück haben, sicher zu wissen, dass die Götter uns zuhörten, wenn wir sie angemessen um Beistand baten. "Du scheinst Rom nicht gut genug zu kennen - oder ich kenne Alexandria nicht gut genug. Indes, vertraue mir ruhig, wenn ich Dir versuche, die Gefährlichkeit dieses Ausflugs in Augenschein zu rücken, denn in jeder Stadt gibt es dunkle Subjekte, und hier scheinen sie sich zu sammeln, da sie kostenlos nach Blut geifern dürfen." Wieder schmeichelte sie mir, und ich musste zu meinem persönlichen Missvergnügen feststellen, dass es mir gefiel. Wer wurde nicht gern für stark und mutig gehalten, vor allem mit diesem begleitenden Blick?


    Ob es nun Wagemut sein mochte oder meine uralte Neigung, willensstarke Frauen irgendwie reizvoll zu finden und erst einmal nicht an allzu großen Dummheiten zu hindern, ich ließ mich von ihr an der Hand greifen und mitziehen, über diesen dunklen Platz, um dann in der Nähe der nächsten Häuser nach einem Garten zu suchen. So wie ich mein Glück bisher kennengelernt hatte, musste eigentlich gleich eine Cohorte der CU um die Ecke biegen und uns fragen, was wir da täten - aber noch schien unser kleines Abenteuer keine Störung zu erfahren. Der Garten lag still da, und das leise Gezwitscher ferner Vögel verlieh den dunklen Hecken und Sträuchern ein sehr geheimnisvolles Ambiente, wie ein verwunschener Ort, irgendwelchen uralten Göttern geweiht, die unsere Zivilisation nie gekannt hatten. Ein Spalt in der Mauer hatte mir Einblick auf den mondlichtverzauberten Ort gewährt, und auch wenn es nicht um die Rosen gegangen wäre, ich wollte mit einem Mal dort sein, wenigstens für einen Augenblick lang glaubend, in einer fernen Welt zu sein.
    "Hier drüben ist ein Mauervorsprung, da sollten wir eigentlich gut hochkommen," meinte ich im verschwörerischen Ton, wohl wissend, der Dummheit des Ausflugs gerade die Krone aufzusetzen. "Ich klettere besser voraus, und Deine starken Mannen könnten Dich dann anheben - auf der anderen Seite fange ich Dich dann auf, was meinst Du?"

  • Mythen, Legenden und Mysterien sind ein Quell der Faszination für Callista. Sie kann sich nicht genug an den Balladen von Homer laben. An den Geschichten alter Helden. Aber auch nicht an das düstere Wispern exotischer Gottheiten. Hexen und Wahrsager, Scharlatane und Zauberer verdienen gut an Callista. Denn Callista möchte all den änigmatischen Sentenzen Glauben schenken. Hinwieder hält Callista die Worte eines römischen Priesters für wahr. Auch wenn diese ihre Illusionen und Tagträume zerreißen. Schwarze Wimpern streifen ihre Wangen. Doch die Verlegenheit hält nicht lange vor.
    "Traun. Ein tröstlicher Gedanke."
    Die Schatten um Callista scheinen sich zu verdichten. Die Expression von Aquilius damit bestätigend. Der Schauder und das Pulsieren der Gefahr erfasst Callista. Und sie genießt dies. Erst dann fühlt sie sich wahrhaftig lebendig. Die Geborgenheit und Sicherheit hat sie noch nie geschätzt und die Aufregung gesucht. Schon als Kind.
    "Bereitwillig aprobiere ich Deinen Einwand, Flavius Aquilius. Dein wissendes und firmes Urteilsvermögen hat mich durchschaut. Rom ist mir eine ausheimische Stadt. Mehr aus Büchern und Schriften bekannt."


    Geheimnisumwogen und schummrig hat sich die Stadt Callista in ihrem Rausch offenbart. Aber nicht perikulös. Doch selbst wenn die Fährnis vor sie treten würde. Callista kann es in dieser Nacht nicht bemerken.
    "Die Schrecken Roms sind vielfältig?"
    Zerstreut in ihren Gedanken greift Callista einen vorgängigen Satz von Aquilius auf. Suchend sieht sich Callista auf der Straße nach einem dieser Schrecken um. Zu ihrer Enttäuschung findet sie nichts derartiges. Sohin wendet sie sich wieder der Mauer zu.
    "Welcher Römer lechzt nicht nach Blut? Es ist unsere Essenz. Ohne dies würden keine Völker unterworfen und keine Spiele abgehalten werden. In uns liegt die Gier den Tod der Anderen zu sehen. Eine unausgesprochene Tugend und doch ein höchst drakonisches Laster."
    Deplaziert kichert Callista vergnügt auf. Denn es erheitert sie, derartige Gespräche mitten in der Nacht zu führen. Und das neben einer Mauer, die sie unstatthaft überwinden möchte. Callista hält Ausschau nach dem besagten Mauervorsprung. Sie erkennt ihn jedoch nicht. Ungeachtet vertraut sie dem Wort von Aquilius.
    Gravitätisch richtet sich Callista zu ihrer vollen Größe auf. Immer noch ist sie bedeutend kleiner als Aquilius.
    "Wohlan, mein Heroe. Ein vorzügliches Wollen ist Dein Vorschlag."
    Eine schwarze Haarsträhne kitzelt Callista an ihrem schlanken Hals.


    Ein Fingerdeuten und einer der Custodes nähert sich.
    "Knie nieder vor dem edlen Flavier."
    Kein Laut entrinnt dem Ägyptern. Wie könnte er auch? Schon vor vielen Jahren war ihm jede Möglichkeit dafür beraubt worden. Ein glühendes Eisen hatte seine Stimme genommen. Seine Waffen klirren leise als er sich auf alle Viere begibt. Entsagend dient der breitschultrige Mann Aquilius als Treppenabsatz.
    Ausgelassen stellt sich Callista auf ihre Zehenspitzen. Sie versucht über die Mauer zu spähen. Doch diese ist zu hoch für die kleine Patrizierin. Nur die Vögel vernimmt sie rein und klar.
    "Die Nachtigall, das edle Tier. Die Königin der Vögel."
    Andächtig betrachtet sie den reizvollen Rücken von Aquilius.
    "Der Gesang der Nachtigall soll die Magie in sich bergen. Ich wünschte, ich wäre eine Nachtigall."
    Begierig auch in den zauberhaften Garten zu kommen tritt Callista näher an die Mauer.
    "Komm herbei, meine Benohé. Was siehst Du? Ist es das Elysium?"
    Ihre treue Sklavin ist um einiges größer als Callista. Doch auch sie vermag es nicht, hinüber zu sehen.
    "Es muss so sein, Herrin."
    Mit der Antwort ist Callista zufrieden.


    Sehnsuchtsvoll sieht sie zu der Mauer hinauf. Mit einem weiteren Deuten winkt Callista den zweiten Custos vor sich. Der erahnt es und kniet vor Callista nieder. Mit der Hilfe ihrer Sklavin tritt Callista auf die Schultern des Leibwächters. Alert balanziert Callista auf dem Mann.
    "Hebe mich hoch."
    Callista legt ihren Kopf zurück. Die Sterne glänzen hell auf dem schwarzen Himmelsfirmament. Wie ein Vogel schwebt Callista empor. Der Garten breitet sich vor ihr aus. Der Anblick raubt Callista den Atem.
    "Wunderschön."
    Märchenhaft erscheinen die Büsche und Bäume für Callista zu sein. Weiß schimmernd legt sich das Licht des Mondes darüber.
    "Die Gefilde der Seligen."
    Voll der Sehnlichkeit erklettert Callista noch den Rest der Mauer und schwingt ihre Beine hinüber. Ihre Füße baumeln in der Höhe. Unter ihren Fingern spürt sie den schroffen Stein.
    "Flavius Aquilius? Hast Du bereits Deinen Fuß in den Garten gesetzt, mein Retter?"
    Zu schattig ist es unter der Mauer. Callista kann den schönen Flavier nicht erkennen.

  • Ein klein wenig erinnerte sie mich in ihrer Art, mit möglichst vielen fremdartigen und literarisch sicherlich hochwertigen Ausdrücken um sich zu werfen, an meinen Vetter Gracchus - zweifelsohne hätten sich die beiden gut unterhalten, und ich hätte dem Gespräch mit einem gewissen innerlichen Vergnügen gelauscht. Im Augenblick jedenfalls hatte ihre Art etwas ansteckendes, und mir wurde bewusst, dass meine letzte Missetat - oder etwas, das auch nur ansatzweise irgendwie in diese Richtung ging - schon sehr lange zurücklag. War ich denn so langweilig geworden, gefangen zwischen der Pflicht im Tempel, meinen Verpflichtungen als Patrizier, und einem recht aussichtslos gleichbleibenden alltäglichen Leben, das aus wenig mehr bestand als der Nahrungsaufnahme, Schlaf, gelegentlichem Lesen aus Spaß an der Freude, der ein oder anderen Nacht mit irgendeiner Frau, die ich danach wieder vergaß und der Notwendigkeit, mich mit unausweichlichen Tatsachen anfreunden zu müssen? Hatte mich die Liebe zu einem unerreichbaren Menschen tatsächlich zu einem biederen Langweiler gemacht? In ihren Augen schien ich das zumindest momentan nicht zu sein, und allein dieses Echo tat schon ein bisschen gut.


    "Roms Schrecken lauern verborgener, denn was würde Dich schon mehr erschrecken können als etwas das man nicht sofort sieht? Es ist wie mit einer wunderschönen Frau: Sieht man sie zu oft ohne Kleidung, verliert die Perfektion irgendwann an Reiz, ohne geringer geworden zu sein. Dagegen sind verhüllte Gestalten, die einen raten lassen, viel verlockender," meinte ich auf ihre Worte Rom betreffend und musste innerlich schmunzeln. Entweder sie würde nun entrüstet sein oder amüsiert - die wenigsten Frauen reagierten gar nicht auf einen solchen Vergleich. "Vielleicht giert es uns nach Blut, aber wo ist bei einem Kampf irgendwelcher Tiere gegen irgendwelche Sklaven der Reiz? Ich sehe die Ehre in einem solchen Kampf nicht, mir liegt der Kampf gleichwertiger Gegner eher." Dass sie mir einen ihrer Sklaven als Leiterersatz anbot, nahm ich natürlich gerne an - es machte die Kletterpartie durchaus angenehmer, als ich sie vor mir gesehen hatte, gelang es mir doch, die Höhe nun schneller und sicherer zu erreichen. Ich stellte fest, dass sich zumindest diese Fähigkeit nicht über die Jahre verloren hatte, meine Hände fanden festen Halt in den Mauerritzen, und ich zog mich schließlich über die Mauerkante hinüber, um auf der anderen Seite nach einem geeigneten Abstiegweg zu suchen.


    "Wärst Du eine Nachtigall, werte Claudia Callista," rief ich ihr nach unten zu, kurz bevor sie mit ihrer kleinen Gefolgschaft meinem Blick durch die Mauer entschwand. "..wäre dies doch ein höchst unerquicklicher Umstand, hieße es doch, Deinen Gesang nur während der Nacht vernehmen zu können. Würde es Dir gefallen, auf wenige Stunden der Schönheit beschränkt zu sein, stets nur in Lunas Angesicht?" Rauh schrammte mein Oberschenkel an einem hervorstehenden Mauerstück entlang, und kurz fühlte ich den Schmerz heftig in mein Bein stechen, dann allerdings war der Boden erreicht. Hinunter ging es doch stets schneller als hinauf, wie im Leben auch, dachte ich bei mir und blickte nach oben. Erst als ich oben ihren Umriss erkennen konnte, atmete ich leise auf.
    "Ich bin hier unten, siehst Du mich?" Ich winkte, damit ihr das Offensichtliche auffallen möge, der Mond war uns zumindest im Augenblick noch ein guter Verbündeter und erhellte unser Unterfangen gnädigerweise mit hellem Licht. Würde sie hinabsteigen, oder würde sie sich fallen lassen? Wobei, wenn ich bedachte, was ich bisher von ihr kennengelernt hatte, vermutete ich eher zweiteres - sie hatte einen nicht zu unterschätzenden Hang zu gefährlichen Dingen, und war schon einmal sicher in meinen Armen gelandet.

  • Die Hatz der Tiere ist ein ausgelassenes Ergötzen für Callista. Sie liebt blutige Spiele. Sklaven, die hingerichtet werden. Aber ganz besonders Christen in der Arena eines Circus. Vorzugsweise im Ringen mit ausgehungerten Löwen. Bedauerlicherweise kommt das in gegenwärtiger Zeit selten bis niemals vor. Sie entsinnt sich indes an eine private Vorstellung. Entzückt ertönte ihr Lachen. Als der Löwe den erbärmlichen Christen getötet hatte.
    Ein laues Lüftlein spielt mit ihrem Gewand. Vergnügt lächelt Callista in sich hinein. Erst oben auf der Mauer angekommen vermag sie wieder Atem zu holen.
    "In allem, Flavius Aquilius, akklamiere ich Dir. Nur in einem möchte ich Dir widersprechen. Sofern Du mir dieses verzeihst."
    Vorsichtig erhebt sich Callista. Da ist er. Ob er sie auffangen würde? Gewiss ist es so.
    Noch ist ihr Herz gefüllt mit Wonne. Denn jeder Hauch einer Schmeichelei tut ihr gut. Aus dem Munde von einem Fremden insbesondere. Hat er doch nicht ihren Zorn zu befürchten. Er kennt diesen noch nicht.
    "Die wahre Schönheit bedarf keiner Maskierung, um ihre Geltung hervor zu heben. Und eine Frau mitunter auch nicht."
    Callista würde sich durchaus anbieten den Beweis anzutreten. Natürlich schickt sich das nicht. Das Erklimmen von fremden Mauern des Nachts auch nicht. Aber darum macht sich Callista keine Sorgen.
    Selbst wenn Callista wie ein Püppchen wirkt. Sie ist es nicht. Ihre Sklavin gleitet geschmeidig an ihre Seite. Immer darauf bedacht Callista zu halten. Sollte sie ein weiteres Mal die Balance verlieren.


    Callista beißt sich auf die Unterlippe. Ein Baum. Vortrefflich. Sie greift nach einem dicken Zweig. Die Pappel streckt ihre Äste bis zu Callista. Gewand und nicht ungeübt klettert Callista auf den Zweig.
    "Was für ein Glück für mich, Flavius Aquilius. Ein Ehrenmann wie Du sieht mir sicherlich nicht unter die Gewänder."
    Belustigt gluckst Callista. Sie späht hinab und erkennt nun Aquilius ganz in der Nähe. Unter ihrem feinen Lederschuh spürt sie die Borke des Baumes. Ein Vogel erschreckt im dunklen Geäst. Mit einem Kikiki erhebt er sich in den Himmel. Katzenartig steigt Callista auf den nächsten Zweig unter ihr. Nur ihre granatrote Stola verfängt sich an einem Ast. Ein helles Geräusch. Der Stoff reißt.
    Callista ist zu sehr mit dem Abstieg beschäftigt. Sie merkt es nicht. Immer wieder riskiert sie einen prüfenden Blick nach unten. Zuletzt stößt sie sich sachte vom Baum ab.
    "Huch."
    Ein Versehen vorgaukelnd gleitet Callista abermals in die Arme von Aquilius. Ihre Finger legen sich sachte auf seine Schultern. Stattlich ist er. Das gefällt Callista besonders. Große und derart ansehnliche Männer finden bei Callista wohlgefälligen Anklang.
    "Unstreitig. Ein Nachtgeschöpf einzig möchte ich nicht sein. Und am Tage keine unscheinbare Nachtigall. Selbst Benu könnte mir nicht die menschliche Gestalt streitig machen."
    Verwirrt sind Callistas Gedanken. So auch ihre Rede.
    Callista reckt sich. Das silbern kühle Licht des Mondes spiegelt sich in den Augen von Aquilius wieder. Dunkel und anziehend sind die Tore zu seiner Seele. Für Callista scheinen sie indes verschlossen zu sein. Callista schwebt einen Moment dicht vor seinem Gesicht. Sodann tritt sie einen Schritt zurück. Der Schalk und die Lust am Spiel stehen in ihr Gesicht geschrieben.


    Der Schleier der Ekstase verzückt Callistas Augen. Verwunschen ist der Garten. Verzaubert das Licht. Saftiges Grashalme umschmeicheln ihre Knöchel. Callista bückt sich und zieht an den Riemen ihres filigran gearbeiteten Schuhwerks.
    "Was da schön ist, ist lieb, was nicht schön aber, ist unlieb."
    Melodiös entschlüpft ihr eine Zeile des Gesangs der Musen. Unter ihren nackten Fußsohlen spürt sie die dichten Gräser. Mit einem heiteren Lachen auf den Lippen wirft sie die Schuhe zur Seite. Und mit der Unbedarftheit einer verwöhnten und verhätschelten Patrizierin läuft sie in den Garten hinein.
    "Flavius Aquilius, hast Du schon die Rosen erblickt?"
    Rank erreicht Benohé den Garten. Seufzend ergreift sie die beiden Schuhe. Unauffällig und im Schatten der Bäume folgt sie ihrer Herrin.


    Das Halbdunkel der Bäume lichtet sich. Ein Brunnen steht in der Mitte. Geziert von einer vergoldeten Statue der Venus. Offenen Mundes bleibt Callista stehen. Erstarrt sieht sie an der gefälligen Gestalt hinauf.
    "Ist das nicht die Venus von Apollodor?"
    Gerüchte sind bis zu Callista gedrungen. Angeblich soll sich der Bildhauer in Rom aufhalten.
    "Ist sie nicht wunderbar?"
    Harmonisch plätschert Wasser um die Füße der Venus. Dahinter erhebt sich der Schatten eines Atriumhauses. Gebannt tritt Callista auf den Brunnenrand und in das glitzernde Wasser. Der Stoff ihres Kleides saugt sich voll. Ihre Finger gleiten über das Steingewand der Statue. Nur wenig verhüllt den grazilen Körper der Göttin.
    "Er ist ein virtuoser Meister."
    Ein Hauchen ist ihre Stimme. Zudem werden ihre Worte von einem tiefen Knurren übertönt. Dunkle Augen glänzen zwischen Büschen hervor. Die gedrungene Gestalt eines Wachhundes zeichnet sich ab. Weiß blitzt das Gebiss des Tieres auf als er seine Zähne bleckt.

  • Sim-Off:

    Sorry, dass es so lange gedauert hat - derzeit stecke ich voll im Arbeitsstress -.- Da fehlt mir leider etwas der Kopf für längere Postings.


    Eine außergewöhnliche Frau, zweifelsohne, aber doch auch eine Frau. Welches Herz hatte sich mir nicht durch Worte geöffnet, wenn ich es gewollt hatte? Schmeicheleien, warme Worte, erhellend und befeuernd zugleich, es war das ewig gleiche Spiel mit jeweils neuem Einsatz, ohne das Risiko sehen zu wollen. Bisweilen verbrannte man sich selbst am Feuer, das man entzündet hatte, ohne es zu bedenken. "Wahre Schönheit liegt doch stets im Auge des Betrachters, meinst Du nicht auch? Wir könnten ewig über das streiten, was uns persönlich als schön erscheint, als erstrebens- und begehrenswert, und doch wird jeder Mensch einen anderen Blickwinkel auf Schönheit haben, gemessen an den Erfahrungen und Vorlieben."
    Tatsächlich, sie kletterte, und so ging es für die wagemutige Claudierin weiter hinauf - bis hin zu einem breiten Ast.
    "Was macht Dich so sicher, in mir einen Ehrenmann zu erblicken?" gab ich spielerisch zurück, angesteckt von ihrer Leichtigkeit. Sie amüsierte mich, interessierte mich gleichermaßen, und doch blieb der letzte Rest Distanz, den niemand so recht zu überbrücken wusste, ausser dem einen, der es sich selbst verbat.


    Als ich den Stoff reißen hörte, konnte ich die Gedanken nicht bezähmen, die sich sogleich mit der Frage beschäftigten, wo er gerissen sein mochte. Mochte man es der männlichen Natur oder einer überreizten Phantasie zuschlagen, ich konnte für einige Momente lang an nichts anderes denken, als welcher Teil ihres Körpers wohl enthüllt sein mochte, und erst, als sie mir geradezu in die Arme fiel, riß der gleichsam unwillkommene wie willkommene Gedankenfaden ab. Süß duftete ihr Leib, verlockend warm war ihr Körper in meinen Armen, und dieses Mal brauchte ich deutlich länger, bis ich ihr helfen konnte, wieder auf ihren eigenen Beinen zu stehen. Die Berührung ihrer Finger auf meiner Schulter kribbelte trotz Kleidung intensiv nach, ließ mich unwillkürlich schneller atmen. "Als Nachtgeschöpf wäre Dein Reiz verschwendet, glaube mir, ich vermute gar, dass der helle Tag Dich ungleich mehr glänzen lassen würde." Im strahlenden Sonnenschein, unbekleidet im hohen Gras liegend, in der Welt und doch der Welt entrückt, ja, so konnte ich sie mir gut ausmalen.


    Ihre Schuhe flogen zur Seite, und ich mühte mich, ihr zu folgen, aus dem Konstrukt meiner Gedanken auftauchend wie aus einem tiefen See. "Ich rieche sie, wir müssen nur dem süßen Duft folgen," erwiederte ich sinnierend und blickte ihr nach, wie sie leichtfüßig über den Boden huschte, als wäre ihr Leben ein einziger Tanz. Dass sie dabei eine ganz besondere Entdeckung machte, wunderte mich nicht, sie schien mir für derlei geradezu prädestiniert. "Sie ist schön, diese Venus ... man möchte Mars sein bei einem solchen Anblick," ließ ich mich vernehmen und trat gemächlich an ihre Seite. Selten beneidete ich meinen Gott wirklich, aber wer hätte nicht einen Gott beneidet, der die schönste aller Göttinen zur Liebsten hatte? Ich blickte mich kurz nach anderen Statuen um, aber diese schien die einzige zu sein, und von Meisterhand geformt, vielleicht tatsächlich Apollodor, wer wusste das schon? "In Momenten wie diesen weiss man, warum man stolz sein kann, ein Römer zu sein ... welches Volk verfügt schon über solch vollkommene Dinge?" Unvermittelt stellten sich meine Nackenhaare auf, als der Kampfhund näher kam, und ein gewisser Unmut mischte sich in meine Empfindungen.


    Musste sich denn halb Rom diese missgestalteten, sabbernden Viecher halten? Schlimm genug, dass Serenus sein kleines Haustier benutzte, um die Sklaven zu scheuchen und sich größer zu machen, als er war, nein, jetzt wurde unser kleines Abenteuer auch noch durch ein Exemplar dieser ganz besonders unangenehmen Spezies verdorben. Wenigstens hatte ich eine gewisse Übung, was diese Hunde anging. Ich stellte mich sogleich vor Callista, um ein Missgeschick unangenehmer Art zu verhindern, und hoffte, sie durch meinen Körper zu verdecken. "Hinfort mit Dir!" donnerte ich dem Tier entgegen, ganz als hätte ich das Recht, mich hier aufzuhalten, und sei jemand, dem es gestattet war, Befehle zu erteilen. Vielleicht würde der Instinkt des Tiers durch die Gewohnheit, Befehlen folgen zu müssen und ihnen zu gehorchen, genarrt werden, zumindest hoffte ich das. Das Monstrum mit den riesigen Zähnen grollte und knurrte, und für einige Momente lang sah es ganz so aus, als wollte es mich anspringen ...

  • – Sim-Off: Nur keine Eile
    schöne Beiträge brauchen Weile
    Nimm Dir immer so viel Zeit, wie Du brauchst. Das ist allein ein Spiel. –


    Prickelnd ist diese Nacht. Gefüllt von einem deliziösen Geschmack. Dem Hauch eines verwegenen Abenteuers. Wahrhaftige Aventüren hat Callista bereits erlebt. Die Erregung von Gefahr und Tod erlebt. Wilden Tieren ins Auge geblickt. Niemals indes alleine. Immer an der Seite ihres Bruders. Zwei Körper. Eine Seele. In dieser Nacht ist das anders. Sie alleine erlebt das Vabanquespiel. Mit dem wagemutigen Aquilius.
    Glückseligkeit und Hochgefühl strahlt sie aus. Dispute liegen ihr fern. Mit einem Lächeln gibt sie Aquilius Recht. Dem Retter der Nacht. Dem Geschenk der Götter. Der sie aus der drückenden Trübsal befreit. Einen Kokon zerreißt er. Und endlich ist Callista befreit. Bereit. Ihre Flügel auszubreiten und zu fliegen. Für eine Nacht. Auf der Straße der Mondtränen.
    All die schönen Worte an Callista entzücken sie. Lassen sie schwelgen. Die Preisung füllt sie aus. Die Stellen der endlosen Leere ihres Seins.
    Eine geheuchelte Verlegenheit. Ein holdseliges Lächeln folgt.


    Rosen? Der schöne Aquilius hat sie wahrgenommen?
    So waren wohl seine Worte, Callista.
    O, tatsächlich?
    Bereits im Brunnen steht Callista. Ihre Aufmerksamkeit ist nicht beständig. Die Worte fliegen um sie herum wie verwandte Seelen eines Schmetterlings. Ein roter Falter schwebt vor ihrem Gesicht. Er trägt die Worte von Aquilius mit sich. Dann ein leuchtend Güldener.
    Kein Ehrenmann?
    Auch das lässt Callista auf sich ruhen. Sie wird es noch erfahren.
    Ein Blauer. Ein samtig Schwarzer. Callista greift danach. Sucht sie zu fangen. Sie würden ihm gefallen. Sie würde ihm die zarten Schönheiten schenken. Dann entsinnt sie sich. Er hat sie verlassen. Die Schmetterlinge werden wütend angesehen. Sie schnaubt empört. Aufspießen will sie die Schmetterlinge. Zertreten unter ihren bloßen Füßen.
    Mars und Venus?
    Vergessen sind die grazilen Sommervögel.
    Er. Ein Priester des Mars.
    Und sie? Sie. Callista lässt die Finger über die Venus streichen. Eine Liebende der Liebe? Eine Verehrerin allem Schönen? Ist sie dann nicht ingleichen eine Priesterin? Callista seufzt melancholisch. Ungebührende Bilder tauchen in ihrer Phantasie auf. Callista beißt sich auf die volle Unterlippe.
    Mühsam hält sie ihre Gedanken zusammen. Die Bilder zerfasern bereits. Wollen sich verflüchtigen. In den nächtlichen Himmel steigen. Ein Knurren dringt an ihr Ohr. Verträumt sieht Callista zu Venus auf.


    Aquilius Stimme zieht sie einem goldenen Faden gleichend an. Bis zu ihren Schenkeln hat sich das Wasser gesogen. Schwer gleitet der Stoff hinter ihr her. Lädiert ist er ohnehin. Schwarz ist der Schatten. Cerberus. Der Tod. Der Eingang zu der Unterwelt? Callista hebt die Hand erschrocken zu ihrem Mund. Der spitze Schrei entfleucht ihr gedämpft.
    Knurrend nähert sich der Hund. Die donnernden Worte von Aquilius lassen ihn zögern. Er knurrt weiter. Fletscht die Zähne. Und zaudert. Seine Hundeaugen starren nach oben. Zu den braunen Patrizieraugen. Callista sieht den Machtkampf. Mensch über Tier. Heroe gegen Ungeheuer. Bang schlägt ihr Herz.
    Der Hund jault auf. Wedelt mit dem Schwanz. Sein Maul sucht versöhnend nach Aquilius Hand. Leckt ihm darüber hinweg.
    "Oh."
    Frohlockt Callista. Bis zum Rand des Brunnen nähert sie sich. Welch eine Freude. Als sie erkennt. Aquilius hat sich zwischen ihr und den Höllenhund gestellt. Garstig erscheint ihr das Getier. Viele Köpfe gaukelt ihr die nächtliche Imagination vor.
    "Wahrhaftig. Ein Heroe bist Du, mein mannhafter Nireus."
    Am Ende ihres Weges strauchelt Callista. Verspritzt Wasser nach oben. Die Gunst einer solchen Ungeschicklichkeit weiß Callista zu nutzen.
    Erneut finden ihre Hände den Weg zu Aquilius Schultern. Nass wie sie ist. Entzückt wie sie sich fühlt. Die Nacht lässt das Feuer in ihr Erglimmen. Wie die Leichtigkeit der Seligkeit.
    "Was tun wir nun, mein bezaubernder Hektor?"
    Unschuldig sehen ihre schwarzen Augen zu Aquilius hinauf. Lauterkeit findet sich in Callista bestimmt nicht. Verschlagenheit und das Sehnen intensiv zu leben eher.

  • Ich hasste diese sabbernden Köter, ich würde sie immer hassen. Ginge es nach mir, wäre Serenus' Schoßtierchen längst aus der villa verbannt, aber nachdem sein Vater gerade im Krieg war und sich auch sonst niemand für seine Erziehung zuständig fühlte, war es ungemein schwer, diesem Misstand beizukommen. Vielleicht musste ich dem Hund einfach einmal ein dickes Stück Fleisch füttern, das ihn in den Hades befördern würde ... den Gedanken für später beiseite legend, registrierte ich das gewandelte Verhalten des Hundes mit einer gewissen Genugtuung. Letztendlich kam es nur darauf an, wer den stärkeren Willen besaß, und die Zeiten, in denen ich mich von einem Hund hatte einschüchtern lassen, waren längst vorbei. Ich streichelte dem Tier widerwillig kurz über den Kopf, damit es sich bestätigt fühlte, mich als jemanden zu akzeptieren, der kommandieren durfte, und wandte mich dann wieder meiner Begleiterin in diesem Abenteuer zu - wahrlich, ich hatte nicht nachgedacht, als ich mich vor sie gestellt hatte, und wurde nun dessen belehrt, dass es anscheinend auf Gegenliebe stieß.


    Schon lag sie wieder in meinen Armen, etwas nasser als zuvor, schien doch auch dieser Brunnen eine geradezu magische Anziehungsfähigkeit auf Frauen auszuüben - das hatten die Dichter allerdings bisher standhaft verschwiegen! - und nicht schwer war es, sie gänzlich anzuheben und sie auf meinen Armen zu tragen. Wie leicht sie doch war, und schon hüllte mich ihr Duft ein wie eine Umarmung, garniert mit ihren sanften, verheißungsvollen Lächeln. Dass mir das Herz dabei schneller schlug, war sicherlich nachvollziehbar, zudem, es war eine Weile her, dass ich eine Frau so gehalten hatte, im Augenblick schnell vorüberstreifender Gefahr.
    Es mochte diese Nacht noch ein bisschen wundersamer machen, der weiche Klang ihrer Stimme, das Gefühl ihrer Finger auf meiner Schulter, überhaupt, die Wärme ihres schlanken, fast zu schlanken Leibs an dem meinen. "So bleibt mir nur zu hoffen, dass nicht ein Träger goldener Reben vorüberzieht und mir die Stunden mit Dir unangenehm durch sein Schwert verkürzt," nahm ich ihre Worte auf und führte sie weiter, Nireus' Tod war ein so trauriger gewesen, wenngleich ein ehrenvoller im Kampf um Troia.


    Glücklicherweise hatte sie mich nicht mit Achill verglichen, es wäre eine recht zweischneidige Auszeichnung gewesen in meinen Augen. So dunkel waren ihre Augen, dass man fast meinen musste, die Nacht selbst darin zu erkennen, funkelnd mit Sternen durchzogen. War dies eine stumme Einladung?
    "Parva vehatur equo: quod erat longissima, numquam Thebais Hectoreo nupta residet equo,"* erwiederte ich auf die neuerliche Schmeichelei und schmunzelte etwas, das Größenproblem, mit dem Hector und seine Andromache zu kämpfen gehabt hatten, war sicherlich hier nicht vorhanden, ich überragte sie mühelos um einiges.
    Ob sie wohl Ovid jemals gelesen hatte? Einer Frau wie ihr traute ich das zu, sprach er doch von Genüssen, von Höhen und Tiefen gleichermaßen. "Wärest Du gern Andromache in den Armen Hectors, Claudia Callista?" Wie zur Bekräftigung meiner Frage, zog ich sie etwas an mich, ohne Gedanken daran, dass wir in einem fremden Garten standen, ihre Sklaven irgendwo in der Nähe warteten und zweifelsohne ihr Vergnügen dabei hätten, uns zu beobachten.


    Die Flamme war entzündet, und in der letzten Zeit hatte ich sie zu oft bezähmen müssen, heute und jetzt wollte ich es nicht schon wieder tun. Andererseits - wir kannten uns nicht, nur einige zauberhafte Momente lang bisher, und sie war Patrizierin, aus einer einflussreichen, alten Familie. Claudisches und Flavisches Blut gemischt, was würde daraus erwachsen? Ich wartete nicht ab, nicht auf die Antwort, die ohnehin in ihren Augen stand, wenn ich mich nicht getäuscht hatte, und meine Lippen legten sich auf die ihren, trocken, forschend, fordernd auf eine Weise, die keine Zweifel zuließ. Schmecken wollte ich sie, kosten, wie sie schmeckte, mich nähren von diesem Geschmack des lodernden Augenblicks, der schon zu lange nicht mehr zu schmecken gewesen war.
    Vielleicht waren wir einander gleich in diesem Hunger nach Leben, nach der Bestätigung, nicht irgendwo im Alltag untergegangen zu sein, im Wissen, dass es noch immer etwas gab, das einem das Herz schneller schlagen, das Blut heftiger pulsieren ließ - wie heiß fühlte sie sich an, und wie weich waren doch diese Lippen ..


    * Die Kleine soll reiten: Andromache saß nie rittlings auf Hector, weil sie himmellang war. (aus Ovid, Ars amatoria, Lib III, 777f)

  • Schönheit und Tapferkeit zeichnen Heroen aus. Aber auch das Schicksal eines frühen Todes. Nireus. Hektor. Achilleus. Liegt ihre wahre Unsterblichkeit gerade in diesem Tod? Voll der Schönheit aus dem Leben gerissen. Keiner kennt einen alternden Achilleus. Unbedeutend. Schwach. Zu keiner Heldentat mehr fähig. Welk und vergangen. In der großen Geschichte und dem Fluss der Zeit. Nur einem Helden war ein anderes Schicksal vergönnt.
    "Die Zuversicht hege ich auch. Ist es das Schicksal, was uns bestimmt. So sollst Du mehr mein Herakles sein."
    Callista wäre dann gerne Hebe. Ewig währende Jugend und Schönheit. Ihre Gaben. Ihr Segen. Selig seufzt sie. Als Aquilius sie einer leichten Feder gleichend in die Höhe hebt. Die gestählte Schulter erspürt Callista unter ihren Fingerspitzen. Selber suchen sich ihre Finger einen Weg. Streichen am Rande der Tunika entlang. Weich fühlt sie den Haaransatz von Aquilius unter ihren Fingerkuppen.


    Andächtig verfolgt Callista die Bewegungen seiner verheißungsvollen Lippen. Melodisch ist der Klang der poetischen Verse. Wenn Aquilius sie ausspricht. Es entzückt Callista.
    Schmachtend sieht sie zu ihm hinauf.
    Ergötzt ist Callista. Von dem Vergleich mit der thebanischen Gattin. Der Tugendhaften. Der sittsamen Frau des Hektor. Treue und Keuschheit scheinen sie auszuzeichnen. Empfiehlt Ovidius zudem nicht das erotische Abenteuer außerhalb der Ehe zu suchen?
    Callista verschwendet keinen Gedanken daran. Andere Assoziationen kommen ihr in den Sinn. Bekannt ist ihr die Belehrung der Dione. Es regt sie an. Erhitzt Callista.
    "Tausend Arten gib es, der Venus zu dienen."
    Die Göttin im Rücken verspürt Callista. So ist es richtig. Ihr Atem geht schneller. Die Wallung pulsiert in Callista.
    Herb und männlich, wild und sinnenfroh erspürt sie die Lippen von Aquilius. Einladend öffnet sich ihr Mund. Schöpft das gustiöse Arom auf ihrer Zunge. Den von Aquilius.
    Die majestätischen Berge der Ostwüste.
    Der würzige Wind am Ufer des Nils.
    Der exotische Hauch der nordischen Wälder.
    Bilder vermischen sich in dem Kuss vor Callistas Augen. Sie erschmeckt dies an Aquilius. Webt Phantasiegespinnste.


    Der Garten wandelt sich in einen Tempel. Die Sterne sind die Kuppel. Die nächtlich umhüllten Bäume die Säulen des Tempels. Über allem thront Venus. Callista sieht das huldvolle Lächeln. Auf den Lippen der Göttin. Ein Opfer ist ihre Handlung. Ein Gebet ihr Unterfangen. Willig vereinigt sich Callista in dem heißblütigem Kuss. Ihr schlanker Körper. Einer Gerte gleichend. Ihr Leib schmiegt sich verzückt an Aquilius heran. Callistas Schenkel umfangen Aquilius Hüfte. Der Stoff ihres Kleides rutscht nach oben. Grasflecken zeichnen die bloßen Fußsohlen der Callista. Schimmernd und in einem hellen Bronze erscheinen ihre schlanken Waden. Bis anhin verfängt sich Callista in dem glutvollen Kuss mit Aquilius. Erst die Not zu atmen. Die Nämliche entreißt ihre Lippen denen von Aquilius. Glänzend schimmert es auf Callistas Lippen. Begehrlich in den dunklen Augen von Callista.
    Die Zweige der Bäume bewegen sich im nächtigen Wind. Sie spielen miteinander. Reigen. Tanzen. Ihre knorrigen Stämme verwandeln sich. In Gestalten schöner Frauen und Männer. Goldene Augen. Göttliche Gestalten. Walzend umspielen die schönen Wesen die beiden Menschen. Aquilius. Und Callista. Es ist als ob sie Callista anstacheln. Anstiften zu dem nächtlichen Abenteuer.
    Kann eine Sterbliche den göttlichen Wesen widersprechen?
    Nein. Ein Frevel wäre das, Callista.
    Callista bedarf es hinwieder keine Ausflüchte. Hat sie noch nie benötigt. Der lästigen Kleider will sich Callista entledigen. Den Göttern. Venus. Ihr huldigen. Sie verehren. Und im Spiel der sinnlichen Liebe sich ergeben. Allerdings trägt auch Aquilius noch zu viel sekkanten Stoff.
    "Eine Schickung ist dies. Eine Asebie sie auszuschlagen."


    Atemlos. Fieberhaft. Callista möchte die Tunika von dem Körper Aquilius gestreift sehen. Ihre Finger suchen danach. Kein züchtiges Unschuldslamm ist Callista. Sich selber entkleidet indes nur andere Männer oder ihre Sklavin. Ebenso schälten sich die Männer stets selber aus den Kleidern. Ein Gürtel wurde geöffnet. Eine Siegesetappe erreicht. Metall verziertes Leder berührt die Grashalme. Legt sich zu den Füßen von Aquilius.
    Sklaven. Bewohner jenes ominösen Hauses. Alles ist unerheblich. Eine andere Welt scheinen sie betreten zu haben. Die Sphären zwischen der der Götter und der Sterblichen. Unerreichbar. Fern. Entrückt.
    Getrieben. Callista zieht an einem dubiosen Band. Es ist das Richtige. Die Stola gleitet hinab. Nass klatscht sie auf den Boden. Ein hauchdünnes Untergewand umschmiegt ihren knabenhaften Leib.
    Ihre Lippen suchen noch einmal nach einem ungestümen Kuss.

  • Gefangen in einer Welt, die mit dem Alltag wenig zu tun hatte, und wohl auch niemals viel zu tun haben würde, waren wir, in dieser Zwischenwelt zwischen Traum und Wirklichkeit, zart umschlungen vom Duft der nächtlichen Blüten, der Rosenbüsche, die so fern nicht mehr waren, dem würzigen Geruch der Gräser zu unseren Füßen, umrahmt vom Plätschern des Brunnens. Sie hielt Wacht, die vollkommene Statue, vollendete Formen, eine wundervolle Göttlichkeit, die ihresgleichen suchte. Konnten Menschen überhaupt Teil dieser Schönheit, dieser Vollkommenheit werden?
    Ja, wollte ich hinausschreien, wollte es die ganze Welt wissen lassen, denn ja, ich schmeckte sie, fühlte die weiche, zarte Berührung ihrer Lippen auf den meinen, konnte den biegsamen Leib Callistas sich an den meinem schmiegen fühlen, ohne dass es mir falsch vorgekommen wäre, wie es geschah. Meine Zunge tauchte in ihren Mund hinab, suchte nach der ihren, um den immerwährenden Tanz zu beginnen, der mich schneller und schwerer atmen ließ, die Sinne ganz auf diesen Moment eingestellt, der sich unendlich erstrecken sollte und doch für jeden anderen Menschen ausgesprochen kurz vorübergestrichen wäre.


    Wie lange war es her, dass ich das heiße Atmen einer leidenschaftlichen Frau auf meiner Haut gefühlt hatte? Den Atem einer Frau, die wusste, was sie wollte, die sich hingab, weil sie danach begehrte, genommen zu werden und gleichermaßen auf dem Altar der schönen Göttin opferte wie ich es tat. "Sei Du für diese Nacht meine Venus," flüsterte ich leise für einen Moment, als sich unsere Lippen zu trennen vermochten, das stumme Versprechen hintanstellend, mir als Mars alle Mühe zu geben, derer ich fähig war. Wenigstens in dieser Stunde verblasste alles, was mich sonst im dumpfen Gefühl hielt, niemals Erfüllung zu finden, wie ich sie mir wünschte - ich lebte noch, ich lebte wieder, hatte sie mich erweckt, wieder erweckt aus diesem dunklen Schlaf? Wenn sie es war, dann hatte sie ein vollendetes Werk getan.
    Mein Körper agierte, als hätte ich nicht so lange alleine gelegen, als sei wieder alles zurück, was ich einst im Traum sicher wandelnd noch hätte tun können. Ihre Augen schimmerten dunkel, voller Geheimnisse, ich hätte vieles darum gegeben, in diesem Moment ihre Gedanken zu kennen - doch die meinen behielt ich ebenso für mich.


    Wieder tauchten meine Lippen tief in ihren Geschmack ein, folgten dem Beben ihrer Lippen, schmeckten sie intensiv und fordernd zugleich, die verlockende Feuchte ihres Mundes ließ mich nicht mehr los, und wo ihre Finger über meine Kleidung wanderten, brannte die Haut. Es war nur ein Ruck, der reichte, die Tunika über den Gürtel zu ziehen, der kurz darauf ebenso zu Boden fiel, enthüllend, dass ich nur ein Lendentuch noch trug, um meine Blöße zu bedecken - dass sie nur noch ein Nichts an Stoff trug, fiel mir eigentlich fast nicht mehr auf, so heiß fühlte sich ihr Körper auf dem meinen an, die Schenkel Callistas hatten meinen Leib längst umschlossen und so musste sie nun auch merken, wie sehr mich ihre Nähe erregte.
    Ach, Venus! So war sie zu mir zurückgekehrt, in Gestalt einer knabenhaft schlanken Frau, deren Reize vereinten, was meine Sinne nur noch mehr beflügelte - weibliche Sinnlichkeit gepaart mit einem schlanken, fast unberührten Leib. Wie sie sich hingab, war sie es nicht, doch diese Dualität machte sie umso reizvoller. Verderben mochte man ein solches Wesen, und gleichzeitig beständig daran scheitern ... für diese Nacht, an diesem seltsam von den Göttern berührten Ort mochten wir einander gehören.


    Wieder trafen sich unsere Lippen, und dieses Mal ließ ich sie vorstoßen, meinen Mund erkunden, um mir dann den Platz zurück zu erobern, den ich zuvor schon vereinnahmt hatte. Sie an mich ziehend, trat ich zurück, ließ mich auf das weiche Gras und einen Zipfel meiner Tunika gleiten, sie auf meinem Körper zu liegen bekommend - wie leicht sie war, einer Feder gleich, und doch voller Leben, voller verlockender Hitze, die nach mir verlangte. Meine Finger tasteten über das süße Nichts an Untergewand, das sie noch trug, ebenfalls an manchen Stellen vom Wasser befeuchtet, und langsam schob ich es empor, um es dann mit einem entschiedenen Ruck über ihren Kopf zu befördern - der Mondschein umspielte ihren Körper, verlieh ihr einen milchigen Teint, als sei sie der Statue gleich aus Alabaster, ebenso vollkommen geformt. Ja, in diesem Moment war sie allein die meine wie ich der ihre war, diesen Moment würde mir niemand nehmen können. Dass sich im Haus fernab etwas regte, kam mir nicht zu Bewusstsein, zu gefangen war ich von ihrem Anblick. "Wie schön Du bist, meine Venus," raunte ich ihr zu, die Stimme rauh vom Verlangen nach ihr, die Gier unterdrückend, sie sogleich zu Boden zu reißen und sie gänzlich zu vereinnahmen.

  • Die Gier zu Leben. Die Lust sich dem Moment zu ergeben. Keine Zwänge. Keine Regeln. Keine Exigenzen. All das lässt Callista hinter sich. Sucht nach einem Traum gleichenden Abenteuer. Mit offenen Augen. Berauscht von Mondestränen. Göttlich. Fern. Immateriell. Nichts ist verboten. Alles ist erlaubt. Callista hat gesucht. In jener Nacht. Und sie hat es gefunden. In Gestalt des Aquilius. Göttlich erscheint er ihr in dem Schein des Mondes. Unter den Augen der Venus. Freudig ergibt sich Callista in den leidenschaftlichen Küssen.
    Kühl liebkost das Gras ihre Schenkel. Als Aquilius sie mit zu Boden zieht und über sich. Milchig taucht der Mond sie in ein phantasmagorisches Licht. Callistas Sinne sind verklärt. Sie entrückt noch mehr. Der Garten schwindet. Es schwindelt um sie herum. Ihr einziger Halt ist die Leidenschaft. Die verzehrenden Küsse, das Spiel ihrer Lippen. Das Forschen ihrer Zungen. Das Kupido wird erwidert. Callista wird es gewahr.
    Schon erspürt sie den milden Wind. Auf ihrer nackten Haut. Das Untergewand raschelt. Liegt einem Schleier gleichend auf dem dunklen Boden. Als wäre es das letzte Zeugnis ihrer Unschuld. Die sie schon vor vielen Jahren verschenkt hatte. Ihm dar geboten. Nicht ihrem verstorbenen Gatten.


    Callista richtet sich auf. Über Aquilius thronend. Ihr barer Körper im Lichte enthüllt. Nichts mehr am Korpus. Ihre schwarzen Haare fließen um ihre Schultern. Liebkosen bis zu ihrem schlanken Rücken hinab. Selene selber ergötzt sich am schönen Körper des Priesters. Der Mondschein küsst den Leib. Callista betrachtet ihn andächtig. Und lächelt. Sie lässt sich bereitwillig auf das Spiel ein. Um die Götter. Als Göttin will sich Callista gerne betrachten.
    "Nur Deine Augen machen mich schön, mein Mars."
    Kühl ist das Licht des Mondes. Frisch der Wind der Nacht. Aber Callista brennt. Die Sinnlichkeit wärmt sie. Rot goldene Flammen lodern um sie herum. Zwischen ihnen erscheinen die Gesichter der Nymphen. Satyre gesellen sich zu ihnen und verschlingen ihre Leiber. Ihre Phantasie lebt mit der Gier immer stärker auf.
    Ihre Fingerspitzen gleiten über den Brustkorb von Aquilius hinweg. Sie beugt sich hinab und legt ihre Lippen auf seinen Hals. Intensiv riecht sie seinen Duft. Männlich. Herb. Lockend. Callista amtet tief ein. Küssend gleitet sie tiefer. Ihre schwarzen Haare kitzeln über seine bloße Haut. Seide gleichen die Haare. Weich folgen sie der Bewegung von Callista. Ihre Lippen erforschen die männliche Brust. Sanft küsst sie ihn. Kitzelt mit ihrer Zunge. Beißt ihn keck. Gleichsam schmiegt sie sich mit ihrer Haut enger an ihn heran.


    Unschuldig ist Callista gewiss nicht. Unerfahren auch nicht. Sie erschmeckt Aquilius Arom genüsslich. Wonnevoll. Sinnbetäubend ist dieser. Da Callista keine verführte Jungfer ist. Sondern die Liebe gleichsam kennt. Venus similär. Darum gleitet sie tiefer. Explorierend. Küssend. Aquilius als Vorbild. Eifert sie ihm nach. Befreit ihn von dem letzten redundanten Stoff. In einem faunischen Spiel. Neckend. Auch nur ein Band. Callistas Zähne umgreifen das Nämliche. Sie zieht daran. Die letzte Grenze fällt herab.
    Sanft umgreifen ihre Lippen die Libido. Verwöhnend. Aufpeitschend ihr Gebärden. Es erotisiert Callista sodann. Ihr Atem ist schwer. Ihre Haut erschaudert immer wieder. Glatt ist indes ihr Leib. Kein Haar ziert ihren Körper. Außer an ihrem Haupte. Doch ist das Schaudern deutlich zu spüren. Und es rührt nicht von der Kälte der Nacht. Alleine vom Leibe des Aquilius. Unendliche Zeit scheint zu vergehen in diesen Augenblicken. In denen Callista erneut zu Leben beginnt. Die Tristesse und die Traurigkeit sind lange verflogen. Die Wollust durch fährt sie immer stärker.


    Sie erzittert und vermag nicht länger zu warten. Sie richtet sich auf und sucht mit ihren Lippen. Nach einem verzehrenden Kuss. Ihr Körper gleitet von Aquilius hinab. Fordernd zieht sie ihn über sich. Sie möchte ihn über sich verspüren. Unter ihrem Rücken perzipiert sie das Gras. Den Boden. Die Blätter rauschen in den Bäumen. Sie verweben sich im Laut. Mit dem Lachen der Faune. Dem lauten Stöhnen der Nymphen. Dem Frohlocken der Venus. Derer wegen sie das Opfer in der Nacht abhalten. Ihre Zunge umspielt die Seinige. Atemlos haucht sie.
    "Lass uns eins werden, mein Mars. Ehe die anderen Götter erwachen. Bevor Jupiter uns straft. Das Netz Vulcanus' uns einfängt."
    Ihre Beine schlingt Callista um Aquilius. Fiebrig drängt sich Callista an ihn enger heran. Begehrend. Doch sie überlässt es Aquilius. Ganz ergibt sie sich seinem Tun. Ohne Bedingung. Willfährig.

  • Für einen irrigen Moment lang musste ich an jenen Abschnitt der unsterblichen Worte Homers in der 'Odyssee' denken, als Aphrodites' und Ares' Liebesspiel vom eifersüchtigen Hephaistos enthüllt wurde und beide durch kunstfertige Fesseln gebunden, den übrigen Göttern in der Glut ihrer Leidenschaft gefangen präsentiert wurden - stets hatte ich bei dieser Zeile schmunzeln müssen, und die Parallele zu meinem jetztigen Unterfangen war eigentümlich dicht. Es würde wohl keinen wutschnaubenden Hephaistos geben, keine übrigen lachenden Götter, und doch wähnte ich mich im gleichen Rausch gefangen wie einst Ares in Aphrodites Armen. War dies möglich, dass es noch passierte? Dass mich die Leidenschaft eines einzelnen Menschen so anzustecken wusste, dass ich den bitteren Geschmack einer ungestillten Sehnsucht vergessen konnte, wenigstens jetzt, wenigstens in dieser Stunde? Ihr süßer Duft umfing mich wie auch ihre Schenkel, die weiche Haut umschmeichelt meinen Leib, und ich kann ihr kaum richtig nachfühlen, zu erhitzt und zu brennend lässt mich jede Berührung zurück. Wann ist der Moment da, in dem man nicht mehr nachdenkt, in dem die Beherrschung bricht und erlischt? Ich fühlte ihn nie nahen, wusste es immer erst, wenn es soweit war und ich weiter ging.


    Meine Finger krallten sich in das Gras, zerstörten nicht wenige Halme, als ich gleichsam haltsuchend wie bebend meinen Körper ihren Lippen entgegen wölbte, sehnend, hoffend auf mehr, und sie enttäuschte mich nicht. Wie anders war es doch, dieses prickelnde Gefühl der Leidenschaft mit einer Frau zu teilen, die es ebenso zu genießen wusste, die wusste, was wann richtig war zu tun, und sich keine Zwänge auferlegte. Ich sah und fühlte sie sich zugleich bewegen, die Hitze ihres Körpers übertrug sich auf den meinen, wärmte und befeuerte mich gleichermaßen, nur federnzart waren die Liebkosungen ihrer Fingerspitzen, kaum fühlbar, pochte die Erregung im heißen Strom meines Blutes doch durch meinen Leib. Meine Hände fassten sie, hielten sie bei mir, nicht mehr fort sollte sie können, nicht bevor wir uns ganz gehört hatten, und doch konnte ich sie gleichzeitig nur andächtig halten, ihre Seiten mit ungläubiger Faszination berühren. Wie wissend sie die letzte Barriere hinfort gleiten ließ, ohne zu zögern, einfach, weil sie es wollte, geteilte Gedanken, ein gleicher Sinn, ein gleiches Streben.
    Ihr Necken ließ mich seufzen, genießend und erwartungsvoll im gleichen Atemzug, natürlich wünschte ich mir mehr, dass sie nicht aufhören möge, in diesem Moment konnte ich mich verwöhnen lassen, ohne das Gefühl zu haben, sie würde dadurch eigenes Recht vermissen.


    Meine Augen schlossen sich, als sie mich umfing, mich schmeckte, mir die Illusion vermittelte, ich hätte sie mir schon zueigen gemacht, und wie glücklich war dieses Zusammentreffen! "Süße Venus," murmelte ich, der Klang der Stimme dunkel geworden, rauh und kratzig, nicht mehr verhüllend, wieviel Vergnügen sie mir bereitete. Welcher Krieger hätte denn seiner Venus nicht den Speer dargeboten, wenn eine solche Belohnung wartete? Als sie innehielt, zu mir empor glitt, geschmeidig, als hätten wir im Wasser unser Spiel begonnen, schmeckte ich mich und sie zugleich, tauschte den Kuss mit ihr und mit mir selbst, während meine Arme sie umfingen, sie eng an mich zogen, als wollte ich sie nicht mehr loslassen. Haut rieb auf Haut, aufreizend, aufpeitschend, ich fühlte all ihre Weichheit, den geschmeidigen, schlanken Leib, als könnte ich es ewig so tun. Wir bewegten uns, und nun war sie es, auf der ich zu liegen kam, sie musste die Schwere meines Körpers spüren, der sich begierig an den ihren drängte, und schon teilte ich ihre Schenkel mit einer Hand, ohne auf Widerstand zu stoßen.
    "Er wird uns nicht fangen," murmelte ich rauh und küsste sie wieder, vereinnahmte ihren Mund wie auch ihren Leib mit meiner Zunge und meiner Lust.


    Sie empfing mich, und dieser stille, göttliche Moment des ersten Kontakts ließ mich tief ausatmen, langsam, aber unaufhaltsam nahm ich sie in meinen Besitz, wenigstens für diese flüchtigen Momente der Trunkenheit an der Leidenschaft des anderen. Eines ihrer eine zog ich mit der Hand höher, um sie gänzlich zu vereinnahmen, ihren Körper an den meinen gezogen, sie beschattend mit meinem Leib, blickte ich auf ihr milchig weißes, von der Lust erhitztes Gesicht herab, lächelte ihr nur zu, bevor ich begann, mich zu bewegen, ohne Hast, denn noch war Zeit, ihre Leidenschaft bedacht zu steigern.
    Ich wollte sie hören, ihren Atem schneller werden hören, all jene süßen, leisen Geräusche, die mehr verrieten als jedes Wort es hätte tun können, und als ich mich herab neigte, sie wieder zu küssen, strich meine rechte Hand über ihren Oberkörper, den weichen Rundungen der Brust folgend, die ich mit einer Hand hätte bedecken können, ihrem schmalen Körper entsprechend - ich tat es, eine Moment verharrend, als ich sie so hielt, um dann mit den Fingerkuppen zuerst vorsichtig, auf ihre Reaktion achtend, die Spitze des kleinen Hügels zu umspielen. Sie war der Mittelpunkt dieser Welt, in diesem Moment, und der Takt meines Atmens war auch jener, mit dem wir uns bewegten, noch langsam, noch genießend, doch mit dem Wissen, dass ein schnelles Keuchen nicht zu fern war.

  • Glühende Eifersucht. Sie glimmt in den Augen der Sklavin Benohé. Eine Eissäule scheint die Sklavin zu umgeben. Ihre Finger sind ineinander geschlungen. Ihre Fingernägel graben sich in ihre eigene Haut. Ein einzelner Blutstropfen löst sich von der dunklen Haut der Inderin. Fällt in das grüne Gras und versickert ungesehen. Im Erdenreich. Kühl sind ihre Fingerspitzen. Die nach dem Dolch tasten wollen. Benohé stellt sich vor. Wie die Dolchspitze sich in den Rücken des Flaviers bohrt. Verheerend das tut, was er mit seiner Liebeskunst vollführt. Benohé presst ihre Lippen zusammen. Der Wind spielt mit ihrem hauchzarten Gewand. Fährt über ihre nackten Arme. Sie wendet den Blick ab. Das Haus fixiert sie mit ihren braunen Augen. Die frostige Präsenz der Sklavin. Sie unterdrückt jegliches Grinsen bei den Leibwächtern. Beide Männer lassen sich indes keine Einzelheit entgehen.
    Lethe umfließt Callista. Die Welt ist versunken. Vergessen. Banal und akzidentell erscheint sie in ihrem Rausche. Den sie in diesem Moment erlebt und sich dem ganz ergibt. Jegliche Beherrschung gibt Callista auf. Erfühlt. Erspürt. Erlebt. Genießt diese kostbaren Stunden. In der Dunkelheit von Nox. Beleuchtet von Luna. An einem verzauberten Orte mitten in der großen Stadt Roma. amoR. Die Liebe. Lust. Leben. Eine Einheit bildet diese Triade für Callista. Jedwede Fühlung von Aquilius Händen an ihrem Leibe. Sie lösen ein wohliges Erschaudern und Wonne aus.


    Voluptuös erspürt sie das Gewicht von Aquilius über sich. Verlangend suchen ihre Lippen. Nach einem begehrlichen Kuss. Im selben Atemzug spürt Callista ihn. Intensiv. Ein Keuchen entfleucht Callistas Lippen. Gemachsam spürt sie das Vordringen. Lustbetont schließt Callista die Augen. Presst sich gegen das grüne Gras. Ihre Hüfte hinwieder fester an Aquilius, drängt ihn tiefer zu kommen. Ihre Lippen öffnen sich verhalten. Ein Stöhnen löst sich von ihnen. Bereitwillig schenkt Callista ihm ihr Bein. Sie schmiegt es an seinen Oberkörper und presst sich fester an ihn heran. Schwarz glänzen die Augen. Als Callista sie öffnet. Einem See in den Bergen similär. Wenn die Nacht ihr sanftes Tuch auf das Wasser legt. Glutvoll leuchten sie jedennoch im silbernen Licht Lunas. Der Göttin Selene. Lodernd sind die weißen Flammen. Die Selene vom Himmel schickt. Sie tanzen um die Gestalt von Aquilius. Liebkosen sein Haupt. Springen über. Callista erzittert in Erwartung. Wird nicht enttäuscht. Ein Schauder der Wonne durchströmt ihren Leib. Ein zartes Kribbeln durchfährt ihren Körper. Noch sanft ist das Wiegen auf den Wogen des Beilager. Callista schwelgt in den Bewegungen, die ihr mit jedem Mal einen stärkeren Schauer schenken.


    Die knabenhafte Hüfte wölbt sich Aquilius entgegen. In dem Verlangen ihn stärker zu fühlen. Ihn noch mehr zu vereinnahmen. Sinnlich spürt Callista die Hand von Aquilius an ihrer Haut. Sie brennt an den Stellen. Wo Aquilius Finger sie berühren. Ihre Zungenspitze gleitet über Callistas Unterlippe. Ein feuchter Glanz bleibt zurück. Entzückt erschaudert Callista. Ihr Körper beweist ihre Empfindung. Das Herz pocht in Callistas Brust. Vernehmlich. Laut. Frohlockend. Drängend. Callistas Gier steigt. Berauscht sie und erfasst sie vollkommen. Ihre Hüfte bewegt sich stärker. Ihr Brust hebt und senkt sich geschwinder. Ihr Körper wölbt sich harmonisch im Liebesreigen. Aquilius entgegen. Ihre Beine umschlingen ihn fest. Halten ihn und würden ihn nicht mehr fort lassen.
    "O, mein göttlicher Mars."
    Keuchend haucht Callista das.
    "Verzehre mich. Verschlinge mich."
    Verlangend. Fordernd sind ihre Worte. Wilder ihr Drängen. Ihr Körper entzieht sich ihm. Um sich gleich darauf ihm ungebändigt entgegen zu drücken. Zeitlos ist die Lust. Nächte. Tage können schon vergangen sein. In der Ekstase des Genommen-werdens. Des Gebens. Und der Vereinigens. Feiner Schweiß perlt auf ihrer Haut. Hauchzart. Callistas Atem geht stoßend. Ihre Brust wölbt sich Aquilius entgegen. Ihre schwarzen Haare gleiten über ihren Rücken. Sie schlingt ihre Arme um seine Schultern. Küsst ihn verlangend. Salzig. Ihre Lippen kosten an seinem Hals und beißen ihn zart. Salz auf seiner Haut.
    "Lass mich Dich reiten, mein Mars."
    Verlangend. Flehend nachher ist ihre Stimme. Heiser vor Verlangen.


    Lüstern beißt sich Callista auf ihre Unterlippe. Sie löst sich von Aquilius. Zieht ihn sanft. Bestimmt. Voller Gelüste zum Boden. Leuchtend strahlt der Mond auf ihrem Körper. Offenbart glitzernd die salzigen Perlen auf ihrer Haut. Reiner als jeder Schmuck es sein kann. Von ihrer Halsgruppe gleitet eine Salzperle hinab. Zwischen ihren Brüsten entlang und um ihren Bauchnabel herum. Ihre Hand legt sich auf Aquilius Brust. Perikulös glühen die Augen von Callista. Genuß verspürt sie. Über Aquilius zu thronen. Langsam gleitet sie auf ihn und empfängt ihn abermals. Callista legt ihren Kopf in den Nacken und stöhnt laut. Bewegt sich stetig. Reitet Aquilius. Gefangen in der Passion. Die Bäume brennen lichterloh. Der Himmel gleisst voller roter Flammenzungen. Lächzt danach sie zu verbrennen. Callista gibt entzückte Laute von sich. Sie spürt die Lust immer stärker. Verzehrend. Kribbelnd. Tausend Ameisen umspielen ihre Beine. Breiten sich über ihren gesamten Körper aus. Die Faune lachen. Die Nymphen stöhnen.

  • Wäre die leidenschaftliche, körperliche Liebe dem Wogen des Meeres gleich, so hätte ich wohl spätestens in dem Augenblick, in dem sie mich drängte, obenauf sitzen zu können, mit einem wahren Sturm gerechnet, der sich durch unsere Bewegungen entfesseln würde - aber so konnte ich ihr nur ihren Willen lassen, ihren Genuss damit verstärken, wie jede ihrer Bewegungen unter mir mein Gefühl hatten stärker, intensiver werden lassen. Ihr Mund formte sich rund zu einem Seufzen, das mir durch Mark und Bein ging, vibrierendes Echo hinterlassend, nur um sie ungestüm an mich zu ziehen, als sie gerade erst ihren Sitz eingenommen hatte. Wollte ich sie jetzt noch einmal gehen lassen? Nein, nicht mehr, nicht in dieser Nacht. Es würden andere Tage kommen, andere Nächte, und wahrscheinlich würde sie mir nicht wieder Gespielin sein, wer wusste das schon.


    In dieser Nacht, an diesem verzauberten Ort, der ihr und mein Keuchen widerhallen ließ, jedoch waren wir eins, nur eins, ohne Zweifel, ohne Sorgen, ohne den Zwang, etwas sein zu müssen. Es war nicht mehr wichtig, wer sie war, wer ich war, was wir vielleicht in unserem Leben erreichen wollten. Wenn es irgendwann eine Rolle gespielt hatte, jetzt war es einfach nicht mehr wichtig. Es war bedeutungslos geworden, wen wir liebten, wen wir hassten, denn für diesen winzigen, der Ewigkeit gestohlenen Augenblick war dieses Wissen hinten angestellt, vielleicht auch ein Geschenk eines reumütigen Schicksals dafür, dass man an anderen Augenblicken, in anderen Stunden so vieles hatte erdulden müssen. So vieles erleiden.


    Ihre Lippen bebten, als sich ihre Hüften zu bewegen begannen, den Tanz weiterführten, in den sich unsere Körper hatten ziehen lassen, ohne bereuen zu müssen. Die Spur ihrer Zähne auf meiner Haut brannte noch, als hätte sie sich in das Bewusstsein meines Leibs eingebrannt, und diesmal waren es meine Finger, die auf ihrer weichen Haut ihre Spuren hinterließen, zuerst in einem festen Griff, dann mit einem langsamen, genüsslichen Kratzen ihren hochaufgerichteten Rücken entlang hinab, sie jeden Abschnitt dieser Berührung spüren lassend, gemischt mit dem süßen Beigeschmack ihrer Bewegungen auf mir. Was für ein Glück, dass sie keine Andromache war, was für ein Glück, dass sie wusste, was sie tun musste, um sich das höchste Vergnügen zu bereiten. Gleichsam von ihr benutzt zu werden und doch nicht vollkommen passiv zu verharren, den verklärten Gesichtsausdruck Callistas genießen zu können und selbst wohl nicht minder entrückt zu sein, ließ mir die Welt verstummen.


    Ihren Atem hörte ich noch, fühlte jedes Detail ihrer Bewegungen, das weiche, frauliche Kreisen der schmalen Hüften, denen man nicht ansehen konnte, ob sie bereits einmal Mutter gewesen war oder nicht, ihr Haar umwehte den Kopf wie sich windende Schlangen in der Luft. Entgegen hob ich mich ihr, bockte unter ihren Bewegungen, um jeden Augenblick intensiver zu gestalten, und auch wenn unser Zusammensein bisher recht leise vonstatten gegangen war, nun verriet uns das leise Klatschen, in welchem sich unsere Körper gegeneinander bewegten. Den Kopf zurücklegend, bäumte ich mich unter ihr genussvoll auf, spürte den rauhen Boden auf meinem Rücken, roch die Erde überdeutlich, gemischt mit ihrem süßen Duft, ein Odeur, das ich sicherlich nicht vergessen würde.


    Schneller bewegte sie sich, entflammt vom Augenblick, vom Gefühl der Vereinung, wie auch ich mich nicht zurückhielt im Empfinden, ohne jedoch der Eile zu unterliegen, die einen Mann allzu oft überkam - heute fiel es mir trotz der aufgepeitschten Sinne irgendwie leichter, mich nicht dauernd zwingen zu müssen, durchzuhalten*, es intensiver zu genießen als jemals zuvor, ganz als hätte Venus beschlossen, uns in dieser Nacht ein besonderes Geschenk zu machen (dass nicht Venus die ursächliche 'Schuld' an diesem Ereignis trug, sondern Mars, war wieder eine andere Sache). "Genieße es," keuchte ich unterdrückt. "Und warte nicht auf mich dabei."


    Wir kannten uns nicht, noch nicht einmal wenige Stunden, und ich hielt es für angebracht, ihr zumindest einen Hinweis darauf zu geben, dass sie sich nehmen konnte, was immer sie wollte, ich ahnte, ich würde ihr sicherlich um mehr als ein einziges Mal hinterher hinken, ginge es nur um die bloße Anzahl der genossenen Explosionen jeglicher Empfindung. Wie besitzergreifend und selbstvergessen sie sich bewegte, als sei sie alleine in dieser Welt, als sei letztlich nichts mehr entscheidend, und unsere Vereinigung nur ein weiterer Schritt in die Richtung der Götter, des Elysiums, angefüllt mit Freuden, die uns nicht einmal vorzustellen möglich sein würde.


    Mit einem leisen Knurren griff ich nach ihren Hüften, zog sie zu mir herunter, bis sie auf mir notgedrungen liegen bleiben musste, mich unter ihr weiter bewegend, war sie nun gefangen zwischen meinem Leib und in meinen Armen, denn so leicht ließ ich sie nicht mehr gehen. "Mein bist Du," raunte ich ihr in das exquisite, zarte Ohr, um dann das Ohrläppchen zwischen die Zähne zu nehmen, einen intensiven Biss hinterlassend, dem meine Zunge folgte. Ich erforschte sie an diesem so sehr nach ihr duftenden Ort, schmeckte und roch sie im gleichen Augenblick, als könnte ich in ihr ertrinken, wenigstens heute, wenigstens jetzt. Dann entließ ich sie sanft aus meinen Armen, ihr abermals etwas zuwispernd: "Dreh Dich um, meine Venus, für ein besonderes Spiel ..."


    So dirigierte ich sie, auch wenn ich für einen Moment hinnehmen musste, dass unsere Vereinigung unterbrochen wurde, abermals in meine Arme, doch nun lag ihr Rücken auf meiner Brust, und wieder wurden wir eins, dieses Gefühl der Leere um mich gar nicht zulassend. Mochte sie sich aufbäumen, noch hielt ich sie, nahm meine Bewegungen wieder auf, die mir inzwischen den Schweiß ausbrechen ließen, und so konnte ich deutlich wahrnehmen, was sie fühlen musste, konnte ihren Atem hören, das Zucken ihres Leibes - ja, über den Gipfel wollte ich sie tragen, nicht nur einmal, aber ganz so, dass ich es mit jeder Faser meines Seins erleben würde.

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