Wohl begrüßt' ich dereinst Siziliens prangende Fluren
Und des Euböergestads üppiges Traubengefild,
Sparta sah ich, die glänzende Stadt am beschilften Eurotas,
Und wohin ich auch kam, ehrten sie freundlich den Gast.
Aber die Sehnsucht nicht in der Brust mir konnt' es beschwichten,
So vor jeglichem Land war mir das heimische süß.
Fließend und samtig schmiegt sich die Seidendecke an den Leib von Callista. Ihre glänzenden Haare zerfließen zu einem nachtschwarzen Kranz um ihren Kopf. Ihre Augen sind geschlossen. Langsam hebt und senkt sich ihre Brust. Das Zwitschern der Vögel vermag die Patrizierin zu wecken. Verschlafen reckt sich Callista. Sie streckt sich und rollt unter der warmen Decke herum.
"Hm."
Wunderschönen Träumen entfleucht sie. Er ist in ihrem Nachtgespinst zurück gekehrt. Die Welt ist wieder rein und klar. Sie kann glücklich sein. Ihre Augen öffnen sich. Doch das Bett neben ihr ist leer. Enttäuscht und traurig erzittert Callistas Unterlippe.
"Einen gesegneten Morgen, Göttliche. Du Schönste unter den Frauen. Du Reine und Vollkommene."
Selbst die allmorgendlichen Hymnen der Sklavin vermögen nicht die Verzweiflung zu verdrängen. Callista schluchzt leise auf.
"Wo sind wir, meine Benohé?"
Neben dem Bett kniet Benohé schon seit dem Morgengrauen. Jeden Tagesanbruch wartet sie auf das Erwachen ihrer Herrin.
"In Rom, Herrin."
Die Tränen perlen über Callistas Wangen. Sie legt sich auf ihren Rücken.
"Und er?"
Schon seit Monaten erlebt Benohé immer wieder diese Verzweiflung. Das Mitgefühl hält sich bei der Sklavin in Grenzen.
"Fort, Herrin."
Nun weint Callista laut. Sie vergräbt ihr Gesicht in dem dicken Kissen. Sie benässt den Stoff mit dem Zeugnis ihres Seelenschmerzes.
Erst eine geschlagene Stunde später hat sich Callista von der morgendlichen Trübsal befreit. Sie sitzt vor einem Tisch aus Kirschholz. Benohé flichtet sorgfältig die schwarzen Haare der Patrizierin zu einer sorglich anmutigen Frisur nach oben. Den silbernen Ring an ihrem Finger dreht Callista immer wieder herum. Den rubinroten Stein darauf schenkt sie ihre ganze Aufmerksamkeit. Erst als die letzte Strähne gewunden ist legt Callista die Hand auf ihren Schoß. Benohé hebt den Spiegel. Doch Callista betrachtet heute nicht ihr Angesicht. Sie erhebt sich und tritt auf das Fenster zu.
"Ich vermisse das Geschnatter der Seevögel. Ich hoffe, sie verwüsten nicht meine Villa. Und meine Tiere. Meine armen kleinen Dinger."
Geziert tupft sich Callista eine Träne von der Wange.
"Möchtest Du speisen, Herrin?"
Callista schüttelt den Kopf.
"Nicht heute. Hole mir mein Rauchwerk. Und bringe mir Sinuhe zur Erbauung."
Versunken ist Callista in den Anblick des Gartens. Fremd sind die Pflanzen. Das Licht ist blass und das Haus ihr fremd. Am liebsten wäre Callista sofort wieder aufgebrochen.
"Herrin, Dein Vater naht."
Der Schreck fährt in Callistas Glieder.
Oh nein. Was sage ich ihm nur?
Nichts von der reinen Wahrheit. Sorge Dich nicht, Callista.
Sorgen? Ich bange zu sehr dafür.
Konfus sieht sich Callista in dem Raum um. Soll sie sich hinsetzen? Lieber stehen bleiben? Doch zu spät. Die Schritte sind bereits bei der Tür angelangt.