Langsam köchelte es in Camilla. Die Wut kam plötzlich, aber nicht gänzlich unerwartet. Sie hatte die Abneigung ihres Sohnes von Anfang an gespürt, und ihre Instinkte hatten sie vorgewarnt. In ihrer Wiedersehensfreude hatte sie solche allerdings vollkommen ignoriert. Nie hatte sie glauben wollen, dass ihre Kinder so auf sie reagieren würden. Dass sich Cotta demonstrativ bei der unnützen Sklavin bedankte, konnte Camilla schon nicht verkraften. Wie konnte er es wagen sich gegen ihre Meinung - die seiner Mutter - zu stellen. Mit leicht rotem Gesicht trat sie näher. Nur noch ein Schritt trennte die Beiden voneinander. Das Fass kochte vollends über, als Cotta höhnisch seine Mutter zurechtwies. Camillas Gesicht wurde nun hochrot, zum Einen aus Wut, zum Anderen, weil Cotta sie soeben bloßgestellt hatte vor der Sklavenschaft. Sie atmete heftig, die warmen Luftstöße waren für ihren Sohn schon spürbar. Dann hob sie blitzartig den Arm. Einige Augenblicke später hatte Cotta zwei gerötete Wangen. Solch ein Verhalten würde Camilla auch jetzt nicht dulden, wo ihre Kinder nicht mehr bei ihr wohnten, sondern sie eher bei ihnen zu Gast war.
Ihr wütender Blick richtete sich abermals auf Cotta. „ Wie kannst du es wagen, mich so bloßzustellen! “, zischte sie nun kaum hörbar. Ihre Hände ballten sich zu kleinen Fäustchen, sie verbarg diese aber in einer Falte ihrer stola. Ihre Knie zitterten ein wenig. Plötzlich kam Reue in ihr auf. Wann war sie das letzte mal so wütend gewesen, dass sie ihrem Sohn zwei Ohrfeigen verpasst hatte? Nun gut, es war bei seiner Abreise gewesen, als Camilla ihn das letzte mal gesehen hatte. Aber sie hatte sich danach per Brief entschuldigt, ganz im Gegensatz zu ihm. „ Du solltes an deine Manieren denken, die ich dir einst beigebracht habe! “ Trotz der vielen Zuneigung, war Camilla bei den Manieren und Tugenden hart gewesen, daher hätte es „ eingeprügelt “ wohl besser getroffen. Sie hatte ihren Zeigefinger an das Kinn von Cotta gelegt. die spitzen Fingernägel schnitten in die Haut. Durchdringend blickte sie ihn an, um diese „ Lektion “ nochmals zu verschärfen.
Als die Sklavin das Tablett fallen ließ, war Camilla kurz davor erneut aus ihrer Haut zu fahren, allerdings wurde sie vom Eintreffen ihres zweiten Sohnes überrascht. Im Gegensatz zu ihm hatte sie keine Schwierigkeiten ihren Kleinsten zu identifizieren. Den Geruch, der von Philonicus ausging, nahm sie wahr, ignorierte es aber. Dem Jüngsten würde sie doch alles verzeihen. Er war schließlich auch fast noch ein Kind. Dass er sich nicht angemessen kleidete, war allerdings ein Misstand, der noch behoben werden musste. Cotta war vergessen, sie ließ ihn einfach im Raum stehen. Derweil eilte sie auf den kleinen Philonicus zu und drückte ihn fest an sich. Der unangenehme Weingeruch war zwar hinderlich, aber Camilla verkraftete es. „ Manius, mein Sohn! Endlich kann ich dich wieder drücken! “ Diese Art der Zuwendung, die ihr lange Zeit nur ihr Jüngster geben konnte, der schließlich am längsten noch im Elternhaus gelebt hatte, hatte ihr gefehlt. Und genau diese Zuwendung brauchte sie nun um sich abzureagieren.