• Ich gehörte nicht zu den Menschen, die der Ansicht sind, es sei besser tot zu sein, als Rom zu verlassen. Allerdings war ein Leben außerhalb meiner Geburtsstadt für mich vergleichbar mit einem Leben jenseits des Styx, ein allgemeiner Stillstand, während man sich der Tatsache gewiss ist, dass alles Wichtige irgendwo weit weg geschieht.
    So war es während meiner Zeit in Gallien und Germanien. Doch Alexandria war anders. Hier gab es so viel zu sehen, so viel zu tun und zu bestaunen, dass man Rom gar nicht wirklich vermissen konnte.
    Und weil es so viel zu sehen gab, schien ich nie mit meinen Besichtigungstouren fertig zu werden, denn auch am heutigen Tage hatte ich mich, von einigen Sklaven begleitet und von einer Sänfte getragen, auf den Weg gemacht, einige Ecken der Stadt zu erkunden. Dieses Mal war die Wahl aufs Sarapeion gefallen. Die Sänfte hatte ich selbstverständlich am Eingang stehen lassen und war zu Fuß weiter gegangen.


    Auf dem Weg hierher war ich an zahllosen weiteren Tempeln vorbei gekommen. Aus einem kleineren, nur wenige Straßen vom Sarapeion entfernt, war Rauch aufgestiegen wie aus einem kleinen Vulkan, während die leichte Brise, die derzeit durch Alexandria wehte, den Klang von Gesang und scheppernder Instrumente herübertrug. Noch hier konnte ich es hören. Neugierig, was für ein Tempel das war, hatte ich einen der hiesigen Priester darauf angesprochen, welcher jedoch nur die Nase rümpfte.
    "Der Tempel des Baal. In besseren Tagen einst der Tempel des Horus.", erklärte er mir. "Ich würde dir empfehlen, ihn zu meiden, Herrin. Ein Kult, von ungewaschenen Ausländern hierhergebracht. Dort finden sich nur die unanständigsten und geringsten Alexandriner ein. Ekelerregende Orgien finden dort statt."
    Einige meiner Sklaven begannen zwar hoffnungsvoll zu Grinsen, doch ich hatte nicht vor, dieses Etablissement zu besuchen.


    Das Sarapeion bildete, wie der Statthalterpalast, eine richtige Stadt in der Stadt mit Gattern für lebende Opfertiere, einem ganzen Stall von Priestern und Dienern, Räumen mit allerlei Krimskrams und Schätzen und so viel Sehenswürdigkeiten, dass man sicherlich ohne Probleme mehrere Tage hier hätte zubringen können und dennoch nicht alles sehen würde. Der eigentliche Tempel stand auf einem künstlich errichteten Steinhügel und war weithin sichtbar. Er beherbergte auch das Standbild des Gottes, das von erstaunlich bescheidenen Ausmaßen war. Verglichen mit dem Rest der Anlage.
    Ich schlenderte inmitten all dieser Pracht umher und glotzte wie jeder andere Tourist – wenngleich ich mich nicht wie einer fühlte, schließlich war ich die Frau des Praefectus Alexandriae et Aegypti. :]



    Sim-Off:

    Wer Lust hat und/oder sich bei der Frau des Statthalters einschleimen will, nur zu :)

  • Der junge Mann schlenderte die breiten Straßen des Serapeum entlang.
    Er trug eine helle Tunika und hatte sich ein dunkelblaues, toga-ähnliches Kleidungsstück leger über die Schultern geworfen.
    Von der riesigen Tempelanlage schien der dunkelhaarige Mann aber offenbar wenig beeindruckt. Wer bereits die Serapeen von Saqqara und Memphis besucht hatte, dem bot sich hier nur wenig Neues.
    Die Römerin mit großer Gefolgschaft weckte hingegen seine Aufmerksamkeit. Ganz offensichtlich die Gattin eines wohlhabenden
    Provinzbürokraten. Er trat selbstsicher vor und sprach sie direkt an:


    "Salve Domina. Es erfreut mich, eine so edle wie schöne Römerin zu treffen, die sich der kulturellen Vielfalt Alexandrias ebenso widmet wie ich das tue."


    Er zeigte ein freundliches, aber leicht spöttisches Lächeln und fuhr fort:


    "Ich bin Mithridates Castor, Nachfahre des großen Mithridates VI. Eupator und bin kürzlich aus Nicomedia zurückgekehrt. Mit wem habe ich die Ehre?"

  • Ich stierte gerade angestrengt eine Statue an - wen oder was genau sie darstellen sollte erschloss sich mir noch nicht so ganz - als ein junger Mann mich ansprach.
    Seit ich in Alexandria lebte, hatte ich mich schon einigermaßen an die blumigen Begrüßungen und Komplimente der griechischen Bevölkerung gewöhnt und so lächelte ich freundlich. Wären wir in Rom, ich hätte selbstverständlich brav den Blick gesenkt und Verlegenheit vorgetäuscht.


    "Salve, Mithridates Castor.", erwiderte ich die Begrüßung.
    Ein Nachfahre vom alten Mithridates? Ououou... auf den Knaben war der Römer an sich ja nicht besonders gut zu sprechen. Wobei ich ohnehin noch unschlüssig war, ob mein Gegenüber sich dieser Herkunft tatsächlich sicher war, oder ob dies eine Art Masche war, um Touristen einzuwickeln. Aber ich war ja kein Tourist. 8)
    "Ich bin Germanica Aelia... und erst seit einigen Wochen in der Stadt. Erstaunlich, wie viel es hier zu sehen gibt."
    Das war es tatsächlich. Mittlerweile hatte ich den Verdacht, ich würde niemals damit fertig werden die Sehenswürdigkeiten abzuklappern. Andererseits, in Rom hatte ich sicher auch noch nicht alles gesehen und dort war ich schließlich geboren.
    "Was hat dich aus Nicomedia denn nach Alexandria verschlagen?"

  • "Verschiedene private und geschäftliche Angelegenheiten haben mich in der Provinz Asia beschäftigt."
    Dass er Nicomedia fluchtartig hatte verlassen müssen, verschwieg er lieber. Der kleine Mann besaß ein Talent, sich in Schwierigkeiten zu bringen. Er selbst schob die Schuld daran auf seine Mitmenschen, die seine direkte Art nicht verstünden.
    Andere Menschen sahen in ihm eher einen notorischen Unruhestifter. Was störte es ihn. Nam vitíis nemo sine nascitur (Jeder Mensch hat seine Fehler).


    "Nun, ich habe natürlich vom neuen praefectus gehört, doch ist es nicht ungewöhnlich, wenn ein hoher römischer Beamter von seiner Gattin ins Ausland begleitet wird?"


    Wieder dieses spöttische Lächeln.


    "Oder, Matrona, gilt für das Statthalterpaar etwa Properz' Spruchverus amor nullum novit habere modum?" (Wahre Liebe kennt keine Grenzen)

  • Ach verdammt, so bekannt schien mein Name doch schon zu sein, dass man mich mit dem PeAh in Verbindung brachte. Mit inkognito war damit wohl Schluss.
    Seine Frage hingegen liess mich die Stirn runzeln.


    "Nun, da in Aegypten kein Krieg herrscht ist es nicht sonderlich verwunderlich, dass ich meinen Gatten hierher begleitet habe. Ich kenne zumindest keinen Statthalter, der seine Gattin lieber in der Heimat lässt, anstatt sie mitzunehmen... es sei denn, er hat keine Frau.", fügte ich, in Gedanken an Macer, hinzu und grinste.
    Corvus alleine hierher lassen? Undenkbar. So weit käme es noch 8)
    Was die Liebe und Grenzen anging ließ ich die Aussage unkommentiert, hatte diese Verbindung doch in früheren Zeiten genug Wirrwar und Trubel verursacht, sodass ich froh war, nicht mehr daran erinnert zu werden.


    "Du bist also Händler?", schlussfolgerte ich schließlich.

  • "Händler? Nun, nicht direkt."
    M.C. war in einem Geschäft engagiert, dass zumindest in seiner urspünglichen Heimat am Pontus Euxinus immer noch profitabel und aufgrund der vergleichsweise geringen römischen Flottenpräsenz sowie der Korruptheit lokaler Würdenträger einigermaßen sicher war.
    "Mein Gewerbe, na ja, es hat mit Schiffen zu tun."
    Mehr wollte er dazu aus verständlichen Gründen nicht sagen.


    Auf einem Platz der Tempelanlage hatte sich mittlerweile eine recht ansehnliche Menschenmenge versammelt. Wütende Frauen und Männer unterschiedlicher Herkunft beschimpften sich gegenseitig
    und reckten ihre Fäuste drohend in die Höhe. Bestimmt wieder irgendwelche Spinner. Diese Alexandriner hatten eine eigenartige Vorstellung von einem angemessenen Zusammenleben der verschie-denen in ihrer Stadt vertretenen Gruppen.
    Da M.C. es vorzog, nicht in solche Streitereien verwickelt zu werden, ging er daran, sich von seiner Gesprächspartnerin zu verabschieden.
    "Nun, es hat mich jedenfalls gefreut, Eure Bekanntschaft gemacht zu haben und ich hoffe, Ihr verzeiht mir meine Unwissenheit über die Reisegewohnheiten römischer Beamtengattinen. Wie lange werdet Ihr und der Statthalter noch in Ägypten beschäftigt sein?"

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