Nekropolis | Die Bestattung des Epistates tou mouseiou, Tychios von Chalkis

  • Tiefe Töne entlockte der junge Syrinxspieler seinem Instrument, andächtig spielte der junge Mann die Flöte als er einen Fuß nach den Anderen setzte und vor der Ekphora, der Prozession des verstorbenen Epistates, entlang schritt. Viele Fackeln beleuchteten den Weg, zuerst in zahlreichen Fackelhalterungen im Museion, so dass man meinen könnte, die Nacht würde zum Tage werden, und dann von den vielen Menschen, die sich dem Leichenzug angeschlossen hatten. Leise wimmerten die Frauen auf, wenn der Syrinxspieler die Flöte absetzte, um Luft zu holen und dann erneut eine traurige Melodie anzusetzen. Der Wagen poltert ab und an, wenn er über die Pflastersteine fuhr, die Pferde stoben ihren Atem in die Dunkelheit. Nachdem sie die Mauern des Museions verlassen hatten und über die Straßen der Polis entlang schritten, mischte sich die eine einzelne Doppelaulos in das Spiel der Syrinx, hell und rein. Ein langer Marsch durch die Stadt führte sie bis zu den Toren der Stadt, der Himmel verfärbte sich bereits blass blau und zeigte die ersten Perlmutt- bis Rosefarben am östlichen Horizont. Von dort war es nicht mehr weit bis zu der Totenstadt.


    Lorbeerbüsche säumten die Mauer vor dem Eingang der Nekropole, deren Tore für die Bestattung offen standen. Fackeln waren auch hier bereits aufgestellt, beleuchteten ein weiteres Mal den Weg der Menschen, doch um so deutlicher zeichneten sich auch die Schatten zwischen den Gräbern ab, dort wo die Flammenzungen mit ihrem Schein nicht mehr hin kamen, nicht die gierige Dunkelheit vertreiben konnte, die mit ihren Fingern nach den Menschen greifen wollten, ganz als ob es die Boten des Hades wären, die nach den Menschen lächzten. Oder waren es doch die alten ägyptischen Totengeister, die darum haderten, dass ihnen nicht mehr gehuldigt wurde wie früher? Griechische Prunkbauten, reihten sich neben Ägyptische aus älterer Zeit, weitläufig waren die Totenanlagen, verworren in ihrem Verlauf. Der Weg zu der großen Anlage des Museion war deutlich durch die Fackeln. Der Wagen wurde vor den Mauern angehalten und die Totenbahre erneut herunter gehoben. Ein lauer Wind wehte über sie hinweg, zerrte an dem weißen Leichentuch, was über dem Epistates ausgebreitet war, an seinen weißen Haaren. Sein Haupt sah heraus, ganz als ob er auf seinem Bett nur nächtigen wollte.


    Prunkvoll bemalt waren die marmornen Wände des Museionsgrabes im Zentrum der Nekropolis, zahllose Vorgänger des jetzigen Verstorbenen waren schon hier bestattet worden, Marmorsäulen hielten das hohe Dach des Prunkbaus, Steinreliefs zierten den Giebel, goldene Steinblätter das Kapitel und Blattgold auch die Basis der schweren Säulen. Ebenso prunkvoll und verschwenderisch war das Innere des Grabes ausgestattet, Goldkerzenständer, edle Vasen und zahlreicher anderer Pomp, der nur durch die dicken Mauern ohne Fenster und den schweren Türen vor Diebstahl sicher waren. Die schweren Bronzetüren zu dem Grab standen offen. Dem Praefectus war natürlich ein Ehrenplatz bereit gehalten worden, von wo er nicht nur alles beobachten konnte, sondern auch, wenn es ihm beliebte, selber eingreifen. Im Klang der Klagen, dem Wimmern der Frauen und manchen Schluchzen der Menschen, die mehr von der Zeremonie sich mittragen ließen, ebenso dem Widerhall der Musikinstrumente wurde der Leichnam in eine steinerne Grube hinab gelassen. Gelb fiel der Schein von den Fackeln noch auf das Gesicht des toten Epistates. Sosimos trat nach vorne und vor all die Menschen, an seiner Seite die noch offene Grabstätte in dem Prunkbau. Schweigend wartete er, bis alle Menschen, die mit gelaufen waren, sich vor dem Grab versammelt hatten. Es war doch eine ansehnliche Menge an Menschen geworden, auch mehr als im Museion lebten.

  • In einigem Abstand zum Wagen, auf dem die Leiche gefahren wurde, und somit in einigem Abstand zu denen, die als Angehörige das Vorrecht hatten auf der Prozession dem Leichnahm am nächstem zu sein, schritt Nikolaos an diesem frühen Morgen (die Nacht war gerade gestorben) mit im Leichenzugu durch die Stadt. Ihm fröstelte. Er zog seine Chlamys enger um die Brust, hielt sie mit den Händen fest, um sich zu bedecken. Seine Schritte waren etwas unsicher, seine Beine schwach. Die tiefen Töne der Syrinx, die gellenden Schreie der Klageweiber, selbst das dumpfe Murmeln in der Menge, die die Prozession bildete, tönte in seinen Ohren. Seine Finger waren kalt und bleich. Sie gruben sich in den Wollstoff seiner Chlamys, deren einst tiefblaue Farbe verblasst war. Im gespenstischen Licht der Fackeln war sie ohnehin nicht zu erkennen. So zog sich dieser Leichenzug durch die Stille der späten Nacht. Der monotone Rhythmus der Schläge der Pferdehufe auf dem Pflaster der Straße machten Nikolaos schläfrig. Doch innerlich war er erregt und unruhig. Seine Hände zitterten.

  • Leises Wispern flog von Mund zu Mund, oder war es doch nur das Raunen des Windes? Womöglich die Stimmen all jener, die hier in den Gräbern keine Ruhe gefunden hatten? Denen der Weg in das erlösende Elysium verwehrt worden waren. Die Lethes Segen nicht erfahren durften und sich nach ihrem sterblichen Leben zurück entsannen. Das Geräusch verstummte als Sosimos vor das Grab trat, worin der tote Epistates hinab gelassen worden war. Der nächtliche Wind zupfte an seinem Gewand. Einige weiße Blumen wurden vom Boden hoch gehoben, wehten sanft um sein Gewand herum und fielen in das schwarze Loch, dem offenen Grab. Die Lichter des Grabbaus flackerten heftig, eine Lampe erlosch. Manch einer der Menschen drängten sich näher an die Lichter heran. Ein junger Mann neben Nikolaos schüttelte den Kopf. „Keine gute Nacht heute. Schlechte Omen. Den ganzen Tag.“ Er sah sogar kurz zu Nikolaos und dann auch den Nachbarmann. „Drei Schlangen habe ich heute gesehen. Sie krochen unter einem Stein hervor. Drei! Drei...“, flüsterte er bedeutungsvoll. Er schien zu erwarten, dass Nikolaos ihn verstand. Der Nachbarmann nickte verstehend. „Ja, ich habe sogar Blut heute in meinem Frühstücksei gefunden.“ Beide Männer nickten andächtig. Die Syrinx verstummte und Sosimos Stimme erklang klar und deutlich.


    „Süßer attischer Mund! Von allen Griechen die schönste
    Rednerblume; wie du blüht keine schönere mehr.
    Denn du erhobst, o Platon, den Blick zum Himmel und lehrtest
    Gott uns, lehrtest uns Tugend und Sitten und Recht,
    Mischtest samische Weisheit zum holden sokratischen Becher,
    Gabst der erhabensten Muse die schönste Gestalt.


    Stets fort scheiden große Gelehrte von unserer Welt. Ein wenige Dunkler wird das irdische Licht und hinterlässt uns Sterblichen oftmals wenig von dem Verblichenen. Tychios von Chalkis war ein Schüler Platons, nicht ein Schüler, der seinem honigsüßen Mund folgen durfte. Aber ein Schüler im Geiste.
    In all den vielen Jahren hat er mit seiner bescheidenen und demütigen Art vor der Weisheit...“

    Selbst und gerade Sosimos fielen all diese Lügen schwer, die er über den Epistates von sich geben musste.
    „...danach gestrebt, das Wissen in den Geistern der Menschen zu mehren. Sie dahin zu führen, das wahre Sein zu erblicken. Den Trug zu durchschauen und die Seele in sphärische, intellektuelle Höhen zu bringen. Vielen wird er dabei geholfen haben, leitete er doch schon seit einigen Jahren das Museion...“
    Und so ging die Lobeshymne auf den Epistates weiter. Von seinen großen Verdiensten wurde gesprochen. Von seinem so angeblich tugendhaften Leben. Ginge es nach Sosimos und den nachfolgenden Rednern, war der Epistates ein gar heiliger Mann gewesen. Ein lautes „Lüge!“, unterbrach den letzten Redner. „Er war ein Schwein. Ein korrupter Widerling. Er hat die Schriften gestohlen und verhökert.“ Von woanders drang ein: „Und an den Schülern hat er sich vergriffen, dieses Ekel.“ Doch stets vermochten die Zwischenrufer in der Anonymität der Versammlung von Aponimma zu bleiben. Der letzte Redner, ein sehr alter Gelehrter verstummte verwirrt. „Ähm...“, murmelte er. Sosimos dränge sich nach vorne und schob den Alten einfach beiseite. Er hob die Arme. „Hermes Chthonios, gewähre dem Eidolon des Tychios Zuflucht, beschütze ihn auf der Reise in die Unterwelt, vorbei an Gefahren und Hindernissen. Leite ihn, in das leuchtende Licht des Elysiums zu finden.“ Gaben wurden in das Grab hinab geworfen. Sosimos warf einige Blumen dazu, einen Schmuckreif. Auch andere Menschen gaben etwas dazu. Die Witwe beugte sich vor und warf ein Behältnis in das Grab. Dann gab Sosimos das Zeichen, vier starke Männer griffen nach Seilen und zogen die große steinerne Platte über das Grab. Dann traten sie aus dem Haus. Sorgfältig verschloss Sosimos das Mausuleom.


    „Oh ihr Trauernden, folgt mir auf Speis und Trank ins Museion. Niemand soll heute Hunger leiden. Alle sollen noch von der Wohltat des Epistates, so er nun schon im Hades weilt, noch erfahren.“ Die Menge schien sich aufzulösen und Sosimos eilte bereits auf den Ausgang zu. Gerade löste sich ein Schatten von einem anderen prunkvollen Grabbau. Eine Gestalt in einem Kapuzenumhang. Das Gesicht noch verborgen. Sie griff nach Nikolaos Arm. „Psst...seid ihr der Strategos? Der wegen dem Tod des Epistates ermittelt?“





    Zeit: Drei Tage nach dem Tod des Epistates.

  • Nikolaos hatte der Zeremonie etwas schläfrig gelauscht. Ihm fröstelte nun noch mehr, da das Grab geschlossen worden war. In seinem Kopf schienen Dämonen ihre Stimmen zu erheben. Ach wäre ich doch in Attika geblieben, ach! ach! Was ist, wenn mein Vater schon tot ist und meine liebe Mutter und ich weiß nichts davon? Verstoßen, verstoßen! Ein schlechter Sohn. Nikolaos, du schöner Knabe, willst du mit mir durch den Nachthimmel schwimmen wie durch einen schwarzen See unter Zedern?, hauchte Isis und er spürte Schwingen um sich gelegt, dann Krallen in seiner Brust. E iackhe, e iackhe... . Nikolaos hustete künstlich, um sich wieder in die gleiche Welt zu bringen, in der sein Körper starr stand wie eine Marmorstatue, deren Farbe schon abblätterte und, vor allem im Gesicht, den weißen Stein freigab. Ich sterbe!, dachte er und erschauderte.
    Und Isis verschwand beleidigt. Ich trage ein Kind von dir mit mir herum, Nikolaos., säuselte sie. Dann versank sie im schwarzen See des Nachthimmels.
    Ich werde sentimental bei Begräbnissen, das ist alles., redete sich Nikolaos ein.
    Eine menschliche Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. "Ja, der bin ich, doch heute bin ich nicht als Strategos hier sondern als Schüler.", antwortete er rasch. Er wollte sich eigentlich auf kein Gespräch einlassen, da er fürchtete, sein Verstand könnte dieser Anstrengung nicht gewachsen sein und ihn unvorsichtig in gefährliche Gegenden führen.

  • Unzählige Menschenfüße entfernten sich von dem Grab, hinterließen nur die Spuren auf dem Sande, zertretene Blütenblätter und ein einsames Grab, vor dem nun nur noch die Witwe des Epistates stand, mitsamt der drei Kinder, die völlig übermüdet, erschöpft und niedergeschlagen ihre Häupter hängen ließen. Zwei Fackeln flackerten vor dem nun verschlossenem Grabmal, das zu dem Museion gehörte und mit zahlreichen Goldarbeiten geschmückt war. Aufwendig, prachtvoll und mit begnadeten Händen erbaut. Warm wehte der Nachtwind über den Friedhof, ließ die Fackeln tanzen und die Schatten herum wirbeln. Die Gestalt, die Nikolaos angesprochen hatte, zuckte in die Ombrage der anderen Grabbauten zurück, als ob sie das Licht der Fackeln scheute. „Wenn ihr nur der Schüler seid, dann wollt ihr nicht die Wahrheit enthüllen?“, flüsterte die Gestalt leise und wollte schon einen Schritt zurück treten, um in dem Schutz der Nacht wieder zu verschwinden, lautlos und still wie sie gekommen war, weiterhin unerkannt.

  • Unwillkürlich griff Nikolaos nach der Gestalt. Als er sie am Gewandzipfel erwischt hatte, zuckte er wieder zurück. "Verzeih mir.", sagte er und ließ die Hand wieder sinken. Er schien nun mit der Gestalt ziemlich allein am Friedhof zu sein. "Ich will die Wahrheit enthüllen. Doch wie kannst du mir dabei helfen?" Er versuchte, ein Gesicht der Gestalt zu erkennen, starrte angestrengt in die Dunkelheit. Der Schatten der Kapuze verbarg das Gesicht vor Nikolaos Blick. Er versuchte, die Stimme einem Menschen zuzuordnen, den er kannte, doch es gelang ihm nicht.
    Allmählich wurde es wieder still auf dem Friedhof. Die letzten Besucher gingen in kleinen Gruppen in die Stadt zurück. Zwischen den Grabmalen heulten Schakale. Unheimliche Menschen, vielleicht Bettler aus der Stadt, kamen zum Schlafen in die Nekropolis. Zwischen den Häusern der reichen Toten richteten sich die armen Lebenden ein. Dieser Teil der Nekropolis verfügte über meist sehr aufwendige Grabmale wie das des Tychios, und in diesem Teil der Nekropolis schienen sich besonders viele finstere Gestalten herumzutreiben, wenn die letzten Trauergäste verschwunden waren. Nikolaos wäre gerne sofort in die Stadt zurückgegangen, um vielleicht noch Anschluss an eine der kleinen Gruppen zu finden, doch er war begierig, das Geheimnis der Gestalt zu erfahren. Oder war es gar eine Falle... . Nikolaos zuckte zusammen. Er hätte sich von einem Diener begleiten lassen sollen. Dieser Gedanke kam ihm plötzlich und ließ die Angst anschwellen. Er sah hinüber zur Familie des Totens. Wenn eine Frau und drei Kinder sich nicht schrecken lassen... . Er trat einen Schritt auf die Gestalt zu. Hoffentlich würde sie jetzt nicht plötzlich doch noch verschwinden.

  • Die Berührung an dem Gewand ließ die Gestalt verharren, wenngleich sie heftig zusammen zuckte, als ob sie sich an der Hand des Strategos verbrannt hätte. Eine magere Katze sprang auf den Sims eines Daches, das nur einen Toten beherbergte. Umringt von zahlreichem Gold, bis eines Tages ein Mensch mit einem Brucheisen sich des Schatzes in dem Haus bemächtigen würde. Einem Geist gleichend schritt die Katze auf der Spitze entlang. Ihr Fell war struppig, ihr halbes Ohr fehlte und zahlreiche vernarbte Kratzspuren offenbarten viele Kämpfe in ihrem Leben. So herunter gekommen sie wirkte, so stolz waren ihre Schritte. Sie sprang hinunter und direkt neben die Gestalt. Die die Finger in das Fell vergrub und das Tier hoch hob. Die Katze fauchte leise, doch dann beruhigte sich das sonst wilde Tier. „Ich habe die Männer gesehen. Die den Toten in den Brunnen geworfen haben.“, flüsterte die Gestalt, heißer, um wohl die Stimme zu verstellen. Sie trat etwas näher heran an Nikolaos, um die Worte deutlicher zu zu Nikolaos zu tragen, heulte doch der Wind stärker durch die Flure der Gräber. In dem Moment spiegelte sich das Licht von der Fackel auf ihrem Gesicht wieder, enthüllend und offenbarend. Es war das Antlitz einer Frau, etwas pummelig und mit aufgeworfenen Lippen. Ihr Mondgesicht bemerkte nichts von der Offenbarung ihrer Identität. „Es war der Gelehrte Chares. Ich bin mir ganz sicher. Und sein Schüler, Lukios.“ Die Frau richtete ihre braunen Augen auf Nikolaos.

  • Als Nikolaos das Gesicht der Gestalt im Fackelschein erschien, prägte er sich sein Aussehen gut ein. Er glaubte diese Frau noch nie gesehen zu haben. Fröstelnd lauschte er ihren Worten. Was war das? Nur das Fauchen eines Tieres oder mehr? Nikolaos drehte sich kurz um und sah erleichtert die Katze. Sie ernährt sich sicher von Aas, dachte er und erschauderte. Dann wandte er sich rasch wieder der Frau zu. Als sie sagte, wer den Epistates in den Brunnen geworfen habe, erschauderte er noch einmal. Eisig lief ihm ein Schmerz den Rücken hinunter. Er wusste jedoch nicht, ob er der Frau glauben konnte. Was trug sie im Schilde? Er blickte ihr tief in die Augen und musste sich zwingen, seinen Blick nicht scheu abzuwenden. Bleich und von harten, schwarzen Schatten durchzogen war das Gesicht der Frau im Schein der Fackel. Wer war sie?
    "Werte Frau, erzähle mir, wie du es gesehen hast.", sagte Nikolaos sanft. Er wollte sie nicht verschrecken. Daher hatte er es auch unterlassen, zu fragen, wer sie überhaupt sei. Das würde er sogleich noch hinterherschieben, wenn sie geantwortet hatte.

  • Wolkenschlieren zogen über den dunklen Himmel, fraßen gierig die Sternlichter um sie danach wieder angewidert auszuspucken. Der Wind wehte immer kühler zwischen den Häusern der Toten hindurch, pfiff und sang in schrillen Tönen, zerrte an dem dunklen Umhang, den die Frau um ihren Leib geschlungen hatte, um der nächtlichen Kälte zu trotzen, die sich über das ägyptische Land gelegt hatte. Die Frau zuckte etwas zusammen als Nikolaos ihr Geschlecht enttarnt hatte. Ihre Finger gruben sich in den Nacken des Tieres, das auf fauchte, nach der Frau kratzte und von ihrem Arm sprang. Die Frau hielt sich die Hand, an der einige Blutstropfen aus dem Kratzer hervor perlten. „Wie...?“ Verdutzt betrachtete die Frau, kein junges Mädchen eindeutig, den Strategen. „Ich...im Garten des Museion. Ich war auf dem Weg nach draußen...ich...“ Sie verfiel in Stottern. „Ich besuche manchmal einen der Gelehrten dort...aber das ist auch nicht verboten...“ fügte sie hastig an. Ihre Augen irrten hin und her als ob sie nach einem Ausweg suchen würde. „Ich habe gesehen, wie sie den Toten da hin getragen haben. Der Gelehrte und ein Gehilfe...aber ich wusste da noch nicht, dass es der Epistates war...ich kannte den Mann doch nicht.“ Fahrig hob sie die Hand und strich sich eine Haarsträhne zurück, eindeutig eine nervöse Geste, aber die ihre Hand offenbarte an denen Hennamuster zu sehen waren und Musterungen aufwiesen, die manche der ägyptischen bezahlbaren Frauen des Rhakotis trugen. „Ich habe schon mehr gesagt als gut ist...“ Hastig drehte sich die Frau um und floh in die Dunkelheit hinein, um von den Häusern verschluckt zu werden.

  • Erschüttert sah Nikolaos der Frau nach. Hatte sie die Wahrheit gesagt? Wer sie war, würde er nie herausfinden. Nun aber musste er den Dingen, die sie ihm anvertraut hatte, ohne diese Gewissheit nachgehen. Nikolaos zog die Chlamys eng an den Leib und machte sich auf den Weg zurück in die Stadt. Zwischen Grabmälern ging er rasch in Richtung der Straße. Einmal streifte er mit dem Fuß flüchtig eine Gestalt, die an der Eisentür eines Grabmals lehnend schlief. Er erschauderte und setzte seinen Weg rasch fort. Er wollte so schnell wie möglich diesen unheimlichen Ort verlassen. Hoffentlich würde er zur Straße finden. Kein Diener hatte ihn begleitet, da er davon ausgegangen war, zusammen mit den übrigen Trauergästen zurück in die Stadt zu gehen. Nicht einmal eine Lampe hatte er dabei. So mussten seine Augen den Weg im fahlen Licht des Mondes und der Sterne suchen. Jedes unbestimmte Geräusch ließ den jungen Mann, der seit einiger Zeit für die Sicherheit der Stadt verantwortlich war, zusammenzucken. Ihm frohr. Es war tiefste Nacht geworden und die Wärme hatte den Weg zurück zur Sonne angetreten. Nun fiel Tau aus dem Weltraum und legte sich auf Nikolaos Haut.

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