Hortus | Frischer Wind aus der Villa Aurelia

  • Gülden erstrahlt die Sonne. Spielt mit den immergrünen Zweigen von Lorbeerbäumen. In den Ästen von Schirmpinien, an deren Zweige noch die Pinienzapfen hängen. Sanft erzitternd in dem euphorischen Spiel des Windes, der sich in den Garten verirrt. Einem übermütigem Kind gleichend. Er verlustiert sich mit den Blüten einer spät erwachsenen Rose. Mit einigen goldenen Blättern. Dem Wasser in einem Brunnen. Lacht über die warme Sonne und zerrt an den dunklen Haaren des Jungen, der in den Garten trottet. Hinter dem goldblonden Sklaven kommt Nero in den Hortus der Villa Claudia.


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    In seinen Händen trägt er einen Käfig aus feinen Goldstäben. In diesen flattern aufgeregt zwei Vögel. Ein Sommergoldhähnchen und ein Gartenrotschwanz. Mit ihren filigranen Füßen klammern sie sich an die Stangen. Kompensieren das Schaukeln durch das Schlagen mit ihren Flügeln.
    "Was soll ich im Garten?"
    Ungnädig mault Nero.
    "Deine Mutter verlangt Dich zu sehen, Herr. Dem Besuch wegen."
    Nero verzieht das Gesicht und trabt auf eine Marmorbank zu. Dort setzt er sich und streicht seine grüne Tunika glatt. Goldene Borten verzieren den Rand. Die Sandalen sind bis zu seinen schmächtigen Waden hoch gebunden.
    "Hier. Hänge das in die Zweige des Baumes, Servus."
    Nero findet es angenehm. Dass mal Sklaven im Haus sind, die ihm antworten können. In Alexandria sind sie stets stumm.
    Der Sklave ergreift vorsichtig den Vogelkäfig und streckt die Arme aus. Um den Käfig an einen besonders dicken Ast zu binden. In Kopfhöhe von dem Jungen.
    Neros Beine baumeln über dem Boden. Er hält seine Hände auf dem Schoß verschränkt und sieht gelangweilt in den Garten.




  • Nachdem Sisenna der Sklavin durch verschiedene Gänge, einmal die Treppe rauf und wieder hinunter und schließlich bis in den Garten gefolgt war, blieb sie, als der Weg nicht enden wollte, trotzig stehen.


    „Ich gehe hier keinen einzigen Schritt weiter. Ich warte hier auf Tante Callista, du kannst gehen“, sagte sie in bestimmten Ton und richtete den rechten Zeigefinger auf die Brust der dicklichen Frau. „Ich bin doch kein Bote, dass ich so viel laufen müsste“, murmelte sie vor sich hin, als die Sklavin bereits gegangen war. Sie führte beide Arme hinter den Rücken und legte die Hände übereinander. Ihr Kopf wanderte den dicken Baumstamm neben ihr hinauf. Mit offenem Mund betrachtete sie die relativ blätterlose Krone, die sich jedoch nur unwesentlich von denen im heimischen Garten unterschied, daher schnell uninteressant wurde und den Blick zu den unweit entfernten Büschen wandern ließ.


    „Eine gute Gelegenheit, Besuch für meine Schnecken einzusammeln.“
    Ohne zu verweilen, die vorgesehenen Wege ignorierend, strebt sie der Gewächsreihe zu, die eine Fundgrube vermuten ließen. Und richtig, an den schlanken Zweigen klebten einige Schneckenhäuser, deren Insassen sich offenbar zur Ruhe begeben hatten. Einige besonders schöne Exemplare hingen leider außer Reichweite, aber in Bodennähe tummelten sich auch hübsch gefärbte Häuser, die sie zwischen Daumen und Zeigefinger nahm und mit sachtem Zug von der Unterlage löste. Sisennas Hände boten ihrem Alter entsprechend wenig Platz und so zog sie ohne lange Überlegung den Rock ihrer neuen, roséfarbenen Tunika hoch und legte eine Schnecke nach der anderen auf den edlen Stoff, bis plötzlich Stimmen laut wurden. Sie zog den Kopf ein und lauschte angestrengt, während ihre Augen die Geräuschquelle suchten. Hinter den Büschen näherten sich ein Mann und ein Junge, der augenscheinlich schlecht gelaunt war, denn er quengelte herum. Als der Mann sich reckte, um einen Käfig in luftige Höhe zu heben, duckte sie sich hastig und schlich seitlich einen Doppelschritt fort. Aus ihrer neuen Position heraus konnte sie den Jungen besser als zuvor betrachten. Er saß mit dem Rücken zu ihr auf einer Bank und bot sich förmlich für einen Überraschungsangriff an. Ein von Vorfreude gekennzeichnetes Lächeln machte sich auf ihrem Gesicht breit, sie griff nach einem Stöckchen und holte Schwung. Der Schub war jedoch schlecht bemessen, denn das Geschoss flog um Armlänge an dem Jungen vorbei und landete seitlich vor ihm auf dem Weg. Sisenna, die wieder gebückt stand, schlug die freie rechte Hand vor den Mund, hielt mit der anderen noch immer ihren Rock hoch und unterdrückte so gut es ging ein Lachen.

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    Ein Zü zi zi zi zi zi Zirr mischt sich mit einem Hüid dedede. Munter zwitschern die beiden Vögel in dem Käfig. Nun, wo sie ruhig im Geäst schwingen. Die liebliche Sonne auf ihrem Gefieder spüren und den zarten Wind fühlen, der ihnen den Hauch von Freiheit verspricht. In die Luft würden sich die beiden Vögel schwingen. Wenn ihnen der Käfig geöffnet wird. Die goldenen Stäbe zwischen dem bronzenen Rahmen aufgezogen werden. Trillernd könnten sie sich in den blauen Himmel empor heben und all den Vögeln folgen, die am hohen Gewölbe ihre Bahnen ziehen. Doch so zwitschern sie ihren fliegenden Genossen entgegen. Unbeachtet von diesen Vögeln. Sind es doch viele Amseln, die sich im Geäst des Gartens tummeln und die beiden kleinen Vögel nicht zur Kenntnis nehmen.
    Nero sieht zu ihnen hoch. Mehr, weil er sich langweilt. Er möchte viel lieber sein neues Spiel erproben. Was ihm die Sklavin Benohé vom Markt am Vortag mitgebracht hat. Bunte Steine, aus Glas und Ton gemacht, die es zu setzen gilt auf ein Brett aus Rosenholz gefertigt. Nero hat die Regeln schnell verstanden. Aber seine Mutter möchte es nicht mit ihm spielen. Seine Amme ist zu dumm. Benohé ist der Schatten seiner Mutter.
    Die Beine baumeln in der Luft. Nero seufzt. Spitzt die Lippen. Versucht zu pfeifen. Ein mageres Zischen kommt zwischen den Lippen hervor. Dabei übt er schon seit drei Tagen. Seitdem er den Stallburschen pfeifen gehört hat. Aber es will Nero nicht gelingen. Womöglich könnte er sich mit den Vögeln unterhalten. Sogar ihre Sprache lernen. Wenn er endlich diesen Ton hervor zaubern könnte. Doch dazu soll es heute nicht mehr kommen. Etwas fliegt über ihn hinweg. Kein Täublein. Kein Vogel. Hart landet es in seiner Nähe. Nero erschrickt und springt hastig von der Bank herunter.
    Das kann nur der andere Junge in der Villa sein. Den Nero wohl weißlich ausweicht. Versucht, ihm nicht zu begegnen. Auch wenn sein Großvater in löblichen Tönen von ihm spricht. Aber Nero weiß. Erwachsene kennen nicht die Welt der Kinder. Dort sind die Kinder oft Ungeheuer, die sich auf Nero stürzen wollen.
    Als er sich herum dreht, steht hinter ihm ein Mädchen. Neros Mund bleibt offen. Erschrocken. Verdutzt. Vorsichtig beäugt Nero das Mädchen. Zart ist sie. Aber das heißt nicht, dass sie ihn nicht doch noch verprügeln möchte. Nero kann sich schließlich weder gegen Mädchen, noch gegen einen Jungen gut wehren. Er ist für sein Alter auch reichlich klein gewachsen. Da sie keine Anstalten macht, ihn zu überfallen, bleibt er an Ort und Stelle stehen.
    "Wer bist Du?"
    Ein Salve kommt nicht von Neros Lippen. Er erkennt den Schalk und das Lachen in dem Gesicht und den Augen des Mädchens. Macht sie sich über ihn lustig? Aber sie kennt ihn doch nicht. Nero beißt auf seiner Unterlippe herum. Da fallen ihm die Schnecken auf.
    "Was hast Du da? Warum hast Du die in Deinem Kleid?"
    Die Neugier treibt Nero an. Er tritt argwöhnisch näher. Bis zu der Bank. Die ihn eben noch mühelos getragen hat. Schneckenhäuser. Fühler strecken sich hervor. Ziehen sich schnell zurück. Als sie den Stoff des Kleides erspüren.





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