Eine bescheidene Unterkunft im ersten Obergeschoss, mit einer Bäckerei drunter. Der Duft des frischgebackenen Brotes würde dem jungen Artorier fehlen. Heute war sein letzter Tag als 'freier Mann'. Sein Entschluss stand fest. Schon lange. Die Legion sollte es sein. Die 'Frontschweine', wie die Milites der Zweiten hier hin und wieder genannt wurden. Nicht, dass Severus unbedingt in die Fußstapfen seines Vaters treten wollte. Der alte Bastard, der lieber seinen persönlichen Ruhm am Arsch der Welt mehrte, statt sich um seine Mutter und sein Kind zu kümmern, konnte dem jungen Artorier ruhig gestohlen bleiben. Severus hatte die Bulla und die Tota Praetexta ohne den 'Alten' - wie er Avitus passenderweise nannte - getragen und abgelegt. Er würde auch den weiteren Weg ohne ihn gehen.
Severus wusch sich, legte Kleider an und trat hinaus. Die kalte Luft Germania's tat ihm gut und er atmete sie tief ein. Am Rande der Stadt lag es, das Lager der Legion. Der Weg bis zur Porta war nicht weit, der Weg danach dauerte ein Leben lang. Ein besonderer Tag. Severus war klug genug, um als Anwalt arbeiten zu können, war gesellschaftlich hoch genug gestellt, um eine ritterliche Karriere verfolgen zu können. Aber in beiden Fällen hatte ihm - wie stets - die Unterstützung des 'Alten' gefehlt. Vermutlich wusste er nicht einmal mehr, dass es ihn gab. Und wenn doch, dann war er ihm egal. Er schüttelte den Kopf und nahm sich vor, heute nicht mehr daran zu denken.
Sein neues Leben erwartete ihn. Er schritt die Strasse entlang. Die vertrauten Gesichter der Händler, das Stimmengewirr. Ja, all das würde er vermissen, wenn er in den nächsten Monaten, ohne die Castra verlassen zu können, in spartanischen Verhältnissen lebend, Kälte und härteste Anstrengung leidend, zum Legionär Roms ausgebildet wurde. Wenn er sich all dies immer wieder vor Augen führte, fragte er sich, warum verdammt noch mal überhaupt jemand Legionär werden wollte. Severus betrachtete es als seine Flucht. Und als eine Chance. Ausserdem waren viele seiner Freunde zu den Truppen gegangen. Nicht alle zu den 'Frontschweinen', manche zur Minervia, andere zur Augusta. Wieder andere zur Hispana. Zur letzteren wollte er nicht, wollte nicht dahin, wo der 'Alte' gedient hatte, zudem auch noch als Centurio, wie er erfahren musste. Wollte nicht gefragt werden. Die Germanica lag sozusagen vor der Haustür. Sie sollte es sein.
"Salve Severus... quo vadis?"
rief ihn jemand an. Severus lächelte, etwas, was nicht all zu oft vorkam. Wohin des Weges... eine gute Frage.
"Zum Rendezvous mit dem Schicksal... meinem Schicksal"
flüsterte er, den Blick in Richtung Castra gebannt.
"Ich werd das sagum anziehen..."
rief er laut zurück.
"Ich hoffe, du weißt, was du tust. Mars mit dir, Junge"
Ja, das wusste er. Oder dachte zumindest, dass er es wusste. Und die Castra kam näher...