Es war wieder einer jener Tage gewesen, die in der stummen Gleichförmigkeit ihrer Pflichten verging - das cubiculum ihres Herrn aufräumen, nachdem er aus dem Haus gegangen war, um seinen Pflichten nachzukommen. Danach schwere Dinge in die Küche schleppen, weil ein großer Einkauf angekommen war. Vor dem Mittagpuls waren noch einige Fuhren Brennkohle zu schleppen gewesen, die für die Heizung der villa gebraucht wurden, danach hatte sie sich erst einmal waschen müssen. Der Nachmittag verging damit, eines der Blumenbeete mit getrocknetem Mulch zu bestreuen, damit es winterfest wurde und die zarten Blumenzwiebeln in der Erde nicht durch Frost verdorben wurden. Man sagte zwar, in dieser Gegend könnte es nur sehr unwahrscheinlicherweise wirklich frostig werden, aber hier gingen die Sklaven kein Risiko ein, schöne Blumenbeete waren beliebt, und ihr Fehlen würde im nächsten Frühling bemerkt werden. Erst der Abend brachte eine gewisse Abwechslung für Cadhla, die den Tag weitestgehend alleine mit ihren Arbeiten verbracht hatte - Alexandros richtete in seiner üblichen, seltsam weiblichen Sprechweise aus, dass ihr Herr sie an diesem Abend zu sprechen wünschte, und das nach der cena und nach seiner Schreibarbeit. Was das beudetete, war klar - in seinem Schlafzimmer.
Dass sie sich darauf freute, konnte sie nicht gerade sagen. Gerade in den letzten Tagen hatte sie den Abstand zu allen Römern im Haushalt gesucht und gewahrt, soweit es ging, vor allem zu Aurelius Ursus. Seine dunklen Augen hatten etwas sehr verwirrendes an sich, einmal wirkte er sanft, fast weich, im nächsten Moment schien die römische Härte zurückzukehren und er erschien ihr vielmehr wie ein Mann, der seine Wünsche erfüllt sehen wollte. Dass einige der älteren Sklavinnen sie damit aufzogen, wie er sie angeblich anblicken sollte, vor allem von hinten, tat sie mit einem Schulterzucken ab - aber insgeheim beunruhigte sie der Gedanke doch. Seit dem Kuss, den er ihr gestohlen hatte, fühlte sie sich in seiner Gegenwart merkwürdig befangen - und doch hatte er es danach nie wieder versucht. Noch während sie sich ein zweite Mal an diesem Tag im Sklavenbad wusch, um den Geruch nach Schweiß und Anstrengung loszuwerden, von dem sie genau wusste, dass er ihn nicht haben wollte, verirrten sich ihre Gedanken immer wieder unerfreulicherweise in jene Nacht. Das musste einfach aufhören!
Fast grimmig schnürte sie sich die Sandalen zu und blickte an sich herab - sie hatte die längste tunica angezogen, die sie finden konnte und ihr passte, ein weißes, einfaches Stück, das bis zu den Knien reichte und im Gegensatz zu ihrer deutlich kürzeren Arbeitskleidung für den Garten ziemlich viel ihrer Gestalt zu verhüllen imstande war. Das Haar war inzwischen auch wieder halbwegs getrocknet, so hatte sie es wie fast immer inzwischen zu einem Zopf gewunden und am Hinterkopf hochgeflochten, damit es straff aus ihrem Gesicht gehalten würde, die Herbheit ihrer Züge ein wenig betonte. Wenn Corvinus erwartete, ein williges Weibchen für ein paar Bettspiele zu sehen, dann mochte ihn ihre Erscheinung hoffentlich eines Besseren belehren - denn danach stand ihr wahrlich nicht der Sinn. Schweigend durchquerte sie die am Abend ruhiger werdende villa, wich den meisten anderen Sklaven weiträumig aus und betrat schließlich das cubiculum ihres Herrn, das noch so aufgeräumt war, wie sie es am Morgen hinterlassen hatte. Schweigend stellte sie sich neben das Fenster und blickte hinaus, darauf wartend, dass er ebenso eintreffen würde. Mochte er sich nur ruhig viel Zeit lassen ...
[SIZE=7]Finis coronat opus. = "Das Ende krönt das Werk." (Ovid)[/SIZE]