cubiculum Aurelia Helena | Rettungsversuch

  • Im Haus angekommen ließ sie die Türen offen, damit der Römer, der die Verletzte auf seine Arme gehoben hatte und hineintrug, leicht seinen Weg finden konnte, dann machte sie sich auf den Weg zu den Sklavenunterkünften. Im nächsten Moment erinnerte Siv sich daran, dass Cadhla dort nicht mehr schlief, und sie machte auf dem Absatz kehrt und hetzte in die entgegengesetzte Richtung, weckte die Keltin auf und gab ihr Bescheid. Einmal mehr zeigte sich, dass Cadhla Kriegerin war, denn Siv musste nicht warten, bis sie ihre Schlaftrunkenheit überwunden hatte – von einem Moment zum anderen war die Keltin hellwach und begriff was los war. Mit einem Nicken verließ Siv den Raum und lief noch einmal hinaus in den Garten. Sie würde auf die Schnelle wohl nirgendwo etwas finden, womit sie die Wunde vernähen konnte, und davon ganz abgesehen hatte sie damit auch nicht wirklich Erfahrung. Sie hatte bisher bei so etwas nur zugesehen, und das auch nicht sonderlich oft… Sie musste bei dem bleiben, was sie kannte – der Römer würde nach einem Heilkundigen geschickt haben, vermutlich hatten das sogar die Worte bedeutet, die sie Cadhla sagen sollte. Aber das würde dauern, und sie brauchte zumindest irgendetwas, um die Wunden besser zu versorgen. Pflanzen. Im Garten hatte sie, seit sie angekommen war, jede freie Minute verbracht, und sie kannte ihn inzwischen in- und auswendig. Vor allem die Teile, in dem die Pflanzen wuchsen, die sie aus ihrer Heimat kannte.


    Außer Atem erreichte sie das Schlafgemach der Römerin, und da der Mann mit seiner Last nur langsam hatte gehen können, während sie gerannt war, als wäre ihr der Fenrirwolf auf den Fersen, traf sie in etwa zeitgleich mit ihnen dort ein. Ohne weiter auf den Mann zu achten, trat Siv neben das Bett, auf dem er die Römerin ablegte, steckte die die Blätter, die sie aus dem Garten hatte – Heilwegerich und Bärenklee – in den Mund und zerkaute sie. Heilwegerich stoppte Blutungen, Bärenklee förderte Wundheilung, und beide konnten Entzündungen hemmen. Allerdings war die Verletzung schwer, zu schwer um sich nur auf Kräuter zu verlassen. Mit einem leisen Knurren vertrieb Siv die Gedanken und konzentrierte sich auf das, was sie tat. Sie öffnete den provisorischen Verband erneut, der bereits wieder mit Blut getränkt war, spuckte den Kräuterbrei auf ihre Finger und verrieb ihn in der Wunde. Danach presste Siv mit den Fingern ihrer linken Hand die Wundränder zusammen, während sie mit der Rechten den Gurt löste, der ihre Tunika zusammenhielt. Leder war besser, es würde das Blut nicht so schnell aufsaugen wie der Stoff ihrer Tunika. Sie reichte ihn dem Römer und gestikulierte ihm, den Gurt fest zusammenzurollen.

  • Ursus biß sich auf die Lippen, als er ihr Flehen, ihre Bitten hörte. Wie schrecklich das alles war! Sie wollte immer noch sterben, wollte immer noch gehen. Warum nur? Warum?


    "Das kann ich nicht, Helena. Ich kann Dich doch nicht einfach sterben lassen. Was könnte so furchtbar sein, daß ein liebes Wesen wie Du keinen Sinn mehr im Leben sieht?" Wurde sie denn nicht vor allem beschützt, was furchtbar sein könnte?


    Sie sprach von einem er. Von einem Mann, der wohl der Grund war für ihren Wunsch zu sterben. "Wer, Helena? Wer hat Dir so weh getan?" Ursus würde sich den Kerl vorknöpfen, wer immer er war. Niemand durfte Helena so entsetzlich weh tun! Gerade ihr nicht, die sie doch immer ein gutes Wort für jeden hatte. Zumindest hatte er sie bis jetzt nur so kennen gelernt.


    Siv reagierte wirklich gut. Sie ging voran, öffnete alle Türen, so daß Ursus Helena schnell und ohne Hindernis in ihr Zimmer tragen und dort vorsichtig auf das Bett legen konnte. "Danke, Siv", sagte er zu der Sklavin, die sich hier und jetzt wahrhaftig bewährte. Doch sie war schon fort, um Cadhla zu wecken, und hörte ihn vermutlich nicht mehr. Ursus nickte zufrieden. Es war keine Sekunde zu verlieren.


    Ohne zu zögern riß er Helena das dünne, feine Nachthemd vom Leib, das viel zu naß war, um ihr Wärme spenden zu können. Da er nicht wußte, wo ihre anderen Nachthemden waren, deckte er sie einfach mit so vielen Decken zu, wie er im Raum finden konnte. Nur den Arm mit dem verletzten Handgelenk holte er unter den Decken hervor.


    Doch bevor er sich um die Wunde kümmern konnte, war auch Siv schon wieder da. Sie öffnete den Verband, spuckte etwas grünes auf die Wunde und preßte sie dann zusammen. "Ich hoffe, Du weißt, was Du da tust", meinte er, ohne sie an ihren Handlungen zu hindern. Im Gegenteil nahm er den Gürtel und wickelte ihn geschickt und schnell zu einer ordentlichen, festen Rolle zusammen. Er verstand, was sie vorhatte. "Halt die Wunde zusammen, dann binde ich die Gürtelrolle fest darüber." Er nahm den schon blutigen Stoffstreifen, zum festbinden war er noch lange gut genug, und band mit Sivs Hilfe den Gürtel fest über die Wunde, so daß nun fester, gleichmäßiger Druck ausgeübt wurde. Das sollte den Blutfluß nun vorerst zum Stoppen bringen. "Hoffentlich kommt der Medicus bald."

  • Sie war zwar fast sofort wach gewesen - ein Relikt aus der Zeit ständig während der Nacht wiederkehrender Angriffe, als ihr Stamm gegen einen anderen in den Krieg gezogen war, die Römer selbst kämpften lieber bei Tageslicht - aber es hatte eine Weile gedauert, bis ihr Kopf die Worte verstanden und verinnerlicht hatte, die Siv ihr gesagt hatte. Leise, um den nebenan schlafenden Corvinus nicht zu wecken - man hatte ihr inzwischen die neben seinem cubiculum liegende kleine Kammer als Schlafgelegenheit zugewiesen - schlüpfte sie in robuste Stiefel und ihre Alltagstunika aus braunem Tuch, nachdem sie sich das Lendentuch umgewunden hatte, ebenso in fliegender Hast ordnete sie ihr zerwühltes Haar und war da schon auf dem Weg hinaus in den Korridor, um Matho zu wecken. Sie wusste nicht, wo man einen Medicus herbekam - was das war, wusste sie inzwischen - aber der Haushofmeister wusste es und nannte ihr, zuerst grummelnd, aber dann selbst wach und wacher werdend, einen Namen und auch den Weg dorthin.


    Und schon war sie wieder hinaus aus der Kammer Mathos, um zum Stall zu laufen und sich eins der Pferde zu holen - sie hätte laufen können, aber Siv hatte geklungen, als sei es sehr dringend, und so wählte sie das schnellste Pferd der villa, einen rassigen Läufer, der einst Aurelius Antoninus gehört hatte und jetzt durch das Erbe dem Corvinus zugefallen war. Ein schwarzer Hengst aus dem Osten, der normalerweise ausgesprochen unwillig war und sich nicht von jedem reiten ließ - aber die Dringlichkeit der Lage schien selbst dem Tier bewusst und es bockte weit weniger, als sie es erwartet hatte, als sie sich auf den Rücken des Hengstes schwang und ohne Sattel über den Hof ritt, zum Tor und sich den Weg nach draußen öffnen ließ ...

  • Helenas Hand krallte sich noch einen Moment in den Stoff von Ursus' Tunika, bevor sie kraftlos wieder zurücksank. Erst jetzt bemerkte sie, dass er genauso nass war wie sie. Er musste sie wirklich aus dem Wasser gezogen haben. Aber war das, was sie gesehen hatte, nicht nur ein Traum gewesen? Helena wollte diesen Gedanken weiterverfolgen, aber er huschte an ihr vorbei, ohne dass sie nach ihm greifen konnte. Ich kann dich doch nicht einfach sterben lassen... Warum denn nicht? Es war doch nicht so, dass sie eine besonders enge Bindung hatten. Helena hatte zu niemandem in dieser Villa ein besonderes Verhältnis. Prisca war da vielleicht noch eine Ausnahme. Sie war überzeugt davon, dass niemand sie wirklich vermisst hätte. Und um sie getrauert schon gar nicht, zumindest nicht lange. Die Leere der letzten Tage schien in ihrem Inneren wieder anzuwachsen, doch die besorgten Worte, die Ursus ihr sagte, schafften es, sie wieder ein wenig zurückzudrängen. Sie schaffte es sogar leicht zu lächeln. Dennoch schüttelte sie nur den Kopf als er nach der Person fragte, der ihr das angetan hatte. Sie hatte nicht die Kraft dazu darüber nachzudenken, geschweige denn darüber zu reden.


    Mittlerweile waren sie in ihrem Zimmer angekommen. Es war noch genauso wie sie es verlassen hatte. Irgendwie hatte Helena erwartet, dass sich etwas geändert hatte, irgendwas, was nicht mehr so war wie früher, aber dem war nicht so. Die blonde Sklavin, die die ganze Zeit bei ihnen gewesen war verschwand plötzlich und sie war mit Ursus alleine im Zimmer. Obwohl er sie sanft auf das Bett gelegt hatte schien sich der Schmerz wieder zu verschlimmern. Möglicherweise wurde das von dem Zittern ausgelöst, das immer noch ihren gesammten Körper im Griff hatte. Ursus schien das zu merken, denn er begann ohne große Worte sie von ihrem nassen Nachtgewand zu befreien. Völlig unbewegt registrierte Helena, dass sie für einen Moment vollkommen nackt vor ihm lag. Sie drehte den Kopf ein wenig zur Seite und musterte ihren eigenen Körper. Blass war sie, fast weiß und ihre Muskeln schienen seltsam verkrampft zu sein. Dann wurde ihr der Blick verwehrt, denn Ursus legte mehrere Decken über sie. Obwohl sie um einiges wärmer waren als ihr eigener Körper wollte die Wärme nicht zu ihr durchdringen. Das Zittern war auch durch die Decken noch gut zu sehen.


    "Mir ist so kalt!"


    In diesem Moment betrat die Sklavin wieder den Raum und Helena erkannte Siv, die sie schon ein paar Mal gesehen hatte. Zusammen mit Ursus machte sie sich wieder an ihrem verletzten Arm zu schaffen. Helena keuchte auf, als der Schmerz erneut in ihr explodierte. Warum konnten sie sie denn nicht einfach in Ruhe lassen?! Leise wimmernd versuchte Helena ihren Arm aus dem Griff der Sklavin zu ziehen, aber wie schon zuvor schaffte sie es nicht. Ihr wurde übel und sie schloß die Augen. Doch dadurch überfiel sie plötzlich ein heftiger Schwindel, so dass sie die Augen ruckartig wieder aufriss. Vielleicht sollte sie einfach ein wenig schlafen? Eine bleiernde Müdigkeit hatte von ihr Besitz ergriffen, doch irgendetwas in Helena wehrte sich dagegen. Obwohl sie eigentlich nicht mehr hier sein wollte, wusste sie doch, dass es sehr gefährlich sein konnte, wenn sie der Müdigkeit nun nachgab. Möglicherweise würde sie nie wieder erwachen. Helena spürte, wie ihre Lider immer weiter hinuntersanken und ihr eigener Widerstand langsam brach.

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  • Sie zitterte so schrecklich! Auch die Decken schienen nicht die notwendige Wärme aufbringen zu können. Als sie dann noch sagte, daß sie fror, blickte er fragend zu Siv herüber. "Vielleicht ein heißer Stein? Oder ein Beutel mit warmem Wasser?" Er kannte sich mit sowas ja nicht aus. Ein wenig hilflos begann er, Helena durch die Decken sanft zu rubbeln. Vielleicht würde ihr so wärmer werden.


    So blaß sah sie aus! Und zerbrechlich! Und dabei doch auch so schön. Es war herzzerreißend, den Kummer und die Erschöpfung, vor allem seelische Erschöpfung, in ihrer Miene zu lesen. Wenn er ihr nur helfen könnte! Doch solange er die Ursache für ihren großen Kummer nicht kannte, würde er gar nichts tun können. Und sie schien weder gewillt, noch in der Verfassung zu sein, mit ihm darüber zu sprechen.


    "Helena... Gib nicht auf. Wir finden eine Lösung. Bitte habe den Mut, weiterzuleben." Wo blieb nur der Medicus? Aber natürlich, es waren erst wenige Minuten vergangen, wie könnte er jetzt schon da sein? Und doch hoffte Ursus, daß der Medicus hier bald erschien. Hoffentlich rechtzeitig, um Helena zu retten.


    Helena riß die Augen auf und blickte ihn an, aber nur für einen Moment. Ob sie überhaupt erkannte, wer er war? Ob sie überhaupt begriff, was um sie herum geschah? Vermutlich nicht. Aber das spielte ja auch keine Rolle, Hauptsache, sie faßte Mut und gab sich selbst nicht auf.


    Ihre Augen schlossen sich wieder. Ursus war sich nicht sicher, ob es gut war, sie einschlafen zu lassen. Andererseits konnte nur der Schlaf ihrem Körper die Kraft zurückgeben. Schlaf und Nahrung. "Siv, kannst Du ihr einen Tee machen? Wenn sie etwas Heißes trinkt, wird ihr vielleicht wärmer", wandte er sich nochmals an die Sklavin.


    "Helena... Helena, schlaf noch nicht ein, hörst Du? Gleich darfst Du schlafen, aber noch nicht." Er hörte für einen Moment auf zu rubbeln und streichelte ihr sanft über die Stirn und die Wangen. "Hörst Du mich, Helena?"

  • Die Römerin begann sich unter ihren Berührungen zu winden, gab Schmerzlaute von sich und versuchte, ihren Arm wegzuziehen, aber in ihrem geschwächten Zustand hatte sie keine Chance. Siv hielt das Handgelenk erbarmungslos fest, während sie die grüne Masse verschmierte, dann sah sie zu dem Römer hoch, der ihren Gürtel bereits fest zusammenrollte. Er sagte irgendetwas, aber im Moment schaffte sie es einfach nicht, sich darauf zu konzentrieren, und so verstand sie kein Wort, aber sie begriff seine Gesten und hielt den Arm so, dass er den Gürtel darauf drücken und festbinden konnte. Als er fertig war, überprüfte sie noch einmal den Sitz und Druck des provisorischen Verbandes – was der Römer davon halten mochte, war ihr gleichgültig. Es ging ihr im Moment auch nicht darum, dass sie ihm nicht zutraute, den Verband vernünftig anzulegen; sie hatte nun mal begonnen, sich um die Römerin zu kümmern, sie hätte bei jedem den Verband überprüft, jeden dessen Fähigkeiten sie nicht kannte, hieß das.


    Danach wandte Siv sich der Römerin zu, fühlte ihre Stirn, während der Römer begann, sie durch die Decken hindurch zu rubbeln. Die Germanin schüttelte leicht den Kopf, während sich ihr zum ersten Mal die Frage stellte, wer die beiden eigentlich waren – sie hatte bisher keine Zeit gehabt, darüber nachzudenken, und auch jetzt konnte sie nicht die Konzentration aufbringen, sich zu erinnern, und so schob sie den Gedanken weg. Später war immer noch Zeit. Jetzt war wichtig, die Römerin warm zu bekommen, und eigentlich wäre es am besten, sie in einen Zuber mit warmem Wasser zu legen, damit ihr sich Körper gleichmäßig wieder erwärmen konnte. Siv wusste um die Gefahr, der Unterkühlte ausgesetzt waren. Sie konnte nicht erklären warum, aber wenn der Körper zuerst an Beinen und Armen wieder warm wurde, dann bestand dennoch die Gefahr, dass der Betroffene starb, selbst wenn er noch rechtzeitig ins Warme gebracht worden war. Lange Winter in Germanien hatten ihre Sippe das gelehrt. Die Germanin richtete sich wieder auf und zog ein paar Decken zusammen, um sie um den Ober- und Unterkörper der Römerin festzudrücken, dann sah sie den Römer an, als dieser sie wieder ansprach. "Ja, heißes trinken. Und… Sie… sie braucht… Körper warm ist müssen. Körper – nicht, nicht Arme und Beine. Körper eins. Rest zwei." Sie nickte ihm noch einmal zu, dann verließ sie den Raum, um aus der Küche die Sachen zu holen, die sie brauchte.

  • "Ja, ich weiß", nickte Ursus. Er hatte ja auch nicht an den Armen und Beinen gerieben, sondern an ihrem Körper. So kamen sie nicht weiter, Helena brauchte dringend richtige Wärme. Wenn nichts anderes da war als er selbst, dann eben er selbst.


    Kurzerhand zog sich Ursus die nasse Tunika über den Kopf, dann schlüpfte er zu Helena unter die Decken, kaum daß Siv den Raum verlassen hatte. Er brauchte zwar ebenfalls einen Moment, bis sein Körper unter den Decken warm wurde, doch er war ein gesunder junger Mann. Ohne länger zu zögern, zog er Helena an sich, schlang fest die Arme um sie, um sie zu wärmen. Es war ihm egal, was jemand anderer denken mochte. Sie brauchte Wärme und er hatte reichlich davon. Bis Siv mit einem heißen Stein und einem heißen Getränk wiederkam, würde er eben das wenige tun, was er tun konnte.

  • Den Mut weiterzuleben...Wofür denn? Gab es etwas wofür es sich lohnte zu leben? Helena hatte doch niemanden. Ihre Eltern waren tot, sie hatte keinen Mann der sie liebte und gerade mal eine Freundin, der sie sich anvertrauen konnte. Sie war einsam und das wurde ihr nun wieder wirklich bewusst. Da war es doch viel einfacher sich davonzustehlen und im Jenseits vielleicht mehr Glück zu finden. Ursus allerdings tat alles, um das zu verhindern. Er musste gesehen haben wie sehr sie zitterte und hatte begonnen ihre Arme und Beine zu reiben. So war es geradezu unmöglich einzuschlafen, was Helena dazu bewegte leise unwillig zu murren. Sie drehte den Kopf zur Seite, unter seiner Hand weg und beschloß seine Worte zu ignorieren. Das war allerdings nicht gerade leicht, denn der besorgte Ton in seiner Stimme berührte etwas in in. Scheinbar war sie doch nicht jedem in dieser Villa egal. Das es gerade Ursus war, der sich so um sie sorgte wunderte sie ein wenig. Immerhin hatten sie bis jetzt kaum etwas miteinander zu tun gehabt.


    Schließlich öffnete sie doch wieder die Augen, auch wenn es ihr schwer fiel. Sie konnte sich kaum daran erinnern jemals so müde gewesen zu sein. Trotz Ursus' Bemühungen hatte das Zittern noch nicht nachgelassen. Vielleicht würde ihr nie wieder wirklich warm werden. Helena starrte an die Wand, ohne wirklich etwas zu sehen. Die Sklavin hatte den Raum mitlerweile wieder verlassen. War sie auch leise genug? Wer in der Villa hatte wohl schon mitbekommen, das etwas nicht stimmte? War Marcus etwa schon wach geworden? Helenas Kopf ruckte herum und ihre Augen bohrten sich in das schwere Holz der Tür. Fast meinte sie schon die schnellen Schritte auf dem Flur zu hören. Schritte, die in ihr Zimmer führten und sicher würden bald alle wissen was sie getan hatte. Das Zittern verstärte sich, diesmal aber war es die Angst, die ihren Körper schüttelte. Helenas Blick huschte zur gegenüberliegenden Wand. Sie wusste, dass in dieser Richtung die anderen Zimmer lagen und mit Sicherheit waren alle wach und würden bald in ihr Zimmer stürmen.


    Plötzlich spürte sie, wie jemand in ihr Bett stieg. Verwirrt wandte sie den Kopf und sah Ursus, der, vollständig nackt, unter ihre Decke schlüpfte. Ihr Geist arbeitete immer noch langsamer als sonst und so schaffte sie es nur ihre Lippen in einem stummen Protest zu öffnen. Wenn sie jemand so sehen würde! Und zudem hatte sie noch nie einen Mann nackt gesehen! Sie spürte wie Ursus seine Arme um sie legte und sich fest an sie drückte. Ihr Körper war seltsam steif. Sie wusste nicht wie sie reagieren sollte. Ursus Haut schien zu brennen. Helena keuchte leise auf, als er ihren eiskalten Körper fast überall berührte. Das was sie hier taten war ungehörig! Und doch...es tat so gut! Nur langsam entspannte sie sich in seinen Armen und schließlich drückte sie sich sogar ein wenig gegen ihn, um die Quelle der Wärme nicht zu verlieren.


    Helena fühlte sich an die Begegnung mit der Lichtgestallt erinnert. Auch dort hatte sie Wärme und Liebe gespürt. Und Trost. Hatten die Götter Ursus vielleicht geschickt? Möglicherweise hatten sie noch etwas mit ihr vor und hatten sie deshalb zurückgeschickt. Zurück zu ihm damit er sie retten konnte. Plötzlich begann Helena zu weinen. Heiße Tränen liefen über ihre Wangen und das Schluchzen schüttelte ihren Körper. Der Schmerz in ihrem Inneren brach wieder auf. Die Erinnerung an das Gespräch mit Marcus, der Kuss, der nicht hätte sein dürfen. Doch diesmal, wie schon am Teich, begrüßte sie diese Erinnerung. Allerdings aus einem anderen Grund. Die Tränen schienen befreiend zu wirken. Sie schienen sie von innen zu reinigen und diese vollkommende Leere, die sie seit dem Abend in ihrem Zimmer ausgefüllt hatte davonzuspülen. Helena krümmte sich ein wenig zusammen und ließ ihren Gefühlen freien Lauf. Hier, in Ursus Armen, fühlte sie sich sicher.

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  • Natürlich war es ungehörig. Doch was sollte er tun? Sie würde sterben, wenn sie zu stark unterkühlt war, gerade bei dem hohen Blutverlust, den sie erlitten hatte. Sie brauchte Wärme und er wußte nicht, wie er ihr anders Wärme verschaffen sollte. Wenn doch nur Siv endlich wiederkommen und heiße Steine mitbringen würde! Daß er nackt war, half auch nicht unbedingt weiter. Zumal auch Helena nackt war. Doch ihrer beider Kleidung war naß gewesen, naß und kalt. Er spürte noch ganz andere Hitze in sich aufsteigen, als die, die durch die Decken und die beiden Körper entstand. Er versuchte, dies zu ignorieren, doch das war gar nicht so einfach in dieser vertrackten Situation.


    Helena schien erst nicht begeistert von dem Gast in ihrem Bett. Doch dann drängte sie sich plötzlich an ihn. Nur langsam schien ihr eiskalter Körper wärmer zu werden. Sie krümmte sich zusammen und begann schließlich zu weinen. Hilflos und mit dieser Situation vollkommen überfordert, hielt er sie einfach nur fest. Jedes Wort schien falsch, also schwieg er. Nichts, was er sagen konnte, würde ihr wirklich helfen können. Vielleicht war es ja gut, wenn sie weinte. Vielleicht. Oh, Siv, komm endlich wieder!


    Tränen... Tränen waren das furchtbarste überhaupt. Sie schien so verzweifelt, so voller Schmerz und Traurigkeit. Doch was sie so sehr bedrückte, das war ihm immer noch nicht klar. Es mußte etwas ganz entsetzliches sein. Wenn er ihr nur helfen könnte! Doch er konnte nichts tun. Nichts, außer sie zu wärmen und in seinen Armen zu halten. Dabei fühlte er sich so unfähig und tollpatschig. Jeder andere könnte ihr sicher viel besser helfen als er. Sie kannten sich schließlich kaum. Kein Wunder, daß sie ihm ihren Kummer nicht anvertrauen mochte. Zumal seine Gedanken dauernd in eine Richtung drängten, die er so gar nicht wünschte. Nicht jetzt und hier! Und schon gar nicht mit seiner Cousine!

  • Das Weinen half. Helena wurde ruhiger und auch das Zittern ließ ein wenig nach. Die Last, die sie in der letzten Zeit so erdrückt hatte wurde leichter und es schien fast so, als würde ihr das Atmen leichter fallen. Ihre Wangen und das Kissen auf dem sie lag waren nass von ihren Tränen, aber das Schluchzen hatte nachgelassen. Durch den Tränenschleier hindurch starrte Helena auf das Mosaik am Boden. Sie war Ursus sehr dankbar, dass er ihr keine Fragen stellte, sondern sie einfach nur festhielt. Sie hätte nicht gewusst was sie ihm antworten sollte. Würde er sie überhaupt verstehen können? Konnte irgendjemand die Verzweiflung nachempfinden, die sie gespürt hatte und die auch noch immer in ihr verborgen lag? Helena wusste darauf keine Antwort und darüber nachzudenken fiel ihr momentan zu schwer.


    Sie bewegte sich ein wenig in Ursus' Armen und lehnte den Kopf an seine Brust. Dabei wurde ihr Körperkontakt noch ein wenig intensiver und plötzlich spürte sie eine Regung an ihrer Hüfte, die eigentlich nicht da sein dürfte. Völlig überrumpelt blieb Helena einfach nur still liegen. Er war ein Mann, natürlich und sie waren Beide nackt. Zudem lagen sie so eng beieinander, wie es sonst nur zwei Liebende taten. Wie sollte sie nun reagieren? Was würde er tun? Der zähe Nebel, der sich über ihren Geist gelegt hatte ließ nicht zu, dass sie einen vernünftigen Gedanken fassen konnte. Sie hätte aufspringen müssen, ihn aus dem Bett werfen sollen, aber stattdessen blieb sie einfach liegen. Sie wäre auch gar nicht dazu in der Lage gewesen sich aus seinen Armen zu winden. Und, wie ihr langsam bewusst wurde, sie wollte es auch nicht! Sie würde sterben, wenn er sie nun alleine ließ, dass wusste sie.


    Helena sah auf ihren verletzten Arm hinunter. Interessanterweise spürte sie keinen Schmerz mehr. Vielleicht war ihr Körper einfach zu erschöpft und nicht mehr fähig für diese normale Reaktion. Eher unbeteiligt fiel ihr auf, dass der neue Verband schon wieder Blutflecken aufwies, obwohl der Stoff und der Gürtel sehr fest saßen. Vielleicht kam der medicus ja zu spät und konnte ihr nicht mehr helfen. Aber sie war doch noch so jung! Und sie hatte noch so viel vor sich. Helena spürte, wie ihre Lebensgeister langsam wieder erwachten. Sie konnte doch nicht gehen ohne wirklich gespürt zu haben wie es sich anfühlte geliebt zu werden! Sicher, das war nicht alles im Leben, aber Liebe konnte doch nicht nur so schmerzhaft sein wie sie es erlebt hatte. Ihre Stimme klang leise als sie sprach und ein wenig rauh.


    "Bist du verliebt, Ursus?"

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  • Langsam ließ dieses schreckliche Zittern nach, ihr Körper wurde warm, er konnte es genau spüren. Das war eigentlich der Moment, ihr Bett zu verlassen. Doch sie drehte sich in seinen Armen, schmiegte ihren Kopf an seine Brust. Und versteifte sich dann, als sie wohl seiner Erregung gewahr wurde. Zum Glück konnte sie sein vor Verlegenheit hochrotes Gesicht nicht sehen. Er räusperte sich, konnte sich aber nicht entschließen, sie loszulassen. Ihre Tränen versiegten und das war eine unglaubliche Erleichterung für ihn. Er versuchte, seinen Unterleib etwas von ihr abzurücken, behielt seine Arme aber um sie geschlungen.


    Doch ihre Frage. Die unvermutete Frage traf ihn wie ein Schlag in die Magengrube. Bist Du verliebt, Ursus? Er? Und verliebt? In wen denn wohl? Er war doch nicht verliebt! Und doch war da etwas tief in ihm, was ihm zuflüsterte, daß ein Nein eine Lüge wäre. Und anlügen wollte er Helena nicht. Schon gar nicht in dieser Situation. "Ich... ich bin mir nicht sicher. Vielleicht", gestand er. Und doch war es nicht richtig, verliebt zu sein. Er durfte es nicht. "Aber wenn.... dann hat es keine Bedeutung, verstehst Du?" Wie könnte sie das verstehen? Oder verstand sie nur zu gut? Er war verwirrt.


    "Bist Du denn verliebt, Helena?" War das vielleicht das Problem? Er fragte ganz sanft. Wenn sie darauf keine Antwort darf, durfte er sich nicht verletzt fühlen. Er war jetzt nicht wichtig. Nur sie war wichtig. Sie mußte leben wollen, sonst wäre alles umsonst.

  • Einige Steine lagen immer zum Erhitzen griffbereit, um den Römern schnell die Betten wärmen zu können, wenn ihnen zu kalt war, und nachdem Siv vier der bereits angewärmten Steine ganz zum Feuer geschoben hatte, damit sie heiß wurden, setzte sie Wasser für den Tee auf. Danach stand sie für einen Moment unschlüssig herum. Solange Wasser und Steine nicht heiß waren, konnte sie nichts tun – es brachte auch nichts, zurückzugehen in das Gemach der Römerin. Wie hieß sie eigentlich? Siv lehnte sich an ein Regal, betrachtete das Feuer und forschte in ihrem Gehirn, aber der Name wollte ihr nicht einfallen. Der des Römers dagegen… Urnus? Usus? Es war irgendetwas mit U, da war sich Siv recht sicher, aber was es genau war, blieb ihr unklar. Die Germanin zuckte schließlich die Achseln und beugte sich über den Wasserkessel, aber noch war es nicht warm genug, um den Tee aufzugießen. Mit einem Achselzucken lehnte sie sich wieder zurück, als ihr einfiel, dass ihre Decke noch draußen im Garten war. Mit einem leisen Fluch verließ sie die Küche und ging hinaus, um sie zu holen – noch wusste niemand, dass sie draußen schlief, wenn sich die Gelegenheit bot, und sie wollte dass das so blieb. Sie war sich ziemlich sicher, dass es ihr nicht erlaubt werden würde, wenn sie fragte, also fragte sie einfach nicht. Nur musste sie schnell ihre Decke verschwinden lassen, bevor sie irgendjemand sah; und wenn… Usus? irgendwann nachfragen sollte, was sie draußen gemacht hatte, konnte sie ihm erzählen, sie hätte nicht schlafen können und einen – zugegebenermaßen sehr späten – Spaziergang gemacht.


    Draußen im Garten wandte Siv sich sofort zu dem Baum, unter dem sie geschlafen hatte, und holte ihre Decke. Als sie sich jedoch umdrehte und wieder zum Haus gehen wollte, fiel ihr Blick auf den Teich – und die Sachen, die dort in der Nähe lagen. Siv runzelte die Stirn und zögerte für einen Moment, aber das Wasser würde ohnehin noch nicht heiß genug sein… Kurzentschlossen ging sie hinüber, bückte sich und hob die Sachen auf. Ein Krug, der noch nach Wein roch, ein blutiger Dolch und eine Schriftrolle, neben einem Beutel. Siv musste nicht in logischem Denken geschult sein wie die Römer, um den Sinn dieser Gegenstände zu begreifen. Sie presste die Lippen zusammen und starrte auf die Sachen. Was sollte sie damit tun? Die Römerin wäre mit Sicherheit nicht begeistert davon, wenn diese Dinge in die falschen Hände gerieten – jetzt, wo sie zumindest vorerst überlebt hatte. Aber auf der anderen Seite, sie hatte sich umbringen wollen. Was sagte das über ihren Geisteszustand aus? Siv konnte nicht nachvollziehen, wie ein Mensch Selbstmord begehen konnte, zu sehr hing sie an ihrem Leben, zu viel Leidenschaft, zu viel Lebenslust steckte in ihr. Bei allem was ihr bisher widerfahren war, war ihr doch nie der Gedanke an Selbstmord gekommen. Davon abgesehen war sie mit der festen Überzeugung aufgewachsen, dass es feige war, seinem Leben selbst ein Ende zu setzen – es sei denn es geschah aus ehrenhaften Gründen, um beispielsweise andere zu schützen oder die Ehre der Familie zu wahren. Und irgendwie bezweifelte sie, dass die Römerin solche Gründe gehabt hatte.


    Ihre Finger schlossen sich um die Gegenstände und verstauten Messer und Schriftrolle in dem Beutel, der dabei gelegen hatte. Siv wusste noch nicht, was sie damit tun würde, aber sie würde sie in jedem Fall erst mal mitnehmen. Den Beutel schob sie in eine Tasche, dann brachte sie ihre Decke zurück in den Schlafraum, ging anschließend zur Küche und stellte den Krug auf einer Anrichte ab, bevor sie den Tee zubereitete. Dann wickelte sie die vier inzwischen erhitzten Steine vorsichtig in dafür vorgesehene Tücher ein und bugsierte sie in einen Tragekorb. Mit der einen Hand das Tablett mit dem Tee balancierend, in der anderen den Korb tragend, kehrte sie zurück zum Schlafgemach der Römerin. Für den Bruchteil einer Sekunde blieb sie überrascht stehen – nicht, weil der Römer sich zu der Frau gelegt hatte. In dieser Situation war es das einzig Vernünftige, was er hätte tun können, denn mit seinem Körper konnte er sie viel besser und effektiver wärmen als nur mit den Decken. Aber sie hätte Unsus nicht unbedingt zugetraut, so zu handeln. Siv hatte sich schnell wieder im Griff, so schnell, dass ihre Überraschung vermutlich gar nicht aufgefallen war. Den Korb mit den Steinen setzte sie neben dem Bett ab, das Tablett mit dem Tee auf der kleinen Kommode daneben. Danach griff sie nach der Decke, um sie zurückzuschlagen, ungeachtet dessen, dass beide darunter nackt waren.

  • Scheinbar hatte sie Ursus mit ihrer Frage überrumpelt. Es dauerte einen Moment bevor er ihr antwortete und zuvor versuchte er ein Stück von ihr fortzurutschen. Das ließ Helena allerdings nicht zu. Sie folgte seiner Bewegung und lag nun fast auf dem Rücken. Mit einem Seufzen kuschelte sie sich so eng es ging an seinen Körper. Wahrscheinlich war es ihm peinlich, dass auch er sich gegen seine Instinkte nicht wehren konnte, aber Helena war es viel wichtiger, dass er ihr nicht die Wärme nahm, die ihr so gut tat. Über die Folgen ihres Handelns dachte sie dabei nicht nach. Dafür konnte sie nun in sein Gesicht sehen. Ja, es war ihm peinlich, doch trotzdem war Helena ihm sehr dankbar. Sie spürte, wie ihr Körper langsam wieder warm wurde. Etwas, an das sie noch kurz zuvor nicht geglaubt hatte. Kurz hob sie ihre unverletzte Hand und strich ihm über die Wange.


    Seine Worte hinterließen ein bitteres Lächeln auf ihren Lippen. Er war also auch verliebt. Jeder in ihrer Nähe schien verliebt zu sein, nur an ihr ging das Glück vorbei. Aber was bedeutete vielleicht? Und wer war wohl die Glückliche? Sie würde es ihm gönnen, wenn seine Liebe auf Erwiederung traf. Immerhin wusste sie nur zu gut wie es sich anfühlte abgewiesen zu werden. Deswegen schüttelte sie auch leicht den Kopf, als er davon sprach, dass es ohne Bedeutung sei.


    "Liebe ist nie ohne Bedeutung! Das habe ich am eigenen Leib zu spüren bekommen. Entweder erfüllt sie dich mit Glück und Leidenschaft, oder mit Verzweiflung und Leere. Aber bedeutungslos? Nein, dass ist sie nie."


    Ihre Stimme war so leise, dass sie nicht wusste, ob Ursus sie überhaupt verstehen konnte. Wieder erschien Marcus Gesicht vor ihrem inneren Auge. Wieder hörte sie, wie er sie abwies. Nur mit ihren gesammelten Kräften schaffte sie es dieses Bild zurück zu drängen. Ursus' Frage stand noch offen. Sollte sie sich ihm anvertrauen? Wen hatte sie denn schon? Und immerhin hatte er ihr das Leben gerettet. Wenn sie ihm nicht vertrauen konnte, wem dann? Dann jedoch öffnete sich plötzlich die Tür und Siv trat ein. Helena starrte sie einen Moment verständnislos an, bevor ihr bewusst wurde, in welcher Situation sie die Beiden gerade vorfand. Was mochte sie wohl denken? An ihrem Gesichtsausdruck konnte sie jedenfalls nichts erkennen. Zumindest aber hatte sie ihr die Entscheidung abgenommen, ob sie Ursus die Warheit erzählen sollte oder nicht.


    Bevor Helena noch reagieren konnte trat die Sklavin plötzlich an das Bett und zog die Decke fort. Helena schaffte es gerade noch danach zu greifen, so dass sie nur bis zum Bauch hinunterrutschte und nicht weiter. Ihr war das egal, aber Ursus sicher nicht. Durch die hastige Bewegung war allerdings der Verband an ihrem verletzten Arm ein wenig verrutscht. Helena stöhnte auf und ließ die Decke wieder los, um nach ihrem Handgelenk zu greifen. Sie konnte dabei zusehen, wie sich neue Blutflecke bildeten und auch der Schwindel war wieder da. Der Schmerz, der zwischenzeitlich verschwunden war kam mit Macht zurück und erinnerte sie daran, dass ihr Leben immer noch auf des Messers Schneide stand. Plötzlich überfiel sie Panik und ihre Augen weiteten sich angstvoll.


    "Ursus! Tu doch was!"

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  • Das Wegrutschen hatte nichts gebracht, sie war einfach hinterhergerutscht und schmiegte sich nur noch mehr an ihn. Na, dann mußte er sich eben noch mehr zusammenreißen. Er schloß für einen Moment die Augen und atmete tief durch. Weiterhin hielt er sie in seinen Armen, den zarten, weichen und unglaublich weiblichen Körper. Nein, darüber durfte er überhaupt nicht nachdenken. Er mußte sich auf ihre Worte konzentrieren. Doch das war so schwer. So schwer, überhaupt zu denken. "Dann hast Du das getan, weil Du liebst?", fragte er leise, doch im gleichen Moment wurde die Tür aufgestoßen und Siv kam herein.


    Einerseits war Ursus sehr erleichtert, daß die Sklavin endlich wieder da war. Andererseits hätte er gerade jetzt erfahren können, warum Helena sich das angetan hatte. Die Erleichterung überwog schließlich. Helenas Leben zu retten war jetzt das wichtigste. Die Gründe für ihre Tat konnte man später noch versuchen herauszufinden. Doch daß Siv dann so plötzlich die Decke wegzog, das war denn doch etwas zuviel des Guten.


    Und es hatte katastrophale Folgen, da Helena hektisch nach der Decke griff, wodurch der Druckpunkt des Verbandes verrutschte. "Verfl..." Ursus konnte sich gerade noch zusammenreißen, nicht zu fluchen. "Wir machen den Verband neu, Helena. Ganz ruhig." Er löste die Umarmung, setzte sich auf, ungeachtet seiner Nacktheit, und begann, den Verband zu erneuern. "Siv, schnell. Halt das fest." Das Blut war egal. Hauptsache, der Druck wurde wieder an der richtigen Stelle ausgeübt. "Wo bleibt nur der Medicus?", fragte Ursus, während er den Druckverband wieder richtig anbrachte. Die große Sorge um sie war aus seinen Worten deutlich zu hören. "Es tut gleich nicht mehr weh, Helena. Und ich bin hier. Ich helfe Dir, so gut ich kann, ja? Du wirst leben, wenn Du nur leben willst!"

  • Siv runzelte die Stirn, als die Römerin die Decke festhielt. Wie um alles in der Welt sollte sie die heißen Steine um ihren Körper sonst verteilen? Ganz davon abgesehen, dass die junge Frau sich so wenig wie möglich bewegen sollte in ihrem Zustand. Für einen Moment zweifelte die Germanin ernsthaft am Verstand der Römerin, aber dieser Gedanke war für den Moment wie weggeblasen, als durch die Bewegung der Verband verrutschte und die Wunde sofort wieder zu bluten begann. Im Gegensatz zu dem Römer hielt Siv sich nicht zurück. "Hels verfluchte Ausgeburten", fluchte sie. "Bei allen Kreaturen der Unterwelt, was denkst du dir dabei? Soll Loki doch deinen Körper mit Geschwüren übersehen!" Während sie gleichzeitig mit dem Römer nach dem Arm griff und ihm half, den Gürtel wieder zurecht zu rücken und die Blutung zu stoppen, kamen aus ihrem Mund die schillerndsten Flüche, die vermutlich selbst einen abgebrühten Soldaten hätten erblassen lassen, hätte er sie verstanden.


    Das Blut kümmerte Siv wenig, war doch ihre Tunika inzwischen schon dunkel davon, und auch ihr Gesicht und ihre Haare waren rotverschmiert. Erst als der Verband wieder richtig saß, richtete Siv sich etwas auf, schob sich ein paar blutnasse Strähnen aus dem Gesicht und warf der Römerin einen Blick zu. Wollte sie tatsächlich so sehr sterben? Was sonst brachte sie dazu, sich zu wehren und dabei die Wunde wieder aufbrechen zu lassen? Jetzt, wo der Arm wieder versorgt war, drängte sich Siv erneut die Frage auf, wie zurechnungsfähig die Römerin im Moment überhaupt war, aber bevor sie diesen Gedanken weiterverfolgen konnte, lenkte sie Undus ab. "Nicht weiß. Cadhla ihn holen." Wieder griff sie nach der Decke, die durch die Hektik gerade eben doch hinuntergerutscht war, und zog sie zurück. Sie hatte in ihrem Leben mehr als nur einen nackten Mann gesehen, also achtete sie nicht weiter auf den Römer, sondern tat das, was sie von Anfang an im Sinn gehabt hatte: sie verteilte die in Tücher gewickelten Steine um den Oberkörper der Römerin, mit einer Hand, während sie mit der anderen den Arm der Frau vorsichtig festhielt und ihr gleichzeitig einen warnenden Blick zuwarf. Sollte sie nur versuchen, sich noch mehr in Lebensgefahr zu bringen.

  • Helena konnte ihren Blick nicht von dem immer größer werdenden Blutfleck abwenden. Ursus hatte sie losgelassen und begann nun den Verband zu erneuern, eine äußerst schmerzhafte Prozedur, doch diesmal ließ Helena sie klaglos über sich ergehen. Einzig und allein ein leises Würgen ließ erkennen, wie sie sich wirklich fühlte. Die hastigen und sicher boshaften Worte der Sklavin rauschten über Helena hinweg. Der Tonfall reichte schon um ihr eine saftige Strafe einzuhandeln und Helena würde das sicher nicht vergessen. Jetzt aber musste sie sich erstmal darauf konzentrieren die Übelkeit zurückzudrängen, die bei dem Anblick des Blutes, ihres Blutes, in ihr aufgestiegen war. Noch immer krallte sich ihre Hand kurz über dem Verband in ihren Arm. Ihre Fingernägel hinterließen rote Kerben auf ihrer Haut. Sie bildete sich ein, dass das den Blutfluß stoppen würde, auch wenn das unmöglich war.


    Als der Verband schließlich wieder saß blickte Helena kurz auf und musterte Siv und Ursus abwechselnd. Beide waren blutverschmiert. Es sah aus, als hätten sie ein Schwei geschlachtet. Sie selbst sah sicher nicht besser aus. Die Sklavin war damit beschäftigt heiße Steine unter ihre Decke zu schieben. Teilnahmslos beobachtete Helena sie bei ihrem Tun, doch als man ihr bedeutete, dass sie sich wieder hinlegen sollte, hob sie abwehrend die Hände. Sie wollte sich nicht hinlegen, denn sie hatte Angst vor der bleiernden Müdigkeit, die sie dann sicher wieder ergreifen würde. Einen Moment blieb sie regungslos sitzen, bis sie auf dem Bett ganz nach hinten rutschte und sich mit dem Rücken gegen die Wand lehnte. Nach der Wärme von Ursus' Körper war der Stein kalt, doch er würde sie wachhalten. Helena zog die Beine an ihren Körper und umschlang sie mit ihrem gesunden Arm. Den Kopf bettete sie auf ihren Knien und sah hinunter auf ihren verletzten Arm, der leblos neben ihr auf der Decke lag.


    "Mir war vorher nie aufgefallen, dass Blut die gleiche intensive Farbe hat wie Rosen..."


    Ihre Stimme klang träumerisch und es lag sogar eine Andeutung von einem Lächeln auf ihren Lippen. Sivs Worten nach war der medicus bald da. Spätestens dann würde Marcus mitbekommen, dass in seiner Villa etwas vor sich ging. Helena versuchte sich gegen eine Begegnung mit ihm zu wapnen, aber sie wusste nicht wie sie reagieren würde, wenn er ihr das nächste Mal gegenüberstand. Vorwürfe würde er ihr machen, was sonst! Immerhin würde sich sicher rumsprechen, dass eine Aureliarin versucht hatte sich umzubringen. Und das war schlecht für den Ruf der Familie. Darauf legte er doch so viel Wert. Helena hob den Kopf und sah zu Ursus. Allerdings schien ihr Blick mehr durch ihn hindurch zu gehen als das sie ihn wirklich sah.


    "Ich habe Schande über unsere Familie gebracht. Obwohl er genau das verhindern wollte...."

    teeeeeeeeeeeeeeeeeeeessssssssssssssssssssssssttttttttttttttttttt

  • Ursus wußte nicht so genau, was Siv da eigentlich fluchte. Doch daß sie fluchte war kaum zu überhören. Der Tonfall war eindeutig. Es war auch unwichtig. Was sie tat war wichtig. Und das war jedenfalls goldrichtig. Sie wußte anscheinend sehr gut, was sie tat.


    "Helena! Bitte leg Dich wieder hin!" Warum sie sich jetzt aufsetzte und gegen die kalte Wand lehnte, war ihm völlig schleierhaft. "Das ist zu kalt, Du bist eh viel zu kalt geworden. Bitte, leg Dich wieder hin." Er sprach drängend und voller Sorge. Verstand sie denn nicht, daß sie sich schadete? Wo blieb nur der Medicus?


    Ursus angelte nach seiner Tunika und zog sich das nasse Ding schaudernd über den Kopf. Erst wenn der Medicus da war, würde er sich den Moment nehmen, um sich umzukleiden. Jetzt war dafür keine Zeit. "Wickel Dich wenigstens richtig in die Decke." Er schob die heißen Steine näher an Helena heran, da sie von ihnen weg gerutscht war, und zog dann die Decke fest um sie, wobei er sorgfältig auf die verletzte Hand achtete.


    "Mach Dir um den Ruf der Familie keine Sorgen. Nachdem Dein Vater gegen den Kaiser intrigiert hat, bist Du kaum in der Lage, dem Ruf unserer Familie wirklich zu schaden. Du kannst ganz ruhig sein. Werde einfach gesund, alles andere klärt sich dann." Hoffte er. Seine Gedanken überschlugen sich. Er hatte Schande für die Familie verhindern wollen? Er? Es gab nicht viele Möglichkeiten, wen sie meinen könnte. Konnte es sein...? Aber...? Marcus? "Du meinst... Marcus? Helena?" Er fragte ganz sanft, ohne Vorwurf. Wie könnte er ihr auch irgendetwas vorwerfen, er hatte die Sachlage ja nicht mal ganz begriffen.

  • Vermutlich war es Sivs Glück, dass sie auf Germanisch geflucht hatte und die Römer sie daher nicht verstehen konnten – vor allem als es um die Verwünschungen ging, die sie der Römerin an den Kopf geworfen hatte. Aber was musste sie sich auch umbringen wollen? Wer war so dumm sein Leben wegzuwerfen? In Siv festigte sich langsam die Überzeugung, dass die Römerin aus einer Laune heraus gehandelt hatte. Irgendetwas, was in ihrem behüteten und verwöhnten Leben nicht ganz so gelaufen war, wie sie wollte. Römer. Wieder war die alte Verachtung da, die in den letzten Tagen zu ihrem eigenen Erstaunen geringer geworden war. Und was tat sie jetzt? Sie setzte sich auf! Und sie setzte sich nicht nur auf, sie rutschte nach hinten und lehnte sich an die kalte Wand, als ob sie nicht schon genug unterkühlt wäre! Siv biss die Zähne so fest zusammen, dass sie knirschten. Urkus war im Moment auch keine große Hilfe – anstatt ihr die Leviten zu lesen und sie wieder hinzulegen, bat er sie darum. Oh ja, eine Frau um etwas bitten, die noch vor kurzem Selbstmord hatte begehen wollen. Als ob sie darauf hören würde.


    "Langsam hab ich die Schnauze voll. Du willst, das Hrun dich doch noch holt, oder?" Der Eisriese würde seine Freude an diesem Opfer wohl bald verlieren, mutmaßte die Germanin. "Du legen. Liegen. Und sein warm." Das war keine Bitte, sondern eine Aufforderung, fast schon ein Befehl. Ihr Tonfall enthielt noch nicht einmal wirklich Sorge, denn dafür war im Moment einfach nicht die Zeit. Jetzt musste gehandelt werden, das hatte sie schon als Kind gelernt, dass hatte einfach jeder im Dorf gelernt, wenn es darum ging, Verletzte zu behandeln – vor allem solche, die an Unterkühlung litten, die aus irgendwelchen Gründen im langen Winter zu lange draußen gewesen waren. Siv achtete kaum auf das, was die beiden Römer nun besprachen. Familie war so ziemlich das einzige Wort, was sie wirklich verstand, und dann am Schluss, als der Römer von Marcus anfing. Endlich ein vernünftiger Gedanke, seufzte sie innerlich. Corvinus würde geholt werden müssen, immerhin war er für sie verantwortlich, soviel hatte Siv inzwischen ebenfalls begriffen – dass Corvinus trotz seiner Jugend der war, der diesem Haushalt vorstand. Aber noch musste das warten. Die Germanin beugte sich über die Römerin und versuchte sie wieder nach unten, in die Kissen zu drücken, und zwischen die Steine. Ihre Bewegungen waren dabei nur so sanft, wie es unbedingt sein musste in Anbetracht der Verletzungen und des geschwächten Zustands der Römerin, dafür aber sehr bestimmt.

  • Als Ursus sie dazu bewegen wollte sich wieder hinzulegen hob Helena erneut abwehrend ihre unverletzte Hand, sagte aber nichts. Zumindest aber wehrte sie sich nicht, als er die Decke über sie legte. Sie war noch immer nackt und Ursus hatte mittlerweile wahrscheinlich mehr von ihrem Körper gesehen als gut war. Doch darüber machte sie sich momentan kaum Gedanken. Sollte sie diesen Tag überleben würde es ihr wahrscheinlich im Nachhinein noch furchtbar peinlich sein, aber was brachte es über die Zukunft nachzudenken? Besonders gut sah sie immer noch nicht aus und das schmerzhafte Pochen der tiefen Wunde erinnerte Helena daran, dass sie gerade möglicherweise die letzten Minunten ihres Lebens erlebte. Ursus' Worte rauschten über sie hinweg wie es auch schon Sivs Worte getan hatten, aber als Marcus' Name fiel ruckte ihr Kopf hoch.


    "Marcus? Ja...Marcus..."


    Ihre Stimme klang verträumt und sie legte leicht den Kopf schief, als sie erneut sein Gesicht in gedanken sah. Dann jedoch versteifte sie sich plötzlich. Der Brief! Sie musste unter allen Umständen verhindern, dass Marcus ihn in die Hände bekam. Plötzlich tauchte Sivs Gesicht vor ihr auf und sie spürte Hande auf ihren Schultern, die sie hinunterdrückten. Von dem Gedanken beseelt den Brief zu holen, konnte Helena plötzlich Kräfte mobilisieren, die sie selbst verwunderten. Ruckartig schlug sie mit ihrer gesunden Hand die Hände zur Seite. Ihr Gesicht war zu einer Maske der Anstrengung und des Schmerzes verzerrt und ihre Stimme kam nur gepresst über ihr Lippen.


    "Nimm deine Hände von mir!"


    Was bildete sich diese Sklavin eigentlich ein, in so einem Ton mit ihr zu sprechen? Helena beugte sich vor und rutschte unter Sivs Händen hinweg, mit einer erstaunlichen Gewandheit an Ursus vorbei und sprang förmlich aus dem Bett.


    "Ich muss...der Brief! Er darf ihn nicht lesen!"


    Die Kraft, die so plötzlich da gewesen war, war mit einem Mal genauso schnell wieder verschwunden. Helena spürte, wie ihre Knie unter ihrem Gewicht nachgaben. Das Zimmer begann sich um sie herum zu drehen und langsam dunkel zu werden. Haltsuchend streckte sie die Arme aus, aber es gab nichts an dem sie sich hätte festhalten können. Ohne etwas tun zu können fiel sie und ein schwaches "Ohh..." war die einzige Reaktion zu der sie fähig war.

    teeeeeeeeeeeeeeeeeeeessssssssssssssssssssssssttttttttttttttttttt

  • Was tat sie da nur? Ursus konnte gar nicht so schnell reagieren, wie Helana Dummheiten machte. "Nein! Helena!" Er stürzte zu ihr und kam gerade noch rechtzeitig, um sie aufzufangen, als ihre Beine unter ihr wegknickten.


    "Jetzt reicht es aber, ein für alle mal. Siv, wir müssen sie ans Bett binden!" Er sprach langsam und deutlich, damit die Sklavin ihn verstand. Entschlossen legte er Helena wieder ins Bett und legte die heißen Steine wieder direkt an ihren Körper, bevor er sie sorgfältig zudeckte. Dann hielt er sie fest, so daß sie sich weder aufrichten, noch gar aufstehen konnte.


    "Du bleibst jetzt liegen, Helena. Deine Wunde muß genäht werden. Du brauchst Wärme und Ruhe. Alles andere ist unwichtig. Um diesen ominösen Brief werde ich mich kümmern." Was für ein Brief überhaupt? Er wußte nichts von einem Brief. Vielleicht bei ihren Sachen am Teich? Er würde später nachsehen müssen.


    Kopfschüttelnd betrachtete Ursus seine Cousine. "Tu Dir doch nicht noch mehr weh. Ich bitte Dich, gib Dir selbst eine Chance, Helena. Bleib liegen. Der Medicus muß jeden Augenblick hier sein." Hoffentlich! Wenn die Wunde nicht bald genäht wurde...


    Ursus atmete tief durch und ließ dann mit einer Hand los. Während die andere Helena noch immer festhielt, strich er ihr sanft einige Haarsträhnen aus der Stirn. "Bitte halte durch und halt still, ja?" Er blickte sich nach Siv um, die hoffentlich etwas gefunden hatte, womit sie Helena am Bett festbinden konnten.

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