Mit einem kleinen Stopser meines Ellenbogens, eigentlich hätte ich ihr auch gerne um die Taille gefaßt, lächele ich samtig.
"Unsinn, Aurelia Helena. Du bist nicht dumm und ich bin nicht klug. Niemand weiß alles und immer werden wir versuchen müssen, unsere offensichtliche Inkompetenz kompensieren zu müssen. Auch das ist eine Art der Kompetenz, aber dafür braucht man Lebenserfahrung und Weisheit." Der germanische Philosoph, ja, sowas gibt's wirklich, hat sich in einer kleinen Streitschrift für eine "Inkompetenzkompensationskompetenz" der Philosophen ausgesprochen, klingt sehr sophistisch und ich habe einen ganzen Tag gebraucht, um das Wort fehlerfrei aufsagen zu können ...
"Was ich weiß, weiß ich aus Rollen, habe ich gelesen. Du hast Lebenserfahrung, gerade in Rom, wovon ich keine Ahnung habe. Laß' uns unsere Kenntnisse zusammenwerfen - dann mischen wir alle kräftig auf!"
Womit wir zwanglos beim Thema wären. Heiraten! Endlich! Natürlich will ich Dich heiraten, auch wenn ich keinen Vergleich habe. Aurelia Prisca ist auch großartig, aber schon vergeben - und ich würde es mir ungern mit meinem Onkel Aquilius verderben. Tilla ist zu jung und außerdem, naja, eine Sklavin. Wer noch?
Ich lächele noch samtiger, diesmal in Mascara: "Natürlich ist Heiraten natürlich. Familie zu haben ist natürlich, kein Mensch lebt alleine, sonst sterben wir ja aus und keiner erinnert sich mehr an uns." Lebt meine Mutter nicht in mir weiter - und darum auch in meinem Kindern und Enkelkindern? Die Erinnerung ist es, die wir wachhalten müssen.
"Und wie kann man einen Mann heiraten, den man liebt? Das ist doch unlogisch! Heiratet man nicht den, den man lieben möchte? Wie kann man in jemanden verliebt sein, den man nicht oder nur kaum kennt?" Diese ganze blöde Liebesliteratur vernebelt den Menschen den Verstand, Liebe entsteht durch Beständigkeit, nicht durch Ka-Wumm, eine Explosion von Sternen, die dann so schnell verglüht, als hätte man ein Feuer nur mit Stoffen angefacht. Gutes, trockenes Holz erhält das Feuer der Liebe.
"Stets zu Deinen Diensten, Aurelia Helena. Dann kontere mit einem schlanken, dürren, häßlichen jungen Kerl und schlage Deinem Vormund vor, einen Flavier aus Hispania zu favorisieren. - Wer ist übrigens Dein Vormund?" Mit dieser Frage nicke ich den beiden nubischen, in glänzende hellblaue Tuniken gekleideten Sklaven zu, die am Eingang von Tiffanius' Salon stehen. Einer geht voran, hält uns die Tür auf und wir betreten die Verkaufsräume.