• Sim-Off:

    Hier gibt's 'was inne Schüssel un' innen Becher. Für alle - die da o'm un' die da unt'n. :)


    Holzfällen. Nachdem Sertorio im Laufe der Tage mindestens zwei kleine Wäldchen verhackstückelt und damit die verschiedenen Feuerchen uner die Kessel inner Küche geschürt un' am Leben gehalten hatte, wusch, schälte, schnipselte, stückelte, schnitt, zerkleinerte, hobelte, raspelte, mahlte er Wagenladungen von Gemüse, Obst und Getreide und wusch die Kessel, Pfannen, Bräter, Bestecke, Tonschalen und Schälchen. In der dritten Woche paßte er auf, daß der Puls für die Sklaven nich' anhing, rührte um, warf unbemerkt vielleicht ein paar gute Fleischabfälle oder Fischteile hinein, rührte'n Puls, krümelte vielleicht unbemerkt Pfeffer, Liebstöckl oder Salz innen Puls.


    Es ging Sertorio zwar tierisch auf'n Sack, jedenfalls das Gemüse, das Obst, das Getreide un' das Geschrr, aber beim Holzhack'n konnt'er sich dann austob'n. Der Kasten mit'n Holscheit'n war doppelt so hoch mit Holz gefüllt wie'er tief war, Brennzeuch für noch'n doppeltn Winter.


    Aben's, wennde Küche leer un' dunkl war, rollt er sich auf'n Sack vorm Herdfeuer zusamm'n, worum er Niki als einziges gebetn hatte. Er hatte vonne Fürze seiner Zimmergenossn genuch un' wollte überhaupt seine Ruh am Ab'nd.


    Inner viertn Woche hatter echtn Zoff mit Niki, weiler fünf Fische ohne lange zu denkn auf'n Mist schmiß, er roch roch noch nich', die Augn war'n aba schon blind. "Friß' Dein' Dreckscheiß selbe'" grollte er, als sie die Fische doch noch weiterverarbeiten wollte.


    Inner Folge, nach'm kurzn Schlagabtausch un'nem verbeultn eisern'n Schöpfer hörte Sertorio auf, Gemüse, Obst un' Getreide zu waschn, schäln, schnipseln, stückeln, schneidn, zerkleinern, hobeln, raspeln un' mahln, sondern schupte un' nahm die Fische aus, öffnete Austern, Muschln, Krebse un' fing an, zu kochn. Pfeffer, Liebstöckel, Oregano, frischen Koriander, Zwiebel, entkernte Rosinen, Passum, Essig, Liquamen, Defritum, Öl mit gebratenem Thunfisch, Puls für die Sklaven in einem Fond aus Fisch- un' Gemüseabfällen mit oder mit ohne Garneln.


    Die Fische kamn nich' mehr tot auf'm Karrn, sondern lebendig innem Bottich mit Salz- oder Süßwasser innen Hof, wo Sertorio mit'n Fisch'n rumhing, sie fütterte, beobachtete, ihnen stumme Gesellschaft leistete, bis einer oder mehrere von den Bottich-Bewohnern auf'm Speiseplan standen.

  • Vonner cena gestern war Huhn übrich gebliebn, Sertorio findet das nich' so spannend, aber mitte Abfälle un'nen Restn kochter für die Kollegn ein "Huhn á la Sertorio": dazu kocht er Gerste mit Erbsn innem großn Topf, zerfitzelte die Hühnerteile und setzt es mit Liquamen, Öl und Wein kalt an. Dann langsam aufkochen. Zwiebel und Koriander kleinhackn, Hirnchen und Leber enthäuten mit rein innen Topf. Lange kochn, den Saft mit neuen Zwiebeln und Koriander durch ein Sieb auf die gekochtn Erbsen un' 'nen Puls.


    Fertiches Huhn und Erbsn un Puls abwechselnd innen neuen Topf schichtn,
    Pfeffer, Kümmel un Saft vom Huhn dazuschüttn, mit gewürztn Eiern tränkn, obendrauf Pinienkerne, abschmeckn und dann langsam köchln lassn. Wenns fertich is, wie'ne Terrine mit'm Messer schneidn un' in Portionen inne Schalen. Dazu verdünntn Wein. Is' okay, wenn'ma Huhn mag.

  • Sertorio klappert mit'm Geschirr herum, hantiert mit den Töpfel und Töpfchen, die wie ein Haufe ungeordneter Hilfstruppen nach geschlagener Schlacht auf'm großn Tisch beim Spülbottich stehn un' darauf wartn, nach ihrem Tagwerk ins heiße balneum springen zu dürfn. Mit Zitronenscheiben weicht Sertorio die hartnäckig anhängenden Speisereste ein, kratz und schabt, schubbelt mit Lappn und auch'm aus dem balneum der Herrschaftn ausrangiertn Schwamm herum.


    "Du bis' Sertorio?" sagt eine Stimme vom Eingang.


    Sertorio dreht sich um, sucht nach einem festern Gegnstand, den Eisntopf, mit dem er dem Kerl da im hellen Türeingang den Schädl glattklopfn kann. Ein Zwerk, der ihm bis zur Schulter geht, mit'm Kopf, glatt wie'n gepelltes Ei, schweiglänznd, miefig bis zum Spülstein.


    "Und wenn" grunzt Sertorio unbeteiligt.


    "Locker blei'm, ich bin hier, um Dir was zu stech'n" sagt der Zwerk. "Bin Armin" fügter hinzu.


    "Soso, 'n Zwerk, der'n echta Stecha is', wa'?" Sertorio grinst: "Armin da Stecha".


    "Nee, Alabasta-Armin nennen'se mich, weg'n meina Alabasta-Haut"" Armin streichelt über seinen sonnengräunten, schokoladigen muskulösn Arm.


    "Jo, Mann, dann mach' ma los. Da is' Feuer, zum reinign der Nadln, keine scheiß Drecksnadln, keine scheiß Dreckstinte, klar?", sagt Sertorio.


    "Seh ich aus wie'n Amateur? Bin ich Amateur-Armin oda was, biste Sertorio der Scheißkluge oda wie?" Armin schnaubt und grinst.


    "Locka bleib'm, wärst nich' der erste, der mi'm großn Maul seine Nadln fressn mußte" weist Sertorio ihn grinsend auf das Schicksal mancher Schlamper hin, die ihren Kunden neben schlechten Tätowierungen auch Infektionen gemacht hattn.


    Armin nickt, packt seinen Lederbeutel aus, nimmt die Nadln aus'm Etui, stellt die Gläschen mit der Tinte hin.


    Nachdem Armin und Sertorio so Freundschaft geschlossn haben, die Nadln überm Feuer desinfiziert und danach abgekühlt sind, die schwarzblaue Tinte bereits offen steht, um in die genadelte Haut getropft zu wer'n, setzt sich Sertorio in eine helle Ecke der Küche umgekehrt auf'n Stuhl, Brust anne Lehne, Rücken zu Armin.


    "Un, wohin willste, Süßer, das Schmuckstück? Auf'n Arsch, damits Dein Liebster jede Nacht un' jedn Morgn bewundern kann?" fragt Armin.


    "Du mich auch" sagt Sertorio und zieht am Rückn die Tunika runter, sodaß ein Stück Hals oberhalb der Schulterblätter sichtbar is'.


    "Ne, ausziehn, Süßer, so funzt des nich'" schüttelt Armin den Kopf. "Wenn der Stoff hochschnalzt, isses im Arsch."


    Sertorio nickt leicht, na, in Ordnung, er will nix Drittklassiges un' nix Versautes auf sich. Er steht auf, zieht die Tunika über seinen Kopf, wirft sie von sich und setzt sich mit nacktem Hintern und nacktem Oberkörper wieder hin. "Los, direkt über'n Halsansatz, oberhalb der Schulterblätter, genau inne Mitte. Exakt Zentrum, klar?"


    Stille. Man hört das Feuer prassln, irgendwelche Geräusche von irgendwelchn Lebndn draußn, Armin atmet. Sonst Stille.


    "Das, das, das is, das is'n ..."
    "Ja, das is'n Tarraco-Ole. Fang' an."
    "Du, Du hast'n Scheiß-echtn Tarraco-Ole auf Deinem verficktn Rückn'! Wer zum Geier bis'n Du?!"
    "Jeman', der Glück hatte, Tarraco-Ole über'n Weg zu laufn. Sons niemand. Kam einfach zu uns ins Wirtshaus, soff sich'n Schädl voll und machte mir zum Lohn dafür das da inner Woche auf'm Rückn. So. Un' jetz' mach hinne."


    "Es is' mir eine Ehre. Was'n Teil. Sieht aba 'n bißchn rechtslastich aus."
    "Is' auch nich' komplett. Fehlt 'was, ging nich', später mal. Is'ne lange Geschichte für meine Enkl un' für sons' kein Arsch. Danke für die Blumen un' gut is'". Sertorio grunzt. Zufrieden, weil er einen Kenner hat. Die Aurelier war'n keine Scheiß-Knauser, guter Griff, mußte man ihnen lassn.


    In den nächsten zwei Stunden, während derer das Licht immer spärlicher wurde, saßen Sertorio und Alabasta-Armin da und Sertorio bekam sein neuestes Motiv. Jedes Motiv hat seine Geschichte un' dieses wird von der Geschichte bei'n Aureliern erzähln.

  • Seit der neue Sklave da war, hatte Niki nicht mehr nach ihr verlangt, sodass neuerdings das Aushelfen bei den täglichen Vor- und Zubereitungen wegfiel. Tilla fiel es sichtlich schwer, nicht mehr in der Nähe der gutmütigen alten Köchin sein zu dürfen Von daher schlich sie sich zwischendurch, wenn sie eine dienstfreie Minute hatte, zum äußeren Küchenfenster, kletterte die Efeuranken hinauf, die teilweise das Fenster verbargen und spähte durch eben diese Ranken in die Küche hinein.


    Außerdem schien Sertorio viel mehr zu können und ein umfangreiches Vorwissen mitgebracht zu haben was die Kochkunst anbetraf. Die Küchengerüche zogen nur so an ihr vorbei und waren für das eine oder andere sehnsüchtige Aufgrummeln ihres immer hungrigen Magens verantwortlich. Irgendwie schaffte sie es einzurichten, dass sie ihre Mahlzeiten aß, wenn Sertorio nicht gerade in der Nähe war. Wenn sie tief in sich hineinhörte, machte ihr das grummelige, barsche Wesen des Sklaven Angst. Der Tätowierer war unlängst da gewesen.. zu gut konnte sie sich an die eigenen panikerfüllten Stunden unter den Händen dieses Mannes erinnern. Vom Krach zwischen Niki und Sertorio hatte sie dank dem Tratsch der aurelischen Sklaven gehört.


    Und jetzt musste sie mit ihm einkaufen gehen, so lautete der heutige Dienstplan. Tilla kämpfte mit ihrer Angst. Langsam stiess sie die Tür zu culina auf, lauschte dem Hantieren der Töpfe und stiess nach mehreren Atemzügen ihre Glöckchen am Gürtel hörbar an. Die Tafel hatte sie schon vorbereitet und legte diese in Sichtweise von Sertorio ab, bevor sie sich wieder mit schnellen Schritten zur Tür zurückzog. *Salve. Zeit für Einkaufen auf dem Markt. Schiebekarren mitnehmen. Niki sagt: Einkaufsliste hast du.* Wenige Worte.. aber viel Information. Recht scheu dreinblickend wartete Tilla auf seine Reaktion.

  • Sertorio hatte sich gestern den letztn Sack Muschln am Markt gekrallt, üba Nacht gewässert, gewaschn, un' dann innem großn Topf auf'n Herd zum Kochn bringn. Brauchte einige Stundn. Rumsitzn, nixtun, Löcha inne Wand starrn un' wieda zumauern. Drum setzter gleich die Soße für die Muschln an: Pfeffer, Liebstöckl, Petersilie, getrocknete Minze, Lorbeerblätte', Kümml un' etwas mehr Kümml, Honich, Essich und Liquamen. Alles nachenande' innenMörse' zerstoßn, zerrei'm un' dann sitzn lassn, bis ma' die Pampe braucht. Nebnher setzt Sertorio noch 'n Stück Rind innen Topf, nich' anbratn, kalt hochkochn. Dazu Minzsoße, später. Komisch, aba wollte Niki so ham. Inzwischn kamn se gut mitananda aus, keiner machte'n andern an, auch wenn ihre Macke mit'e Hundn inner Küche immer wieda zu Klappern und Scheppern führte.


    Sertorio hört das leise Klingln, das'n Krüppl verriet, wahrscheinlich mit Absicht, als Wa'nung oda wasweißich.


    "Alles weg" sagter ohne sich umzudrehn. Jetz' gibt's nix zu fressn, erst später. Hau ab.
    Dann hörter ein leises Klappern auf Holz, Sertorio muß eh zum Tisch, weiler 'n Löffl braucht. Klaut die? Sertorio hört die raschlndn Schritte zurüch zur Tür Er dreht sich schneller um, als er will und sieht nich', daß was fehlt, sonnern, daß was dazugekommn is', 'ne Holztafl. Da steht wohl was drauf für ihn? Oda was?


    Sertorio geht, nimmt sie, liest und schaut den Krüppl imma wieda seitlich an. Is' ihm schon aufgefalln, sieht nich' aus wie'n Krüppl, wie diese Kreaturn, die sabbern und blöde grinsn. Steht nur da und schaut zur Tür.


    'Un' wer paßt auf den Scheiß hier auf?' denkter sich. Einkauf'n mit'm Krüppl, hätter sich ja denk'n könn'. So Aurelius Ursus den Krüppl angeschaut hatte, war'se hier zum nixtun, zu nix nutze, nich' ma' allein einkaufn kannse. Bom. Auchegal.


    Sertorio liest nochmal. Schöne Schrift. Nich' so verkraxelt wie seine eigene, nich' hart, sonnern weich auffer Waxobafläche. 'N Karrn brauch'ma, klar, großer Einkauf war 'ma wieda nötig, große Teile.


    "Ich mach' hier grad ferttich", sagt Sertorio, dreht sich um und holt beide großen Töpfe vom Feuer, bevor 's Wasser heiß wer'n kann. Die Soße stellter zur Seite, deckt se ab, wischt sich kurz die Hände ab un' geht dann zur Tür.


    "Komm, Kr..." Sertorio hält etwas verlegn inne. Scheiße, so nich', trotzdem.


    "Tilla, nich'?" versucht er's nochmal, ob die ihn überhaupt verstand?

  • Wie alles weg? Tilla verstand nicht, trat bei seiner schnellen Umdrehung noch ein Stückchen zurück. Schnell bewegen konnte er sich auch... und schon griff er zur Tafel. Wie lange brauchte er denn zum lesen? Tilla kaute auf den Lippen, blieb unschlüssig stehen und nickte. Fertigmachen? Aber klar... und überlegte, wieviel Schonfrist sie noch hat bevor es losgeht. Sertorio hantierte mit den Töpfen und kam dann auch schon auf sie zu. Tilla nickte und liess Sertorio an ihr vorbeigehen. Ihn möchte sie lieber nicht in ihrem Rücken wissen. Ein kurzer Blick durch die Küche noch.. die Schreibtafel lässt sie liegen, damit auch jeder der sich in der Küche aufhält weiss, wo Tilla hin ist.

  • 'Eigntlich isses schon komisch - "daheim". Wo iss'n das genau? Is' "daheim" bei seine Eltan, woer aufgewachsn is', oder is' "daheim" da, woer grad is' oder woer sagt, daß da "daheim" is', egal, woer ist un' wodas is'?'


    Sertorio sitzt am Küchntisch, 'n Becha Brühe vor sich, reibt sich mitn Händn imma wieda durchs Gesicht. Klingt schieße, aba für Sertorio is' die villa Aurelia "daheim". Das hater erst gemerkt, als er in Mantua war. Da hater gedacht, 'ich will heim' un' da warn's nich' seine Eltan, son'ern die Caelyn, die Niki, die Tilla, dominus Aurelius Ursus, die "daheim" sin'. Sertorio folgt mit seinen Augn Nikis Hintern, sie putzt Gemüse überm Bottich.


    'Was machich jetz' mit'm Tag?' denkt sich Sertorio. Er hat "frei". Also nix zu tun, rumhockn, stundnlang, klebige Öde. Er steht auf, trinkt aus un' geht zu Niki. "Ich mach weita, bom?" bietet er ihr lächlnd an, faßt sie kurz umme Tallje.

  • Sicherlich war es auch in Alexandrien warm, wärmer sogar als in Roma . Aber sowohl die nahe Wüste, wie auch das Nahe Meer verschafften den Bewohnern Alexandrien nachts zumeist mehr Abkühlung als den Römern. So kam es das Orestes eines nachts aufwachte - schweißgebadet und dürstend. Da es ihm immer noch an einem eigenen Sklaven mangelte, musste er selbst aufstehen. Das war der Moment, wo er endgültig beschloss sich bald, sehr bald um einen Sklaven zu kümmern.


    Jetzt jedenfalls musste Orestes selbst aufstehen. Als er durch die leeren Gänge der villa lief dachte er wieder an seinen Vater - diesen ... . Manchmal fragte er sich warum er eigentlich Orest genannt worden war und ob sich das Schicksal seines Namenspatrones an ihm nur in merkwürdig verdrehter Weise wiederholen sollte. Sein Vater war kein König, sondern ein Versager. Und der Vatermord des Orestes wäre bei ihm das Erfolgreich sein. Oder - im Versuch dem Schicksal des vaters zu entgehen würde er.. oder. Kein Gedanke führte zu etwas. So kam es, dass er sich in der culina wiederfand - einen becher Wein in dar Hand und murmelnd: "Vatermord..wie werde ich, Orest, meinen Vater töten?"

  • Wieder einmal hatten sie die schrecklichen Erinnerungen heimgesucht. Mit großer Mühe hatte sie es fertig gebrach, Schlaf zu finden. Jedoch der angsterfüllte Traum hatte sie schweißgebadet und schweratmend wieder erwachen lassen. In Panik hatte sie um sich geschlagen, bis sie begriffen hatte, wo sie war. Nein, sie war nicht zu Hause und um sie herum schliefen die anderen Sklaven. Sie war fernab der Heimat und des vergossenen Blutes, in Rom, in der aurelischen Sklavenunterkunft.


    Fhionn versuchte wieder einzuschlafen, nachdem sie wieder ruhiger geworden war. Doch ihre Bestrebungen scheiterten kläglich. So beschloß sie, wie sie es schon einige Male desnachts getan hatte, aufzustehen, um im dunklen Haus oder im Garten umher zu wandern.
    Sie verspürte etwas Durst und beschloß deshalb zuerst in der culina vorbeizuschauen, um etwas zu trinken, bevor sie im weitläufigen Garten der Aurelia ein wenig der kühlen Nachtluft schnappen wollte.
    Fhionn hätte nicht im Traum daran gedacht, daß um diese Zeit außer ihr noch jemand wach sein könnte. Jedenfalls rechnete sie nicht damit, jemand von den Aureliern anzutreffen. Diese schickten nachts allenfalls ihre Sklaven los, um ihr Verlangen zu stillen.
    Mit einem quietschenden Geräusch öffnete Fhionn die Tür zur Küche. Diese Tür krächzte förmlich nach etwas Öl!
    Der schwache Schein eines kleinen Flämmchens fiel ihr ins Auge. Jemand mußte ein Öllämpchen brennen gelassen haben! Umso besser! Das würde sie sich nehmen, nachdem sie ihren Durst gestillt hatte!
    Doch dann drang ein leises Gemurmel an ihr Ohr. Vor Schreck erstarrte sie. Waren das die Geister ihrer toten Familie? Nein, das was sie gehört hatte, waren lateinische Worte. Weder ihre Kinder noch ihr Mann hätten je in Latein zu ihr gesprochen.
    Demjenigen, der ebenfalls in der Küche war, mußte auch ihre Anwesenheit aufgefallen sein. So war ein Weglaufen unmöglich geworden! "Wer da?", rief sie zögerlich ins Halbdunkel hinein.

  • Ein zögerliches Fragen rief den tief in Gedanken hängenden Orestes aus seiner Vertiefung heraus. Das Quietschen der Tür, eine fremde Stimme, die ganz typisch für dieses Haus fremdländisch klang. Die Frage: "Wer da?". All das hätte sicherlich für eine kurze Schrecksekunde ausgereicht, wenn nicht Orestes schon wieder ein Ich-bin-wieder-daheim-Gefühl erreicht hätte, so dass er sich sicher war, dass einer seiner Verwandten einen Sklaven in die Küche geschickt hatten, um etwas zu trinken zu holen in dieser warmen Nacht. "Ich bin Manius Aurelius Orestes - und ich wohne hier. Und wer bist Du?", sagte er ein wenig schroff. Dann sah er jemanden sich im Halbdunkel bewegen. Sein Vedacht schien sich zu bestätigen - die Umrisse schienen der einer der Sklavinnen zu sein - ob sie sein Gemurmel wohl verstanden hatte? Das müsste er herausfinden, damit sich nicht falsche Gerüchte über ihn unter den Sklaven herumsprachen. Daher sprach er nun etwas freundlicher und lächelte sogar ein wenig: "Welcher meiner Verwandten schickt Dich denn in der Nacht ohne Lampe durchs Haus?"

  • Es hatte eine Weile gedauert, bis sie eine Antwort auf ihre Frage erhielt. Möglicherweise hatte sie denjenigen, der sich mit ihr in der Küche befand, auch erschreckt. Sie fragte sich noch, ob es sich um einen neuen Sklaven handelte, dessen Stimme sie noch nicht kannte. Ihre Frage jedoch, wurde bald darauf beantwortet. Es handelte sich bei dem mysteriösen Anwesenden keineswegs um einen Sklaven! Vielmehr mußte es sich bei ihm um jenen Aurelier handeln, der kurz vor ihrer Rückkehr aus Germanien in der Villa eingetroffen war.
    Vorsichtig machte sie einige Schritte nach vorne, auf den Schein der Lampe zu. So tauchte aus dem Dunkel, langsam die Umrisse eines Mannes auf. Schließlich war sie so nahe herangetreten, daß sie sein Gesicht erkennen konnte. Argwöhnisch betrachtete sie ihn, während er sie so seltsam anlächelte.
    "Ich Fhionn," antwortete sie schließlich erst zögerlich, doch dann verlor sie etwas ihre Scheu.
    "Niemand schicken! Nicht Schlaf können. Schlechte Traum. Durst haben. Trinken!" Mit Händen und Füßen versuchte sie zu erklären, weswegen sie hier war. Es fiel ihr sichtlich schwer, sich richtig auszudrücken. Noch ein langer beschwerlicher Weg lag vor ihr, bis daß ihr Latein einmal nahezu perfekt sein würde.
    "Was du machen, hier?" Es wunderte sie schon, warum sie ihn in der küche antraf.

  • Orestes tat etwas merkwürdiges: Er nahm einen Becher, füllte ihn und gab ihn Fhionn. "Hier. Trink." Wahrscheinlich ist es die Solidarität der schlecht Träumenden, dachte er bei sich. Das Latein der Sklavin war lustig. Orest musterte sie - nein sie sprach sicherlich kein Griechisch und kein Ägyptisch, sondern kam viel eher aus den nördlichen Gebieten des Reiches. "Die Nacht ist schwül. Ich hatte Durst. So ging ich in die Culina und trinke etwas. So wie Du." Orestes sprach deutlich, einigermaßen langsam und machte kurze Sätze - ohne Nebensätze und Infinitivkonstruktionen. Schlließlich wollte er verstanden werden. "Fhionn, sag: woher bist Du?" Er tippte auf Gallien oder Hibernia.

  • So einiges schien hier nicht mit rechten Dingen zu zugehen! Träumte sie etwa noch oder war sie doch wach? Sie war zwar noch nicht so lange unter Römern, jedoch lange genug, um zu wissen, daß es ungewöhnlich war, wenn einer von ihnen ihr etwas zu trinken einschenkte und ihr dann auch noch den Becher reichte.
    Die Erklärung, warum Orestes hier in der Küche weilte, war einleuchtend. Er hatte in klaren deutlichen Sätzen gesprochen, die sie mühelos verstanden hatte. Wobei sie sich dann doch die Frage stellte, warum er nicht seinen Sklaven los geschickt hatte, um ihm etwas zu trinken zu bringen. Die ganze Sache war doch merkwürdig!
    "Ich von Norden in Britannia. Eburacum, Stadt heißen. Ist in Nähe," versuchte sie zu erklären. "Nicht gut sprechen! Nicht lange hier. Nicht lernen viel Sprache." Fhionn errötete etwas, da sie sich für ihr schlechtes Latein schämte. Sie war auch über sich selbst erstaunt, wie gesprächig sie in dieser Nacht war. Fhionn war keine Frau der vielen Worte. Sie war in sich gekehrt uns redete normalerweise nur, wenn sie gefragt wurde. Nur mit den wenigsten Sklaven hatte sie ein Paar Worte gewechselt. Ansonsten lebete sie in ihrer Welt, mit ihren Erinnerungen. Den schönen und den schrecklichen.

  • "Die Sprache ist da, damit man sich versteht. Ich verstehe Dich. Du verstehst mich. Das ist gut. Wenn Du willst, dann Du wirst lernen." Orestes machte das was viele Menschen machten, wenn sie sich der Herausforderung gegenübergestellt sehen, mit jemandem zu sprechen, der nur wenig von ihrer Sprache verstand - sie vereinfachten die Sprache, bis sie falsch wurde. Als er dessen gewahr wurde, biss er sich auf die Lippen - so wäre er kein gutes Beispiel. "Aus Britannia. Oh. Ich bin vom anderen Ende der Welt zurückgekommen, aus Aegyptus. Dort habe ich ohne meine Familie gelebt und ohne Sklaven. Ich muss mich hier erst wieder eingewöhnen. Du bist eine Keltin?" Ihm fielen die Worte des großen Caesar wieder ein - qui ipsorum lingua Celtae [...] appellantur. Als er noch einen Schluck nahm, musterte er sie ein wenig - rote Haare, blaue Augen - sie sah schon sehr keltisch aus, weswegen er ja auf Gallien getippt hätte. "Was sind Deine Aufgaben im Haus?" Er war sich inzwischen fast sicher, dass sie ein Murmeln nicht verstanden hatte, dazu war es wahrscheinlich zu leise und undeutlich gewesen - ihre Sprachkenntnisse recht bedenkend.

  • Allmählich faßte Fhionn etwas Vertrauen. Sie nahm einen Schluck und spürte, wie die kalte Flüssigkeit ihre Kehle hinunter rann.
    Mir dem Lernen war das so eine Sache. Seitdem sie hier war, hatte sie nur wenig Kontakt mit Anderen gehabt. Was allerdings auch an ihr lag! Dadurch war das Erlernen einer Sprache fast schon zum scheitern verurteilt.
    "Nicht viel spreche andere. Nicht viel lernen," versuchte sie zu erklären. Jedoch verspürte sie in seiner Gegenwart einen seltsamen Drang, sich auszutauschen.
    "Du von Aegyptus? Merit von Aegyptus! Ja, ich Brigantes. Name von Stamm. Ja, keltin!" In Ermangelung des richtigen Wortschatzes versuchte sie, so gut es eben ging zu erklären. Bisher hatte es hier in der Villa noch keinen Menschen gegeben, dem sie etwas ausführlicher von sich oder ihrer Herkunft erzählt hatte. Einige von den Sklaven wußten, woher sie kam. Auch Prisca hatte sie es erzählt. Doch niemand wußte etwas über den Umstand, wie sie zur Sklavin gemacht wurde. Das hing allerdings auch damit zusammen, da sie es vermied, zu viel von sich preiszugeben.
    "Nicht bestimmte Aufgabe. Tun das, was sage." Bisher hatte man ihr keine bestimmte Aufgabe zugewiesen. Sie erinnerte sich noch an ihre ersten Tage in der Villa, als sie sich fast geisterhaft durch die Räume der Villa geschlichen hatte, bis sie Matho über den Weg gelaufen war.

  • "Das ist schade, nur wenn Du sprichst, lernst Du. Übung macht den Meister." Gut, er erfuhr Fhionn jetzt auch nicht gerade als Plaudertasche, aber sie versuchte sich mit ihm zu unterhalten. Warum tat sie das nicht mit anderen? Ah - dachte er - vielleicht liegt es daran, dass sie niemandem direkt zu geordnet ist, das brachte ihn auf eine Idee. "Wer ist eigentlich Dein Herr - Corvinus?". Wenn es so wäre würde er mal mit ihm sprechen.


    Es gefiel Orestes, dass er Fhionn hier getroffen hatte, so erfuhr er endlich mal etwas mehr aus diesem Haushalt, der inzwischen, seit einige Sklaven aus Germania wiedergekommen waren, doch wieder auf eine beachtliche Größe angewachsen war. "Merit ist auch eine Sklavin? Aus Aegyptus? Das ist schön. Ich bin zwar nicht aus Aegyptus, war aber einige Jahre dort." Es würde wahrscheinlich noch einige Zeit brauchen, bis er alle Bewohnerinnen und Bewohner des Hauses kennen würde. Man traf sich fast nur zufällig - wie jetzt mitten in der Nacht. Er trank seinen Becher aus und stellte ihn ab. "Wie viele Sklaven leben in der villa eigentlich, viele?"

  • Fhionn war das klar. Vielleicht lag es aber auch daran, daß sie sich anfänglich gegenüber allem gewehrt hatte, was römisch war. Irgendwann mußte sie jedoch erkennen, daß dies auf Dauer hoffnungslos war. Das Leben hier bei den Römern war so ganz anders, als sie es von ihrer Heimat gewohnt war. Die Menschen waren auch anders, als die Römer die sie in Britannien getroffen hatte. Das lag möglicherweise an den klimatischen Verhältnissen. Britannien war bei den römischen Legionären nicht gerade als das sonnenverwöhnte Paradies verschrien, wo jeder hin wollte.
    Die Frage nach ihrem Herrn, ließ sie mißtrauisch werden. Weswegen wollte er das wissen? Hattesie etwas getan oder gesagt, was ihn wütend gemacht hatte? Am liebsten hätte sie ihm ins Gesicht gesagt, sie habe keinen Herrn und sie sei niemandes Sklavin. Das tat sie jedoch nicht. Der Aurelier war freundlich zu ihr, es gab also keinen Grund, ausfallend zu werden oder sich sorgen zu machen, etwas ungebührliches getan zu haben. So nickte sie bestätigend. "Ja, Corvinus!" In ihrem Blick war jedoch etwas trauriges, sehnsuchtsvolles.
    "Ja, Merit auch Sklavin," bestätigte sie und versuchte wieder ihr Lächeln zu finden.
    Die Frage, wieviele Sklaven es in der Villa gäbe, kam überraschend für sie. Fhionn wußte das selbst nicht so genau. Eigentlich kannte sie nur die Sklaven hier im Haus. Die anderen Sklaven, die für den Stall und den Garten und sonstigen Aufgaben, außerhalb des Hauses zuständig waren, kannte sie nicht.
    "Mhm, ich nicht kennen alle, ist Merit, ist Siv, istTilla, ist Dhina, ist Niki. Niki hier in culina. Ist Hektor, ist Alexandros, ist Leone. Leone an porta! Ist Saba, ist Brix. Caelyn und Sertorio in Germania. Andere nicht kenne." Sie zuckte mit den Schultern, nachdem sie alle aufgezählt hatte, die sie kannte.

  • Auf einmal schaute sie - wie Orestes es empfand - traurig und sehnsuchtsvoll. Hatte er etwas gesagt, was sie traurig machte? Hatte sie sich noch nicht an ihr Schicksal gewöhnt? War sie vielleicht erst seit kurzem versklavt? Er wusste es nicht und würde diese Fragen auch nicht stellen, jedenfalls jetzt nicht.


    Vielmehr war er von seinem eigenen Inneren überrascht. So etwas wie ein Beschützerinstinkt breitete sich in ihm aus. Das verwirrte ihn. "Dann werde ich Corvinus fragen, ob Du mir etwas zur Hand gehen könntest, wenn er nichts dagegen hat" - beinahe hätte er hinzugefügt, und Du auch nicht. Aber das wäre eindeutig zu viel gewesen. Als sie die Sklaven aufzählte und mindestens ein Dutzend erwähnte, fiel ihm auf, wie wenig er in den letzten Tagen mitbekommen hatte, weil er zumeist in seinem Cubiculum gewesen war und sich lesend auf die Opferprüfung vorbereitet hatte. Ein ganzer Haufen von Leuten bevölkerte diese villa. Corvinus als Pater Familias. In diese Gedanken mischte sich bei ihm der Beginn von Müdigkeit. Nicht, dass ihn das Gespräch langweilte- Im Gegenteil ! - aber die Uhrzeit und der Wein begannen an ihm zu ziehen. Er versuchte sich das nicht anmerken zu lassen, aber ein leichtes Gähnen entsprang dem Gehege seiner Zähne. "Wie lange bist Du schon bei den Aureliern?", fragte er Fhionn und ärgerte sich gleich ein bisschen, dass er diese Frage gestellt hatte, da er ja eigentlich keine persönlichen Fragen mehr stellen wollte.

  • In ihrer Aufzählung hatte sie Matho nicht erwähnt. Der maiordomus war ihr zutiefst zuwider. Seit ihrem ersten Tag in der Villa, war das Verhältnis zwischen ihm und ihr nicht das Beste gewesen. Er haßte Sklaven, die nicht als Sklaven geboren wurden und das ließ er auch Fhionn tagtäglich spüren. Bei den Herrschaften wußte er sich stets einzuschmeicheln.


    Eine von Orestes´ Bemerkungen hatte Fhionn nicht richtig verstehen können. Verdutzt sah sie ihn an und versuchte, sich aus den Worten einen Reim zu machen. "Was ist mit Hand? Hand krank?" In ihrer Stimme lag Besorgnis, jedoch konnte sie an seinen Händen nichts entdecken, was auf eine Verletzung hinwies. Eigenartig, dachte sie. Es mußte doch etwas anderes dahinter stecken. Auch daß sie nun doch eine leichte Müdigkeit verspürte, war ungewöhnlich. Auch die schlechten Erinnerungen waren wie weggefegt. Bis auf einmal! Diese eine Frage, die Orestes stellte, holte sie wieder ein. Sie schwieg erst, sah die Erinnerungen vor ihrem inneren Auge wieder, dann antwortete sie. "Nicht lange, vier Mond." Sie war nun ganz ernst und auch das Lächeln war aus ihrem Gesicht verschwunden.

  • Er hatte es gewusst. Diese Frage, die in ihre Vergangenheit zielte, war dumm. Denn als er sie stellte, fiel sie in eine dunkle Stimmung zurück, was den Verdacht, den er hatte bestätigte - sie war mit ihrer Vergangenheit noch nicht fertig und hatte sich noch nicht in ihr Schicksal eingefunden. Beinahe wäre ein "Entschuldige" über seine Lippen gerutscht, das er sich wirklich verkneifen musste. Statt dessen suchte er ein anderes Wort, das ohne den Standesunterschied noch mehr einzuebnen sein bedauern ausdrückte. "Du hast schlimmes erlebt. Ich sehe es Dir an. Möge...". Er überlegte, irgendwo hatte er mal etwas darüber gelesen, dass Victoria - die Göttin des Sieges - mit einer keltischen Göttin gleichgesetzt wurde, die hieß wie der Stamm den Fhionn genannt hatte - "möge Brigantia Victoria Dich heilen!". Er wollte diesem Wunsch auch einen leiblichen Ausdruck verleihen und ging den Schritt, den sie voneinander entfernt standen auf sie zu und legte seine Hand auf ihre Schulter.

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