Dunkle Zeiten | Teil III: Ein Eilritt nach Ostia


  • Die Nacht war längst über Rom herabgesunken, als zwei Pferde im schnellen Tempo die Millionenstadt verließen - auf dem einen saß ich mit einer nicht zu unterdrückenden Furcht um meinen Sohn und seine Mutter im Sattel, auf dem anderen jagte Severus neben mir hier - und zum ersten Mal, seit er mir überantwortet worden war und im Grunde eine Menge Ärger gemacht hatte, war ich um seine Begleitung froh. Das hier war keine Sache für Worte mehr, auch nicht für Männer, die sich auf dem gesellschaftlichen Parkett wohlfühlten und sich dort gerne aufhielten, oberflächlich betrachtet war ich wohl auch einer von jenen, und hatte die Leichtigkeit dieser unverbindlichen Vergnügen immer genossen.
    Aber nun, da eine direkte Bedrohung für mich wichtiger Menschen vor mir stand, gegen die höchtwahrscheinlich nur Geld oder nackte Gewalt helfen würde, musste ich auch angemessen handeln. Ich hatte nicht vor, mich von irgendeinem Unbekannten erpressen zu lassen, weder mit dem mangelnden politischen Geschick meines Vaters, noch mit meinem Sohn, der damals, als sein Leben entstand, durchaus ein Kind der Liebe gewesen war, erst recht nicht mit dem Leben der Mutter meines Sohnes, die mir damals das Leben gerettet hatte, ohne zu ahnen, wer ich war und ob ich mich als dankbar erweisen würde. In jener Zeit war aus meinem Leben, das ich stets als Spiel betrachtet hatte, Ernst geworden, und dieser Ernst hatte meine weiteren Entscheidungen geprägt.


    Während mir der Wind um die Ohren pfiff, ich den gewaltigen Leib Lapsus' weiter antrieb, um ihn zu mehr Eile zu gemahnen - selbst fliegen wäre mir jetzt noch zu langsam gewesen - peitschten mich auch meine eigenen Gedanken, meine Befürchtungen voran, am liebsten wäre ich gerannt, aber ich wusste ebenso gut, dass ich sicherlich schneller mit Pferd war als zu Fuß, und schrieb diese Wünsche der Sorge zu, die mich in ihrem eisigen Griff hielt. Severus ritt gut, und ich war auch darüber insgeheim froh, selbst wenn sich dies wohl nicht nach außen spiegeln würde, die eisige Maske meines Schweigens lag wieder über meinem Gesicht und schottete mich so weit ab wie möglich. Ich hätte jetzt nichts sprechen können, nichts sagen wollen, zu sehr waren meine Gedanken davon ergriffen, was geschehen sein mochte, ich hatte seit einigen Tagen nichts aus Ostia gehört, war ich vielleicht schon zu spät? War ich zu sorglos gewesen, hatte ich zu sehr darauf vertraut, dass ich keine wirklichen Feinde besaß, weil ich bisher noch nie jemandem direkt entgegen getreten war? Es war nichts als meine Schuld, dass dies alles geschehen konnte, allein ein Drohbrief war schon mehr, als ich jemals erwartet hatte. Lebten wir denn alle so bequem in unserem goldenen Käfig unserer Existenz, dass wir uns darauf verließen, solchen Problemen nicht ausgestzt zu sein?


    Die nächtliche Landschaft neben der Straße nahm ich nicht einmal war, roch nur den scharfen, würzigen Duft der winterlichen Gräser, die noch am Wegesrand der gepflasterten via wuchsen, alles andere vermischte sich zu dunklen Schatten, die mein Blickfeld nicht wirklich trafen, sondern am perphären Rand vorbeiglitten, ohne dass ich sie hätte halten wollen. Es war eine sternenklare Nacht, sehr kühl, und selbst für diese Kälte hatte ich keine wirkliche Empfindung, ich musste einfach voran, voran nach Ostia, zu meinem Sohn, zu seiner Mutter, zu diesem letzten Fleckchen Ruhe und Geborgenheit in meinem Leben, zu dem ich bisher ohne Sorgen oder Reue hatte zurückkehren dürfen, um mich einige Stunden lang eines ruhigen Lebens zu erfreuen, dem Geschwätz, das Orestilla vom Markt mitbrachte, dem gutmütigen Brummen ihres Vaters, dem leisen Quäken meines Sohnes. Wäre ich dort geblieben, wäre ich glücklicher gewesen? Aber die Antwort darauf verlor sich im eiligen Trommeln Lapsus' Hufe auf der Straße, die einfach nicht schnell genug waren ...

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