Brachland am Tiber | scelus et poena, 5. Akt: Es wird abgerechnet

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    "Wer das meiste wagt, der hat das größte Recht"


    Regen fiel in langen Schnüren aus dem bleigrauen Himmel über Rom. Die Dämmerung kam, und legte sich wie ein schmutziges Tuch über die Stadt, vertrieb die Menschen aus den Strassen und den Foren, hinein in ihre Häuser. Lampen wurden entzündet. Mit hohlem Gepolter rumpelten nun Wägen durch die Strassen. Die Regentropfen trommelten auf die Dächer, flossen im Rinnstein zu Bächen zusammen, trugen Strassenschmutz und Abfall mit sich, sickerten in die Kanalisation und ergossen sich schliesslich in den Tiber. Dreckig und stinkend wälzte sich der grosse Strom durch die Stadt.
    Der Germane stand am Ufer. Ein struppiges Stück Brachland war es, nahe des Frachthafens und neben einer Werft, wo er seinen 'Geschäftspartner' erwartete - Longinus von Vindobona, den Stabmann. Ein grosser Lastkran erhob sich inmitten des Geländes, ragte schroff in den Himmel hinauf, verschleiert von Regen. Daneben wucherte struppiges Gebüsch, und armseliges vergilbtes Gras. Die modernden Leiber abgewrackter Schiffe lagen dazwischen, aufgebockt auf Holzklötze, in verschiedenen Stadien des Verfalls. Ihre grossen rissigen Leiber glänzten feucht vom Regen, in der Dämmerung sahen sie aus wie gestrandete Wale.


    Der Germane liess den Blick schweifen, über das runtergekommene Gelände, lauschte in den Regen. Er trug einen Sack in der linken Hand, eine lederne Paenula um die Schultern, und schüttelte sich jetzt die Kaputze vom Kopf um seine Umgebung besser wahrnehmen zu können. Das gewachste Leder des Umhangs verbarg, dass er bis an die Zähne bewaffnet war - Dolche trug er im Gürtel, Messer unter den ledernen Armschienen, und auf dem Rücken die Sica, alles frisch geschärft und gut geölt. Er zog die Sica ein Stück aus der Scheide, flüssig und lautlos, liess sie wieder zurückgleiten.
    Alles war vorbereitet. Im löchrigen Leib des nächstliegenden Wracks hatte sich Lanius verborgen, Sica und vor allem Bogen bereit, ganz wie sie es in der Spelunke 'am Ende der Gasse' besprochen hatten, um ihm beizustehen falls es nötig würde. Ein geklautes Fischerboot lag, verborgen unter Gestrüpp, in der Nähe am Ufer, als Fluchtweg falls die Sache schieflaufen würde. Und ein Stück weiter stand in einem Schuppen ein Handkarren bereit, mit Kisten und alten Säcken beladen - den könnten sie gewiss brauchen wenn die Sache gut laufen würde.
    Der Regen durchnässte sein blondes Haar. Es klebte ihm in Strähnen in der Stirn. Der Germane lehnte sich gegen den Fuss des Lastkrans, liess den Beutel, in dem sich vage eine runde Form abzeichnete, langsam hin und her schwingen. Alle Sinne geschärft wartete er gelassen, völlig kaltblütig, auf das Erscheinen des Longinus oder dessen Spießgesellen. Das Spiel konnte beginnen.

  • Longinus machte einen Schritt nach rechts und trat somit hinter einem jener Holzstapel, die am Ufer aufgehäuft waren, hervor. Sein Geschäftspartner war schon da. Einen weiten Umhang hatte der Gute an, worauf man schließen konnte, dass der Germane darunter nicht nur seinen eigenen mickrigen Leib verbarg.
    Langsam bewegte sich Longinus, mit seiner mageren Gestalt, auf den Germanen zu. Sein Stab war geschultert, und sichtbar trug er ein Schwert an seinem Gürtel, direkt neben einem schweren Beutel, der an seiner linken Seite herunterhing. Er hatte eine Kapuze an, die sein Gesicht vorm Regen schützte und seine Züge unkenntlich machte. Im Gehen blickte er kurz nach links und rechts - offenbar, um sich zu vergewissern, dass niemand da war. Einmal musste das jeder glauben, der ihn sehen würde. Niemand konnte die Banditen sehen, die sich mit Wurfspeeren und Steinschledern hinter den Holzblöcken versteckt hatten. Gut verstecken konnten sie sich, und Longinus beschleunigte seine Schritte in der Gewissheit, dass niemand die versteckten Elefanten sehen könnte.
    Vor dem Germanen blieb er stehen. Langsam nahm er seine Kapuze ab und grinste den Mann an. "Heilsa.", meinte er. "So sogt's ihr Germanen doch, oda? Nun, Arbogastus ist ein Unfall zug'stoßen, hot mir a Vögelchen 'zwitschert! So wos Dummes auch. Tja, so is' des Leben." Er nickte auf den Sack zu, den der Germane wohlverschlossen in seiner Hand hielt. "Du host a' G'schenk fiar mich? I' a'." Er deutete auf seinen Beutel. "I' hoit mi' an Vereinbarungen. So machen's Ehrenmänner."
    Herausfordernd blickte er den Germanen an. "Wer gibt zuerst sein G'schenk her? Wos meinst du?"

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