Domus des Tribunus Angusticlavius Iunius Silanus


  • Die Stabsoffiziere einer Legion genießen besondere Privilegien. Das zeigt sich auch an ihren Unterkünften, die sich sehr von denen der einfachen Soldaten und Mannschaftsoffiziere unterscheiden. Ihnen stehen eigene Häuser zur Verfügung, die wenig mit der sonstigen Kasernenbebauung gemein haben, sondern stattdessen sehr stark den typisch römischen, städtischen Atriumhäusern ähneln. Wie bei diesen gliedern sich fast alle Räume um ein zentrales atrium, mit im Boden eingelassenem Wasserbecken (impluvium) und einer damit korrespondierenden Dachöffnung (compluvium). Auch die weitere Raumnutzung, mit z. B. fauces (Eingangsbereich), tablinum (Wohnraum), triclinium (Esszimmer) und cubiculum (Schlafzimmer), gleicht der ziviler Stadthäuser. Jedem Tribun steht ein eigenes Haus zu, in dem er zusammen mit seiner Familie und dem Hauspersonal wohnt. Die Tribunenhäuser befinden sich an der via principalis und zwar auf der Straßenseite, die der principia gegenüber liegt.


    Das ist das Haus von Tribunus Angusticlavius Lucius Iunius Silanus.


  • Im Laufe des Nachmittags trafen schließlich auch Silanus Sklaven gemeinsam mit seinen Habseligkeiten im Castellum der Legio XXII ein und wurden unverzüglich zu ihrem neuen Heim gebracht. Der junge Tribun wartete bereits ungeduldig im Atrium des Hauses und hatte die bisherige Zeit damit verbracht, das Gebäude und seine Räume zu besichtigen. Erfreut nahm er die Ankunft seines Haushalts zur Kenntnis und begann sofort gemeinsam mit dem Maiordomus die Räume einzuteilen und seine Wünsche bezüglich der Einrichtung und Ausstattung bekannt zu geben.


    Er selbst hatte in den nächsten Tagen bestimmt kaum die Zeit sich selbst darum zu kümmern, und so musste er sich voll und ganz auf seine Sklaven verlassen, die jedoch bereits sehr lange im Dienste seiner Familie standen. Daher machte sich der Iunier kaum Sorgen darüber und war sicher, dass die Sklaven diese Leerstehende Casa in wenigen Tagen in ein wohnliches und Gemütliches zu Hause verwandeln würden. Mit seiner Beförderung zum Tribunus Angusticlavius ging auch eine wesentliche Erhöhung seines Soldes überein und so sollte es bestimmt nicht am Geld liegen, das Tribunenhaus auch dementsprechend herrichten zu lassen. Silanus selbst machte sich auf den Weg das Castellum zu besichtigen und überließ alles seinen Angestellten.

  • Da Silanus eigentlich in seinem Haus in Alexandria wohnte, war er nur selten im Tribunenhaus des Castellums anzutreffen. Er nutzte es meist nur für kleine Erholungspausen tagsüber oder für kurzfristige Übernächtigungen, wenn sein Dienst bis in die Nachstunden gedauert hatte und ihm der Weg nach Alexandria zu mühsam war. Als der Scriba Personalis an diesem Tag an der Eingangstüre des Tribunenhauses klopfte, öffnete ihm ein Haussklave.


    "Ja bitte?"

  • Der Ianitor schüttelte den Kopf.


    "Tut mir Leid Centurio, doch der Tribun befindet sich meines Wissens nach in der Principia. Versuche es doch bitte in seinem Officium, wenn du ihn persönlich sprechen möchtest. Wenn nicht, dann richte ich ihm auch gerne etwas für dich aus."

  • Ein Sklave trat in das Büro des Iuniers und überbrachte ihm ein Schreiben, dass von seinem Haus in Alexandria nach Nikopolis weitergeschickt wurde. Silanus nahm es entgegen und entrollte es. Sein Gesicht spiegelte große Verwunderung wieder, als er den Absender las - Iullus Iunius Piso, ein entfernter Verwandter aus Achaia. Er hatte ihn schon ewig nicht mehr gesehen. Rasch überflog er die Zeilen, übersprang dabei diverse Freundlichkeitsfloskeln um schneller zum eigentlichen Inhalt zu kommen und las halblaut vor sich her.


    "Geschätzter Silanus,


    ich entsende dir die herzlichsten Grüße aus Achaia und hoffe, dass es dir im entfernten Alexandria gut geht. …..………Du wirst dich bestimmt darüber wundern, warum ich dir schreibe und ich möchte auch gleich zu Beginn meines Briefes sagen, dass es dich keineswegs besorgen muss. Es handelt sich um keine traurige oder negative Nachricht, ganz im Gegenteil."


    Er wunderte sich tatsächlich und überflog wieder weitere Zeilen, um endlich herauszufinden, was passiert war.


    "……Leider sind wir zu weit von einander entfernt, sonst hätte ich viel Lieber das persönliche Gespräch mit dir gesucht, doch da dies nicht möglich ist, habe ich mich für diesen Weg entschieden………."


    Bei den Göttern! Warum kam der Mann nicht endlich zum Punkt. Silanus überflog wieder einige Zeilen die berichteten, wie es Festus Familie ging und was sich in Achaia tat und wie sehr er Silanus schätzte und seinen Aufstieg bewunderte. Schließlich kam er zu einem Satz, bei dem ihm fast die Kinnlade hinunterfiel.


    "….. Ich möchte dir eine Heirat mit meiner Tochter Narcissa vorschlagen."


    Der Iunier konnte nicht glauben was er da las. Eine Heirat mit Pisos Tochter Narcissa? Er hatte sie zuletzt im Kindesalter gesehen und konnte sich nur schemenhaft an sie erinnern. Damals war sie seines Wissens eine ziemlich verwöhnte Göre, mit der er sich nicht wirklich verstanden hatte. Sie musste ungefähr in seinem Alter sein. Rasch las er weiter.


    "….. Sie freut sich bereits darauf dich kennen zu lernen und sie wird nach einer positiven Antwort sofort ihre Reise zu dir antreten……… Mir selbst ist es aus gesundheitlichen Gründen derzeit nicht möglich mit zu kommen. Meine Ärzte sagen das es ernst um meinen Gesundheitszustand ist und daher ist es mir wichtig, meine Tochter in guten Händen zu wissen…….. Mit der Hochzeit währe selbstverständlich ein großzügige Mitgift verbunden, die ich bereits vorbereiten lasse…..


    ……. Ich hoffe du nimmst mein Angebot an und freuen uns darauf, bald von dir zu hören……."


    Silanus legte den Brief vor sich auf seinen Schreibtisch und starrte auf den Absender. Er hätte mit allen gerechnet, allerdings nicht damit. Iunius Piso bot ihm seine Tochter zur Heirat an. Sie waren zwar verwandt, aber entfernt genug um das möglich zu machen. Um Geld ging es Silanus dabei nicht. Eine Mitgift war zwar eine positive Nebenerscheinung, aber er hatte mittlerweile einen Status erreicht, bei dem er sich keine Gedanken mehr um Geld machen musste. Als Tribun verdiente er genug. Doch diese Gedanken wischte er rasch wieder beiseite und kam zum wesentlichen zurück. Nicht nur, dass ihm dieses Angebot vollkommen unvorbereitet traf, hatte er erst die letzte große Enttäuschung hinter sich und wusste nicht, ob er bereits bereit war, etwas Neues zu beginnen. Er lehnte sich zurück und schloss die Augen.

  • Nach einiger Zeit des Überlegenes und Sinnierens öffnete er wieder seine Augen und seufzte. Es sprach eigentlich nichts dagegen sich Narcissa einmal anzuschauen. Er wollte nach Rom und die Sache mit Axilla war von ihr aus eindeutig beendet. Das beste war in dieser Situation wohl sich abzulenken und an die Zukunft zu denken. Silanus ließ einen Scriba kommen und begann ihm ein Schreiben zu diktieren. Es war die Antwort an Piso. Er ließ ihm darin ausrichten, dass er noch keine Zusagen machen könnte, aber das es ihm eine Freude wäre Narcissa kennen zu lernen. Nach kurzem Überdenken kam er auch zu dem Entschluss das es wohl am besten war, wenn Narcissa direkt nach Rom reiste. Silanus rechnete bereits fix mit seiner Rückkehr nach Rom, ob mit oder ohne Posten. Man könnte sich dann dort treffen und die junge Frau musste nicht den umständlichen Umweg über Alexandria nehmen. Dann folgten noch ein paar Höflichkeitsfloskeln und kurz gehaltene Informationen über Silanus Befinden und schließlich noch seine Unterschrift und sein Siegel.


    "Mache mir eine Abschrift und lasse diesen Brief dann nach Achaia übermitteln."


    Er reichte seinem Scriba auch das Schreiben Pisos und lehnte sich zurück in seinen Stuhl. Das Leben brachte in letzter Zeit viele Wendungen für ihn und manchmal hatte er sogar das Gefühl, dass die Götter mit ihm irgendein Spiel treiben mussten. Es war ein ständiges auf und ab. Während der Scriba den Raum verließ um seine Aufträge zu erfüllen, wandte sich Silanus wieder einige anderen Schreiben zu, die auf ihn warteten.

  • Die Wagen mit dem letzten persönlichen Einrichtungsgegenständen und Habseeligkeiten des Tribuns waren vor wenigen Minuten in Richtung Alexandria aufgebrochen. Gemeinsam mit einem Scriba aus der Verwaltung ging er noch einmal durch die leeren Räume des Tribunenhauses. Alles sollte seine Ordnung haben und so wurde jeder Raum noch einmal abschließend begutachtet. Für Silanus war es nebenbei auch noch einmal die Möglichkeit nachzusehen, ob alles verladen war und nichts zurück blieb. Ansonsten war er nur wenig Wehmütig über den Umzug. Die meiste freie Zeit hatte er in Alexandria verbracht und zu diesem Haus hier daher nur wenig Bezug aufgebaut. Vielleicht hatte der nächste Tribun der hier einzog ja wesentlich mehr Interesse.


    Als alles erledigt war, wurde der Tribun vom Scriba noch nach draußen begleitet. Dort wartete bereits eine kleine Anordnung Reiter sowie Silanus Pferd. Er verabschiedete sich freundlich, stieg auf und machte sich auf den Weg nach Alexandria.

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