Audienz für Exegetes Nikolaos Kerykes

  • Nikolaos trat ein. Inzwischen kannte er diese Hallen schon recht gut. Auch der Umgang mit dem Eparchos war ihm nicht mehr fremd. Daher war seine Haltung selbstsicher und aufrecht. Dennoch ließ er es natürlich am nötigen Respekt und am dezenten Kratzfüßeln nicht fehlen.
    "Salve, Praefecte.", sagte er wie immer überaus höflich, als er vor dem Eparchos stand. Zwar hatte dieser nach einer Abordnung der Pyrtanen verlangt, doch der Exegetes war allein gekommen. Die anderen Pyrtanen schienen es vorzuziehen, diese Aufgaben allein dem Exegetes zu überlassen. Das ärgerte diesen ein wenig, da er so viele lästige Pflichten hatte, doch gerade der Umgang mit dem Stellvertreter des Basileus war ein Stück Macht, das er nicht gerne teilen wollte.

  • “Salve Nikolaos Kerykes!“, begrüßte ihn Germanicus Corvus freundlich.
    “Ich gratuliere dir zu deiner Wahl. Es freut mich wirklich außerordentlich. Das Volk von Alexandria hat gut gewählt. Du wirst es ohne Zweifel würdevoll und klug vertreten.“

  • Nikolaos lächelte freundlich auf die Bemerkung des Eparchos hin. "Ich danke dir, Praefecte.", antwortete er. Dann wartete er darauf, was das eigentliche Anliegen des Eparchos wäre. Nur um ihn zu beglückwünschen hätte er ihn sicher nicht kommen lassen... . Er hoffte, dieses Anliegen wäre nicht mit unangenehmen Dingen oder viel zusätzlicher Arbeit verbunden. Wobei er in dieser Pyrtanie im Vorteil war, gewisse lästige Aufgaben an die niederen Pyrtanen abzuschieben, selbst wenn sie eigentlich gleich waren. Er hoffte auch nicht, dass es Ärger in irgendeiner Form gab. Doch das hätte er wohl am Tonfall des Eparchos erkannt.

  • “Leider…“, begann der Präfekt den eigentlichen Grund für ihr Treffen anzusprechen: “Leider gibt es in diesen Tagen nicht nur erfreuliche Nachrichten. Es gibt sehr traurige Kunde aus dem Osten.“
    Er sah den Exegetes jetzt sehr ernst an.
    “Lucius Ulpius Iulianus…, er ist gestorben, gefallen in der Schlacht, wie man mir sagte.“

  • Nikolaos erbleichte unter seiner Kalkschminke. Ein Zittern fuhr durch seine Lippen. Zwar war ihm der Basileus, ob nun göttlich oder nicht (Nikolaos vermutete eher das zweite) eher gleichgültig, doch sollte es bei den Rhomäern um Gerangel um die Nachfolge des Basileus kommen, hätte dies auch Auswirkungen auf die der Polis Alexandria benachbarte Provinz Aigyptos. Nikolaos hörte sich die Worte des Eparchos zuende an, dann blickte er ihn eine Zeit lang schweigend in die Augen.
    "Diese Nachricht erschüttert mich sehr", sagte er schließlich mit gedämpfter Stimme. Seine Lippen hatten sich wieder beruhigt. Man konnte dem Exegetes sichtlich die Angst anmerken, die ihn in diesen Augenblicken peinigte. "Mögen die Götter dem Göttlichen gnädig sein.", fügte er hinzu und schwieg danach wieder. Er wartete nun darauf, dass der Eparchos selbst von der Betroffenheit hinzu den Vorkehrungen überging, die getroffen werden müssten, um die Ordnung nicht zu gefährden.

  • “Die Nachricht hat uns alle erschüttert.“, sagte Germanicus Corvus und machte dabei ein gewichtiges Gesicht.
    “Es ist ein großer Verlust, für Rom ebenso wie für Alexandria.“


    Er machte eine kurze Pause. Ihm war natürlich bewusst, dass er alles vermeiden musste, was bei seinem Gegenüber Zweifel an der Zukunft und der Stärke Roms heraufbeschwören konnte. Er musste das Machtgefüge im Römischen Imperium als fest, stabil und berechenbar darstellen um jeden Verdacht von Uneinigkeit an der Spitze zu zerstreuen.


    Darum fuhr er fort:
    “Glücklicherweise ist er nicht von uns gegangen, ohne zuvor seine Nachfolge zu regeln, und dass hat er in der gleichen Größe getan, wie er gelebt und regiert hat. Sein Sohn, der Caesar, soll an seine Stelle treten. Sein Name ist Gaius Ulpius Aelianus Valerianus und er ist ein siegreicher Heerführer. Auch wird er ganz bestimmt für Alexandria dieselbe Liebe empfinden wie sein Vater.
    Es gibt also nur Grund zur Trauer, aber keinen Grund zur Besorgnis. Alles ist bestens vorbereitet und Valerianus Ernennung unumstritten.“


    Es war natürlich reine Spekulation, dass Ulpius Aelianus Valerianus auch nur irgendwelche Gefühle für Alexandria hegte. Corvus hatte noch niemals mit dem Mann gesprochen und was er über diese Stadt, die Provinz, ja, was er überhaupt so dachte, dass wusste Corvus nicht.
    Was er wusste war, dass dieser Mann nicht nur der adoptierte Sohn des alten Kaisers, sondern auch der leibliche Bruder seines Patron und der Vetter des Iuridiculus war.


    Das erwähnte er dann auch noch und zwar genau so:
    “Er ist übrigens der Vetter des Iuridiculus.“

  • Nikolaos Gesicht fand seine Farbe wieder. Ein großer Unterschied dürfte jedoch unter der Kalkschminke nicht zu bemerken gewesen sein. Die Muskulatur seines Gesichts entspannte sich.
    "Ich werde veranlassen, dass dem göttlichen Basileus schon bald im Kaisareion geopfert wird.", sagte er, nun wieder mit fester Stimme. Nikolaos war froh, zu hören, dass die Stabilität offenbar nicht gefährdet war, doch er zeigte seine Freude nicht offen, sondern schminkte sie mit einer guten handvoll geheuchelter Trauer, die erstaunlich echt wirkte. "Es ist gut, dass die heilige Trauer um den göttlichen Basileus nicht befleckt wird von Sorgen um seine Nachfolge.", sagte Nikolaos. "Wird der Caesar und baldige Kaiser die Provinz Aegyptus besuchen?" Dass dieser mit dem Ioridikolos verwandt war, beunruhigte ihn, schließlich hatte er diesen Ioridikolos vor weniger Zeit höflich aber bestimmt in seine Schranken gewiesen. Doch er war sich sicher, die Rhomäer würden es nicht darauf ankommen lassen, die vermeintlich freie Polis zu beleidigen.

  • Germanicus Corvus quittierte die Ankündigung eines Opfers im Kaiserion mit einem zustimmenden Nicken.


    “Ich wäre dir auch ganz besonders verbunden, wenn du deinen Amtskollegen diese Nachricht überbringen würdest und wenn das Koinon dann das alexandrinische Volk informiert. Ich denke, dass wäre nur angemessen.“


    Von den Plänen des designierten Nachfolgers wusste Corvus hingegen nichts.
    “Ob Ulpius Aelianus Valerianus sehr bald nach Alexandria kommt, dass kann ich nicht sagen. Allerdings wird ihn seine erste Reise ganz gewiss nach Rom führen, wo ihn der Senat ehrenvoll empfangen wird. Das Weitere müssen wir dann abwarten.“


    In Wahrheit glaubte Corvus allerdings nicht, dass Valerianus sich sehr bald in Aegyptus blicken lassen würde. Die Provinz war wichtig und Alexandria war eine bedeutende Stadt. Aber um die Macht zu erringen und zu festigen, brauchte der neue Mann Rom und die Legionen und hier in Aegyptus gab es zurzeit nur eine einzige, während zum Beispiel in Germania sieben standen. Was das betraf, war selbst Britannia mit seinen drei Legionen wichtiger.

  • "Ich hoffe, diesen ehrenwerten Mann bald in Alexandria begrüßen zu dürfen.", sagte Nikolaos höflich wie beinahe immer. "Gibt es noch etwas, was wir besprechen müssten, oder kann ich das Koinon zusammenrufen, um diese traurige Nachricht zu überbringen?"

  • "So lebe wohl, Praefecte.", sagte Nikolaos. Die Beschwerde über den Ioridikolos würde er zu einer anderen Gelegenheit vorbringen, wenn er sie bis dahin nicht vergessen hätte. "Ich werde dich davon unterichten, wenn das Opfer dargebracht worden ist.", sagte er, schon halb im Gehen.

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