• Geminus hatte das Forum Romanum erreicht. Zunächst war ihm das Laufen wirklich schwer gefallen, doch mit jedem Schritt ging es besser. Man hatte ihn mehr als nur entgeistert angeschaut. Ein Senator in Toga und das zu Fuß und wacklig auf den Beinen und ganz allein.


    Er hätte das Ding zu Hause lassen sollen. Für den Rückweg würde er mit Sicherheit einen Tragstuhl mieten. Sein eigener war ja wegen Trägermangel lahmgelegt. Seis drum ...


    Die Stimmung in Herz der Welt schien seltsam. Auch die Leute, die ihn entgeistert angesehen hatten waren nicht so entsetzt wie gedacht. Ein entwurzelter und aufgelöster Senator schien nicht unpassend zu sein. Überhaupt war die ganze Stimmung gedrückt. Jeder hastete wortlos dahin und überhaupt waren sehr wenige Leute auf den Beinen. Eine bedrückende Stimmung, trotz Sonnenschein.


    Bald hatte Geminus einen dürren Griechen entdeckt, der ihm für ein paar Asse eine Abschrift der Acta verkaufte. Auch diese Wucherer nahmen Geld normalerweise deutlich glücklicher entgegen, als dieser griesgrämige Zeitgenosse. War eine Feuersbrunst über Rom gegangen? Er würde es ja gleich lesen.


    Doch zuvor ein schönes Plätzchen suchen. An der Umfassungsmauer vorbei und an der Säulenreihe ... ein Architravstück verbunden .... schön gearbeitet. Forum Transitorium oder Forum Nervae. Diesem kaiserlichen Könner. Eine Leistung hatte es jedenfalls vollbracht. Trajan adoptieren.


    Nun würde er dessen Forum als Lesesaal nutzen.

  • Es hätte ihm eigentlich sofort auffallen müssen. Doch diese Stimmung hatte ihn abgelenkt. Abgelenkt gleich von Satz eins der Ausgabe. das Symptom hatte ihn von der Ursache fern gehalten. Es traf ihn wie ein Schlag in die Magengrube ...


    .... "Der Kaiser ist tot", .......


    Julian ist tot? Stürzt denn die ganze Welt ein?


    .... so tönt es in diesen Tagen durch alle Provinzen, durch alle Städte, durch alle Straßen und Gassen. Die meisten Truppen sind bereits auf den vom Kaiser bestimmten Nachfolger, den ehrenwerten Caesar Gaius Ulpius Aelianus Valerianus, eingeschworen worden. ....


    Zumindest scheint die Nachfolge sicher. Valerian ist stark, als militärischer Führer etabliert. Aber in die römische Stadtpolitik hat ihn Julian nie auch nur annähernd genug eingeführt.


    ..... Die Mächtigen und Reichen, die Senatoren und Legaten, sie alle scheinen fest hinter dem Caesar zu stehen und ihn zu unterstützen. ....


    Das steht zu hoffen, ja.


    .... Zugleich sieht man allerorts dunkle Kleidung und traurige Gesichter, wohin das Auge auch blickt. Doch was denken die Menschen? Was denkt das Volk? Was fühlen sie, die Händler, Tagelöhner, die Magistraten und Soldaten, die Beamten, die Reichen und die Schönen? Wie sieht ihr Blick in die Zukunft aus? .....


    Daher diese Grabesstimmung in der Stadt.


    .... Die Acta Diurna hat einige von ihnen befragt.


    Ein ehemaliger Gladiator gestand uns mit feuchten Augen: "Er gewährte mir das hölzerne Schwert. Das war der großartigste Augenblick in meinem Leben. Ich habe ihn wirklich gemocht. Den neuen kenne ich nicht. Ich hoffe, er ist so wie sein Vater."


    "Oh, ist das nicht furchtbar? Unser guter Kaiser! Ich könnte Tag und Nacht weinen! Nein, vom neuen weiß ich nicht viel. Ist er nicht Soldat?", fragte eine alte blinde alte Frau, die vor ihrer Casa saß und fleißig feinste Wolle sponn.


    "Ich habe es ja schon immer gesagt! Bürger Roms, habe ich gesagt, eines Tages wird der Kaiser sterben! Aber auf mich wollte ja keiner hören! Jetzt habts den Salat ... pah!" raunzte uns Gaius Secundus* an, ein Tagelöhner aus Rom. ....


    Ein wahrer Prophet.


    .... "Eine Katastrophe ist das, sag ich euch. Eine furchtbare Katastrophe! Der Caesar macht’s nicht mehr lange, der ist doch krank. .....


    Eine zusätzliche Schwäche. Grade in dieser schweren Übergangszeit.


    .... Jetzt schwören sie ihm alle brav die Treue, aber heimlich wetzen sie schon die Messer für den Tag, an dem er stirbt. Und dann haben wir hier Krieg. Krieg, sag ich euch! Und zwar mitten in EUREM atrium! Müsst nur gucken, wer in der nächsten Zeit mit wem dauernd zusammenhängt." war die Meinung eines ausgesprochen pessimistischen Fischhändlers hierzu. ....


    Manch einer nennt den Mann einen Pessimisten, hoffentlich entpuppt er sich nicht als Realist.


    .... "Der Iulianus war ein großartiger Mann! Wirklich großartig! Aber ich bin ja der Meinung: Der Valerianus, der wird noch viel großartiger sein! Was für ein Mann! Ich sah ihn einmal vor einigen Jahren. Da ritt er ganz nah an mir vorbei. Fast in Ohnmacht gefallen wäre ich!" Das hätte die schöne, edle Dame beinahe nachgeholt, doch das Schlimmste konnte gerade noch verhindert werden. ......


    Weiber.


    .... "Ist mir doch egal, wer da oben sitzt. Kannte den alten nicht, kenne den neuen nicht. Für uns bleibt ja doch alles gleich." Aus der Sicht eines Sklaven ist diese Äußerung sicherlich verständlich.


    Ein Soldat erklärte uns: "Der ist wirklich in Ordnung, der Valerianus. Nur ob er so mit den Senatoren kann? Ich weiß ja nicht. Ich glaube, das hatte der Iulianus besser drauf." .....


    Der musste das auch erst lernen. Und er musste sich seinen hron ja auch erstmal wiederholen.


    .... Eine arg verklärte Dame mit wallendem Haar und stahlblauen Augen berichtete uns in einem sonderbaren Singsang: “Die Welt ist im Wandel. Ich spüre es im Wasser. Ich spüre es in der Erde. Ich rieche es in der Luft. Vieles, was einst war, ist verloren, da niemand mehr lebt der sich erinnert… “ Hier hat unser Reporter die Befragung abgebrochen und darauf geachtet, lediglich die gut besuchten und beleuchteten Straßen für den Heimweg zu nutzen.


    Traurig sind sie, die Menschen. Über den Tod eines Mannes, der die Geschicke Roms mit weiser und auch fester Hand über viele Jahre hinweg lenkte. Ein Mann, der für Sicherheit und Ordnung sorgte und der jeden Römer wie sein eigenes Kind liebte.


    Trauert, ihr Römer, gleich welchen Standes ihr auch angehören mögt.
    Trauert, wie es unserem geliebten geschiedenen Kaiser Iulianus gebührt.
    Und traure auch du, Rom, du ewige Stadt, ganz gleich, wie viele Kaiser du noch sehen magst. .....


    Julian tot. Welch Jammer. Wie viele ulpische Kaiser würde er noch erleben? Er erinnerte sich noch gut, als Julian aus dem Schatten Trajans trat, dessen Tod er geschworen hatte zu rächen. Das ulpische Kaiserhaus wieder zu errichten. Zunächst hatten ihn die Republikaner beschwatzt, klein gemacht und versucht ihn vor ihren winzigen, geringen Karren zu spannen. Doch er hatte seine kaiserliche Natur nicht lange unterdrücken können. Er hatte rebelliert gegen den republikanischen Sumpf und Rom seinen Imperator wiedergegeben. Hispania Occupata. Fast keine Getreuen, nur Verrat von alten Weggefährten. Doch er verzagte nicht. Er leistete Widerstand. Zunächst nur die Legio Prima und dann immer mehr Truppen standen zu ihrem Eid. In Gallien hatten nur vereinzelte Gegner sich gezeigt. Der Purpur hatte seine Neider bald hinweggefegt. Und der stolze Adler breitete erneut seine Schwingen aus und ließ die Welt erzittern.


    Ein großer Mann hat uns verlassen.

  • Vermutlich eine deutliche Anzahl von Tagen später war es, als sich ein Mann in einfacher Reisekleidung auf das Forum schob. Eine lange Reise aus Britannia hatte er hinter sich, um im Auftrag des dortigen Statthalters vor Ort Informationen darüber einzuholen, was sich in Rom bezüglich der Nachfolge des Kaisers tat. Schnell hatte er die nötigen Aushänge gefunden, sowohl die Edikte des Senates als auch die Schriften der Acta Diurna. Innerhalb kürzester Zeit konnte er sich so ein umfassendes Bild machen. Rom war eben doch etwas anderes als die verregnete britische Insel.


    Zufrieden mit seinen ersten Ergebnissen suchte er sich eine Taberna mit Unterkunftsmöglichkeit, denn er würde sicher noch einige Tage in Rom bleiben und weitere Informationen sammeln, bevor er zurück nach Britannia reisen würde.

  • Der Mann ging gemächlich über das Forum. Hier und da blieb er stehen, hörte eine Zeitlang den Ausführungen und Gesprächen zu und schlenderte dann weiter.


    Er war ein durchschnittlicher Mann, etwas kleiner als die Meisten, dunkelbraune Haare, normale Figur, eben ein durchschittlicher Passant auf den Plätzen und Strassen Roms.


    Er blieb an Aushängen stehen, überflog sie oder lass sie genauer. Er machte den Eindruck eines Mannes der es nicht eilig hat, mäßig an seiner Umgebung interessiert war und eher die Zeit todschlug als ein Ziel zu verfolgen.


    Der Mann, Scorfa war sein Name, passte einfach in das Bild der Strassen und Plätze. Scorfa, das war nicht der Name mit dem er gebohren worden war. Es war ein Rufnamen, den er irgendwann einmal erhalten hatte, und der hängen geblieben war. Aber das war auch nicht wichtig, da sein eigentlicher Name auch nur dazu gedient hatte, ihn von anderen zu Unterscheiden.


    Scorfa war ein typischer Gelegenheitsarbeiter, Tagelöhner, Überlebenskünstler, der sich mit Gelegenhietsarbeiten, Kurzeitbeschäftigungen, manchmal am Rande der Legalität, Botendienste durch das Leben schlug.


    Rom war ihm vertraut, auch wenn er schon in anderen Teilen des Imperiums unterwegs gewesen war. Er hatte mal eine Zeitlang als Hilfskraft auf einem Schiff gearbeitet, hatte Händlerkaravanen als Ochentreiber begleitet und ähnliches.


    Zur Zeit ging er einer anderen Beschäftigung nach. Einer eigentlich ganz angenehmen. Die Augen und Ohren offen halten. Nichts illegales, nichts allzu anstrengendes, dachte er bei sich. Es war eher Zufall das er zu dieser Tätigkeit gekommen war.


    Vor kurzem hatte er gehört, das die Legio I wieder in Italien sein sollte. Ein Teil davon sogar schon bei Rom. Auf dem Marsfeld sollen sie ein Lager aufgeschlagen haben. Der Legat sollte auch dabei sein. Nicht das ihn selbst da sonderlich interessierte, aber er vermutete, das sein Auftraggeber genau so was wissen wollte. Der Krieg war also beendet, schlussfolgerte er. Das wiederum interessierte ihn nur insoweit, das er normalerweise Regionen mit Krieg und Unruhen weiträumig umging.
    Er sollte wohl des nächstens zum Marsfeld gehen und sich selbst ein Bild machen.


    Es wurde wärmer und so kam sich Scorfa zu der Überlegung, das wenn tatsächlich Soldaten nach einem Feldzug da waren, das diese sicherlich auch in Tavernen anzutreffen waren. Tavernen waren besser als ein langer Weg zum Marsfeld.
    Und vielleicht erfuhr er da auch noch anderes Interessantes für seinen Auftraggeber.


    Das er für so was bezahlt wurde, war eigentlich fast zu schön um wahr zu sein. Er sollte doch darüber nachdenken wie, er dieses Dienstverhältniss noch ein bisschen ausdehnen konnte. Es war in seinem Leben nicht oft vorgekommen, das er einmal ein paar Sesterzen übrig hatte und sich die etwas besseren Tavernen leisten konnte.


    Der Mann schaute sich noch einmal um, und nahm dann seinen Gang über das Forum wieder in Richtung Mercatus auf.

  • Der Mann schlenderte wieder über das Forum, hörte die Reden und lauschte den Kommentaren.


    Der Mann kam zu dem Schluß das er genug erfahren hatte, um Bericht zu erstatten. Er hatte sich auf dem Forum umgehört, in den Kneipen und Gasthöfen getrunken und geplaudert. Sich in den meisten Vierteln herumgetrieben.


    Es war Zeit sich auf den Weg zu machen.

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