[mathésis] Einführung in die Stoa

  • Wie auch schon die angekündigte Veranstaltung des neuen Gelehrtens, dessen Name in Nikolaos unangenehme Erinnerung weckte, würde er auch die des anderen neuen Gelehrten aufsuchen, wenn sie stattfände. Auch dieser Name kam ihm bekannt vor, Kassandros, das war doch der Sarapis-Jünger, dachte Nikolaos. Ihn interessierte allerdings, was dieser mit der Stoa am Hut hatte.

  • Am Tag der ersten Lesung war ich bereits pünktlich vor Ort. Ich bereitete mich gründlich vor und beobachtete jeden Hörer der kam. Es waren sogar ein paar mehr als ich gedacht hatte, ich hoffte nur das sie niemand eingeschlichen hatte, der mich mit dummen oder dreisten Fragen löchern würde. Als die Zeit gekommen war, klopfte ich laut mit er Hand auf einen Tisch, bald kehrte Ruhe ein und ich begann...


    Chaire verehrte Hörer und Hörerinnen,es freut mich das Sie sich pünktlich hier eingetroffen habe, so können wir gleich beginnen…


    Die Stoa, oder auch Stoizismus genannt, ist eine der einflussreichsten Philosophen der Welt. Gegründet wurde sie 300 v.Chr.* von Zenon von Kition in der Säulenhalle (Stoa) der Agora von Athen. Dieser Gründungsort war schließlich namensgebend.


    Die Stoa entwickelte sich also historisch recht zeitgleich mit dem Hellenismus, reicht aber bis heute. Auch der Einfluss der Stoa auf die Römer ist kaum zu unterschätzen. So seien hier vor allem die beiden bekannten römischen Stoiker Lucius Annaeus Seneca und Gaius Musonius Rufus genannt. Doch nun genug der Geschichte, diese werden wir später genauer behandel.


    In der Stoa zeichnet sich besonders durch eine ganzheitliche Kosmologie aus, in der alle Ereignisse in der Natur aufgrund eines monübergeordneten göttlichen Prinzips geschehen und somit Teil einer göttlich-kosmischen Ordnung sind. Damit ist das Weltbild der Stoiker durch den Pantheismus, also den Allgottglaube, gekennzeichnet, ist aber ebenso materialistisch, denn sie kennt nur körperliche Dinge.**


    Der Grundstock der Ethik der Stoa folgt eben aus dieser Kosmologie. Mit ihrer Hilfe soll der Mensch seinen Platz in der Ordnung des Kosmos finden und diesen dann ausfüllen. Nur so kann er ein glückliches Leben führen. Um dies zu erreichen, muss der Mensch jedoch Apathie, Autarkie und Ataraxie besitzen.


    Gibt es bis hierhin Fragen?


    Sim-Off:

    * Man verzeihe mir die christliche Datumsangabe, aber ich denke so ist es am einfachsten und man kann das hier auch außerhalb des Spieles gebrauchen.


    ** Dies stellt meiner Meinung durchaus einen kleinen Widerspruch dar, und der Meinung bin nicht nur ich, aber die Stoiker sahen das wohl durchaus so.

  • Nikolaos war unter den Zuhörern dieses Vortrags. Er hatte aufmerksam zugehört. Zunächst hatte er keine Fragen, doch dann warf der Gelehrte drei Begriffe in den Raum, ohne sie näher zu erläutern. Zwar waren sie Nikolaos durchaus geläufig, die Lehre der Stoa war ihm nicht völlig fremd, doch Nikolaos fand, dass man Begriffe erläutern sollte, denn schließlich hatte jedes Wort nur die Bedeutung, die der Zuhörer in ihm findet. Eine Zwischenfrage sparte er sich aber auf, vielleicht würde der Redner diese drei Begriffe noch weiter erläutern. Ein Ansatzpunkt für Spitzfindigkeiten hätte sich ohnehin nur im scheinbaren Widerspruch von Autarkia und dem Platz im Kosmos, dem großen Ganzen ergeben. Konnte denn ein Wesen in einem solchen System von Wirkungen und Ursachen Autarkia erreichen? Schließlich konnte sich Nikolaos nicht mehr beherrschen.
    "Eine Frage hätte ich: Hier ist einerseits davon die Rede, dass jedes menschliche Wesen einen Platz im Kosmos finden soll. Das lässt sich sicher mit Unerschütterlichkeit und der Freiheit von Leidenschaften und vom Leid selbst vereinbaren, auch die Epikurer sahen dies als eine Notwendigkeit für ein glückliches Leben an, wenn auch sie es auf anderen Wegen zu erreichen versuchten. Wer einen festen Platz im Kosmos hat, kann sicher unerschütterlich sein. Doch wie kann er Autarkia erreichen in einem großen Ganzen, einem System aus Wirkungen und Ursachen? Mit einer Handlung kann jeder doch die Geschicke vieler Menschen beeinflussen. Wenn ich einen toten Hund in einen Fluss werfe, so gibt es immer einen, der daraus trinken muss. Wird er krank davon, so verändert sich doch beinahe wie zwanghaft sein Leben. Zwar ist mir durchaus bewusst, dass die Stoiker vorsehen, dass sich ein Mensch weder durch Krankheit noch durch Tod ängstigen läßt. Jedoch gibt es auch Krankheiten des Leibes, die die Seele, wenn man von einer Seele sprechen möchte, verändern. Und nun gibt es bei den Stoikern keine Seele. Also muss der Leib alles sein oder etwas, dass eine Seele wäre, muss fleischlich und stofflich sein, lässt sich also durch die Stoffe der Gifte des toten Hundes verändern."

  • Ein Mann hatte offensichtlich eine Frage. Bei näherer Betrachtung erkannte ich den Mann, es war Nikolaos, er sprach mit ihm bereits über Serapis, auf seinem Landsitz. Seine Frage war auf jeden Fall sehr anspruchsvoll, aber eigentlich auch schon etwas zu komplex für die erste Veranstaltung.


    Auch wenn es gewisse Gebiete gibt in denen Stoiker und Epikureer ähnlich wirkende Ziele haben, so ist dies jedoch meist ehr eine Täuschung, denn für einen Epikureer ist die Lust die höchste Tugend, für einen Stoiker jedoch die Tugend, auch sehen die Epikureer in der Welt keinen Sinn, ganz im Gegensatz zu den Stoikern.


    Wie du richtig beschrieben hast braucht ein Mensch, um das Glück in seinem Leben zu finden den richtigen Platz im Kosmos. Um diesen wiederum zu erreichen bedarf es der Apathie, der Freiheit von Leidenschaften, der Autarkie, der Selbstgenügsamkeit und der Ataraxie, der Unerschütterlichkeit. Nur durch diese drei Säulen kann der Seelenfrieden erreicht werden.


    Wie du richtig feststellst, gibt es in dieser Welt viele Ursachen und Auswirkungen, welche auf uns wirken, oder welche wir auslösen. Einige davon empfinden wir als schlecht, andere als gut. Nun geht es doch aber genau darum sich von solchen Dingen zu befreien und sich nicht gegen die Dinge des Kosmos zu wehren.


    Stoiker glauben sehr wohl an eine Seele. Sie ist ein unabhängiger Teil der des göttlichen Feuers, dem Pneuma, und besteht aus einem warmen Hauch. Sie ist sehr wohl materiell vorhanden, nach dem Tod des Körpers besteht sie allein weiter, bis sie im nächsten großen Weltfeuer, wieder mit dem Pneuma vereint werden.


    Diese Seele ist noch nicht von Beginn beschrieben, sondern wird im Leben mit Sinneswahrnehmungen gefüllt, welche dann als Erinnerungen gespeichert werden. Durch deren Verknüpfung dann wiederum die Erfahrungen entstehen.


    Da der Logos, die Weltvernunft, durchdringt die gesamte Welt, also auch alle Kausalitäten, durchdringt, sind auch scheinbar selchte Ereignisse, welche die Wahrnehmung schädigen, nicht gegen diesen Logos.


    Was würde es nützen aufgrund dieser Dinge zu jammern? Nichts, es geht vielmehr darum seinen Platz einzunehmen, vielmehr sollte man mit der bekannten stoischen Ruhe reagieren.


    Dies entbindet den Menschen jedoch nicht völlig aus jeglicher Verantwortung, denn der Mensch kann kann über seine Triebregungen urteilen und befinden ob ihnen zu folgen ist, oder ob er sich von entfernen sollte. Chrysippos von Soli verglich solche Ereignisse mit dem Werfen einer Walze auf eine schiefe Ebene. Sicher hat der Werfer den Anstoß für das herabrollen der Walze gegeben, jedoch herabrollen tut sie letztendlich aufgrund der Beschaffenheit der Walze.


    Ich kratzte mir am Kopf, das war nun doch etwas länger und komplizierter geworden.


    Ich hoffe das konnte deine Frage beantworten?

  • "Manchmal führen Antworten zu neuen Fragen, O Kassandros!" warf Diagoras ein, der eigentlich nicht vorgehabt hatte, sich mit der Stoa herumzuprügeln. Aber weil er Nikolaos' Frage und dann die ersten Sätze von Kassandros Antwort vom Gang her vernommen hatte, wo er gerade sich philosophischer Muße hingebend perambulierte, stand er am Eingang gelehnt und lächelte.


    "Du hast gerade von der 'Lust' Epikurs gesprochen, als sei sie ein eklatanter Gegensatz zuden Zielen, die die Stoiker benennen. Was ist denn Deiner Meinung nach denn ene 'Lust' der Epikureer?"

  • "Letztendlich ist "Lust" bei den Epikurern nichts anderes als die Abwesenheit von Dingen, die Leid verursachen, also im Grunde eine ähnliche Apathia wie bei der Stoa.", fügte Nikolaos noch an. "Ich glaube, Kassandre, du hast den Epikurern eine gewisse hedoné als Ziel angehängt."

  • Anscheinend besuchten auch meine Kollegen meine Lesungen, was mich doch sehr erstaunte.


    Verehrter Diagoras, so spannend diese Frage auch sein mag, gerade in dieser Sitzung geht es um eine Einführung in die Stoa, sozusagen um die Grundlagen der Grundlagen, Fragen zur Lehre des Epikur und seiner Nachfolger haben hier wenig zu tun.


    Schon war die Ablenkung perfekt, denn auch Nikolaos begann darauf einzusteigen.


    Mir ist durchaus bewusst, dass wenn man den der Lehre des Epikureismus pure leibliche Genusssucht unterstellt, ihr damit unrecht tut. Dies habe ich hier aber weder behauptet, noch geht es hier darum. Kurz sei jedoch gesagt, dass nach der Lehre des Epikureismus das Leben letztendlich auf den Lustgewinn und die Meidung der Unlust gerichtet ist, dass lässt sich nun einmal nicht bestreiten. Ich denke damit sollte dieses Thema hier beendet sein.

  • Diagoras grinste und krabbelte mit der linken in seiner Ledertasche nach einem Apfel. "Der Vergleich mit der Lehre Epikurs stammt von Dir, O Kassandros. Und im Erkennen von Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen den einzelnen Lehren liegt auch ein großer Gewinn - nicht zuletzt in der der Lehre der hier vorgestellten Stoa, nicht?" Nicht wenige der anwesenden Jungen hatte schon heiße Ohren, kaum hatten sie das Wort "Lust" gehört. Wahrscheinlich rannten sie als nächstes zur Tafel mit der Liste der am Museion anwesenden Philosophen und suchten einen Epikureer, damit er ihnen im Lustgewinn Unterweisung geben möge. Diagoras biß ein Stück vom Apfel ab und epfand ganz unepikureische Lust, wie er fand.

  • Diagoras, auf was möchtest du hinaus? Den kurzen Vergleich zum Epikureismus habe ich angebracht und dabei, auch nichts falsch gemacht, es sei denn du möchtest mir hier das Gegenteil aufzeigen. Sonst möchte ich darum bitten zum Thema zurück zu kommen, denn auch dazu könnte es durchaus noch ernste Fragen geben. Wo wir dabei sind? Hat noch jemand welche? Sonst würde ich die Lesung schließen, die nächste Sitzung wird sich mit den Grundlagen der Physik und Kosmologie der Stoa beschäftigen. Und als Hinweis für die Interessanten einer bestimmten Thematik: Es wird auch eine einzelne Lesung folgen, welche den Stoizismus und den Epikureismus gegenüberstellt.


    Ich versuchte das jetzt hier zu beenden, ehe es in einen Diskurs ausartete, welcher hier nicht hingehörte und zu einschläfernden Wirkungen bei dem großen Teil der Hörerschaft gesorgt hätte.


    Sim-Off:

    ;)

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